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Kontinuumsmechanik

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Die Kontinuumsmechanik ist das Teilgebiet der Physik, das vom Verformungsverhalten verschiedener Substanzen handelt.

Übersicht

In der Kontinuumsmechanik wird vom mikroskopischen Aufbau der Materie, also zum Beispiel der Gitterstruktur kristalliner Festkörper, abgesehen und der Untersuchungsgegenstand als ein Kontinuum genähert.

Eine grundlegene Einteilung der Kontinuumsmechanik basiert auf der Unterscheidung zwischen elastischen (reversiblen) und plastischen (irreversiblen) Verformungen.

Die Elastizitätstheorie (siehe Elastizität (Mechanik)) beruht auf dem verallgemeinerten Hookesche Gesetz, das einen linearen, tensoriellen Zusammenhang zwischen einer Verspannung und der daraus resultierenden Verzerrung des Kontinuums herstellt.

Plastische Verformungen (siehe Plastizität) werden in der Rheologie näher untersucht.

Die mathematische Struktur der Elastizitätstheorie weist erhebliche Ähnlichkeit mit der Strömungslehre auf, die ebenfalls auf einer Kontinuumsnäherung beruht; zur Beschreibung viskoelastischer Materialien können beide Theorien miteinander vereinigt werden.

Verzerrungen

Die mechanischen Eigenschaften eines Materials können als der mathematische Zusammenhang zwischen Spannungen und Verzerrungen ausgedrückt werden. Im einfachsten Fall, beschrieben durch das Hookesche Gesetz, ist dieser Zusammenhang linear: die Verformung eines Materials ist linear zu einer angelegten äußeren Kraft.

Ausgangspunkt der Kontinuumsmechanik ist somit die mathematische Beschreibung von Verzerrungen und Spannungen.

Unter einer Verzerrung oder Deformation versteht man in der Physik die Veränderung der gegenseitigen Lagebeziehungen der Materieelemente. Diese Änderung der inneren Anordnung korrespondiert mit einer Änderung der äußeren Gestalt des Festkörpers.

Eindimensionale Deformation

Ein Spezialfall der Deformation ist die Dehnung eines Stabs. Dieser Spezialfall lässt sich, ebenso wie die Stauchung eines Zylinders, eindimensional beschreiben (d.h. die Spannung ist nur in einer Raumrichtung verschieden von Null). Kennzeichnend für die Deformation ist in diesem Fall die Längenänderung der Länge des Stabs. Dabei ist die Länge vor, und die nach der Deformation. Die resultierende Deformation ist mehrdimensional, da der Körper auf diese Deformation mit einer Änderung seines Durchmessers reagiert Querkontraktion.

Deformation allgemein

Im Allgemeinen genügt zur Beschreibung der Deformation nicht die Angabe einer Längenänderung, sondern es ist die Änderung von Höhe, Breite und Tiefe zu berücksichtigen. Aber auch dieser Effekt ist nicht über das gesamte Volumen des Festkörpers gleich: Zieht man zum Beispiel ein Kaugummi in die Länge, so wird er bei der Verlängerung nicht über seine gesamte Länge gleichmäßig dünner, sondern die Verdünnung ist in der Mitte besonders ausgeprägt.

Daher muss zur Beschreibung der Deformation die Änderung von Höhe, Breite und Tiefe für jeden Punkt des Kontinuums angegeben werden. Statt Änderung von Höhe, Breite und Tiefe spricht man hier präziser von

Dehnung in -, - und -Richtung
am Punkt mit den Kartesischen Koordinaten , und .

Eine definitive Angabe dieser Werte für jeden Punkt des Festkörpers ist jedoch praktisch unmöglich. Da jedoch die Deformation an benachbarten Punkten des Festkörpers nicht unabhängig voneinader erfolgt, lässt sich die Beschreibung der Deformation auf diese Abhängigkeiten zurückführen. Diese Abhängigkeiten definieren drei verschiedene Arten der Deformation:

Die elastische Deformation

Nach elastischer Deformaton kehrt der Körper mit dem Ausbleiben der für die Deformation verantwortlichen mechanischen Belastung wieder in seine Ausgangsform zurück.

Beschreibung und Behandlung der elastischen Deformation erfolgen im Modell der Verzerrung des elastischen Kontinuums. In diesem Modell lässt sich die Verzerrung eines jeden Punktes eines Festkörpers als Verschiebung eines Punktes des elastischen Kontinuums beschreiben.

Die lineare elastische Deformation

Dieser Fall erlaubt die maximale Vereinfachung der Beschreibung, und wird auch häufig angewandt, wenn die Voraussetzung der Elastizität und der Linearität nur näherungsweise erfüllt sind.

