Zum Inhalt springen

Benutzer:Anthoney72/Integral-ABS

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 9. Oktober 2006 um 05:58 Uhr durch INTERCEPTOR XXVII (Diskussion | Beiträge) (Hersteller-Präsentation: erg). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Das Integral-ABS (I-ABS) ist ein ABS für Motorräder von BMW. Der Grundgedanke ist, dass eine optimale Bremswirkung nur dann erzielt wird, wenn Vorder- und Hinterrad gleichzeitig verzögert werden. Integralbremssysteme gibt es in zwei Ausführungen: Beim Vollintegral-Motorrad-Bremssystem wirken sowohl der Handbremshebel, als auch der Fußbremshebel gleichzeitig auf Vorder- und Hinterradbremse. Beim Teilintegral-System wirkt der Handbremshebel auf Vorder- und Hinterradbremse und der Fußbremshebel nur auf die Hinterradbremse. Das Integral-ABS verfügt außerdem über eine adaptive Bremskraftverteilung auf beide Räder unter Berücksichtigung des Fahrbahn- und Beladungszustands sowie verbesserte Möglichkeiten, ein Abheben des Hinterrades bei einer Vollbremsung frühzeitig zu erkennen und dem entgegenzuwirken.

Das erste Integral-ABS

Geschichte

Zielsetzung

Beim ersten Integral-ABS (Herbst 2000 bis Mitte August 2006), gemeinsam entwickelt von BMW mit dem Zulieferer FTE automotive, wurde erstmals ein elektrohydraulischer Bremskraftverstärker (BKV) realisiert. Dieses System wies insgesamt ein für Motorräder bislang nicht gekanntes Maß an elektronisch vernetzten Funktionen auf. Das Bremsen sollte damit vor allem komfortabler und sicherer werden. Das Integral ABS sollte auch dem unerfahrenen Fahrer eine Bremsanlage bieten, die es ihm ermöglicht, die volle Leistungsfähigkeit seiner Bremse auszunutzen. Durch den BKV stellte sich jedoch ein "entkoppeltes" Bremsgefühl ein, die Dosierbarkeit der Bremse war gerade bei Anpassungsbremsungen und geringen Geschwindigkeiten erschwert,[1][2] und vor allem die Zielgruppe der unerfahrenen Fahrer war mit der Restbremse überfordert;[3] eine Umgewöhnung beim Umstieg von Motorrädern ohne BKV war erforderlich.[2][3][4] Das Öffnen der Bremse bei welliger Fahrbahn bzw. Bergabfahrten und hartem Herunterschalten irritiert bis heute.[1][5] Und der Vorteil des Integral-ABS mit BKV gegenüber ABS-Systemen ohne BKV ist bisher weder durch eine vergleichende Unfallstatistik noch wissenschaftliche Untersuchungen belegt.[6] Bereits im März 2005 sprach MO von "zweifelhafter Innovation",[3] im September 2006 schrieb MOTORRAD von einem "Irrtum".[7]

Markteinführung

Bei Markteinführung des Sonderzubehörs Integral-ABS (damaliger Aufpreis 1.040 Euro) an der BMW R 1200 GS war diese nur mit diesem 5 kg schweren und in der Fachpresse umstrittenen Sicherheitssystem erhältlich. Obwohl BMW die R 1200 GS in der Basis-Version anbot, und Kaufverträge entsprechend unterzeichnet wurden, wurden Bestellungen nicht ausgeführt.[8][9] Wollte der der Kunde eine R 1200 GS haben, musste er das Sonderzubehör Integral-ABS mitbestellen und bezahlen, obwohl er es vielleicht gar nicht wollte. Erst nach ungefähr einem Jahr waren R 1200 GS Motorräder ohne das Sonderzubehör Integral-ABS erhältlich. Bei der Markteinführung der BMW K 1200 S wurde dieses Sonderzubehör erstmalig serienmäßig verbaut. Wobei auf Kundennachfrage gegen einen Abschlag von 700 Euro dennoch die Ausstattung mit einem konventionellen Bremssystem möglich war.

