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Wassermokassinotter

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Wassermokassinotter
Wassermokassinotter (Agkistrodon piscivorus)
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Ordo: Schuppenkriechtiere (Squamata)
Vorlage:Subordo: Schlangen (Serpentes)
Vorlage:Familia: Vipern (Viperidae)
Vorlage:Subfamilia: Grubenottern (Crotalinae)
Vorlage:Genus: Dreieckskopfottern (Agkistrodon)
Vorlage:Species: Wassermokassinotter
Wissenschaftlicher Name
Agkistrodon piscivorus
Lacépède, 1789

Die Wassermokassinotter (Agkistrodon piscivorus) (engl. Cottonmouth) ist eine im Südosten der USA weitverbreitete Schlangenart, es gibt drei anerkannte Unterarten. Sie gehört zur Unterfamilie der Grubenottern. Die Art ist eng an stehende Gewässer aller Art gebunden, sie erbeutet dort alle vorkommenden kleinen Wirbeltiere, außerdem verschiedene Wirbellose und frisst gelegentlich auch Aas.

Beschreibung

Wassermokassinottern sind gedrungen und kräftig gebaut. Die Körperlänge variiert stark, sie liegt meist zwischen 75 und 155 cm; die größten Exemplare können 185 cm lang werden. Die Art ist damit die größte der Gattung. Männchen sind im Mittel deutlich größer als Weibchen und etwa doppelt so schwer. Beispielsweise waren auf den Cedar Keys an der Südspitze Floridas geschlechtsreife Weibchen (Länge > 800 mm) im Mittel 984 mm lang, geschlechtsreife Männchen (Länge > 650 mm) im Mittel 1224 mm. Weibchen wogen im Mittel 635 g, Männchen 1126 g [1]. Die Oberseite hat in der Körpermitte 23-27, im Mittel 25 Schuppenreihen. Als einzige Vertreterin der Gattung hat A. piscivorus kein Zügelschild (Loreale).

Die Grundfarbe der Oberseite ist schwarz, grau, gelbbraun, dunkelbraun oder dunkel olivgrün. Je nach Population sind auf dem Rücken im Mittel 12 bis 13 dunkelbraune bis schwarze Kreuzbänder vorhanden. Diese Bänder sind oft schwarz begrenzt und im Zentrum so hell wie die Grundfarbe des Körpers. Mit zunehmendem Alter wird diese Bänderung immer undeutlicher, insbesondere im Südosten des Areals können alte Individuen dann mehr oder weniger einfarbig dunkel gefärbt sein. Generell sind Vertreter der Art im östlichen und südöstlichen Teil des Verbreitungsgebietes größer und blasser gefärbt als jene in den westlichen zwei Dritteln des Areals.

Jungtiere haben ein auffälligeres Erscheinungsbild, sie zeigen eine deutliche, dunkle und helle Bänderung und ein hell gelbgrünes Schwanzende. Wenn sie älter werden, verblasst die Musterung und die helle Schwanzfärbung wechselt über hellgrün zur dunklen Grundfarbe des übrigen Körpers.

Innerhalb seines Verbreitungsgebietes kann A. piscivorus am ehesten mit dem Kupferkopf (Agkistrodon contortrix) verwechselt werden. Diesem fehlt jedoch der breite Postokularstreifen (ein breiter Streifen hinter dem Auge) und er hat in der Körpermitte nur 21-25, im Mittel 23 Schuppenreihen. Er ist ausserdem wesentlich kleiner und nicht an Wasser gebunden. Die beiden übrigen Arten der Gattung Agkistrodon kommen in den USA nicht vor.

Sumpfzypressen-Sumpf (Taxodium distichum) in Mississippi; ein typischer Lebensraum der Wassermokassinotter

Verbreitung und Lebensraum

Die Art bewohnt die wasserreichen Niederungen im Südosten der USA, die Verbreitung entspricht weitgehend dem Naturraum der Atlantischen Küstenebene (Atlantic Coastal Plain). Die Arealgrenze der Art verläuft im Norden durch die Bundesstaaten Missouri und Illinois, im Westen durch Texas. Im Süden endet das Areal an der Grenze zu Mexiko, weiter westlich am Golf von Mexiko bzw. am Atlantik. Wassermokassinottern halten sich nur selten weit von permanenten Gewässern auf; das können langsam fließende Flüsse, Seeufer, Teiche, Sümpfe und selbst brackige Küstendeltas sein. Im größten Teil des Verbreitungsgebietes ist eine enge Bindung an Wälder unverkennbar, die Art gilt als charakteristisch für Auwälder und Sumpfzypressen-Sümpfe. Bedingt durch die enge Bindung an Wasser sind die Vorkommen auf Gebiete unter 500 m Meereshöhe beschränkt.