Bei der linearen elastischen Deformation ist die Verschiebung benachbarter Punkte des Kontinuums proportional zum Abstand dieser Punkte. Sind die Punkte und zwei Punkte des Kontinuums im Abstand , so besteht bei der linearen Deformation für die Änderung des Abstands der lineare Zusammenhang

.

Die (vektoriellen) Differentialquotienten

geben dabei die Abhängigkeit der Verschiebung eines Punktes des Kontinuums von dessen Position (relativ zu einem gewählten Bezugssystem) wieder. Bei handelt es sich um eine lineare Vektrofunktion, die auch als Tensorgleichung dargestellt werden kann:

Die Spaltenvektoren von sind dabei die Differentialquotienten , selbst ist ein Tensor 2. Stufe.

Die vektorielle Abstandsänderung der beiden Punkte und enhält neben einer Änderung des Betrags des Abstands auch eine Änderung der gegenseitigen Orientierung der beiden Punkte. Dieser Rotationsanteil ist bei der Betrachtung der Deformation nicht von Interesse, und wird daher separiert. Den reinen Deformationsanteil representiert der symmetrische Teil von

mit den Komponenten

Die lineare Verzerrung des elastischen Kontinuums ist also durch die Angabe von lediglich sechs Parametern festgelegt! Für die reine Verzerrung (ohne Rotationsanteil) gitlt:

Hinweis: An das kontinuierliche Medium wird hier lediglich die Bedingung gestellt, dass es in jedem Punkt stetig differenzierbar ist.

Die nichtlineare elastische Deformaiton

Bei der nichtlinearen elastischen Deformation ist die Verschiebung benachbarter Punkte des Kontinuums nicht proportional zum Abstsand dieser Punkte. Die nichtlineare elastische Deformation kann beispielsweise an Gummi beobachtet werden. In diesem Fall kann das hookesche Gesetz nicht angewandt werden. Diese Situation ist in der Natur die Regel. Wo möglich wird versucht, dieses Problem in einer linearen Näherung zu behandeln. Insbesondere für kleine Deformationen ist diese Näherung häufig gerechtfertigt.

Die plastische Deformation

In realen Medien ist jede Deformation nur bis zu einer gewissen Grenze elastisch. Wird diese Grenze überschritten, so tritt plastische Deformation (plastisches Fließen) auf. Bei der plastischen Deformaton kehrt der Körper mit dem Ausbleiben der für die Deformation verantwortlichen mechanischen Belastung nicht wieder in seine Ausgangsform zurück. In diesem Fall genügt die Angabe der Positionen von Punkten des Festkörpers nicht mehr zur Kennzeichnung des Zustands des Festkörpers, sondern es muss auch der Prozess berücksichigt werden, d. h. ist in diesem Fall keine Zustandsgröße.

Im allgemeinen Fall kann die Deformation durch angegeben werden. Die Gesamtdeformation setzt sich aus einem elastischen Anteil , einem plastischen Anteil und dem temperaturbedingetn Anteil zusammen:

Elastisch-plastisches Materialverhalten kann beschrieben werden durch eine Fließbedingung, ein Fließgesetz, und ein Verfestigungsgesetz.

Fließbedingung

Die Fließbedingung legt all diejenigen mehrachsigen Spannungszustände fest, an denen das Material plastisch fließt. Es ist üblich, die Fließbedingung als eine konvex gekrümmte Fläche im Spannungsraum anzugeben, die Fließortfläche heißt. Für Spannungszustände in dem von der Fließortfläche umschlossenen Raum deformiert das Material elastisch, die Spannungszustände auf der Fließortfläche ergeben plastisches Fließen, Spannungszustände außerhalb des umschlossenen Raums können nicht auftreten.

Einige der heute verwendeten Fließbedingungen, die für metallische Werkstoffe verwendet werden können, sind von Huber und von Mises sowie von Tresca formuliert worden. Beide Regeln gelten nur für isotrope Medien.

Die Fließbedingung nach R. v. Mises lautet:

,

wobei den Spannungsdeviator und die Streckgrenze bezeichnet. Der Spannungsdeviator ist der um den hydrostatischen Anteil reduzierte Spannungstensor

.

Nach Tresca ist die Fließbedingung:

,

mit und der größten bzw. kleinsten Hauptnormalspannung. Für eine graphische Interpretation der Trescaschen Regel können die Mohrschen Spannungskreise herangezogen werden.

