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Benutzer:Almeida/Vertiefungen Einzelthemen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Zur Problematik der Lemmata „Messie-Syndrom“, „Diogenes-Syndrom“ und „Vermüllungssyndrom“

(Fortsetzung dieser Diskussion zum Begriff Diogenes-Syndrom und dieser Diskussion zum Begriff Messie-Syndrom - aus Anlass des eingeleiteten Meinungsbildes)

Wir sollten zunächst drei Fragen bzw. Betrachtungsebenen unterscheiden:

1) die lexikalische oder enzyklopädische Ebene - welche der genannten Begriffsworte eignen sich als Lemma für Wikipedia?

2) die Ebene spezifischer Wikipedia-Vorgaben, z.B. hinsichtlich thematischer Überschneidungen bzw. Redundanz

3) die wissenschaftliche Ebene: Was hat es wissenschaftlich betrachtet mit den Begriffen auf sich bzw. mit den Phänomenen, für die sie stehen? Was können uns die einschlägigen Wissenschaften darüber sagen?

zu 1) Vergegenwärtigen wir uns nochmal, wie Lemmata einer Enzyklopädie zustande kommen (s. auch Enzyklopädietheorie).

In einer Enzyklopädie werden Begriffe erläutert. Im Unterschied zu einem Wörterbuch, das nur die Bezeichungen (Termini) für Begriffe bzw. deren Bedeutung erklärt, wird in einem Lexikon bzw. einer Enzyklopädie zusätzlich der Wissenskontext dargestellt, der mit dem jeweiligen Begriff verbunden ist. Natürlich muss die Bezeichnung zu dem Begriff und dem zugehörigen Wissen passen: wenn wir zu „Wetter“ schreiben, was eigentlich zu „Klima“ gehört, haben wir das Thema verfehlt.

Wie finden wir nun die Bezeichnungen und Begriffe, die wir in einer Enzyklopädie erläutern wollen? Sie sind zunächst einmal einfach in der Welt. Sie bilden sich irgendwann und breiten sich aus, indem Menschen sie verwenden. Wie sich der Begriff „Messie“ gebildet hat, steht ansatzweise im Artikel über das Messie-Syndrom. Sandra Felton hat ein paar Bücher geschrieben, die bei den Betroffenen erhebliche Resonanz fanden, da sie ein Problem thematisierten, zu dem es bis dahin wenig Literatur gab, schon gar nicht aus einer verständnisvollen Betroffenen- bzw. Selbsthilfe-Perspektive geschrieben. Den Terminus „Messie“ hat Sandra Felton offenbar gut gewählt, denn viele Betroffene - vor allem im deutschen Sprachraum, wo „Messie“ sympathischer klingt als im angloamerikanischen - haben ihn „angenommen“. Weder der Terminus „Diogenes-Syndrom“ noch gar „Vermüllungssyndrom“ hätte vermutlich eine vergleichbare Resonanz erzeugt.

Nun ist der Begriff also in der Welt. Menschen verbinden mit ihm ganz bestimmte Phänomene, die Medien berichten im Zusammenhang damit immer wieder über die Probleme der Betroffenen, diese sammeln sich massenhaft in Selbsthilfegruppen – all dies unter der Bezeichnung „Messie“ bzw. "Messie-Syndrom" (ein "Messie" ist ein Mensch, der an dem "Messie-Syndrom" leidet). Und Wikipedia sollte diese Termini nicht als Lemmata für entsprechende Lexikonartikel verwenden, um näher zu beschreiben und zu erläutern, was alle Welt damit verbindet? Weil Robodoc keine Anglizismen mag? Oder weil Manuela hinsichtlich psychiatrienaher Themen sowieso erstmal grundsätzlich skeptisch ist? Nein, so geht es nicht.

Begriffe bilden sich, indem sie verwendet werden. Ihre Bedeutung entspricht ihrem Gebrauch in der Sprache, wie Wittgenstein uns überzeugend nahegebracht hat. Nun gibt es aber Menschen, die mögen das nicht. Denen ist das viel zu fließend und ungenau. Wo kämen wir hin, wenn wir Ordnung und Eindeutigkeit nicht einmal in unsere eigene Sprache brächten. Ein Begriff soll doch, bitte schön, genau das bedeuten, was seine Definition ist. Und die macht nicht irgendwer, schon gar nicht irgendwelche Messie-Massen - die machen Fachleute. Sonst haben wir bald eine Wikipedia nach dem Humpty Dumpty – Prinzip: „Wenn ich ein Wort gebrauche“, sagte Humpty Dumpty in leicht verächtlichem Ton, „so bedeutet es das, was ich will, dass es bedeutet – nicht mehr und nicht weniger.“ Da wehren wir den Anfängen. Bei Wikipedia werden Worte so verwandt, wie Fachleute sie definiert haben, und nicht anders. Schließlich wollen wir hier doch der Wahrheit dienen, nicht wahr? Dass die am Ende bloß „ein bewegliches Heer von Metaphern“ sein könnte, wie Nietzsche meinte - ein Graus. Nicht bei Wikipedia! Dagegen haben wir ein für alle Mal ein probates Mittel: Quellen! Von Fachleuten geschrieben, von Fachzeitschriften gedruckt! „Denn was Du schwarz auf weiß besitzt, kannst Du getrost nach Hause tragen“, das hat schließlich schon Mephisto im "Faust" dem Schüler empfohlen. Und da stand immerhin Goethe dahinter. Also: Alle Definitionsmacht den Fachleuten. Die Messies - die sollen sich mal um ihren Müll kümmern, und uns hier nicht noch die Begriffe versauen... (wird fortgesetzt) --Almeida 01:15, 27. Sep 2006 (CEST)

zu 2) Das Problem der Redundanz tritt auf, wenn sich Artikel thematisch überschneiden. Die grundlegende Wikipedia-Empfehlung für diesen Fall lautet, „Artikel, die einander stark überlappende Informationen enthalten, zu einem Artikel zusammenzufassen oder den Unterschied klarer herauszuarbeiten, um ihn jedem verständlich zu machen“, also „die Artikel besser voneinander abzugrenzen“.