Sumpfzypressen am Reelfoot Lake in Tennessee (Frühjahrsaspekt)

Systematik

Heute werden 3 Unterarten anerkannt. Die Verbreitungsgebiete der Unterarten grenzen jeweils unmittelbar aneinander, in den Grenzbereichen gibt es jeweils eine breite Mischzone.

  • A. p. piscivorus: Entlang der Ostküste der USA von Virginia bis Alabama. Die Oberseite und die Kopfseiten sind blassbraun, im Alter bleibt eine Bänderung der Oberseite erhalten. Der dunkle Postokularstreifen (ein breiter, waagerechter Streifen hinter dem Auge) ist oben und unten durch eine gelbliche Pigmentierung schwach abgegrenzt, das Schnauzenschild (Rostrale) zeigt keine dunklen Streifen.
  • A. p. conanti: Florida und südlicher Teil von Georgia. Oberseite und Kopfseiten sind sehr dunkel, fast schwarz, bei adulten Individuen ist die Bänderung der Oberseite schwach oder verwaschen. Der Postokularstreifen ist oben und unten durch eine sehr kräftige, helle Pigmentierung abgesetzt; das Schnauzenschild (Rostrale) sowie die angenzenden Nasenschilder (Prae-Nasalia) und Oberlippenschilder (Supralabialia) zeigen eine deutliche, senkrechte Streifenzeichnung.
  • A. p. leucostomum: Vom Westen des Bundesstaates Texas über Ost-Oklahoma und Missouri nach Norden bis in den Süden von Illinois, nach Osten erreicht sie Kentucky, Tennessee und Alabama. Oberseite und Kopfseiten sind sowohl bei adulten als auch bei Jungtieren oft sehr dunkel braun oder schwarz, die Bänderung ist bei adulten Individuen oft kaum noch erkennbar. Der Postokularstreifen ist insbesondere wegen der nur sehr schwachen oberen hellen Begrenzung kaum ausgeprägt, das Schnauzenschild (Rostrale) zeigt ebenfalls keine dunklen Streifen.

Nächste Verwandte der Art ist die Mexikanische Mokassinotter (A. bilineatus).

Verhalten

Diese Schlangen sind semiaquatisch und verbringen fast ihr ganzes Leben in oder sehr nah am Wasser. Die Art ist vorwiegend nachtaktiv. Morgens oder an kühlen Tagen sonnen sie sich am Gewässerufer, sehr gern auch auf über das Wasser ragenden Ästen. An warmen, sonnigen Tagen ruht die Schlange zusammengerollt, im Schatten der Vegetation auch ausgestreckt. Die Wassermokassinotter schwimmt mit dem Kopf über der Wasseroberfläche. Zum Überwintern sucht die Schlange etwas höher gelegene Gebiete auf, als Winterquartiere wurden unter anderem hohle Bäume und Tierbauten nachgewiesen.

Ernährung

Wie alle Grubenottern hat die Wassermokassinotter spezielle Grubenorgane zwischen Nasenloch und Augen, mit denen sie Wärmestrahlung (Infrarotlicht) wahrnimmt, so dass sie auch nachts jagen kann. Die Nahrungssuche erfolgt jedoch auch optisch und mit dem Geruchssinn. Kleine Säuger und andere Landwirbeltiere werden blitzschnell gebissen und sofort wieder losgelassen; sollten sie dem Gift nicht sofort erliegen, folgt die Schlange dem Geruch, bis sie die Beute gefunden hat. Fische werden nach dem Biss etwas länger festgehalten als Landwirbeltiere. Im freien Wasser fällt Mokassinschlangen die Erbeutung von Fischen schwer, bei einer experimentellen Untersuchung im Labor waren nur 13% der Angriffe auf Fische im freien Wasser erfolgreich[2]. Offenbar werden Fische meist in austrocknenden Wasserlöchern erbeutet oder in ähnlichen Situationen, in denen die Bewegungsfreiheit der Fische eingeschränkt ist.

