Sosnowy Bor (Leningrad)
Sosnowy Bor ist eine russische Stadt, 80 km westlich von Sankt Petersburg an einer Bucht des Finnischen Meerbusens entfernt. Bis heute (Stand Mai 2006) ist Sosnowy Bor offiziell eine „gesperrte Stadt“, d.h. sie ist nur mit einer offiziellen Sondererlaubnis zu betreten. Grund ist das Kernkraftwerk von Sosnowy Bor, für das die Stadt gegründet wurde.
Das Atomkraftwerk besteht aus vier 1.000 Megawatt RBMK-Reaktoren, wobei die ersten beiden Böcke der ersten Generation und der dritte und vierte Block der zweiten Generation von RBMK-Reaktoren entsprechen. RBMK-Reaktoren der ersten Generation werden für die gefährlichsten Reaktoren der Welt gehalten, der in Tschernobyl verunglückte Reaktor gehörte zur zweiten Generation der RBMK-Reaktoren. Die ersten beiden Reaktoren gingen 1974 und 1975 ans Netz, der dritte und vierte Reaktor 1982. Im Block 1 kommt der erste jemals gebaute Reaktor vom Typ RBMK-1000 zum Einsatz. Geplant wurde die Anlage ab 1967, der erste Reaktor 1973, der letzte 1981 in Auftrag gegeben. Der Eigentümer und Betreiber des Kernkraftwerkes ist das staatliche Unternehmen Rosenergoatom. Laut der staatlichen Betreibergesellschaft Rosatom ist das Kernkraftwerk auf die Erzeugung von jährlich ca. 28 Milliarden Kilowattstunden Strom ausgelegt, 2004 erzeugte es laut Rosatom 24,279 Milliarden Kilowattstunden. 28 % des erzeugten Stroms werden in die Gegend von Sankt Petersburg geliefert und decken 50 % deren Strombedarfs. 25 % des erzeugten Stroms werden nach Finnland exportiert.
2003 wurden Reparaturarbeiten am Reaktor 1 des Atomkraftwerkes durchgeführt. Die russische Atomenergiebehörde, verlängerte die Laufzeit dieses Reaktors um 10-15 weitere Jahre. Seit Juni 2005 ist der Reaktor 2 heruntergefahren, da auch hier nach offiziellen Angaben eine "Generalreparatur" durchgeführt wird.
Im Mai 2006 legte der Chef der russische Atomenergieagentur Rosatom Pläne für einen Neubau mit sechs Reaktorblöcken vor. Diese sollen einerseits bis spätestens 2019 die derzeitigen vier Blöcke ersetzen, andererseits den wachsenden Energiebedarf des Raums Sankt Petersburg standhalten. Noch sind verschiedene Reaktortypen im Gespräch, Sosnowy Bor soll den Status eines „Experimental-Standortes“ bekommen. Die Bauarbeiten sollen um den Jahreswechsel 2007/2008 herum beginnen.
Umweltschäden
Laut russischen Umweltschützern der Organisation Green World zu folge haben Kiefern in einem Umkreis von 5 km von Sosnowy Bor drei Mal häufigere Zellerneuerungen als 30 Kilometer entfernt stehende. Dies sei ein deutliches Zeichen für schlechte Umweltbedingungen. Auch eine Langzeitstudie des Institutes für landwirtschaftliche Radiologie und Agroökologie hat Schäden am Kieferbestand um Sosnowy Bor nachgewiesen. Hinzu kommen große Schäden durch das warme Abwasser, welches in die Koporskaja-Bucht im finnischen Meerbusen gepumpt wird. Das warme Wasser bietet eine hervorragende Grundlage für Blaualgen, mehrere zig Millionen Fische sterben jährlich in den Wehren, was die Nahrungskette und das gesamte Ökosystem des Finnischen Meerbusens stark beschädigt.