Beide Formulierungen wrden häufig angewendet. Die Regel von v. Mises ist im allgemeinen Fall einfach anzuwenden. Wenn die Lage des Hauptachsensystems bekannt ist, wird oft mit der Trescaschen Regel gerechnet. Für numerisches Rechnen hat diese die Nachteile, dass jeweils eine Haupachsentransformation nötig ist und dass der Fließort nicht stetig differenzierbar ist.

Fließgesetz

Das Fließgesetz verknüpft die plastischen Verzerrungsinkremente mit den augenblicklichen Spannungen und den Spannungsinkrementen infolge des Fließens. Das heute allgemein anerkannte Fließgesetz ist nach von Mises benannt und besagt, dass der Spannungsinkrementvektor normal auf der Fließortfläche steht.

Verfestigungsgesetz

Das Verfestigungsgesetz legt fest, auf welche Weise die Fließbedingung während des Fließens modifiziert wird. Idealisiert kann von zwei unterschiedlichen Verfestigungsverhalten ausgegangen werden, dem isotropen und kinematischen Verfestigen.

Durch isotropes Verfestigen kann das Materialverhalten beschrieben werden, wenn es von der vorhergehenden Belastungsrichtung unabhängig ist, bzw. wenn sich die Belastungsrichtung nicht ändert. Das isotrope Verfestigen wird durch Expansion der Fließortfläche ausgedrückt. Das heißt, die Streckgrenze steigt abhängig von der aufgebrachten Verformung um einen gewissen Betrag an.

Durch kinematisches Verfestigen kann zum Beispiel der Bauschingereffekt beschrieben werden, d.h. die Streckgrenze ist bei Belastung in Gegenrichtung deutlich niedriger als während der vorherigen Belastung. Dieses Phänomen kann durch Verschieben der Fließortfläche beschrieben werden. Die Streckgrenze bleibt dabei konstant, es verändert sich nur der "Mittelpunkt des Fließorts" (back stress) . In der Fließregel muss dann die Fließspannung durch die „reduzierte Spannung” ersetzt werden.

Siehe auch: Plastizität.

Deformation realer Materie

Reale Materie ist im Allgemeinen weder homogen, noch isotrop. Sie ist aus Bausteinen (Atome, Moleküle, Ionen, quasifreie Elektronen) aufgebaut, die keine gleichmäßige Raumfüllung aufweisen.

Homogenität

Auf atomarer Ebene sind die physikalischen Eigenschaften der Materie nicht homogen sondern ortsabhängig, und zwar unabhängig, ob es sich dabei um ein Gas, eine Flüssigkeit, oder einen Festkörper handelt. Beispielsweise Massedichte, oder auch Ladungsdichte variieren zwischen den Materiebausteien (Moleküle eines Gases, Ionenrümpfe eines Kristallgitters, Elektronen des Leitungsbands, etc), und schon diese Bausteine selbst können im Allgemeinen nicht als homogen betrachtet werden.

In der Praxis können diese Schwankungen auf atomarer Ebene jedoch häufig vernachlässigt werden, und Materie kann als homogen angesehen werden, wenn sie in ihren Eigenschaften auf makroskopischen Längenskalen gleichförmig ist.

Isotropie

Auf atomarer Ebene gilt zunächst Vergleichbares zur Homogenität: Wenn ich von einem Materiebaustein aus in verschiedenen Richtungen die Umgebung betrachte, so sieht diese ungleichmäßig aus: mal schaue ich genau auf einen nächsten Nachbarn, mal schaue ich zwischen diesen hindurch. Sind diese Bausteine jedoch unregelmäßig angeordnet (Gas, Flüssigkeit, oder amorpher Festkörper), so mitteln sich diese Unterschiede heraus, und makroskopisch kann solche Materie als isotrop angesehen werden.

Eine Besonderheit stellen Kristalle dar. Dort sind die Bausteine in einem Gitter angeordnet. Dies führt dazu, dass sich die physikalischen Eigenschaften auch makroskopisch in unterschiedlichen Richtungen unterscheiden können. Zusätzlich zu den Forderungen der Kontinuumsmechanik kommen dann noch Bedingungen hinzu, die sich aus der Symmetrie des jeweiligen Gitters ergeben (zum Beispiel hat ein Kristall, der eine hexagonale Kristallstruktur aufweist in Richtung der c-Achse (das ist die sechszählige Achse des Hexagons) eine unterschiedliche Festigkeit als senkrecht dazu.) Da sich aber metallische Werkstoffe aus einer Vielzahl von Kristallen zusammensetzen (die werden dann Kristallite genannt), ist die makroskopisch messbare Anisotropie von der Vorzugsrichtung der Kristallite abhängig.