Kritik

Spätestens seit August 2004 wusste BMW von der Anfälligkeit des Systems.[10] Eine erste Stellungnahme durch BMW erfolgte am 10. September 2004.[11] Bereits am 13. September 2004 wussten das KBA und weite Teile der Presse, dass der verantwortliche BMW Qualitätschef sich negativ über das Integral-ABS geäußert hatte: "Das System ist in seinen Auswirkungen und Rückfallebenen ungenügend konzipiert."[12][10] Im November 2004 wurde bekannt, dass bereits ab März 2004 alle neuen Modelle mit "um bis zu einem Viertel"[13] in der Leistung verbesserter Restbremskraft ausgeliefert wurden.[14] Die "gesteigerte Restbremswirkung"[4] sollte praxisgerechter und sicherer sein.[15] Die Welt berichtete im Dezember 2004 erstmals in Zahlen über "nicht regelgerecht funktionierende ABS-Bremsen" sowie "mehrere hundert Fälle" von Kundenbeschwerden,[6] und bewirkte durch die Art der Darstellung und Recherche bisweilen Kritik.[16] Bereits im Frühjahr 2005 leitete die Staatsanwaltschaft München auf die Anzeige eines Käufers hin Ermittlungen wegen Betrugs[17] und Straßenverkehrsgefährdung[18] ein. Im März 2005 erschien das MO-Sonderheft "BMW-MOTORRÄDER" Nr. 13 mit der bis heute umfangreichsten Darstellung des Themas. Eine gezielte Aufklärung der Kunden durch eine Aktualisierung der Bedienungsanleitung wurde darin vom Pressesprecher BMW Motorrad abgelehnt. Anfang Juni 2005 wurde im Verbrauchermagazin M€X des Hessischen Fernsehens in Zusammenarbeit mit dem ADAC über den ersten Verletzten mit einer BMW K 1200 S wegen des Ausfalls des ABS berichtet.[19] Mitte Juni ließ BMW verlauten, es gäbe keinen Anlass für eine Rückruf-Aktion, und man sähe den Ermittlungen "gelassen entgegen".[17] In der Folge informierten auch das Nachrichten-Magazin Der Spiegel und die ARD-Sendungen Plusminus und Tagesschau die breite Öffentlichkeit. Zwischenzeitlich war BMW "tausend weiteren Beschwerden" nachgegangen,[20] und erklärte, dass es wegen des Ausfalls des Bremskraftverstärkers "keine ernsten Unfälle"[21] oder "Unfälle schwerer Art"[22] gegeben habe. Mitte Juli 2005 leitete die französische Behörde DGCCRF eine Untersuchung ein.[23] Nachdem BMW zunächst im September 2005 weltweit ca. 260.000 Besitzer von Integral-ABS Motorrädern mit einer Ergänzung zur Bedienungsanleitung aufklärte,[24] erfolgte dann im April 2006 eine weltweite Rückrufaktion von rund 90.000 BMW-Motorrädern ab Modelljahr 2005 wegen Ausfällen der ABS-Funktion, es erfolgte aber kein Rückruf von ca. 260.000 Motorrädern wegen Ausfällen der Bremskraftverstärker-Funktion.[25] Obwohl es sich dabei laut KBA und Staatsanwaltschaft nicht um Einzelfälle handelte,[22] und beim ADAC 80 Fälle dokumentiert waren,[13] stellte das KBA die seit August 2004 laufende Untersuchung darauf ein.[26] Ein Vibrationsalarm [27] oder eine akustische Warnung[6] wurden nicht realisiert; die Benutzer wurden sensibilisiert, "die Kontrollleuchten immer mit im Blickfeld zu behalten".[28] Ergänzend wies das KBA im April 2006 auf das "Einhalten der Verhaltensnormen" hin, wozu neben dem "Verhalten im Straßenverkehr" auch die "Kenntnis der Bedienungsanleitung" zähle. Eventuelle Mängel bei den Zulassungsvorschriften von Motorradbremsanlagen in Sachen Warnsignale und Restbremskraft wurden eingeräumt. Die Ermittlungen wegen fahrlässiger Körperverletzung sind noch nicht abgeschlossen;[29] mehrere BMW Motorräder wurden Anfang August 2006 von einem Abschleppunternehmen im Auftrag der Staatsanwaltschaft bei Besitzern abgeholt und zu einem Sachverständigen überstellt.

