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Karl Lamprecht

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Karl Lamprecht (* 25. Februar 1856 in Jessen bei Wittenberg (Sachsen-Anhalt); † 10. Mai 1915 in Leipzig) war Professor für Geschichte an der Universität Leipzig, heute vor allem bekannt durch seine Rolle im Methodenstreit.

Biographie

Sein Vater war der Oberpfarrer Carl Nathael Lamprecht (1804-1878) und Sein älterer Bruder Hugo (*1845) studierte wie der Vater Theologie und wurde später Superintendent.

Studium

Nach dem Besuch der Gymnasien in Wittenberg und Schulpforta studierte er ab 1874 in Göttingen, Leipzig und München Geschichte. Unter dem Einfluss des Nationalökonomen Wilhelm Roscher (1817-1894) beschäftigte er sich verstärkt mit der Wirtschaftsgeschichte und promovierte 1878 er in Leipzig bei dem Nationalöonomen Wilhelm Roscher und dem Historiker Carl von Noorden (1833-1883) mit "Beiträgen zur Geschichte des französischen Wirtschaftslebens im 11. Jahrhundert" an der Philosophischen Fakultät.

Da er nach dem Tod seines Vaters keine Chance sah, die unbezahlte Privatdozentenzeit durchzustehen, legte er 1879 sein Staatsexamen für das höhere Lehramt ab und absolvierte sein Probejahr als Kandidat des höheren Lehramtes. Im selben Jahr wurde er Hauslehrer bei dem Kölner Bankier Deichmann. Dort lernte er den rheinischen Industriellen Gustav von Mevissen (1815-1899) kennen, dessen privates es Stipendium Lamprecht ermöglichte, sich Studien zur rheinischen Wirtschaftsgeschichte zu widmen.

1881 gründete er mit Mevissen die "Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde".

beruflicher Werdegang

1880 habilitierte er sich in Bonn bei Wilhelm Maurenbrecher über die "Geschichtsschreibung von Dietrich Engelhus", die ungedruckt blieb und wurde dort Privatdozent. 1888 ernannte man ihn zum außerordentlichen Professor. 1890 erhielt er den Ruf als ordentlicher Professor nach Marburg in der Nachfolge Varrentrapp. Bereits 1891 übernahm er den Leipziger Lehrstuhl für mittelalterliche und neuere Geschichte in der Nachfolge Georg Voigts (1827-1891) und wurde 2. Direktor des Historischen Seminars der Universität Leipzig neben Wilhelm Maurenbrecher, dem er die Durchsetzung seiner Berufung nach Leipzig zu verdanken hatte. Nach dem Tod Maurenbrechers hatte Lamprecht bis 1915 die alleinige Geschäftsführung des Seminarsa inne. 1898 gründete er zusammen mit dem Geographen Friedrich Ratzel das historisch-geographische Seminar. 1910/11 war er als Rektor der Universität Leipzig in der Studienreform tätig und verankerte unter anderem die Stellung der Fachschaft in der Universitätsverfassung.

Lamprecht regte 1906 die Gründung des Seminars für Landesgeschichte und Siedlungskunde an, das unter der Leitung Rudolf Kötzschke (1867-1949) stand, und gründete 1909 das königlich-sächsische Institut für Kultur- und Universalgeschichte, das erste geisteswissenschaftliche Institut in Deutschland, das nicht der Universität, sondern direkt dem Ministerium unterstand. Weitere zehn Institutsgründungen waren geplant.

1896 gründet er die kgl. Sächs. Kommission für Geschichte. Außerdem war er Mitglied im Alldeutschen Verband und der Gesellschaft für Hochschulpädagogik (1911 Vorsitzender).

Zusammen mit Felix Hettner, dem Direktor des Trierer Provinzial-Museums gab er 1881-1891 die "Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst" heraus.

wissenschaftliche Entwicklung

Gegenüber den zu dieser Zeit das akademische Leben in Deutschland beherrschenden Neo-Rankeanern betonte Lamprecht die Bedeutung der Kulturgeschichte, der materiellen Faktoren und von Gruppen Assoziationen in der Geschichte. Der Satz, es komme nicht darauf an, zu zeigen, wie es eigentlich gewesen ist (Ranke), sondern wie es geworden sei, faßt Lamprechts Einstellung prägnant zusammen. Dem herrschenden Individualismus, dem Glauben, daß 'große Männer' Geschichte machen (Heinrich von Treitschke, stellt Lamprecht die Bedeutung der Umgebung und vor allem der wirtschaftlichen Entwicklung entgegen, er nimmt auch an, daß sie in der Geschichte Regelhaftigkeiten entdecken ließen, ohne deshalb die Freiheit des Individuums zu leugnen.

Trotzdem sind für Lamprecht, wie für die meisten Historiker seiner Zeit, der Staat und das Volk die beherrschenden Moment der Geschichtsschreibung, die Existenz des Volkes wird quasi zeitlos auch für die ferne Vorgeschichte selbstverständlich vorausgesetzt.

Der Methodenstreit im Zusammenhang mit seiner Deutschen Geschichte ab den 1890er Jahren entzündete sich nicht daran, daß Lamprecht primär Kultur- und Wirtschaftsgeschichte betrieb oder betreiben wollte. Wesentlich bedeutsamer war die Frage, was sollte für eine Geschichte primär betrieben werden, die den neuen Anforderungen sowohl aus der Gesellschaft als auch aus der Naturwissenschaft gerecht werden soll. Lamprecht meint, daß Kultur- und Wirtschaftsgeschichte primär und politische- und Personengeschichte sekundär sei. Man muß dazu sagen, daß der jüngere Lamprecht durch den deutschen Nationalökomen Wilhelm Roscher beeinflußt sich wirtschaftsgeschichtlichen Fragen zuwendet. Der deskriptiven Auffassung der Geschichte setzt er die genetische entgegen. Auch die Staaten werden bei ihm als sekundär betrachtet. Damit stößt er auf den Widerstand der zünftigen deutschen Geschichtswissenschaft. Im Unterschied dazu In späteren Jahren wandte sich Lamprecht unter dem Einfluss Wilhelm Wundts mehr und mehr der Psychologie und der Völkerpsychologie zu. In seine Universalgeschichtskonzeption und der ihr zugrundeliegenden Theorie der Psychogenese ist die Völkerpschologie Wundts unverkennbar.

Privatleben

Lamprecht war mit Mathilde Mühl (1860-1920) verheiratet, der Ehe entsprossen Marianne Lamprecht, verheiratete Klein-Walbeck (*1888) und Elisabeth Lamprecht, verheiratete Rose-Schütz (1890-1978).

Literatur

  • Roger Chickering, Karl Lamprecht: A German Academic Life, New Jersey 1993
  • Hans Schleier, Karl Lamprecht: Alternative zu Ranke. Schriften zur Geschichtstheorie, Leipzig, Reclam 1988
  • Louise Schorn-Schütte, Karl Lamprecht: Kulturgeschichtsschreibung zwischen Wissenschaft und Politik, Göttingen 1994