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Gewöhnliche Waldrebe

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Gewöhnliche Waldrebe

Gewöhnliche Waldrebe (Clematis vitalba), Illustration

Systematik
Ordnung: Hahnenfußartige (Ranunculales)
Familie: Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae)
Unterfamilie: Ranunculoideae
Tribus: Anemoneae
Gattung: Waldreben (Clematis)
Art: Gewöhnliche Waldrebe
Wissenschaftlicher Name
Clematis vitalba
L.

Die Gewöhnliche Waldrebe (Clematis vitalba)[1] ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Waldreben (Clematis) innerhalb der Familie der Hahnenfußgewächse. Sie ist auch als Echte oder Gemeine Waldrebe bekannt, in Österreich wird sie auch als Lüln, Lün, Lian, Ulischwidn, Waschl, Liasch, Irlisch bezeichnet, im Schweizerdeutschen ist die Bezeichnung Niele geläufig.

Beschreibung

Die Gewöhnliche Waldrebe, die zu den Lianen gezählt wird, besitzt verholzende, kletternde Sprossachsen, die einen Durchmesser von bis zu 6 cm erreichen können. Die Pflanze klettert an Bäumen bis in eine Höhe zwischen 1 und 10 Metern empor. Die Stiele und Spindel der Fiederblätter sowie Blättchenstiele fungieren als Ranken. Es werden achselständige Rispen oder Trugdolden gebildet. Die weißen, zwittrigen und gestielten Blüten duften, ähnlich wie die des Liguster oder der Weißdorne. Die Kelchblätter sind beiderseits weißfilzig, die Kronblätter fehlen. Es sind viele Staubblätter und einige oberständige, freie Stempel vorhanden.

Bei der Samenbildung bleiben die haarigen Griffel (Schnabel) erhalten und dienen, wenn die Früchte, Achänen, reif sind, als Flugapparat.

Die Blütezeit reicht von Juli bis September.

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 16.[2]

Zweige, Blätter und Blüten
Früchte

Ökologie

Die Gewöhnliche Waldrebe ist ein sommergrüner Kletterstrauch (Liane). Die Stämme erhalten ihre Zugfestigkeit durch ein zentrales Festigungsgewebe. Charakteristisch sind die weiten Gefäße (Tracheen) des Holzteils. Die Pflanze ist ein Linkswinder. Sehr ähnlich wie bei der Weinrebe entwickelt sich als Anpassung an die Drehbeanspruchung eine Streifenborke. Die Wurzeln gehen eine Symbiose mit Pilzen ein, die aber keine Fruchtkörper bilden (VA-Mykorrhiza).

Die Blüten sind vorweiblicheScheibenblumen“ bzw. „Pinselblumen“. Neben Pollen wird angeblich an der Basis der Staubblätter auch ein zäher Nektar produziert. Amine als (fischartig riechende) Duftstoffe locken Zweiflügler und Käfer an. Die Blüten werden auch gerne von Honigbienen, seltener von Wildbienen aufgesucht. Blütezeit ist von Juli bis September.

Die schwanzartig verlängerten, lang behaarten Griffel dienen als Flugorgan; es liegt also ein Federschweifflieger vor. Zur Ausbreitung sind aber starke Winde ebenso nötig wie die hygroskopischen und damit nur bei Trockenheit abstehenden Haare des Griffels. Bei Nässe erfolgt Klettausbreitung als Wasserhafter oder auch eine Ausbreitung am Boden als Bohrfrucht. Einige Früchte werden auch dadurch ausgebreitet, dass sie von Vögeln für den Nestbau genutzt werden; in diesem Fall liegt Zufallsausbreitung vor. Die Fruchtreife beginnt im September, ist aber erst in den Wintermonaten abgeschlossen. Die Früchte bleiben über Winter stehen, denn sie können überwiegend erst bei den starken Winden im Frühjahr fortgeweht werden. Die langlebigen Samen sind Kältekeimer.