Hersteller-Präsentation

Aufgrund der kritischen TV-Medienberichterstattung und der daraufhin kontrovers geführten Diskussionen über das BMW Motorrad Integral ABS fand in der letzen Juli-Woche 2005 eine Info-Veranstaltung mit Pressevertretern und ein weiterer Tag mit Behördenrepräsentanten, Anbietern von Fahrsicherheitstrainings sowie Fahrschulverbänden am FTZ (Fahrer-Trainings-Zentrum) am Flughafen München statt. Die Demonstrationen wurden mit neuen, in der Restbremskraft verbesserten Modellen durchgeführt. Eine grafische Information (Balkendiagramm) erläuterte die Leistung der Restbremskraft bei 50 km/h:[13]

(1) gesetzlich geforderte Mindestverzögerung: 2,5 m/s² bei 200 Nm Handkraft, Bremsweg 38,58 m
(2) Restbremse: 5 m/s² bei alten Modellen und 7 m/s² bei neuen Modellen bei 200 Nm Handkraft, Bremsweg 19,29 m bzw. 13,77 m
(3) Durchschnittliche Verzögerung von Motorradfahrern ohne ABS: 6,6 m/s², Bremsweg 14,61 m

Mit (1) und (2) wurden Referenzwerte empirisch ermittelten Werten aus einer wissenschaftlichen Studie in (3) gegenübergestellt. Erst eine Korrektur dieses Fehlers und eine Anpassung auf in Tests allgemein übliche 100 km/h ermöglicht den sinnvollen Vergleich von funktionierendem Integral-ABS und Restbremse:

(A) gesetzlich geforderte Mindestverzögerung: 2,5 m/s² bei 200 Nm Handkraft, Bremsweg 154,32 m
(B) Restbremse: 5 m/s² bei ca. 170.000 alten Modellen bei 200 Nm (= doppelter)[30] Handkraft, Bremsweg 77,16 m
(C) Restbremse: 7 m/s² bei ca. 130.000 neuen Modellen (mit CAN-BUS) bei 200 Nm (= doppelter)[30] Handkraft, Bremsweg 55,11 m
(D) Integral-ABS: 9,93 m/s² bei normaler Handkraft, Bremsweg 38,90 m (BMW K 1200 GT)[31]

Restbremse bedeutet also eine knapp 50prozentige Minderung der Bremsleistung bei den Modellen mit herkömmlicher Restbremskraft. Bei den Modellen mit verbesserter Restbremskraft handelt es sich um eine fast 30prozentige Minderung der Bremsleistung. Die Bremswegverlängerungen nehmen mit der Geschwindigkeit deutlich zu:

Bremswege (m) 100 km/h 150 km/h 200 km/h 250 km/h 280 km/h
2,5 m/s² 154,32 347,22 617,28 964,5 1209,87
5 m/s² 77,16 173,61 308,64 482,25 604,93
7 m/s² 55,11 124,00 220,45 344,64 432,09
9,93 m/s² 38,85 87,41 155,40 242,82 304,60

Wenn bei den durchgeführten Demonstrationsfahrten mit neuen Modellen von drei routinierten Fahrern (zwei vom TÜV-Süd, ein BMW Projekt-Ingenieur des Entwickler-Teams der Bremse) mit Restbremskraft Verzögerungen von 9,87 m/s² möglich waren,[30] dann kann das nur möglich gewesen sein, indem Handkräfte über 200 N aufgebracht wurden. Aussagen darüber, welche Verzögrungen mit Restbremskraft in der Praxis tatsächlich erzielt werden, könnte nur eine wissenschafltiche Untersuchung liefern.

