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Fegefeuer

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Das Fegefeuer (lat.: purgatorium) ist nach der römisch-katholischen Lehre ein Zustand der Läuterung, in dem die Seele eines Verstorbenen auf den Himmel vorbereitet wird. Das Christentum lehrt ein Leben nach dem Tod. Wenn der Christ von Gott angenommen wird, wird dieses Leben nach dem Tod in Gottesnähe stattfinden. Der Ort bzw. der Zustand dieser Gottesnähe wird als Himmel, himmlisches Jerusalem etc. bezeichnet. Da die katholische Kirche jedoch davon ausgeht, dass "nichts unreines in den Himmel kommen kann", ist die Vorstellung eines Ortes bzw. eines Zustandes der Läuterung entstanden, welcher Fegefeuer genannt wird. Im Fegefeuer besteht die Qual darin, dass der Verstorbene zwar schon die vollkommene Gegenwart und Liebe Gottes spürt, sich aber auf Grund seiner Sünden dieser Liebe nicht würdig fühlt. Genau das macht den großen Schmerz aus - der Mensch wird so von seiner letzten Schuld durch seine Reue geläutert. In der Kunst wurde der Zustand des Menschen im Fegefeuer immer mit preisenden Gestiken dargestellt, während in Höllendarstellungen der Mensch nur leidet. Das Fegefeuer ist sozusagen eine Qual, die man gern über sich ergehen lässt, weil sie aus der eigenen Unwürdigkeit heraus entsteht. Die Seelen, die sogenannten Armen Seelen, sind im Fegefeuer also nicht endgültig festgehalten, sondern sie haben immer die Gewissheit, daraus entlassen zu werden. Gebete von Lebenden, besonders im Rahmen des Memorialwesens, helfen, diese Zeit zu verkürzen. Die Wurzeln zu dieser Idee reichen bis ins frühe Christentum. Papst Gregor der Große baute das Fegefeuer in das System seiner 'Heilsmaschine' ein, wodurch es mindestens bis zur Reformation große kultur- und sozial-geschichtliche Bedeutung erlangte. Das Fegefeuer ist der Ort, an dem diejenigen, die im Stand der heiligmachenden Gnade sterben, aber noch zeitliche Sündenstrafen abzubüßen haben, diese Sündenstrafen abbüßen. Diejenigen, die nicht im Stand der heiligmachenden Gnade sterben, gehen nach der katholischen Lehre für immer verloren. Sie kommen in die Hölle. In der neueren Theologie wird der Gedanke des Fegefeuers als eines Ortes mit "zeitlichen Strafen" abgelehnt. Statt dessen sprechen die Theologen von einem Reinigungsgeschehen. Das Reinigungsgeschehen ist ein "Aspekt der Gottesbegegnung" (siehe Pemsel-Maier, Greshake) und ist somit ein Bild der Hoffnung des Gläubigen auf eine Läuterung und Reinigung durch Gott.

Geschichte

Die Vorstellung vom Feuer als Reinigungssymbol war bereits im Altertum verbreitet. Einer der Vorläufer des Fegefeuers ist ein Ort, der refrigerium interum genannt wird. Nach Tertullian (ca. 150–220), einem der ersten, der von einem refrigerium spricht, können sich die Gerechten hier nach ihrem individuellen Tod erfrischen, solange sie auf die Seligkeit nach dem Jüngsten Gericht warten. Für Tertullian ist das refrigerium gleichbedeutend mit Abrahams Schoß. Die Seelen im refrigerium schlafen, erleiden keine Qualen und bleiben bis zu ihrer Auferstehung dort. Im 6. Jahrhundert prägte Papst Gregor der Große die Vorstellung vom Fegefeuer.

Jacques Le Goff datierte die “Geburt des Fegefeuers” in die Zeit von 1170 bis 1200. Er untersuchte das Phänomen des Fegefeuers unter soziologischen Gesichtspunkten und wies nach, dass die Etablierung eines 'dritten Ortes' durch die Pariser Scholastik mit den sozialen Umwälzungen der Zeit in direktem Zusammenhang gesehen werden kann. Er konnte zudem zeigen, dass Bußpraxis und Fegefeuer in einem sehr engen Abhängigkeitsverhältnis stehen. Konfrontiert mit dem Fegefeuer müssen die Gläubigen Abbitte leisten.

