Viskosität
Vorlage:Physikalische Größe Die Viskosität ist ein Maß für die Zähflüssigkeit eines Fluids. Je größer die Viskosität ist, desto dickflüssiger, d.h. weniger fließfähig ist das Fluid, weil seine Teilchen desto stärker aneinander gebunden und damit unbeweglicher sind. Man spricht daher auch von der inneren Reibung.
Sie resultiert nicht nur aus den Anziehungskräften zwischen den Teilchen des Fluids (Kohäsion). Bei Feststoffen verwendet man stattdessen die Begriffe der Duktilität, Sprödigkeit und Plastizität. Gelegentlich wird Zähigkeit als Synonym für Viskosität verwendet.
Der Kehrwert der Viskosität ist die Fluidität, ein Maß für die Fließfähigkeit eines Fluids.
Wortherkunft: wikt:Viskosität
Viskosität von Flüssigkeiten
Diesen Effekt kann man sich vereinfacht durch die Bewegung zweier übereinander liegender, verzahnter Molekülschichten vorstellen (siehe Abb. Punkt 1). Beim Fließen gleiten die Moleküle aneinander vorbei, und um die Verzahnung zu überwinden, benötigt man eine gewisse Kraft. Den Zusammenhang zwischen dieser Kraft und den Eigenschaften des vorliegenden Fluids definiert die Viskosität. Erkennbar wird dieser Zusammenhang besonders gut an der homologen Reihe der Alkane (kettenförmige Kohlenwasserstoffe), hier steigt die Viskosität mit der Kettenlänge und damit den zunehmenden intermolekular wirkenden van-der-Waals-Kräften kontinuierlich an. Bei den mittleren Alkanen (ab Nonan, neun C-Atome) hat sie bereits einen Wert ähnlich dem von Wasser.
Sehr gut veranschaulichen kann man sich die Viskosität auch an folgendem Beispiel: gleitet Wind über das Wasser eines Ozeans, erzeugt dies eine Bewegung der Wasserschicht an der Oberfläche. Je tiefer man nun taucht, desto ruhiger wird das Wasser, bis man einen Punkt erreicht, wo keine Strömung herrscht. Die einzelnen Flüssigkeitsschichten bewegen sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit (Korkenzieherströmung), es entsteht ein Geschwindigkeitsgradient (siehe Abb. Punkt 2):
Weht kein Wind mehr, bricht die Strömung zusammen, das Wasser ruht auch wieder an der Oberfläche. Dass die Flüssigkeit auch in tieferen Schichten trotz Wind an der Oberfläche praktisch ruht, ist Folge der inneren Reibung in der Flüssigkeit.
Die dynamische Viskosität der meisten Flüssigkeiten nimmt mit steigender Temperatur ab und kann oft mit der Arrhenius-Andrade-Beziehung beschrieben werden:
Wobei eine Materialkonstante und die Aktivierungsenergie (auch Platzwechselenergie), die allgemeinen Gaskonstante und die absolute Temperatur sind. Bei Flüssigkeiten in der Nähe der Glasübergangstemperatur (bis ca. 100 K darüber) gilt meist die WLF-Beziehung, da das freie Volumen sehr gering ist und damit diese Größe, die in der Nähe der Glasübergangstemperatur eine sehr viel stärkere Temperaturabhängigkeit hat, als die Kettenbeweglichkeit, die hinter der Arrhenius-Andrade-Beziehung steht, dominiert.
Definition der Viskosität
Man stelle sich zwei im Abstand x angeordnete Platten der Fläche A vor. Zwischen diesen Platten befindet sich eine Flüssigkeit, die an beiden Platten haftet. In unserer Vorstellung soll der Raum mit der Flüssigkeit in Schichten unterteilt sein. Wird nun Platte 2 mit der Geschwindigkeit v bewegt, so bewegt sich die Schicht, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Platte 2 auf Grund der Haftung ebenfalls mit der Geschwindigkeit v. Da Platte 1 ruht, ruht auch ihre Nachbarschicht. Die innenliegenden Flüssigkeitsschichten gleiten mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten aneinander vorbei. Die Geschwindigkeit nimmt von der ruhenden Platte zur bewegten zu. Im einfachsten Fall besteht eine lineare Abhängigkeit (siehe Abbildung). Von der obersten, an der Platte haftenden Schicht, geht eine Tangentialkraft auf die darunterliegende Schicht aus. Diese bewegt sich folglich mit der Geschwindigkeit v1. Diese Schicht wirkt wiederum auf die darunterliegende Schicht und bewegt sie mit der Geschwindigkeit v2.
