Radebrechen
Radebrechen (auch: gebrochen(es) Deutsch sprechen) ist eine pejorative Bezeichnung für die fehlerhafte Ausdrucksweise einer nichtmuttersprachlichen Person in einer Fremdsprache. Die Redewendung leitet sich von der mittelalterlichen Folter- und Hinrichtungsmethode des Räderns ab und bedeutet, dass eine Sprache „gequält“ wird.
Bedeutung
„Radebrechen“ wurde metaphorisch für „Quälen“ verwendet, seit dem 16. Jahrhundert auch für das „Quälen“ einer Sprache. Leonhard Thurneysser verwendet 1583 die Formulierung „ein geradebrecht Wort“.[1] Im gegenwärtigen Sprachgebrauch verwendet man „Radebrechen“ als pejorative Bezeichnung für die fehlerhafte Ausdrucksweise einer nichtmuttersprachlichen Person in einer Fremdsprache. Das Verb radebrechen wird regelmäßig konjugiert.[2]
Im Deutschen wird dafür auch die Formulierung „gebrochen Deutsch sprechen“ verwendet (ähnlich englisch: „broken English“[3]). Die Metapher des „Brechens“ der Sprache wird etwa in William Shakespeares Stück Heinrich V. verwendet: „Come, your answer in broken music; for thy voice is music and thy English broken; therefore, queen of all, Katherine, break thy mind to me in broken English."[4] Der Romanist Hugo Schuchardt verwendet den Begriff des Radebrechens bei seiner Untersuchung der Entstehung der romanischen Lingua franca im Prozess der Kreolisierung 1909:
Alles Radebrechen einer Sprache geht von deren Erbbesitzern aus, ganz ähnlich wie die Kindersprache auf der Ammensprache beruht. Oder wenn ich ein Bild gebrauchen darf, nicht die Fremden brechen sich aus einem schönen festgefügten Gebäude einzelne Steine heraus um sich damit dürftige Hütten zu bauen, sondern die Eigentümer selbst reichen sie ihnen zu solchem Zwecke.[5][6]
Ammensprache wird heute als Baby Talk, Sprechverhalten gegenüber Sprechern mit vermeintlich geringen Sprachkenntnissen als Xenolekt oder Foreigner Talk bezeichnet.[7] Sprachvarietäten wie Pidgin-Sprachen oder Ethnolekte (z.B. Kiezdeutsch) können je nach Stufe der Sprachbeherrschung von Außenstehenden als Radebrechen bzw. gebrochenes Deutsch wahrgenommen werden, werden jedoch von der Sprachwissenschaft davon abgegrenzt.[8]
Literatur
- Hugo Schuchardt: „Die Lingua franca“. In: Zeitschrift für Romanische Philologie, Band 33, Nr. 4, 1. Januar 1909, ISSN 1865-9063, S. 441–461.
- Cornelia Hülmbauer, Eva Vetter: Mehrsprachigkeit aus der Perspektive zweier EU-Projekte: DYLAN meets LINEE. Peter Lang, 2010, ISBN 978-3-631-60841-8
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Walter de Gruyter GmbH & Co KG, 2019, ISBN 978-3-11-156102-8, S. 577 (google.de [abgerufen am 25. August 2022]).
- ↑ Bastian Sick: Was vom Apfel übrig blieb. Zwiebelfisch (Spiegel-Kolumne), abgerufen am 24. Februar 2009.
- ↑ Stephanie Lindemann: „Who speaks ,broken English‘? US undergraduates’ perceptions of non-native English“. In: International Journal of Applied Linguistics. Band 15, Nr. 2, Juni 2005, ISSN 0802-6106, S. 187–212.
- ↑ Paula Blank: Broken English: Dialects and the Politics of Language in Renaissance Writings (2002), S. 167, zit. Henry V, Akt V, Szene ii.
- ↑ Schuchhardt 1909, S. 443.
- ↑ Lingua franca | Lehre in den Digital Humanities. Abgerufen am 26. August 2022 (deutsch).
- ↑ Tamás Fáy: Sekundäre Formen des Foreigner Talk im Deutschen aus übersetzungswissenschaftlicher Sicht. Narr Francke Attempto Verlag, 2012, ISBN 978-3-8233-7714-6, S. 62 f. (google.de [abgerufen am 24. August 2022]).
- ↑ Şeyda Ozil, Michael Hofmann, Yasemin Dayıoğlu-Yücel: Türkisch-deutscher Kulturkontakt und Kulturtransfer: Kontroversen und Lernprozesse. V&R unipress GmbH, 2011, ISBN 978-3-89971-858-4, S. 75 (google.de [abgerufen am 26. August 2022]).