Geschichte des Wohnens
Die Geschichte des Wohnens beginnt mit der Sesshaftwerdung des Menschen seit der Neolithischen Revolution. Seither bildeten sich viele verschiedene Formen des Wohnens heraus, die für jede Epoche prägend waren und die Kultur- und Sozialgeschichte von Gesellschaften maßgeblich beeinflussten.
Weltweit betrachtet weist die Geschichte des Wohnens stark unterschiedliche Formen und Ausprägungen auf. Grundlegende Entwicklungen lassen sich sinnvoll nur für abgegrenzte und historisch gewachsene und regional begrenzte Räume darstellen. Die Fokussierung auf eine Geschichte des Wohnens auf Gebiete des heutigen Deutschlands sind einerseits problematisch, weil von einer deutschen Geschichte erst seit dem Hochmittelalter gesprochen werden kann. Andererseits haben die frühen Wohnformen der Jungsteinzeit und der römischen Antike das Wohnen in späteren Epochen entscheidend geprägt, weshalb sie in einer Überblicksdarstellung zu berücksichtigen sind.
Begriff Wohnen
Wohnung ist ein Sammelbegriff für alle Arten von Behausungen, Gebäuden und Räumen, die als Wohnsitz dienen können, insbesondere sind Einfamilienhäuser, Reihenhäuser und Etagenwohnungen gemeint.
Wortherkunft
Das Verb „wohnen“ geht auf mhd. wonen, ahd. wonên (weilen, wohnen, hausen, bleiben, leben, sich aufhalten, verharren, ruhen, sein) und protogermanisch *wunēn, *wunǣn (gewohnt sein, zufrieden sein, wohnen) zurück. Die gegenwärtigen Assoziationen mit dem Begriff „Wohnen“ sowie viele heutige Ausprägungen des Wohnens haben ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert, im aufkommenden bürgerlichen Zeitalter, das heißt in einer Zeit, in der das Bürgertum zur einflussreichen Bevölkerungsgruppe wurde.
Mitteleuropa in der Jungsteinzeit

Die Sesshaftwerdung des Menschen seit der Neolithischen Revolution markiert den Beginn des Wohnens. In Mitteleuropa bildete sich typischerweise das Langhaus heraus, in dem Menschen und Vieh unter einem Dach lebten. Das jungsteinzeitliche Langhaus wurde als Pfostenhaus vor etwa 7500 Jahren von den ersten Bauern in Mitteleuropa gebaut. Zuerst tauchte es im Zusammenhang mit der bandkeramischen Kultur auf. Archäologischen Befunde weisen auf eine Ausbreitung in weitere Gegenden Europas, und auf eine lange zeitliche Verteilung.
Mitteleuropa in der römischen Antike
Im antiken römischen Römisches Haus Hausbau gab es unterschiedliche Bautypen. Der lateinische Sprachgebrauch unterschied grundsätzlich zwischen Stadthaus (domus) und Landhaus (villa). Stadthäuser waren einerseits das Atriumhaus mit charakteristischem Innenhof sowie die Insula, ein großes, mehrstöckiges Mietshaus mit zahlreichen Wohnungen und Läden im Erdgeschoss. Die Villa rustica ist das Hauptgebäude eines landwirtschaftlichen Betriebs. Es kann sich dabei um ein einfaches Bauernhaus oder um größere Gebäudekomplexe, beispielsweise auf Latifundien, handeln. Als Villa urbana wird ein mit aufwendiger Architektur und städtischem Komfort ausgestattetes Landhaus der römischen Oberschicht bezeichnet. Luxusvillen dieser Art waren oft auch noch mit einem landwirtschaftlichen Betrieb verbunden, ihr Hauptzweck war jedoch der zurückgezogene Sommeraufenthalt des Villenbesitzers, bei dem hellenistisch geprägte Kultur gepflegt und üppige Gastmähler veranstaltet wurden.
Mittelalter und Neuzeit
Der Bauernhof war über Jahrtausende – auch noch im Mittelalter und in der Neuzeit – in Mitteleuropa die vorherrschende Wohnform. Wohnstätte und Arbeitsstätte bildeten eine Einheit. Alle Arbeiten, die hauptsächlich der Erzeugung von Nahrungsmitteln dienten, fielen rund um das Haus an. In der als erweiterte Haushalt oder auch ganzes Haus bezeichneten Wohnformen lebten mehrere Generationen unter einem Dach, daneben auch das sogenannte Gesinde, also Mägde Knechte oder Tagelöhner. In den seit dem Spätmittelalter wachsenden Städten lebten die Menschen anfangs ganz ähnlich. Die Handwerksbetriebe oder Geschäfte befanden sich zusammen mit der Wohnung unter einem Dach.
Wandel der Wohnformen während der Industrialisierung


Die Industrialisierung führte zu einer vermeintlich dichotomen Trennung der Lebens- von der Arbeitswelt, indem sie das Arbeiten an andere Orte verlagerte. Im 19. Jahrhundert setzte sich immer mehr das Familienmodell der sogenannten bürgerlichen Kernfamilie durch, bei der nur noch zwei Generationen in einem Haushalt lebten. Die von Arbeitsfunktionen befreite Wohnung wurde zum „trauten Heim“. Im Biedermeier wurde dieser neuen bürgerlichen Wohnkultur eine ästhetische Ausprägung gegeben, die teilweise bis heute fortwirkt. Die Veränderungen bewirkten, dass sich ein neues Verständnis von Kindheit durchsetzte. Kinder mussten nicht mehr nur im Haushalt mithelfen immer größerer Wert wurde auf die Erziehung und Ausbildung der Kinder gelegt.