Berichterstattung Fachpresse

Die Berichterstattung der Fachpresse war bisweilen von Auffälligkeiten geprägt.[32] Am 12.09.2006 wurde ein Hinweis vom Deutschen Presserat gegenüber der Redaktion der Zeitschrift MOTORRAD ausgesprochen, da diese mit der Veröffentlichung des Artikels BMW-ABS-Rückruf - Blend-Wirkung. am 28.04.2006 gegen das Gebot der wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit nach Ziffer 1 des Pressekodex verstoßen hatte. "Nach Ansicht des Gremiums wäre es notwendig gewesen, nach der Mitteilung über die Einstellung des Verfahrens gegen drei BMW-Manager die Leser darüber zu informieren, dass danach Ermittlungen gegen Unbekannt aufgenommen wurden. Dadurch wäre dem Leser klar geworden, dass lediglich die Ermittlungen gegen drei konkrete Personen eingestellt wurden."[33]

Technik

Das System basiert auf dem Staudruck-Verfahren.

Regelqualität

Gegenüber den ABS-Systemen von HONDA weist das Integral-ABS von BMW gröbere Regelintervalle auf, was mit deutlichen Vertikalbewegungen, gelegentich als "Bocksprünge" bezeichnet, einhergeht, die den Fahrer beim Ausbalancieren des Motorrads beeinträchtigen können.[34][35]

Abheberegelung

Die Hinterrad-Abhebeerkennung senkt immer dann kurzzeitig den Druck im Vorderrad-Bremskreis, wenn die Auswertung der Sensorsignale signalisiert, dass das Hinterrad den Bodenkontakt verloren hat. Dies wird durch ein indirektes Verfahren anhand der Raddrehzahlen und durch Plausibilitätsvergleiche berechnet. Bei spezifischen Fahrbahnunebenheiten kann es kurzzeitig ebenfalls zu einem Lösen der Vorderrad-Bremsen kommen. Dieser Effekt tritt typischerweise beim Abbremsen zwischen Geschwindigkeiten um 60 und 70 km/h auf welliger Straße auf und wird durch die Regelungstechnik verursacht. Zudem wurden bei einer BMW R 1200 GS bei einer Messreihe aufgrund starker Verzögrungseinbrüche Bremswegdifferenzen von 12 Metern gemessen.[34] Bei dieser "unangenehmen Überraschung" löst das Integral-ABS "die Bremse ungewöhnlich lang, das Motorrad legt einige Meter ungebremst zurück. Passiert das vor einer Kurve, kann es ganz schön kritisch werden."[34] Dieser Mangel des Integral-ABS konnte auf der Testtrecke von FTE automotive und zwar speziell auf der Sägezahnstrecke einwandfrei reproduziert werden.

Wartung

Die ordnungsgemäße Wartung der Bremsanlage wie Bremsflüssigkeitswechsel Steuerkreis / Radkreis bzw. Entlüftung kann nur in Werkstätten durchgeführt werden, die über die speziellen Diagnose- und Wartungsgeräte des Herstellers BMW verfügen. Die Besorgnis über nicht ordnungsgemäße Wartung besteht aus dem Grund,[36] weil ein nicht ordnungsgemäß entlüftetes Integral-ABS zwar aufgrund von Kompensationseffekten der Pumpe einwandfrei funktioniert, aber bei Störungen des Systems zum Ausfall der Restbremskraft führen kann.[37] Die Wartungsvorschrift lautet, dass der Wechsel der Bremsflüssigkeit im Radkeis jedes Jahr und im Steuerkreis alle zwei Jahre vorzunehmen ist (z.B. R 1150 GS). Nur bei BMW Motorrädern, die bereits werkseitig mit stahlummantelten Bremsschläuchen ausgeliefert wurden (z.B. R 1200 GS), sind die Intervalle zum Austausch der Bremsflüssigkeit verlängert worden. Der Wechsel der Bremsflüssigkeit im vorderen und hinteren Radkreis ist nur noch alle zwei Jahre vorzunehmen, im Steuerkreis ist der Wechsel nur noch alle vier Jahre erforderlich. Insgesamt sind die Wartungskosten gegenüber dem Vorgängersystem (ABS II) und dem Nachfolgesystem (Integral-ABS von Continental-Teves) aufgrund der systembedingten Komplexität erhöht.