Die offizielle Bußpraxis erlebt dabei einen gewaltigen Aufschwung und führt das kirchliche Ablasswesen auf seinen Höhepunkt. Man glaubte dabei, dass man Verstorbene durch Gebete und gute Werke aus dem Fegefeuer erlösen könne. Als besonders nützlich wurde die Stiftung eines Bades für Arme angesehen (Seelbad). Allmählich bürgerte sich der Missbrauch ein, diese guten Werke mit Geldspenden an die Kirche abzulösen.

Katholische Lehre

Katholische Exegeten interpretieren bereits 2 Makk 12,44-45 im Alten Testament als Hinweis auf eine Sühne nach dem Tod:

Hätte er [Judas] ... nicht erwartet, dass die Gefallenen auferstehen, so wäre es überflüssig und töricht gewesen, für Tote zu beten. ... Darum ließ er für die Gefallenen das Sühnopfer darbringen, damit sie von der Sünde erlöst würden.
Darstellung in St. Lorenzen (Südtirol)

Die Lehre vom Fegefeuer knüpft biblisch an 1. Kor. 3,13-15 an, wo die Werke des Einzelnen im Jüngsten Gericht im Feuer geprüft werden. Dies deutete Augustinus dahin, dass vielleicht nach dem Tode noch die Seelen einiger Gläubiger durch Feuer geläutert, also das Irdische aus ihnen ausgebrannt werde. Im 12. Jahrhundert war die Vorstellung eines Fegefeuers endgültig im Volksglauben verankert und erst dann war auch die Bezeichnung Fegefeuer gebräuchlich. Der Ausdruck purgatorium ist erstmalig beim Erzbischof von Tours, Hildebert von Lavardin (gestorben 1133) nachweisbar. Seit dem 13. Jahrhundert ist das Gedankenmodell unter Theologen und in den Gemeinden allgemein bekannt, theologisch völlig ausgebildet findet sich die Lehre bei Thomas von Aquin.

Heute ist man in der katholischen Kirche von der Notwendigkeit der Läuterung überzeugt, allerdings umgehen viele Theologen Mutmaßungen über zeitliche und räumliche Dimensionen dieses Geschehens. Weiterhin wird jedoch daran festgehalten, dass die Lebenden den Verstorbenen durch Gebet, Feier der heiligen Messe und Taten der Nächstenliebe zu Hilfe kommen können. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass die Seele nach ihrer Selbsterkenntnis das Fegefeuer bereitwillig auf sich nimmt, um - von den schlechten Eigenschaften geläutert - in das Paradies eingehen zu können.

Die katholische Dogmatik kannte zudem bis 2005 den "Limbus infantium" bzw. Limbus Puerorum, einen Ort für die ungetauft verstorbenen kleinen Kinder, die keine Strafe verdient haben, aber mangels Taufe auch nicht in die Anschauung Gottes im Himmel eingehen können. Papst Benedikt XVI. beabsichtigt, das Konzept abzuschaffen.

Orthodoxe Lehre

In den Ostkirchen sind diese Gedanken der westlichen Theologie weitgehend unbekannt geblieben. Die orthodoxe Ablehnung der westlichen Fegefeuerlehre war einer der Gründe für das letztliche Scheitern der versuchten Wiedervereinigungen der Kirchen auf den Konzilen von Lyon 1274 und Ferrara-Florenz 1438/39. Die Orthodoxie kennt das Gebet für die Seelen der Verstorbenen, aber keine offizielle Erklärung für seine Wirksamkeit.

Evangelische / Protestantische Lehre

In den meisten protestantischen Kirchen wird die Vorstellung eines Läuterungsortes nach dem Tode als unbiblisch abgelehnt. Ebenso lehnen evangelikale Christen das Fegefeuer oder vergleichbare Lehren aus demselben Grund ab. Die beiden evangelischen Hauptargumente für die Ablehnung des Fegefeuers liegen a) in der mangelnden biblischen Bezeugung des Fegefeuers, b) in der reformatorischen Ansicht, dass der Mensch allein durch den Glauben vor Gott gerecht werde; wenn die Sünder also durch ihren Glauben an den Kreuzestod Christi gerechtfertigt seien, könne Gott sie nicht doch noch für ihre Sünden in ein Fegefeuer schicken.