Störfälle und Gefahren
RBMK-Reaktoren werden heutzutage meistens als sehr gefährlich eingeschätzt. Spätestens seit dem GAU in Tschernobyl sind viele konstruktionsbedingte Mängel deutlich. Laut Greenpeace gelten RBMK-Reaktoren als auf westliches Sicherheitsniveau nicht nachrüstbar [1]. Abgesehen von der großen Gefahr die solche Atomkraftwerke in sich bergen, ist bei Sosnowy Bor zusätzlich die Nähe zur Metropole Sankt Petersburg zu sehen. Nach dem GAU in Tschernobyl wurde die gleichnamige Stadt zu einer Geisterstadt, um die es bis heute eine große Schutzzone gibt. Die Folgen eines vergleichbaren Unfalls in der Nähe von Sankt Petersburg sind schlicht nicht vorstellbar.
Doch gerade wegen des Reaktortyps und den oft vernachlässigten Sicherheitsvorkehrungen gab und gibt es in Sosnowy Bor immer wieder Störfälle verschiedenen Ausmaßes. Bereits 1974 gab es die ersten Störfälle, bei denen unter anderem drei Menschen zu Tode kamen und hoch radioaktives Wasser in die Umwelt gelangte. Im Jahr darauf (1975) gab es einen größeren Störfall, bei dem sogar Brennelemente schmolzen, der Graphitblock glücklicherweise jedoch kein Feuer fing. 1992 brach eine Brennstoffröhre in Block 3. Die daraus entstandene radioaktive Wolke trieb zunächst nach Finnland, dann zurück und bis nach Zentralrussland. Spätestens seit diesem Vorfall kann man davon ausgehen, dass der Wald um das Atomkraftwerk verseucht ist.
2005 gab es einen Unfall in einer Metallhütte auf dem Gelände des Reaktors 2. Am 15. Dezember 2005 morgens um 3:00 Uhr explodierte der Schmelzofen. Radioaktivität wurde nicht frei gesetzt, durch den Metallauswurf wurden mindestens 3 Arbeiter verletzt, von denen mindestens einer an seinen Verletzungen starb. Das Büro von Greenpeace in Sankt Petersburg wies in diesem Zusammenhang nochmals auf die Gefahr hin, die eine Metallhütte auf dem Gelände eines Atomkraftwerks erzeugt. In der Metallhütte wurden leicht radioaktive Metalle aus dem Atomkraftwerk wiederverwertet. Der Reaktor 2 war zum Zeit des Unfalls auf Grund von Reparaturarbeiten heruntergefahren. Als Grund für den Unfall wurden Verstöße gegen die Unfallschutzbestimmungen angegeben.
Am 15. August 2006 wurde der erste Reaktorblock wegen eines Kurzschlusses automatisch vom Netz genommen und heruntergefahren.
Daten der Reaktorblöcke
Reaktorblock | Reaktortyp | Netto- leistung |
Brutto- leistung |
Baubeginn | Inbetrieb- nahme |
Netzsyn- chronisation |
Abschal- tung |
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Leningrad 1 | RBMK-1000 | 925 MW | 1.000 MW | 01.03.1970 | 21.12.1973 | 01.11.1974 | 2014 geplant |
Leningrad 2 | RBMK-1000 | 925 MW | 1.000 MW | 01.06.1970 | 11.07.1975 | 11.02.1976 | 2016 geplant |
Leningrad 3 | RBMK-1000 | 925 MW | 1.000 MW | 01.12.1973 | 07.12.1979 | 29.06.1980 | 2020 geplant |
Leningrad 4 | RBMK-1000 | 925 MW | 1.000 MW | 01.02.1975 | 09.02.1981 | 29.08.1981 | 2021 geplant |
Siehe auch
Weblinks
- Das Atomkraftwerk auf einer deutschen Umweltschutz-Webseite
- Stadtporträt auf Russland Aktuell
- Das Atomkraftwerk auf der Webseite der Umweltschutzorganisation Bellona (englisch)