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Viertes Konzil von Konstantinopel (879/880)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Als das Vierte Konzil von Konstantinopel bezeichnet man entweder die dortige Synode von 869/870 (unter Ignatios I.) oder die von 879/880 (unter Photios I.). Beide Konzilien beschäftigten sich teilweise mit den gleichen Fragen (Photios, Bulgarien, Weiherecht), im Falle des Photios allerdings mit genau gegensätzlichen Beschlüssen. Auch haben beide Konzilien die Dogmen des Zweiten Konzils von Nicäa voll akzeptiert und dieses als siebtes ökumenisches Konzil gezählt.

Geschichte

Ignatianische Synode 869/870

Konstantinopel IV / Ignatianische Synode
5. Oktober 869 – 28. Februar 870
Akzeptiert von

römisch-katholische Kirche

Einberufen von Kaiser Basileios I. und Papst Hadrian II.
Präsidium

Päpstliche Legaten

Teilnehmer Anfangs 12, zuletzt 103 Teilnehmer
Themen

Photios I., kirchliche Überlieferung, Bilderverehrung, menschliche Seele, Mission in Bulgarien, Weiherecht, Vorrangstellung Roms

Dokumente

14 Kanones (griechisch und lateinisch)
27 Kanones (lat.)

869/870 ging es um den Streit zwischen dem byzantinischen Patriarchen Photios I. und dem Papst Nikolaus I. Das Konzil, an dem anfänglich nur sehr wenige Bischöfe teilnahmen, exkommunizierte und verbannte Photios.

Die von Photios vertretene Zwei-Seelen-Lehre, gemäß der dem Menschen eine höhere, unsterbliche Geist-Seele und eine irdische, vergängliche Seele eigen sind, wurde mit dem Bannfluch belegt.

Die Akten gingen auf dem Rückweg nach Rom verloren. Anastasius Bibliothecarius, der an der letzten Sitzung des Konzils teilgenommen hatte, fertigte eine Übersetzung ins Lateinische auf Basis einer eigenen Abschrift der Beschlüsse an. Diese Übersetzung umfasst 27 Kanones; die griechischen Handschriften enthalten nur 14 Kanones.

Die Beschlüsse der Ignatianischen Synode wurden von Papst Johannes VIII. widerrufen (JE 3273 und 3276)[1] und bis weit ins elfte Jahrhundert kaum rezipiert. Im späten 11. Jahrhundert wurde vor allem Kanon 22, ein Verbot der weltlichen Einmischung in die Besetzung kirchlicher Stellen, im Kontext des sogenannten Investiturstreits in Streitschriften und kanonischen Sammlungen (z. B. von Deusdedit und Anselm von Lucca) häufig zitiert.[2] Seit der gleichen Zeit ist die Bezeichnung als „achte Synode“ im Westen wieder nachweisbar. Das Konzil von Konstanz zählte 1417 die Ignatianische Synode erstmals explizit als „achte ökumenische Synode“.[3] Bis heute wird sie von der katholischen Kirche als das achte ökumenische Konzil gezählt.

Photianische Synode 879/880

Konstantinopel IV / Photianische Synode
879/880
Konstantinopel
Akzeptiert von

Orthodoxe Kirchen (teilweise)

Einberufen von Kaiser Basileios I.
Präsidium

Kaiser Basileios I.

Teilnehmer 383 Bischöfe, päpstliche Legaten
Themen

Photios I., Mission in Bulgarien, Weiherecht, Credo

Dokumente

Horos, Kanones

Im Jahr 879/880 gab es in Konstantinopel ein weiteres Konzil, das (mit Zustimmung von Papst Johannes VIII.) die Beschlüsse der Ignatianischen Synode (und der römischen Synode von 869) aufhob und Photios rehabilitierte. Auf diesem Konzil gab es auch einen Kompromiss bezüglich des päpstlichen Jurisdiktionsprimates: Die Jurisdiktion des Papstes wurde für den Westen voll anerkannt, für den Osten als Ehrenprimat des Bischofs von Rom, aber ohne Jurisdiktion über andere Patriarchate. Dieses Konzil sprach sich auch für die Unveränderbarkeit des Glaubensbekenntnisses und damit gegen die Zufügung der Wendung Filioque aus.

