Andrij Melnyk (Diplomat)

Ukrainischer Botschafter in Deutschland![]() ![]() | |
Kyrillisch (Ukrainisch) | |
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Андрій Ярославович Мельник | |
Transl.: | Andrij Jaroslavovyč Mel'nyk |
Transkr.: | Andrij Jaroslawowytsch Melnyk |
Andrij Jaroslawowytsch Melnyk (ukrainisch Андрій Ярославович Мельник, russisch Андрей Ярославович Мельник ‚Andrei Jaroslawowitsch Melnik‘; * 7. September 1975 in Lwiw, Ukrainische SSR, Sowjetunion) ist ein ukrainischer Jurist, Politiker und Diplomat.
Seit dem 12. Januar 2015 ist er Botschafter der Ukraine in Deutschland.[1] Melnyk, der fließend Deutsch und Englisch spricht, war bereits zwischen 2007 und 2010 in Deutschland als Generalkonsul der Ukraine in Hamburg tätig.[2][3]
Werdegang
Melnyk schloss 1997 ein Studium der Rechtswissenschaft an der Nationalen Iwan-Franko-Universität Lwiw ab und trat im selben Jahr in den diplomatischen Dienst der Ukraine ein. Von 1999 bis 2003 war er zunächst zweiter, dann erster Botschaftssekretär der Botschaft der Ukraine in Österreich. Von 2005 und 2007 hatte er unter Präsident Wiktor Juschtschenko den Posten des stellvertretenden Leiters der Abteilung für bilaterale und regionale Zusammenarbeit im Präsidialamt der Ukraine inne.
Vom 5. April 2007 bis 2012 war er Generalkonsul der Ukraine in Hamburg. Danach war er Direktor der dritten territorialen Direktion des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der Ukraine. Vom 25. März 2014 bis zu seiner Ernennung zum Botschafter durch Präsident Petro Poroschenko war er stellvertretender Minister des Ministerkabinetts der Ukraine und dort für die europäische Integration der Ukraine zuständig.[3][4][5]
Andrij Melnyk ist mit Switlana Melnyk verheiratet. Sie haben zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter.
Stellungnahmen
Haltung zu Stepan Bandera
Ein Besuch Melnyks im Jahr 2015 am Grab des Partisanenführers und NS-Kollaborateurs Stepan Bandera in München, den er per Tweet öffentlich gemacht hatte, veranlasste die Linken-Abgeordnete Sevim Dağdelen zu einer Anfrage an die Bundesregierung. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt Michael Roth (SPD) teilte dazu im Mai 2015 mit, dass Melnyk die Position der Bundesregierung dazu hinlänglich bekannt sei. Die Bundesregierung verurteile die von der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) teilweise unter Leitung Banderas begangenen Verbrechen an polnischen, jüdischen und ukrainischen Zivilisten und Amtsträgern. Dabei sei sie sich bewusst, dass ein erheblicher Anteil an diesen Verbrechen in Kollaboration mit deutschen Besatzungstruppen begangen worden sei.[6][7]
Bewertung des Holodomor
Im November 2020 forderte Melnyk anlässlich des Andenkens an die Opfer am 87. Jahrestag des Holodomor in der Ukraine 1932–1933, dass der Deutsche Bundestag diesen von Stalin herbeigeführten Hungertod mehrerer Millionen Menschen, den Melnyk als „das größte Massenverbrechen der Stalin-Terrorherrschaft“ beschrieb, als Völkermord anerkennt.[5][8]
Äußerung zu Kay-Achim Schönbach
Nach der Affäre im Januar 2022 um Kay-Achim Schönbach bezüglich des Russland-Ukraine-Konflikts verglich Melnyk dessen Haltung indirekt mit dem Nationalsozialismus („Die Ukrainer fühlten sich bei dieser herablassenden Attitüde unbewusst auch an die Schrecken der Nazi-Besatzung erinnert, als die Ukrainer als Untermenschen behandelt wurden.“) und warf dem Vizeadmiral „deutsche Arroganz und Größenwahn“ vor. Die „internationale Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit Deutschlands“ stünden „massiv infrage“. Zugleich erneuerte er die Forderungen nach Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine.[9][10] Die Lieferung von Schutzausrüstung bezeichnete Melnyk als „Tropfen auf dem heißen Stein“.[11] Dieser Sichtweise widersprach der frühere CDU-Politiker Friedbert Pflüger in einem offenen Brief an Melnyk.[12]
Kritik an der deutschen Regierung im Zuge des russischen Angriffskriegs 2022