Im Experiment lässt sich zeigen, dass die Kraft F, die nötig ist, um Platte 2 zu bewegen direkt proportional zu ihrer Fläche A, ihrer Geschwindigkeit v und antiproportional zu dem Abstand der Platten x ist:
- und und
Hieraus ergibt sich
und als Gleichung
Die Proportionalitätskonstante ist die dynamische Viskosität. Häufig wird sie auch nur als Viskosität bezeichnet. Ein Stoff hat also die Viskosität 1 Ns/m², wenn bei einer Größe der Platten von 1 m² und einem Plattenabstand von 1 m eine Kraft von 1 N benötigt wird, um die Platten mit einer Geschwindigkeit von 1 m/s gegeneinander zu verschieben.
Für die physikalische Einheit gilt:
Ist unabhängig von der Geschwindigkeit v, so wird die Flüssigkeit als Newtonsche Flüssigkeit bezeichnet. Für diese Flüssigkeiten stellte sich das in Abbildung 2 gezeigte, lineare Geschwindigkeitsprofil ein. Ist von v abhängig, so bezeichnet man die Flüssigkeit als nicht-Newtonsch.
Newtonsche Flüssigkeiten
Im Folgenden wird der vereinfachte Zusammenhang gemäß dem Newtonschen Viskositätsgesetz dargestellt, es wird dabei stets laminare Strömung sowie Temperatur- und Druckunabhängigkeit der Flüssigkeitseigenschaften angenommen. Außerdem unterstellte Newton eine lineare Abhängigkeit des oben erläuterten Geschwindigkeitsgradienten, der auch Schergefälle (manchmal auch mit bezeichnet) genannt wird:

1: dilatantes Fluid
2: Newtonsche Fluid
3: Scherverdünnendes (pseudoplastisches) Fluid
4: Bingham-plastisches Fluid
5: Casson-plastisches Fluid
Verknüpft man dies mit der Schubspannung, erhält man folgenden Zusammenhang für die dynamische Viskosität:
Die Schubspannung ergibt sich aus der die Strömung bewirkenden Kraft bezogen auf die betroffene Angriffsfläche, die sich mit maximaler Geschwindigkeit bewegt. wird bei Newtonschen Flüssigkeiten als Konstante angesehen. Viele Substanzen folgen diesem Gesetz jedoch nicht. Dabei unterscheidet man verschiedene Arten der Abweichung:
- Strukturviskosität / Dilatanz, dabei ist die Viskosität keine Konstante, sondern ändert sich mit dem Schergefälle
- Thixotropie / Rheopexie, hierbei zeigen sich zeitabhängige Strukturveränderungen, so dass je nach Zeitdauer seit der letzten Fließbewegung andere Viskositätswerte zu finden sind
- Fließgrenze, es muss erst eine gewisse Mindestschubspannung vorhanden sein, um ein Fließen zu erreichen (plastisches Fließen). Diese Art Fluid wird auch als Bingham-Fluid bezeichnet.
Derartige Fluide bezeichnet man als Nichtnewtonsche Fluide.
Im allgemeinen Fall muss das Schergefälle aus dem Scherwinkel in der Flüssigkeit berechnet werden und nicht über den Geschwindigkeitsgradienten.
Darüber hinaus wird das Verhältnis zwischen der dynamischen Viskosität und der Dichte definiert als kinematische Viskosität:
SI-Einheit
Die SI-Einheit der
- dynamischen Viskosität:
- kinematischen Viskosität:
In der Praxis wird für die dynamische Viskosität neben der Pa·s (Pascalsekunde) außerdem die abgeleitete SI-Einheit mPa·s (milli-Pascalsekunde) für dünnflüssige Medien verwendet.
Im CGS-System wird für die dynamische Viskosität Poise (P) verwendet, 10 P = 1 Pa·s, für die kinematische Viskosität das Stokes (St), 1 m2/s = 104 St.
Typische Viskositätswerte
Vorlage:Highlight1 | Substanz Vorlage:Highlight1 | η / mPas1) Wasser 1,0 Wasser (25 °C) 0,891 Petroleum 0,65 Pentan (25 °C) 0,224 Hexan 0,320 Heptan 0,410 Oktan 0,538 Nonan 0,711 Dekan 0,920 Ethanol 1,19 Benzol (25 °C) 0,601 Glycerin 1480 Farblack ~ 102 Paraffinöl 102 bis 106 Polymerschmelzen 103 bis 1013 2) Bitumen ~ 1011 Asphalt ~ 105 Quecksilber 1,55 Glas (Verarbeitungstemperatur) ~ 102 bis 104 Glas (Raumtemperatur) ~ 1018 bis 1020 Blut (37 °C) 4 bis 25 Traubensaft 2 bis 5 Olivenöl ~ 102 Honig ~ 104 Sirup ~ 105 Kaffeesahne ~ 10
1) Sofern nicht anders vermerkt, beziehen sich die Werte auf die Viskosität bei 20 °C.