Das 879er Konzil wurde und wird von Vertretern der byzantinisch-orthodoxen Kirche teilweise als achtes Ökumenisches Konzil gezählt.[4][5][6]

Von der katholischen Kirche wurde es 200 Jahre lang akzeptiert, ca. 1100 wurde es jedoch nicht mehr anerkannt.[2] Die Erklärung von Bari (1987) der „Gemeinsamen Kommission für den Dialog zwischen der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche“ nennt es jetzt aber „das 879/80 gemeinsam durch die beiden Kirchen gefeierte Konzil“.[7] Die Erklärung von Valamo (1988) derselben Kommission nennt es das „Konzil der Hagia Sophia (879/880)“ und zählt seinen Kanon 1 zu den Kanones, „die im Gesamt der Kirchen des Ostens und des Westens angenommen wurden“[8]

Editionen und Übersetzungen

Ignatianische Synode 869/870

  • Anastasii bibliothecarii epistolae sive praefationes, ed. E. Perels et G. Laehr (MGH Epp. 7, 395-442). | Digitalisat (Widmungsbriefe)
  • Canones Oecumenici Concilii Constantinopolitani quarto. In: Périclès-Pierre Joannou (Hrsg.): Discipline générale antique (IIe–IXe s.), tome I,1: Les canons des conciles oecuméniques (= Codificazione canonica orientale. Band 9,1,1). Tipografia Italo-Orientale S. Nilo, Grottaferrata 1962, S. 293–342 (archive.org [abgerufen am 28. Juni 2022]). [Griechischer und lateinischer Text mit französischer Übersetzung.]
  • Concilium Constantinopolitanum IV. In: Giuseppe Alberigo, Giuseppe A. Dossetti, Péricles-Pierre Joannou, Claudio Leonardi, Paulo Prodi (Hrsg.): Conciliorum Oecumenicorum Decreta. 3. Auflage. Istituto per le scienze religiose, Bologna 1973, S. 157–186 (archive.org [abgerufen am 10. Mai 2022]).
  • Daniel Stiernon: Konstantinopel IV. Aus dem Französischen übersetzt von Nikolaus Monzel. Übersetzung der Texte im Anhang von Heinrich Bacht (= Geschichte der ökumenischen Konzilien. Band 5). Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1975, S. 289–341. [Deutsche Übersetzung der Beschlüsse und einiger verwandter Quellen.]
  • Viertes Konzil von Konstantinopel - 869-870. In: Josef Wohlmuth (Hrsg.): Konzilien des ersten Jahrtausends. Vom Konzil von Nizäa (325) bis zum Vierten Konzil von Konstantinopel (869/70) (= Dekrete der ökumenischen Konzilien. Band 1). 3. Auflage. Schöningh, Paderborn, München, Wien, Zürich 2002, S. 160–186. [Griechischer und lateinischer Text nach der Ausgabe von Alberigo et al. von 1973, deutsche Übersetzung auf Basis der lateinischen und teilweise (parallel) der griechischen unter Berücksichtigung zweier Handschriften.]
  • Peter Gemeinhardt: Concilium Constantinopolitanum IV (869–870). In: Antonio García y García et al. (Hrsg.): The General Councils of Latin Christendom. From Constantinople IV to Pavia-Siena (869–1424) (= Corpus Christianorum. Conciliorum oecumenicorum generaliumque decreta. Band 2/1). Brepols, Turnhout 2013, ISBN 978-2-503-52527-3, S. 13–48. [Griechischer und lateinischer Text im Wesentlichen nach editio Romana bzw. Joannou.]
  • Richard Price, Federico Montinaro: The Acts of the Council of Constantinople of 869-70 (= Translated Texts for Historians. Band 79). Liverpool University Press, Liverpool 2022, ISBN 978-1-80085-684-4.

Photianische Synode 879/880

  • Canones Oecumenici Concilii Constantinopolitani quarto. In: Périclès-Pierre Joannou (Hrsg.): Discipline générale antique (IIe–IXe s.), tome I,1: Les canons des conciles oecuméniques (= Codificazione canonica orientale. Band 9,1,1). Tipografia Italo-Orientale S. Nilo, Grottaferrata 1962, S. 482–486. [Griechischer und lateinischer Text mit französischer Übersetzung.]
  • Peter Gemeinhardt: Concilium Constantinopolitanum IV (879–880). In: Antonio García y García et al. (Hrsg.): The General Councils of Latin Christendom. From Constantinople IV to Pavia-Siena (869–1424) (= Corpus Christianorum. Conciliorum oecumenicorum generaliumque decreta. Band 2/1). Brepols, Turnhout 2013, ISBN 978-2-503-52527-3, S. 63–71. [Griechischer und lateinischer Text im Wesentlichen nach Joannou.]