Fegefeuer in der Kunst

Auf mittelalterlichen Darstellungen wird das Fegefeuer oft als eine unangenehme von Feuern aufgeheizte Höhle dargestellt (ähnlich der Hölle).

Darstellung in St. Lorenzen (Südtirol)

Trotz der gleichen oder sehr ähnlichen Darstellung von Fegefeuer und Hölle auf mittelalterlichen Bildern kann man sie unterscheiden: Die im Fegefeuer büßenden Seelen erheben ihre Hände und Gesichter flehend Richtung Himmel. Die Seelen in der Hölle haben keine Hoffnung auf Erlösung und suchen daher keine Verbindung nach oben (z.B. eine um 1410 entstandende Glasmalerei in Kloster Ebstorf). In der Regel ist das Fegefeuer auf der vom Betrachter aus gesehen linken Bildseite zu finden.

Die berühmteste literarische Darstellung des Fegefeuers findet sich in der Göttlichen Komödie von Dante.

Es gibt immer wieder auch säkulare Versionen des Fegefeuer-Themas, etwa in der Komödie "Und täglich grüßt das Murmeltier": Ein selbstsüchtiger Reporter gerät in eine "Zeitfalle", aus der er erst befreit wird, als er gelernt hat, Gutes zu tun und andere Menschen zu lieben. Wesentlich religiöser und für den Betrachter verstörender ist dagegen die filmische Betrachtung des Purgatoriums im mehrfach ausgezeichneten Film Jacob's Ladder (Link auf englische Wikipedia), in dem ein im Vietnam-Krieg schwer verwundeter Soldat diesen Zustand als Realitätsfehler und -sprünge erlebt.

Literatur

  • Himmel – Hölle – Fegefeuer. Ausstellungskatalog. (Ausstellung: Schweizerisches Landesmuseum Zürich). Zürich 1994.
  • Sabine Pemsel-Maier: Himmel-Hölle-Fegefeuer.Verlag Katholisches Bibelwerk: Stuttgart 2001. Methodische und didaktische Aufbereitung dieser Themen und des Themas Weltgericht. Sehr verständlich und unter Einbezugnahme der aktuellen katholischen Theologie.
  • G. Pasquali S.S.P: Um den Himmel nicht zu verlieren. Gröbenzell b. München 1972. ISBN 3-87283-069-4 (Titel des ital. Originals: Per non perdere il Paradiso, Edizioni Paoline - Pescara, 1963); eine gute Materialsammlun zu den Themen Himmel - Fegefeuer - Hölle aus römisch - katholischer (traditioneller) Sicht
  • Ludwig Ott: Grundriß der katholischen Dogmatik, 11.Auflage mit Literaturnachträgen. Bonn 2005 (Verlag nova & vetera). ISBN 3-936741-25-5; dort in Fünftes Hauptstück: Die Lehre von Gott dem Vollender (Die Lehre von den Letzten Dingen oder von der Vollendung (Eschatologie)), §5 Das Fegefeuer; gute Zusammenfassung der römisch - katholischen Lehre mit den Teilen: 1. Die Wirklichkeit des Fegefeuers: a) Dogma, b)Schriftbeweis, c)Traditionsbeweis; 2. Wesen der Fegefeuerstrafe; 3. Gegenstand der Läuterung; 4. Dauer des Fegefeuers
  • Eduard Winterhalter: Der Blick ins Fegefeuer! Was wir über das Fegefeuer und die Armen Seelen wissen sollten. Seewen: Theresia, 1994. ISBN 3-908542-38-3
  • Helmut Vordermayer: Die Lehre vom Purgatorium und die Vollendung des Menschen. Ein moraltheologischer Beitrag zu einem umstrittenen Lehrstück aus der Eschatologie, STS-Band 27, Tyrolia, Innsbruck 2006. ISBN-13:978-3-7022-2755-5

Siehe auch