2) Bei Polymeren gibt es einen sehr breiten Bereich an Viskositäten, der im Wesentlichen von der Kettenlänge und deren Verzweigungsstruktur (und natürlich von der Temperatur) abhängt. Hergestellt werden z.B. Siliconöle (PDMS) mit definierten Viskositäten zwischen 0.6 mPas bei 25 °C und 1,000,000 mPas bei 27°C. Polymerschmelzen können aber auch noch sehr viel höhere Viskositäten aufweisen. Bei einem UHMW-HDPE (für Hüftgelenksimplantate) wurden Viskositäten jenseits der 1013 mPas bei 150°C gemessen.
Man muss aber bedenken, dass bei normalen ungefüllten Polymerschmelzen spätestens ab einer Viskosität von 10000 mPas Strukturviskosität auftritt, deren Intensität (also wie stark die Viskosität bei hoher Scherrate sinkt) sich bei steigender Viskosität erhöht.
Bei der Landhebung, einem Nacheiszeitlichen Effekt der Erdoberfläche, sind es rund 1021(000 m)Pas.
Viskosität von Gasen
Auch für Gase lässt sich eine Viskosität definieren:
- , mit der freien Weglänge für die Gasteilchen, der Masse der Gasteilchen , der mittleren Teilchengeschwindigkeit und der Teilchenzahldichte .
Die Viskosität von Gasen ist unabhängig vom Druck. Dies gilt solange, wie die freie Weglänge klein gegenüber den Gefäßabmessungen und groß gegenüber den Molekülabmessungen ist. Mit anderen Worten: für ein sehr dünnes oder ein sehr dichtes Gas wird die Viskosität doch wieder vom Druck beziehungsweise der Dichte des Gases abhängig. Grundsätzlich abhängig ist die Viskosität aber von der Temperatur, da hier mit der Temperatur zunimmt. Dieses Verhalten ist bei den meisten Flüssigkeiten genau entgegengesetzt. Für Luft liegen die Grenzen in der Größenordnung von einigen mm bis zu cm (zum Beispiel Lungenautomat beim Tauchen) und 0,4 nm (Moleküldurchmesser). Die folgende Tabelle listet zu einigen Gasen die Viskositäten und freien Weglängen auf.

Vorlage:Highlight1 | Gas Vorlage:Highlight1 | η (273 K) in µPa·s Vorlage:Highlight1 | λ (1 atm) in nm Luft 17,1 59,8 Sauerstoff (O2) 19,2 63,3 Kohlendioxid (CO2) 13,8 39,0 Stickstoff (N2) 16,6 58,8 Argon 21,0 62,6 Neon 29,7 124,0 Helium 18,6 174,0 Wasserstoff (H2) 8,4 111,0
Mit zunehmender Temperatur steigt die Viskosität. Ursache dafür ist die Erhöhung der mittleren Teilchengeschwindigkeit, die proportional mit T0,5 ansteigt.
Kinetische Gastheorie
Nach Hirschfelder kann die Viskosität reiner Gase mit Hilfe der kinetischen Gastheorie in einem großen Temperaturbereich (etwa von 200 bis 3000 Kelvin) berechnet werden.
Hierbei ist die Molekülmasse, die Boltzmann-Konstante, die Temperatur, der Lennard-Jones-Stoßdurchmesser und das reduzierte Stoßintegral, das von der reduzierten Temperatur abhängt. ist die Energie des Lennard-Jones-Potenzials. Werte für die Lennard-Jones-Parameter und das reduzierte Stoßintegral sind in Lienhards Lehrbuch zur Wärmeübertragung in Kapitel 11 aufgeführt.
Fluidität
Der Kehrwert der Viskosität ist die Fluidität mit der Einheit .
Siehe auch
Literatur
- Joseph O. Hirschfelder, Charles F. Curtiss, und Robert Byron Bird: Molecular Theory of Gases and Liquids, Wiley, 1964, ISBN 0-471-40065-3
- John H. Lienhard IV und John H. Lienhard V, A Heat Transfer Textbook, Phlogiston Cambridge, 3. Auflage, 2005
- Atkins, Peter W.: Physikalische Chemie / A. Höpfner (Übers.). 3., korr. Aufl. Weinheim : Wiley-VCH, 2002. -- ISBN 3-527-30236-0
- Dealy JM: Structure and Rheology of Molten Polymers, München, Hanser Fachbuchverlag, 2006
- Gabriel C: Einfluss der molekularen Struktur auf das viskoelastische Verhalten von Polyethylenschmelzen, Lehrstuhl für Polymerwerkstoffe, Erlangen, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 2001
- Piel C, Stadler FJ, Kaschta J, Rulhoff S, Münstedt H, Kaminsky W: Structure-property relationships of linear and long-chain branched metallocene high-density polyethylenes and SEC-MALLS. Macromolecular Chemistry and Physics 207 (1): 26-38, 2006
- Gehm, Lothar RHEOLOGIE Praxisorientierte Grundlagen und Glossar, VINCENZ 1998, ISBN 3-87870-449-6
- Schwarzl FR: Polymermechanik. Heidelberg, Berlin, New York, Springer, 1993