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Holzvollernter

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Holzvollernter

Als Holzvollernter (engl. „harvester forestry“) bezeichnet man spezielle Holzernte-Maschinen, die halbautomatisch Fällung, Entastung und Sortimentsbildung durchführen.

Ausstattung

Zur Zeit werden überwiegend folgende Holzvollerntertypen eingesetzt (landläufig entsprechend der Definition einer Maschine, die mehrere Arbeitsschritte durchführt, auch als Prozesse bezeichnet; in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit):

  1. Rad-Holzvollernter, mit zwei bis vier Achsen
  2. Bagger, mit Holzvollernter-Kopf und Raupenfahrwerk
  3. Schreiter, ebenfalls mit Holzvollernter-Kopf und Füßen bzw. Stelzen

Der Einsatzschwerpunkt von Holzvollerntern liegt im Nadelholz. Beim Laubholz ist die Entastungsqualität unbefriedigend. Es gibt spezielle Ausführungen für den Einsatz in schwachem, mittlerem oder starkem Holz.

Holzvollernter-Kopf

Die Maschinen besitzen meist einen zwischen zehn bis fünfzehn Meter langen Kranarm, an dessen Ende der Fällkopf (Prozessor) freibeweglich montiert ist. Der Fällkopf ist mit Vorschubrädern (-walzen), Messeinheit, hydraulisch angetriebener Kettensäge und Entastungsmessern ausgestattet. Statt einer Kettensäge ist in seltenen Fällen auch ein Kreissägenblatt verbaut. Manche Maschinen sind mit entsprechend der Steigung neigbaren Kabinen ausgerüstet, bei anderen kann die gesamte Maschine trotz Geländeneigung in die Horizontale gebracht werden. Klimaanlage ist selbstverständlich, häufig auch automatische Vorheizung des Hydrauliköls und der Kabine vor Arbeitsbeginn.

Rad-Holzvollernter besitzen Niederdruckreifen-Niederquerschnittsreifen bis 70 cm Reifenbreite zum bodenschonenden Einsatz, auf Nassböden bzw. im Winter bei Schneelage kommen zusätzlich Ketten bzw. Metallbänder zum Einsatz. Zu erwähnen ist, dass trotz dieser Fahrwerke teilweise erhebliche Boden- bzw. Wegeschäden verursacht werden. Teilweise ist in feuchtem Waldboden von Fahrspuren mit bis zu 70cm Tiefe berichtet worden. Bilder dieser Umweltschädigungen können u.a. unter www.NoBrakes.de betrachtet werden.

Die Motorleistung gängiger Maschinen liegt bei ca 300 PS. Die Kraftübertragung erfolgt ausschließlich hydraulisch, die Steuerung aller Funktionen elektrisch. Die sehr umfangreichen Hydraulikanlagen sind in aller Regel mit biologisch abbaubaren Ölen befüllt und zusätzlich mit Einrichtungen ausgestattet, die den Austritt von Öl bei Leckagen (z.B. Schlauchbrüchen) verhindern.

Bagger-Holzvollernter besitzen überwiegend, speziell zur Seite abgeflachte Ketten mit abgerundeten Stegen, zur Verringerung von Boden- bzw. Bestandsschäden. Schäden in den Waldbeständen treten in der Regel in Form von unterirdischen Wurzelzerreißungen als Folge von Scherkräften auf. An den Forstwegen entstehen bei Drehbwegungen Schäden an der Deckschicht.

Holzvollernter-Kopf (Hydraulik)

Einsatzschwerpunkte des Bagger-Holzvollernters sind wegen des geringen Bodendrucks (Bodenverdichtung) einerseits Nassböden, andererseits Steilhänge bis ca. 50 %, aufgrund ihres gegenüber dem Rad-Holzvollernter besseren Steigfähigkeit. Allerdings hat man bei den Raupen bzw. Kettenantrieben den Nachteil, dass diese durch Stubben oder andere spitze Gegenstände beschädigt werden können. Beim Umsetzen des Bagger-Holzvollernters ist die geringe Laufwerksgeschwindigkeit (etwa 5 km/h) und die Gefahr von Schäden an Teerstraßen (Einsatz eines Tiefladers erforderlich!) von Nachteil.

Die Maschinen sind rundum mit ca. 30 Halogenscheinwerfern ausgestattet, die es erlauben, auch nachts zu arbeiten.

Die Holzvollernter sind zwischenzeitlich mit GPS, mobiler Kommunikation und einem Bordcomputer, der die Holzhaushaltung und Sortenbildung unterstützt, ausgestattet. Die aufgearbeiteten Holzmassen können gespeichert und Holzlisten ausgedruckt werden. Die Genauigkeit der gemessenen Holzmassen ist in starken Maß vom verwendeten Sensorsystem, der gefällten Baumart, der richtigen Berücksichtigung des notwendigen Rindenabzugs und nicht zuletzt regelmäßiger, dokumentierter Kalibrierung abhängig. Messabweichungen gegenüber der Werksvermessung bzw. manuellen Holzaufnahme sind die Regel. Bei gut eingestellten Systemen liegen die Abweichungen bei akzeptablen 2 bis 4 % über dem Werkseingangsmaß, stärkere Abweichungen sind aber nicht selten. Aus diesem Grund ist neben der Ermittlung der Stückzahl auch eine Raummaßerfassung des eingeschlagenen Holzes an der Forststraße sinnvoll.