Störungen

Bei Störungen des Systems steht Restbremskraft zur Verfügung. Dabei handelt es sich um die in Abhängigkeit der Einstellung des Bremshebels noch verfügbare Bremskraft, wenn weder der BKV noch das ABS aktiv sind und auch die Verbundbremsen-Funktion nicht zur Verfügung steht. Eine Warnung erfolgt, sofern wahrgenommen, durch eine Warnlampe, die Restbremskraft setzt unmittelbar ein, da kein Hochdruck vorrätig gehalten wird ("Druckreservoir"). Aufgrund der Komplexität des Systems gibt es zahlreiche mögliche Ursachen für diesen Zustand.[6] Ursachen können z.B. externe Störungen sein, an der Sensorik, den Bremslichtschaltern (z.B. auch verschobener Handschutz), Kabelbrüche, lose Steckverbindungen etc. und Fehler an der Elektronik (defekte Steuergeräte) oder den elektrischen Pumpen.[28] Der Bremshebel muss dann "über einen größeren Weg und mit mehr Kraft" betätigt werden "als bei einer konventionellen Anlage",[37] und das Ansprechverhalten der Bremse ändert sich signifikant.[12] Die dazu nötige Handkraft und der entsprechende Hebelweg werden bisweilen als "beinahe unzumutbar hoch" beschrieben.[2] Modellspezifisch liegt die maximale Bremsleistung, nur bei günstiger Einstellung des Bremshebels, zwischen maximal 5 und 7 m/s².[13] Bei anderen Bremshebeleinstellungen, z.b. aus ergonomischen Gründen, wird immerhin noch die gesetzlich geforderte Mindestleistung von 2,5 m/s² erreicht. Die aufzubringende Handkraft hierzu verdoppelt sich auf 200 Newton.[30] Fast 10 m/s² sind bei funktionierendem Integral-ABS und nur sehr geringen Bedienkräften möglich.[7] Die Erfahrung von Wissenschaftlern zeigt jedoch, dass für effizientes Bremsen mit einem Motorrad-ABS eine ausführliche Erklärung der Funktionsweise und die richtigen Handhabung des ABS notwendig ist, dann lassen sich in der Praxis durchschnittlich 7,81 m/s² Bremsverzögerung erreichen.[38] Entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen zu Bremsverzögerungen mit Restbremskraft in der Praxis liegen bis heute nicht vor. Allerdings verhält es sich so, dass die Abweichung von gewohnter Handkraft zu notwendiger Handkraft bei Restbremsfunktion so überwältigend ist, dass zahlreiche Fahrer den Ausfall des BKV als vollständigen Defekt der Bremsanlage wahrnehmen "und entweder gar nicht, zu spät oder nur schwach die Restbremsfunktion aktivieren können."[2]

Sicherheit

Innerhalb eines Monats nach Beginn einer ADAC-Umfrage Anfang Juli 2005 waren bereits 80 Fälle über den Ausfall der Bremskraftverstärkung unter den Bedingungen des öffentlichen Straßenverkehrs bekanntgeworden.[13] Seitdem sind keine neuen Zahlen mehr veröffentlicht worden. Und entgegen der Zusicherung des ADAC, "Man werde die Ergebnisse aber zu gegebenem Zeitpunkt veröffentlichen",[30] fand seitdem zu keiner Zeit eine Bekanntgabe statt. Der ADAC wies darauf hin, dass Besitzer im Zweifel ihr Motorrad nur verkaufen könnten, und sich "unter Umständen besser nach einer anderen Maschine umschauen könnten."[39]