Literatur

  • Francis Dvornik: The Photian Schism: History and Legend. Cambridge University Press, Cambridge 1948 (kroraina.com [abgerufen am 5. Mai 2022]).
  • Peter Gemeinhardt: Concilium Constantinopolitanum IV (879–880). In: Antonio García y García et al. (Hrsg.): The General Councils of Latin Christendom. From Constantinople IV to Pavia-Siena (869–1424) (= Corpus Christianorum. Conciliorum oecumenicorum generaliumque decreta. Band 2/1). Brepols, Turnhout 2013, ISBN 978-2-503-52527-3, S. 51–61.
  • Johan Meijer: A Successful Council of Union: A Theological Analysis of the Photian Synod of 879–880 (= Ανάλεκτα Βλατάδων. Band 23). Patriarchikon Hidryma Paterikon Meleton, Thessaloniki 1975 (archive.org [abgerufen am 9. Mai 2022]).
  • Daniel Stiernon: Constantinople IV. Editions de l'Orante, Paris 1967 (Online). = Daniel Stiernon: Konstantinopel IV. Aus dem Französischen übersetzt von Nikolaus Monzel. Übersetzung der Texte im Anhang von Heinrich Bacht (= Geschichte der ökumenischen Konzilien. Band 5). Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 1975.
  • Josef Wohlmuth: Viertes Konzil von Konstantinopel - 869-870. Einführung. In: Josef Wohlmuth (Hrsg.): Konzilien des ersten Jahrtausends. Vom Konzil von Nizäa (325) bis zum Vierten Konzil von Konstantinopel (869/70) (= Dekrete der ökumenischen Konzilien. Band 1). 3. Auflage. Schöningh, Paderborn, München, Wien, Zürich 2002, S. 157–159.

Belege

  1. Josef Wohlmuth: Viertes Konzil von Konstantinopel - 869-870. Einführung. In: Josef Wohlmuth (Hrsg.): Konzilien des ersten Jahrtausends. Vom Konzil von Nizäa (325) bis zum Vierten Konzil von Konstantinopel (869/70) (= Dekrete der ökumenischen Konzilien. Band 1). 3. Auflage. Schöningh, Paderborn, München, Wien, Zürich 2002, S. 157–159, 157.
  2. a b Francis Dvornik: The Photian Schism: History and Legend. Cambridge University Press, Cambridge 1948, S. 296–322 (kroraina.com [abgerufen am 5. Mai 2022]).
  3. Peter Gemeinhardt: Concilium Constantinopolitanum IV (869–870). In: Antonio García y García et al. (Hrsg.): The General Councils of Latin Christendom: From Constantinople IV to Pavia-Siena (869–1424) (= Corpus Christianorum. Conciliorum oecumenicorum generaliumque decreta. Band 2/1). Brepols, Turnhout 2013, ISBN 978-2-503-52527-3, S. 1–11, 8.
  4. Francis Dvornik: The Photian Schism: History and Legend. Cambridge University Press, Cambridge 1948, S. 383–431 (kroraina.com [abgerufen am 22. Mai 2022]).
  5. A. Edward Siecienski: The Filioque: History of a Doctrinal Controversy. Oxford University Press, New York 2010, ISBN 978-0-19-537204-5, S. 104 (google.de [abgerufen am 22. Mai 2022]).
  6. Anders Peter Gemeinhardt: Concilium Constantinopolitanum IV (879–880). In: Antonio García y García et al. (Hrsg.): The General Councils of Latin Christendom. From Constantinople IV to Pavia-Siena (869–1424) (= Corpus Christianorum. Conciliorum oecumenicorum generaliumque decreta. Band 2/1). Brepols, Turnhout 2013, ISBN 978-2-503-52527-3, S. 51–61, 59.
  7. Gemeinsame Internationale Kommission für den theologischen Dialog zwischen der römisch-katholischen und orthodoxen Kirche, Erklärung Glaube, Sakramente und Einheit der Kirche (Bari 1987) Nr. 53, deutsche Übersetzung in: Die deutschen Bischöfe, Ökumene-Kommission (Hrsg.), Die Eucharistie der einen Kirche. Dokumente des katholisch-orthodoxen Dialogs auf deutscher und internationaler Ebene. 3. erw. Aufl. (Bonn 1995) 47.
  8. Gemeinsame Internationale Kommission für den theologischen Dialog zwischen der römisch-katholischen und orthodoxen Kirche, Erklärung Glaube, Sakramente und Einheit der Kirche (Bari 1987) Nr. 53, deutsche Übersetzung in: Die deutschen Bischöfe, Ökumene-Kommission (Hrsg.), Die Eucharistie der einen Kirche. Dokumente des katholisch-orthodoxen Dialogs auf deutscher und internationaler Ebene. 3. erw. Aufl. (Bonn 1995) 57.