Auswirkung auf Wirtspflanze

Die Gewöhnliche Waldrebe kann die bewachsenen Pflanzen durch ihr Gewicht und Lichtentzug bis zum Absterben schädigen.[3]

Vorkommen

Sie ist eine Pionierpflanze und bevorzugt frische bis feuchte, lichte Edellaubwälder und Gebüsche, besonders Auwälder, Waldränder. Sie gilt als Stickstoffanzeiger. In Österreich ist sie sehr häufig in allen Bundesländern. In den Allgäuer Alpen steigt sie bis gegen 1000 Meter über Meereshöhe auf.[4]

Die Hauptverbreitung nach Oberdorfer ist submediterran-subatlantisch (submediterrane, auch in den Küstenregionen vorkommende Arten). Hauptvorkommen liegen in Bruch- und Auenwäldern sowie in Laub- und Tannenwäldern mittlerer Standorte.[1] Das Schwerpunktvorkommen liegt in der Ordnung Prunetalia Tx. 1952.[1][5]

Die ökologischen Zeigerwerte nach Ellenberg für Clematis vitalba sind: Lichtzahl L7 = Halblichtpflanze; Temperaturzahl T6 = Mäßigwärme- bis Wärmezeiger; Kontinentalitätszahl K3 = ozeanisch bis subozeanisch, See- bis gemäßigtes Seeklima zeigend; Feuchtezahl F5 = Frischezeiger; Feuchtewechsel = keinen Wechsel der Feuchte zeigend; Reaktionszahl R7 = Schwachsäure- bis Schwachbasenzeiger; Stickstoffzahl N7 = an stickstoffreichen Standorten häufiger; Salzzahl S0 = nicht salzertragend; Schwermetallresistenz = nicht schwermetallresistent.[1][5]

Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt et al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 3 (mäßig feucht), Lichtzahl L = 3 (halbschattig), Reaktionszahl R = 4 (neutral bis basisch), Temperaturzahl T = 3+ (unter-montan und ober-kollin), Nährstoffzahl N = 3 (mäßig nährstoffarm bis mäßig nährstoffreich), Kontinentalitätszahl K = 3 (subozeanisch bis subkontinental).[6]

Toxikologie

Die Pflanzenteile sind durch Protoanemonin giftig. Der Pflanzensaft reizt die Haut und führt zur Blasenbildung. Im Mittelalter entstellten sich Bettler ihre Haut mit dem Pflanzensaft, um durch ihr Aussehen Mitleid zu erregen und die Spendenfreudigkeit der Bürger zu fördern.[7] Deshalb nannte man die Pflanze damals „Teufelszwirn“.

Trivialnamen

Für die Gewöhnliche Waldrebe bestehen bzw. bestanden auch die weiteren deutschsprachigen Trivialnamen: Bettlerskraut, Brennkraut, Bindweide, Bocksbart (Göttingen), Düwels-tweren (Göttingen), Felsenrebe, Gänsemord (Elsass), Hagseil (Württemberg), Hagseiler, Hareil (Salzburg), Hexenstrang (Göttingen), Hurenseil (Schwaben im Filstal), Hurenstrang, Jutenstrick, Kateinl (Pinzgau), Lälen (Siebenbürgen), Lääne (Hausen ob Verena), Lahnheck (Eifel bei Altenahr), Len (Hallein), Leuen, Lieln (Salzburg), Liene (Österreich, Thüringen), Liere (Österreich), Liesch, Lilischweide, Liolo (althochdeutsch), Lylen, Lylim, Lynen, Nachtschatten (Henneberg), Niele (St. Gallen, Aargau), Niala (Chur, Glarus), Petersbart (Golling), Räucherli (St. Gallen), Rebbinden (Thüringen), Rebling (im Sinne von wilde Rebe), Rehbinden, Strubabuaba (Vorarlberg), Teufelszwirn (Golling), Teufelsstrick (Berchtesgadener Land), Tockebart (Göttingen), Waltreben, Waldstrick (Pinzgau) und Wilde Weinranken.[8]

Sonstiges

Beispielsweise in Süddeutschland werden alte trockene Stängel gerne von Kindern angezündet und geraucht. In Österreich werden diese Stängel als „Lianentschick“ oder „Waldtschick“ (Tschick = Zigarette(n)) bezeichnet. In der Schweiz ist das gleiche Verhalten auch bekannt als „Niele-rauche“.

Bilder

Literatur

Commons: Gewöhnliche Waldrebe (Clematis vitalba) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d Gewöhnliche Waldrebe. auf FloraWeb.de
  2. Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. 8. Auflage. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 401.
  3. Clematis vitalba L. – Gemeine Waldrebe (Memento vom 10. Juni 2007 im Internet Archive)
  4. Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 1, IHW-Verlag, Eching bei München, 2001, ISBN 3-930167-50-6, S. 535.
  5. a b Clematis vitalba L. – Gemeine WaldrebeSteckbrief zu den Gefäßpflanzen Bayerns des BIB = Botanischen Informationsknoten Bayern.
  6. Clematis vitalba L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 29. März 2022.
  7. Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882, S. 103 (online).
  8. Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882, S. 103 f. (online).