Hauptbeute der Wassermokassinotter sind Fische und Frösche, z. B. waren bei einer Untersuchung in Virginia die drei häufigsten Beutetetiere Schreifrösche (Rana clamitans), Sonnenbarsche (Lepomis sp.) und Südliche Leopardfrösche (Rana utricularia)[3]. Das Nahrungsspektrum der Art ist jedoch sehr breit und umfasst außerdem praktisch alle kleinen Wirbeltiere ihres jeweiligen Lebensraumes, unter anderem kleine Schildkröten, junge Alligatoren, Eidechsen, Schlangen, Vögel und kleine Säugetiere. Kleine Wirbeltiere werden auch als Aas genutzt, in einem Fall wurden sogar ins Wasser geworfene Fischköpfe und -innereien gefressen. Auf den Cedar Keys in Florida lebt A. piscivorus von Februar bis Ende August überwiegend von Fischen, die in den dortigen Reiher- und Kormorankolonien von den Nestern herabfallen[4].

Insbesondere Jungtiere fressen auch Wirbellose, nachgewiesen sind unter anderem Zikaden, Schmetterlingsraupen und Landschnecken. Junge Wassermokassinottern bewegen ihre helle Schwanzspitze als Köder hin und her, um Beute in ihre Nähe zu locken.

Zumindest in einer Studie in Louisiana wies das Nahrungsspektrum deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede auf. Männchen fraßen überwiegend Fische, Weibchen vor allem Reptilien[5].

Wassermokassinotter (A. p. piscivorus), Jungtier. Man beachte das gelbe Schwanzende.

Fortpflanzung

Wassermokassinottern paaren sich im Frühling unmittelbar nach Verlassen des Winterquartieres. Sie sind lebendgebärend (ovovivipar), nach 3 Monaten Tragzeit werden im Zeitraum August bis September 2 bis 12, im Mittel etwa 8 Junge zur Welt gebracht. Die Jungen sind bei der Geburt 18 bis 33 cm lang. Große Weibchen bekommen mehr Junge, bei einer Studie in Florida enthielten die kleinsten Weibchen (<80 cm Körperlänge) 3 bis 5 Embryos, die größten (>100 cm Körperlänge) 8 bis 11 Embryos. Es findet kaum oder keine Brutpflege durch die Mutter statt. Mit zunehmendem Alter schwindet die Farbe des Schwanzes ebenso wie das dazugehörige Verhalten.

Verhalten gegenüber Menschen

Wassermokassinottern gelten als aggressiv, doch bei einer Studie, die Aufschluss über das Verhalten wild lebender Wassermokassinottern beim Zusammentreffen mit Menschen geben sollten, versuchten 51% der Schlangen zu fliehen und 78% nutzten Drohgebärden oder andere Verteidigungstaktiken. Nur 36% (13 von 36) bissen zu, als man mit einer künstlichen Hand nach ihnen griff [6]. Außerdem haben bei dem Versuch viele Schlangen, die zugebissen haben, kein Gift injiziert. Solch ein "trockener" Biss könnte also auch nur eine weitere Drohgebärde sein. Anders als die meisten Schlangen richtet sich die Wassermokassinotter bei Gefahr auf und öffnet ihr Maul, um Angreifer zu warnen. Dieses Verhalten wird oft als aggressiv interpretiert, aber wenn sie in Ruhe gelassen werden, suchen sie das Weite.

Oft halten Laien in den USA jede Schlange, die sie in oder bei Gewässern antreffen, für eine Wassermokassinotter, was aber meist ein Trugschluss ist. Harmlose wasserbewohnende Schlangen wie die Wassernattern (Nerodia sp.) sind viel häufiger als die Wassermokassinotter, verhalten sich manchmal aggressiv und imitieren durch die Haltung des Kopfes eine Grubenotter. Dieses Verhalten wirkt auf Laien sehr überzeugend. Zu Lande wird oft die Östliche Hakennatter (Heterodon platyrhinos) mit der Wassermokassinotter verwechselt. Auch sie imitiert die Otter, wenn auch nicht so überzeugend wie die Wassernattern, und zischt sehr laut zur Verteidigung.

Giftwirkung bei Menschen

Gifte von Grubenottern sind die mit Abstand komplexesten natürlichen Toxine. Sie enthalten eine Mischung von Enzymen, niedermolekularen Polypeptiden, Metallionen und anderen, in ihrer Funktion bisher kaum verstandene Komponenten. Entsprechend vielfältig sind die Wirkungen dieser Gifte.