Zugleich führte die Arbeitsmigration im Prozess der Urbanisierung zu einer Verarmung der Industriearbeiter. Um 1800 lebten noch drei Viertel der Menschen auf dem Land, 1910 waren es nur noch 40 Prozent. Aufgrund der Trennung von Wohnung und Arbeitsstätte mussten die Arbeiter oft weite Wege auf sich nehmen um zu Fuß zu den Fabriken zu kommen. Der rasante Bevölkerungsanstieg beispielsweise in Berlin führte zum Bau von Mietskasernen, in denen die Menschen unter widrigen Bedingungen leben mussten. Als Mietskaseren bezeichnet man ein mehrgeschossiges innerstädtisches Mietshaus mit einem oder mehreren Innenhöfen aus der Zeit der Industrialisierung (Gründerzeit), das für die breite Bevölkerungsschicht der Arbeiter und Angestellten errichtet wurde. Charakteristisch war die sehr enge Bebauung der Wohnviertel. Hinter den an die Straßen grenzenden Häusern wurden weitere Mietskasernen in die Hinterhöfe gebaut. Oft gelangte man nur über mehrere Hinterhöfe zu diesen Wohnungen. Ende des 19. Jahrhunderts waren etwa die Hälfte der Wohnungen in den Mietskasernen Berlins solche Hinterhofwohnungen.
Die hygienischen Zustände in den Mietskasernen waren problematisch. Es gab weder fließendes Wasser noch Badezimmer. In vielen schlecht beheizten Wohnungen besonders in den Kellerwohnungen breiteten sich Schimmel und Ungeziefer aus. Toiletten gab es entweder auf dem Hof oder mussten sich von den Mietern einer Etage geteilt werden. In den Berliner Wohnbezirken mit Mietskasernen lebten durchschnittlich 4–5 Personen in einem Haushalt. Der Großteil dieser Haushalte waren Kleinwohnungen mit nur einem oder zwei Zimmern sodass im Durchschnitt etwa 2,5–3 Personen in einem Zimmer lebten. Gemessen an der Größe der Wohnungen standen den Bewohnern der Mietskasernen durchschnittlich nur wenige Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung. Der Politiker Albert Südekum prägte über die Berliner Mietskasernen den Satz: "Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso töten wie mit einer Axt".[1]
Wohnformen im 20. und 21. Jahrhundert
Im 20. Jahrhundert wurde die Wohnung Bestandteil sozialer Reformen, etwa im Projekt Neues Frankfurt,
Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts entspannte sich die Wohnsituation, nachdem auch von staatlicher Seite die Notwendigkeit erkannt worden war die soziale Frage in den Städten zu lösen und der Bau billigen Wohnraums staatlich gefördert wurde. In den 1920er Jahren wurden unter anderem durch das Bauhaus neue Wohn- und Siedlungskonzepte entwickelt.
Der Grund für das in Deutschland so weit verbreitete Wohnen zur Miete liegt unter anderem in der Geschichte dieses Landes. So waren in der DDR Mietwohnungen stark subventioniert und der Erwerb eigener Immobilien lange Zeit nur eingeschränkt möglich gewesen. Auch in Westdeutschland hatte der Staat ab 1946 vor allem in den zerbombten Städten in erheblichem Umfange Mietwohnungen gebaut, in denen viele Bewohner aufgrund der niedrigen Mietkosten lange geblieben sind. In Städten wie Hamburg, Berlin, München oder Köln wurde der Erwerb von Wohneigentum später auch durch die steigenden Immobilienpreise gebremst.
In Deutschland kommen heute auf 83 Millionen Einwohner 41 Millionen Haushalte, auf jeden Haushalt durchschnittlich also zwi Bewohner. In den 1970er Jahren lebten in jedem Haushalt im Durchschnitt noch drei Personen. 2019 wohnten rund 58 % der Deutschen zur Miete, von den Alleinlebenden sogar mehr als 70 %.
Literatur
- Bernd Fuhrmann, Wencke Meteling, Barbara Rajkay, Matthias Weipert: Geschichte des Wohnens. Vom Mittelalter bis heute. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008.
- Wolfram Hoepfner, Jürgen Reulecke, Ulf Dirlmeier, Gert Kähler, Ingeborg Flagge: Geschichte des Wohnens, 5 Bände, München 1997–1999.
- Michael Andritzky (Hrsg.): Oikos – von der Feuerstelle zur Mikrowelle. Haushalt und Wohnen im Wandel. Buch zur Ausstellung im Museum für Gestaltung. Gießen: Anabas Verlag. 1992.
- Witold Rybczynski: Wohnen. Über den Verlust der Behaglichkeit. Kindler, München 1987, ISBN 3-463-40077-4 (zur Geschichte der Wohnkultur vom 15. bis 20. Jahrhundert)
- Gert Selle: Die eigenen vier Wände. Zur verborgenen Geschichte des Wohnens. Campus, Frankfurt am Main und New York 1996, ISBN 3-593-34923-X
Einzelnachweise
- ↑ Albert Südekum: Großstädtisches Wohnungselend. Hermann Seemann Nachfolger, Berlin 1908