Pro

Zum Thema Sicherheit des Integral-ABS gibt es zwei Meinungen. Die erste Meinung wird vom Hersteller BMW, dem Kraftfahrtbundesamt und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vertreten, nämlich dass das Integral-ABS den gesetzlichen Bestimmungen weltweit nicht nur genügt, sondern darüberhinaus noch weitere, gesetzlich nicht geforderte, Sicherheit bietet. So wird in den günstigeren Bremshebelpositionen die gesetzlich geforderte Bremsleistung von 2,5 m/s² um den Faktor 2 übertroffen, bei neuen Modellen ab März 2004 um den Faktor 2,8. Außerdem wird der Ausfall des ABS und der Bremskraftverstärkung vom System in regelmäßigen Intervallen überwacht und durch Warnlampen angezeigt. Diese Meinung besagt weiter, dass eine eingehende Lektüre der Bedienungsanleitung ebenso zur Einhaltung der Verhaltensnormen gehört, wie eine dem Integral-ABS angepasste Fahrweise. Es wird ferner darauf hingewiesen, dass es absolut sichere Systeme nicht geben könne,[28] und dass die Anzahl der betroffenen Fahrer "immer in Relation"[30] zu sehen sei. Man könne dazu aber keine offiziellen Angaben machen, "mit Rücksicht auf BMW".[22]

Contra

Die andere Meinung, vertreten von der Fachpresse und den Kunden, vertritt die Ansicht, dass sich die Entwicklung von Motorrad-ABS-Bremssystemen nicht nur an der Erfüllung von gesetzlichen Mindest-Vorgaben orientieren sollte.[30] Sie sollte sich vielmehr an der Praxis und den Bedürfnissen der Motorradfahrer orientieren.[40] Das Lesen einer mehrseitigen Bedienungsanleitung sei nicht praxisgerecht.[14][4] Und eine Rückfallebene, die nicht die Sicherheit von Autos aufweise (kein "Druckspeicher"), wäre bereits bei der Zulassung nicht Stand der Technik gewesen. Schlagartige Bremswegverlängerungen bei 100 km/h um 16 Meter (7 m/s²) bzw. 38 Meter (5 m/s²) und bei 150 km/h um 37 Meter (7 m/s²) bzw. 86 Meter (5 m/s²) bei Ausfall der Bremskraftverstärkung sind dieser Meinung nach lebensgefährlich, zumal diese nur unter idealen Bedingungen so gering ausfallen. Von dieser Meinung wird ferner auf die spezifische Defekt-Anfälligkeit des Integral-ABS aufgrund der unnötigen Komplexität hingewiesen.[3] Die Fehlerroutinen des Systems verschärfen nach dieser Ansicht das Problem erheblich. Die spezifischen Bremseigenschaften des Systems bei welliger Fahrbahn oder bei Bergabfahrten mit hartem Herunterschalten werden wegen der Irritation des Fahrers und der Bremswegverlängerung als inakzeptabel bezeichnet.

Das zweite Integral-ABS

Die Entwicklung eines neuen Integral-ABS ohne BKV begann bereits Anfang 2003 gemeinsam von BMW mit dem Zulieferer Continental Teves.[41] Die Ausgabe 02/2005 der Zeitschrift TOURENFAHRER klärte die Leser im Januar 2005 technisch im Detail über das neue Integral-ABS auf. Die Schwächen des bisherigen Systems sollten damit behoben werden.[42][36] Dieses System kommt seit August 2006 in allen K- und R-Modellen (Ausnahme: R 1200 S und K 1200 LT) zum Einsatz; die Notwendigkeit für eine zusätzliche Bremskraftverstärkung wird allerdings noch bei der schwergewichtigen K 1200 LT gesehen, die das Vorgängersystem von FTE autmotive behält.[43] Der Bremsdruck für die Vorderradbremse wird nun rein hydraulisch und allein über die Betätigungskräfte am Handhebel aufgebracht, der Bremsdruck für die Hinterradbremse wird über eine Hydraulikpumpe geregelt. Laut Tests sind so maximale Verzögerungswerte und damit sehr kurze Bremswege auch ohne elektrische Bremskraftverstärkung realisierbar.[7] Das System beinhaltet die Plattform für zukünftige, weiter gehende Fahrer-Assistenzfunktionen. Ab 2007 soll eine Antriebsschlupfregelung (BMW nennt sie Automatic Stability Control/ ASC) als Option verfügbar sein, ein Fahrdynamik-Regelungssystem, das ein unkontrolliertes Durchdrehen der Räder (z.B. bei Nässe) verhindern soll.