Nachdem Wladimir Putin Ende Februar 2022 mit dem Überfall auf die Ukraine den Konflikt eskaliert hatte, kritisierte Melnyk die deutsche Bundesregierung erneut. In einer Twitter-Nachricht an die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sprach Melnyk davon, dass die Bundesregierung das „Morden von Hundertausenden einfach in Kauf“ nehme. Strack-Zimmermann äußerte Verständnis für die großen Sorgen der Ukraine, nannte das Verhalten von Melnyk aber „befremdlich“ und „maßlos“.[13][14]
Den Deutschen sei bis heute die Dimension des russischen Überfalls nicht klar, behauptete Melnyk in einem am 3. April 2022 erschienenen Interview mit dem Tagesspiegel. Der Krieg stelle die ganze Weltordnung auf den Prüfstand. Mit Putin an der Macht werde es keinen Friedensvertrag geben. Auch ein mit ihm ausgehandelter Waffenstillstand bliebe wohl „genauso brüchig wie all die Jahre seit der Minsker Vereinbarung 2015“. Die Ukraine brauche dringend schwere Waffen. Putin müsse auf dem Schlachtfeld erfahren, dass der Krieg für ihn nicht zu gewinnen sei. Es handle sich um eine Fehleinschätzung, wenn die Deutschen glaubten, der Krieg werde umso länger dauern, je mehr Waffen man liefere. Zwar sei es den Ukrainern in ihrer Notlage und mit ihrer Opferbereitschaft für gemeinsame Werte weitgehend gelungen, die Sympathien der Deutschen zu gewinnen; doch bleibe die Frage nach den politischen Konsequenzen unbeantwortet: „Will die Ampel diese Ukrainer in der europäischen Familie als künftiges EU-Mitglied willkommen heißen? Oder ist es der Bundesregierung lieber, wenn die Ukraine eine Pufferzone zwischen der EU und Russland bleibt?“ Es müsse sich ändern, dass Letzteres einige in Berlin bequemer fänden. Außer Regierungsmitgliedern kritisierte Melnyk in diesem Interview auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, dem er mangelndes Feingefühl in Bezug auf die Ukraine unterstellte. Für Steinmeier sei das Verhältnis zu Russland „etwas Fundamentales, ja Heiliges“, demgegenüber auch der russische Angriffskrieg keine große Rolle spiele. Steinmeier habe seit Jahren ein „Spinnennetz der Kontakte mit Russland“ geknüpft, zu dem auch einflussreiche Vertreter der gegenwärtigen Ampel-Regierung gehörten.[15] Sigmar Gabriel schreibt dazu in einem Beitrag für den SPIEGEL: Spinnennetze dienen bekanntlich dem Fang und der anschließenden Verwertung der Beute. Auf den Punkt gebracht insinuiert dieser Vergleich, dass der frühere Kanzleramts- und Außenminister die Interessenvertretung Russlands in Deutschland mitorganisiert habe. Das ist wahrheitswidrig und bösartig. Wahr dagegen ist, dass der Außenminister Frank-Walter Steinmeier gemeinsam mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel mehr als alle anderen in Europa dafür getan hat, die Ukraine zu unterstützen. Und deshalb muss man der Falschdarstellung öffentlich auch dann widersprechen, wenn man der Ukraine in der aktuellen Situation nicht nur mit Geld und guten Worten, sondern auch mit Waffen zur Seite stehen will.[16]
In ihrer Ausgabe vom 7. April 2022 zitiert Die Zeit Melnyk mit seinem Hinweis, er kenne viele, die bis vor kurzem noch im Außenministerium gearbeitet hätten, nun aber Blockposten bewachten oder Straßensperren errichteten. „Wenn ich das Gefühl habe, das in Deutschland nichts mehr zu holen ist, dann werde ich sagen, liebe deutsche Freunde, tschüss. Vielleicht kann ich in meiner Heimat mehr bewirken als in Berlin, bei diesen tauben Ohren hier.“[17]
Bezeichnung des Regiments Asow als mutige Kämpfer
In einem Tweet[18] vom 16. März 2022 bezeichnete er einen kurz zuvor veröffentlichten Artikel[19] der Zeit über das rechtsextreme Regiment Asow als russische Propaganda. Man solle aufhören, „das Asow-Regiment zu dämonisieren“; diese „mutigen Kämpfer“ verteidigten „ihre Heimat“. Den Linken-Politiker und ehemaligen MdB Fabio De Masi, der die rechtsextreme Identität des Regiments Asow bekräftigte, wies Melnyk in diesem Zusammenhang an, „die linke Klappe zu halten“.[20]
Bewertungen der Äußerungen Melnyks als Botschafter
Neben Politikern, die Melnyks Äußerungen bewerten, gibt es auch in Zeitungen Bewertungen. Die Hannoversche Allgemeine Zeitung schrieb, der Botschafter sei „furchtbar anmaßend“.[21]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Akkreditierung des ukrainischen Botschafters. In: www.bundespraesident.de. 12. Januar 2015, abgerufen am 25. März 2022.