Einsatzbereich

Holzvollernter im Schwarzwald

Ursprünglich wurden Holzvollernter in der Durchforstung schwacher Nadelholzbestände eingesetzt, mittlerweile aber auch in der Stammholzernte (meist Nadelholz, teilweise auch in Laubholz-Buchenbeständen). Die stärksten Fällköpfe können Stämme bis 70 cm Brusthöhendurchmesser (BHD) bewältigen. Vollernter können zwischen fünf und dreißig Festmetern (fm) Holz in der Stunde aufarbeiten, was vor allem von der Stärke des geernteten Holzes abhängig ist .

In stärker geneigtem Gelände werden spezielle Raupen-Holzvollernter (z.B. Valmet 911.1 X3M) eingesetzt. Eine weitere Spezialentwicklung ist der sechsbeinige Schreit-Holzvollernter, der in Finnland zur Durchforstung von Beständen auf staunassen oder anmoorigen Böden entwickelt wurde. Für den Einsatz im Steilhang erwies sich diese Maschine jedoch als nicht geeignet.

Bei der Aufarbeitung von Sturmholz vermindert der Einsatz dieser Maschinen die Unfallgefahr erheblich, da die gefährlichen Spannungen der geworfenen Bäume außerhalb des menschlichen Gefahrenbereiches gelöst werden. In der Schweiz wurden große Raupenharvester erstmals zum Aufschneiden von alten Kopfbäumen und zur Kappung ganzer Bäume in 3 bis 5 Meter Höhe eingesetzt. Durch die Kappung erwartet man in 15-20 Jahren zu neuen Kopfbäumen zu kommen, welche als Kulturform sehr höhlenreich sind.

Internationaler Einsatz

Timberjack 1070 D Harvester

In Skandinavien (v.a. Schweden und Finnland) werden diese Maschinen seit den frühen 1980er Jahren eingesetzt. Mittlerweile werden fast 100 Prozent der Holzernte hochmechanisiert durchgeführt. In Mitteleuropa arbeiten diese Maschinen einen Anteil zwischen 30 und 50 Prozent des Einschlagsvolumens auf - mit sehr stark steigender Tendenz. In Deutschland wurden sie erstmals in großem Umfang zur Aufarbeitung der anders nicht zu bewältigenden Windwürfe durch die Orkantiefs "Vivian" (26. Februar 1990) und "Wiebke" (1. März 1990) eingesetzt; seither nimmt der Anteil der Holzvollernter am Einschlagsvolumen beständig zu. Holzvollernter werden in geringerer Zahl auch in Nordamerika eingesetzt. Dort werden aufgrund der Holzdimension sogenannte Fällersammler (Feller Buncher) eingesetzt, die mit ihren deutlich größeren Fällköpfen Bäume bis zu einem BHD von einem Meter fällen können. Ein weiteres Einsatzgebiet sind tropische Plantagen, wo sie zur Ernte von Kiefern- (Pinus radiata) und Eukalyptusbeständen eingesetzt werden. Die Baumdimensionen und die Vollbefahrung der Fläche lassen Arbeitsleistungen von bis zu 50 fm in der Stunde zu.

Arbeitsverfahren

Tragrückschlepper

Der Vollernter wird entweder in Kombination mit dem nachfolgenden Tragschlepper (Forwarder) oder in Kombination mit motormanuellen Verfahren und Seilkrananlagen eingesetzt. Außer im Sturmholz arbeitet der Vollernter von Gassen aus, die er sich bei der ersten Durchforstung eines Bestandes selbst anlegt, und auf denen anschließend auch der Forwarder fährt. Bei jeder im Abstand von 5-10 Jahren folgenden Durchforstung werden immer wieder die gleichen Rückegassen benutzt. Mit Kranreichweiten bis 10 m können so Flächen mit Gassenabständen von 20 m bearbeitet werden. Sind weitere Gassenabstände gefordert oder wird im Steilhang gearbeitet, so wird motormanuell zugefällt.

Im ebenen Gelände legt der Vollernter die abgestreiften Äste als Polster auf die Fahrgasse. Dadurch wird der Bodendruck der fahrenden Maschine zusätzlich vermindert. Die aufgearbeiteten Stämme werden seitlich, unterschieden nach Sortimenten, abgelegt. Eine farbliche Kennzeichnung der Sortimente nach Käufer ist möglich. Ein nachfolgender Tragschlepper (Forwarder) fährt die Stämme zum LKW-befahrbaren Waldweg ab.

Auswirkungen auf die Waldarbeit

Da Vollernter in den Vornutzungsbeständen unter ergonomischen Gesichtspunkten besser, produktiver und kostengünstiger als motormanuelle Verfahren sind, nimmt ihr Einsatz in Deutschland beständig zu.

In Endnutzungsbeständen bzw. in Beständen mit übernahmefähigen Verjüngungsanteilen ist der Einschlag mit Waldarbeitern unter Abwägung aller Fakten dem Prozessoreinsatz zumindest ebenbürtig.

Mittlerweile werden 30 bis 40 Prozent der Holzernte mit Vollerntern bewältigt- mit stark steigender Tendenz. Vollernter verhindern das bei der Holzernte mit der Motorsäge sehr hohe Unfallrisiko und leisten einen Beitrag zur Verminderung von Berufskrankheiten. Der Einsatz der Vollernter führt zu einem Personalabbau bei den Forstbetrieben und zu einer veränderten Qualifikationsstruktur in der Waldarbeit. Beim Einsatz geschulter und erfahrener Maschinenführer ist der Einsatz äußerst bestandschonend, da durch die Maschine eine kontrollierte Fällung möglich wird, die bei motormanuellen Verfahren auch bei besten Bedingungen nicht zu erreichen ist.

Siehe auch

Wald, Forstwirtschaft, Waldarbeit, Holzfäller