Technik

Das System wird jetzt durch Ventile gesteuert.

Abheberegelung

Die wie beim Vorgängersystem integrierte Hinterrad-Abhebeerkennung RLP (Rear wheel Lift-off Protection) weist weiterhin die bekannten und oben genannten Besonderheiten auf, beispielsweise beim hartem Herunterschalten, bei Bergabfahrten oder welliger Fahrbahn.[44]

Störungen

Beim Betätigen des Handbremshebels wirkt die elektrische Hydraulikpumpe auf die Hinterradbremse. Die Vorderradbremse wird hingegen nur per Handkraft betätigt, die Hinterradbremse beim Betätigen des Fussbremshebels nur per Fusskraft. Bei eventuellen Systemstörungen fällt bei diesem System lediglich die Teilintegralfunktion und/oder die Antiblockierfunktion aus. Dann steht eine konventionelle Bremsanlage zur Verfügung, die sich weder in Wirkung noch Dosierbarkeit unterscheidet. Damit wurden die wesentlichen Nachteile des alten Integral-ABS (Restbremskraft) beseitigt.

Siehe auch

Einzelbelege

  1. a b Waldemar Schwarz, Jörn Thomas: ABSolute Beginner. In: MOTORRAD. 26/02.
  2. a b c d Wolfgang Zeyen: Attacke auf BMW-Integral-ABS. In: TOURENFAHRER. 02/05. 72-76.
  3. a b c d Maik Schwarz: Riesen Wirbel. Integral-ABS in der Kritik.. In: BMW Motorräder Nr. 13. MO Sonderheft. 23.03.05.
  4. a b c Jo Soppa: Dynamische Prozesse. In: BMW Motorräder Nr. 13. MO Sonderheft. 23.03.05.
  5. Thomas Schmieder: Endstation Sehnsucht. In: MOTORRAD 19/06.
  6. a b c d Thomas Delekat: Für den Fall der Fälle. In: DIE WELT. 16.07.05.
  7. a b c Stefan Kaschel: ABS - Der Stand der Dinge. In: MOTORRAD 19/06.
  8. Wilhelm Hahne: Motorräder bauen und Motorradfahrer verstehen ist offenbar zweierlei. In: Motor-Kritik. 10.02.2004.
  9. Wilhelm Hahne: Arrogant - überheblich - kundenverachtend. In: Motor-Kritik. 27.05.2004.
  10. a b Jörg Reichle: Gefahr - Gebremstes Vertrauen. In: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. 04.07.05.
  11. Thomas Schmieder: Bremslichtschalter der BMW R 1200 GS.Problem gelöst. In: MOTORRADONLINE. 10.09.04.
  12. a b Christian Wüst: BMW-Motorräder haben Probleme im Bremssystem. In: DER SPIEGEL 27/2005. 02.07.05.
  13. a b c d e Frank Mertens: BMW kämpft um Vertrauen der Kunden. In: NETZEITUNG. 29.07.05.
  14. a b Nicholas Rufford: CURIOUS CASE OF THE BMW SUPER-BRAKES THAT DIDN’T STOP THE BIKE. In: THE SUNDAY TIMES. 07.11.2004.
  15. Gertrud Mansfeld: BMW R 1200 ST. In: BMW Motorräder Nr. 13. MO Sonderheft. 23.03.05.
  16. Wilhelm Hahne: DIE WELT schafft das Problem nicht tatsächlich aus der Welt. In: MOTOR-KRITIK. 20.12.04.
  17. a b Eberhard Unfried: Bremsprobleme bei neuem Motorrad. Staatsanwalt ermittelt gegen BMW Bosse. In: tz München. 18.06.2006. S. 6.
  18. Frank Mertens: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen BMW. In: NETZEITUNG. 05.07.05.