- ↑ Ernennung zum Botschafter ( vom 20. Dezember 2014 im Internet Archive) auf der offiziellen Seite des Präsidenten der Ukraine
- ↑ a b Kurzbiographie Melnyk in „Offizielle Ukraine heute“, abgerufen am 25. Januar 2015
- ↑ Botschafter in Deutschland wurde Andrij Melnyk, in eurointegration.com.ua vom 19. Dezember 2015; abgerufen am 25. Januar 2015.
- ↑ a b Livia Gerster: Der ungewöhnlichste Botschafter aller Zeiten In: FAS, 27. März 2022, abgerufen am 28. März 2022.
- ↑ Plenarprotokoll 18/102: Stenografischer Bericht 102. Sitzung. In: dserver.bundestag.de. Bundestag, 6. Mai 2015, abgerufen am 16. März 2022 (S. 9775, PDF).
- ↑ Alexander Osang: Der Undiplomat: Unterwegs mit dem ukrainischen Botschafter Melnyk. In: Der Spiegel. 4. März 2022, abgerufen am 16. März 2022.
- ↑ „Bundestag soll Holodomor als Genozid am ukrainischen Volk anerkennen“ – Botschafter der Ukraine in Deutschland Dr. Andrij Melnyk. In: germany.mfa.gov.ua. 27. November 2020, abgerufen am 28. März 2022.
- ↑ Ukraine hält Rücktritt des deutschen Marine-Chefs für unzureichend. In: web.de. 23. Januar 2022, abgerufen am 9. März 2022.
- ↑ "Unbewusst an Schrecken der Nazi-Besatzung erinnert". In: t-online.de. 23. Januar 2022, abgerufen am 9. März 2022.
- ↑ Mehrheit der Deutschen gegen Waffenlieferungen an Ukraine. In: t-online.de. 27. Januar 2022, abgerufen am 9. März 2022.
- ↑ Keine Brandbeschleunigung im Ukraine-Konflikt!, Offener Brief von F. Pflüger an Andrij Melnyk, 27. Januar 2022.
- ↑ Ukraine: Botschafter Melnyk verschärft Ton im Streit um Waffenlieferungen. In: welt.de. 23. Februar 2022, abgerufen am 9. März 2022.
- ↑ Tobias Armbrüster: Ukrainischer Botschafter: Kriegsangst steigt mit jedem Tag. In: deutschlandfunk.de. 23. Februar 2022, abgerufen am 9. März 2022.
- ↑ „In Deutschland glaubt man, dass Putin nicht verliert.“ Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk über Fehleinschätzungen der Berliner Politik zu Moskaus Krieg, seine persönlichen Begegnungen mit den Regierungsmitgliedern Christian Lindner und Christine Lambrecht und die Rolle von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der Russland-Politik. Interview in Der Tagesspiegel (Georg Ismar und Claudia von Salzen), 3. April 2022, S. 2 und 3.
- ↑ Sigmar Gabriel: Deutschlands Haltung im Ukrainekrieg. Wir brauchen zumindest einen kalten Frieden, in:Spiegel.de vom 17. April 2022, Abruf am 18. April 2022
- ↑ Anna Sauerbrey: Der Diplomat im Kampfeinsatz. Der Botschafter Andrij Melnyk provoziert die deutsche Politik. Er sagt: Die Deutschen haben die Ukraine bis heute nicht verstanden. In: Die Zeit, 7. April 2022, S. 7.
- ↑ @MelnykAndrij. In: Twitter. 16. März 2022, abgerufen am 16. März 2022.
- ↑ Hauke Friederichs: Asow-Regiment: Extreme Verteidiger. In: Die Zeit. 16. März 2022, abgerufen am 16. März 2022.
- ↑ Andrij Melnyk teilt munter aus, Lutz Herden, der Freitag, 4. April 2022
- ↑ Michael B. Berger: Von Meistern des harten Holzes, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 16. April 2022, S. 6
Personendaten | |
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NAME | Melnyk, Andrij |
ALTERNATIVNAMEN | Melnyk, Andrij Jaroslawowytsch (vollständiger Name); Мельник, Андрій Ярославович (ukrainisch); Mel'nyk, Andrij Jaroslavovyč (wissenschaftliche Transliteration) |
KURZBESCHREIBUNG | ukrainischer Jurist, Politiker und Diplomat |
GEBURTSDATUM | 7. September 1975 |
GEBURTSORT | Lwiw, Ukrainische SSR, Sowjetunion |