Das Gift von A. piscivorus ist stark proteolytisch (proteinabbauend) und wirkt daher gewebezerstörend. Es verursacht starke Schmerzen, Blutergüsse, Schwellungen und Nekrosen in der Umgebung der Bissstelle (Fotos der Auswirkung von Bissen siehe [7]). Das Gift wirkt hämolytisch und kann in schweren Fällen die Blutgerinnung völlig unterbinden. Es bewirkt weiterhin eine Ausschüttung des Peptids Bradykinin, das unter anderem einen Abfall des Blutdrucks, Übelkeit, Brechreiz, Durchfall und eine Schmerzverstärkung verursacht. Es enthält außerdem ein Enzym, das die Phospholipase A2 angreift und hierdurch eine toxische Wirkung auf Muskelfasern hat[8].

Nach Schätzungen werden in den USA ingesamt jährlich etwa 8000 Menschen durch Giftschlangen gebissen, eine systematische Erfassung gibt es leider nicht. Etwa 9% (also rund 700) der Bisse erfolgen durch Wassermokassinschlangen. Durch A. piscivourus verursachte Todesfälle sind sehr selten. Die Anzahl der durch Giftschlangen verursachten Todesfälle in den USA wurde in den 60er und 70er Jahren auf 9-14/Jahr geschätzt. Der Großteil dieser Todesfälle war auf Bisse von Klapperschlangen (Crotalus sp.) zurückzuführen, nur 6,6% (also weniger als 1 Todesfall pro Jahr) auf Wassermokasssinschlangen. Für die 80er und 90er Jahre geht man von noch erheblich niedrigeren Zahlen aus[9]. Hier spiegelt sich sicher auch die deutlich verbesserte medizinische Behandlung von Schlangenbissen wieder.

Die Gewebezerstörungen können jedoch irreversibel und mit einem dauerhaften Funktionsverlust der betroffenen Gliedmaße verbunden sein. Wie andere Grubenottern injiziert auch diese Art nicht unbedingt bei jedem Biss Gift in die Wunde ("dry bite"), aber jeder Biss sollte ernstgenommen werden und medizinische Hilfe gesucht werden, auch wenn keine sofortige Giftwirkung erkennbar ist.

Quellen

  1. Charles A. Wharton: Reproduction and growth in the Cottonmouths, Agkistrodon piscivorus Lacépède, of Cedar Keys, Florida. Copeia 2, 1966: S. 149-161
  2. Shawn E. Vincent, Anthony Herrel und Duncan J. Irschick: Comparisons of aquatic versus terrestrial strikes in the Pitviper, Agkistrodon piscivorus. Journal of Experimental Zoology 303A, 2005: S. 476-488
  3. C. L. Cross: Natural History notes: A. piscivorus piscivorus (eastern cottonmouth). Diet. Herpetol. Review. 33(1) 2002: S. 55-56. zit. In: Jonathan A. Campbell und William W. Lamar: The Venomous Reptiles of the Northern Hemisphere. Comstock; Ithaca, London. 2004: S. 692
  4. Charles A. Wharton: Reproduction and growth in the Cottonmouths, Agkistrodon piscivorus Lacépède, of Cedar Keys, Florida. Copeia 2, 1966: S. 149-161
  5. Shawn E. Vincent, Anthony Herrel und Duncan J. Irschick: Ontogeny of intersexual headshape and prey selection in the pitviper Agkistrodon piscivorus. Biological Journal of the Linnean Society 81, 2004: S. 151-159
  6. http://www.uga.edu/srel/Reprint/2583.htm
  7. http://www.gifte.de/Gifttiere/agkistrodon_piscivorus_biss01.htm
  8. Robert Norris: Venom Poisoning by North American Reptils. In: Jonathan A. Campbell und William W. Lamar: The Venomous Reptiles of the Northern Hemisphere. Comstock; Ithaca, London. 2004: S. 692
  9. Robert Norris: Venom Poisoning by North American Reptils. In: Jonathan A. Campbell und William W. Lamar: The Venomous Reptiles of the Northern Hemisphere. Comstock; Ithaca, London. 2004: S. 705-706

Literatur

  • Jonathan A. Campbell, William W. Lamar: The Venomous Reptiles of the Western Hemisphere. Comstock; Ithaca, London. 2004. ISBN 0-8014-4141-2