  19. Sven Herold: Sicherheitsrisiko BMW - Wenn Premium-Motorräder von der Straße abkommen. In: M€X. 09.06.05.
  20. Thomas Delekat: BMW, die Hydraulik und die Lawine. In: DIE WELT, 09.07.05.
  21. Frank Mertens: BMW-Motorradchef Diess garantiert für die Sicherheit des Bremssystems: In: NETZEITUNG. 19.07.05.
  22. a b c Thomas Magenheim: Staatsanwalt ermittelt gegen BMW. ... Konzern plant keine Rückrufaktion. In: FRANKFURTER RUNDSCHAU. 06.07.05.
  23. Eric Michel: BMW vérifie l'ABS Intégral sur 260 000 modèles dans le monde In: Moto-Net.Com. 10.07.2005
  24. Wilhelm Hahne: Mit erweiterter Bedienungsanleitung aus der Verantwortung?: In: MOTOR-KRITIK. 12.09.05.
  25. Till Kohlmey: BMW-ABS-RÜCKRUFAKTION. Gut gedrosselt. In: TOURENFAHRER. 06/06. 16-18.
  26. Jürgen Pander: BMW-Motorrad-ABS / Drosseln der Druckspitzen. In: SPIEGEL ONLINE. 07.04.06.
  27. Gerd Gregor Feth: Die 'sicherste Bremse der Welt' soll künftig besser informieren. In: FAZ. 29.07.05.
  28. a b c Jürgen Stoffregen: BMW Motorrad Integral-ABS - Antworten auf Ihre Fragen. In: Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände. Fragen im Nachgang zur Infoveranstaltung. 10.08.05. (PDF, 84,4 KB).
  29. Frank Mertens: BMW ruft Motorräder in Werkstätten. In: AUTONEWS24. 05.04.06.
  30. a b c d e f g Marion Englert: Kommt Zeit. Kommt Rat. In: Bikers-Journal. (PDF, 264 KB).
  31. Till Kohlmey: ABSolut zuverlässig. In: TOURENFAHRER. 07/06. 80-88.
  32. Wilhelm Hahne: BMW unter Artenschutz? In: Motor-Kritik, 15.08.05
  33. Deutscher Presserat: Entscheidung des Beschwerdeausschusses 2 in der Beschwerdesache BK2-95106. 12.09.06.
  34. a b c Waldemar Schwarz: Zweiklassen-Gesellschaft. In: MOTORRAD. 10/04.
  35. Ralf Schneider: ABStinenz beendet. In: MOTORRAD. 12/05.
  36. a b Interview mit BMW Motorrad Pressesprecher Jürgen Stoffregen. In: BMW Motorräder Nr. 13. MO Sonderheft. 23.03.05.
  37. a b Markus Braunsperger u.a.: Das neue Integral ABS von BMW Motorrad. In: ATZ Automobiltechnische Zeitschrift 103 (2001) 3.
  38. Bremsverzögerungsmessung bei Motorradfahrern mit und ohne ABS. Kuratorium für Verkehrssicherheit.
  39. dpa: Motorrad-ABS. Kein Recht auf Rückgabe. In: Süddeutsche Zeitung. 08.10.06.
  40. Wilhelm Hahne: Umsetzen der bisherigen Praxis-Erfahrungen in ein einfacher strukturiertes System .... In: MOTOR-KRITIK. 20.01.2005.
  41. Frank Mertens: Besserer Regelungskomfort beim BMW-ABS. In: AUTONEWS24. 27.07.06.
  42. Thomas Delekat: BMW räumt Probleme bei Motorrad-Bremse ein. In: WELT AM SONNTAG. 17.07.05.
  43. Interview mit BMW Motorrad Pressesprecher Jürgen Stoffregen. In: MOTORRAD. 16/2006.
  44. Thomas Delekat: Wie wildgeworden. Der neue Roadster von BMW ... - und hat ein nagelneues ABS-System. In: DIE WELT. 15.07.06.

Verweise

Literatur

Fernsehberichte