Das "oder" ist wichtig – es gibt demzufolge zwei Alternativen. Die zweite Alternative sollte gewählt werden, wenn „die Artikel zwar nicht redundant“ sind, „der Unterschied aber nicht augenfällig“ ist. Es sollte dann versucht werden, „die Artikel so zu bearbeiten, dass die Unterschiede klarer heraustreten“. „Ein einführender Satz und danach ein Link auf den tiefergehenderen Artikel“ wären in diesem Fall „in Ordnung“.

Wir müssen uns also fragen,

  • ob die genannten Begriffsworte dieselben Phänomene benennen, dann wären sie redundant, im Extremfall Synonyme,
  • oder ob sie verschiedene Phänomene bezeichnen, dann wäre der Unterschied deutlich herauszuarbeiten.

Nun gibt es einen Punkt, der die Sache zunächst scheinbar verkompliziert, uns am Ende aber die Entscheidung erleichtert. Es geht nämlich nicht nur um die Phänomene selbst (also die „Sachen“, wie sie in Erscheinung treten), sondern auch um die Begriffe, die wir davon haben, also die Vorstellungen, die davon in unseren Köpfen sind (mehrheitlich, Fachleute eingeschlossen). Denn die sind es, die in einer Enzyklopädie letztlich behandelt werden (s.o. zu 1). Und die zugehörigen Begriffsworte haben, so sagen uns die Sprachwissenschaftler bzw. Semantiker, einen Inhalt (Intension) und einen Umfang (Extension). Der Inhalt bezieht sich darauf, wie der Begriffsgegenstand gemeint ist (bei einer Aussage: welcher Gedanke ausgedrückt werden soll), während der Umfang durch die Menge oder Klasse aller Gegenstände festgelegt wird, auf die der Begriff zutrifft. Der Terminus „einsilbig“ bezieht sich also inhaltlich (intensional) auf Worte mit einer Silbe, sein Umfang sind alle einsilbigen Worte. „Violine“ und „Geige“ sind sowohl intensional als auch extensional gleich (im Wikipedia-Jargon: total redundant – zwei Artikel hätten keine Chance).

Wir hätten also zu prüfen, ob die zur Debatte stehenden Begriffsworte (Lemmata) semantisch betrachtet den gleichen Inhalt haben und den gleichen Umfang. Es wäre ja z.B. denkbar, dass am Vermüllungssyndrom leidende Personen eine Teilmenge der gemeinhin als Messies beschriebenen Personen sind, und die am Diogenes-Syndrom leidenden evtl. eine andere. Oder dass die entsprechenden Begriffe auch gedanklich nicht wirklich deckungsgleich sind, dass wir damit also verschiedene Bedeutungen (Inhalte) verbinden. In beiden Fällen sollten wir die entsprechenden Artikel beibehalten, aber gut voneinander abgrenzen (evtl. in der Minimalform, „einführender Satz und danach ein Link auf den tiefergehenderen Artikel“). (Teil 3 folgt) --Almeida 16:51, 27. Sep 2006 (CEST)

zu 3)

  • "Diogenes Syndrom" und "Messie Syndrom" bezeichnen Syndrome mit z.T. ähnlicher Symptomatik, die jedoch keineswegs identisch sind. Der - vor allem im anglo-amerikanischen Sprachraum verwendete - Begriff Diogenes Syndrom wird vorwiegend in Bezug auf alleinlebende und sozial zurückgezogene ältere Menschen verwendet, die ihre Körper- und Wohnungspflege erheblich vernachlässigen ("self-neglect"), wobei das Ausmaß der Verwahrlosung unterschiedlich sein und bis hin zur Vermüllung gehen kann. In aller Regel handelt es sich um ein geriatrisches Problem.
  • Der Hauptaspekt des Messie-Syndroms, das in allen Altersstufen vorkommen kann, ist hingegen die Desorganisations-Problematik, meistens verbunden mit einer Neigung zum Horten (Compulsive Hoarding). Messies können sich in der Regel von den unterschiedlichsten Dingen von geringem Wert nur schwer trennen, die "Nicht-Messies" leicht entsorgen würden. Probleme mit der körperlichen Hygiene sind für Messies jedoch in keiner Weise typisch.
  • Auf die Unterschiede der betreffenden Diagnosen bzw. Begriffe weisen ausdrücklich auch Faust, Maier (2006) und - auf der Basis einer eingehenden Analyse der einschlägigen Literatur von 1966 - 2004 - Pavlou u.a. (2006) hin.
  • Auf neurowissenschaftlicher Ebene werden zunehmend die neuroanatomischen, -physiologischen und -chemischen Unterschiede von Störungen des hier interessierenden Spektrums herausgearbeitet, die bisher auf symptomatischer Basis in Gruppen zusammengefasst wurden. Dies betrifft insbesondere das Symptombild des Compulsive Hoarding (z.B. Arbeitsgruppen von Mataix-Cols (vgl. Mataix-Cols u.a. (2004) und (2005) sowie von Saxena (vgl. z.B. Saxena. u.a. (2004)). --Almeida 18:13, 1. Okt 2006 (CEST)