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Dedowschtschina

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Dedowschtschina (russ. Herrschaft der Großväter) ist die in der russischen Armee bis heute teilweise übliche Schikane von Dienstälteren an Rekruten. Die Schikanen erreichen nicht selten menschenunwürdiges Ausmaß (Knochenbrüche, Körperverletzungen mit Todesfolge). Sie ist Ursache des häufigen unerlaubten Entfernens von der Truppe in der russischen Armee. Bei der in der DDR stationierten Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland wurde das mit der Dedowschtschina zusammenhängende Entfernen von der Truppe mit drakonischen Strafen belegt. Die Flüchtigen wurden häufig mit Hunden verfolgt. Viele kamen bei den verzweifelten Fluchtversuchen um.

ein aktueller Fall: Andrej Sytschow

Ein aktueller (2006) und besonders schwerer Fall von Dedowschtschina, der auch außerhalb Russlands Schlagzeilen macht, ist der des 20jährigen Wehrpflichtigen Andrej Sytschow. Dieser wurde offenbar in der Neujahrsnacht von Vorgesetzten so schwer misshandelt, dass ihm beide Beine, die Genitalien und Teile der rechten Hand amputiert werden mussten. Zwar wurde gegen 12 seiner ehemaligen Vorgesetzten Anklage erhoben, doch versuchen russische Behörden mit aller Macht, den Prozess zu torpedieren. Der zuständige Militärstaatsanwalt Alexander Sawenko, der erklärt hatte, es handle sich um das "zynischste und schrecklichste Verbrechen an einem Wehrpflichtigen" das er in seiner Laufbahn erlebt habe, wurde inzwischen entlassen. Die Militärstaatsanwaltschaft legte hingegen ein medizinisches Gutachten vor, nachdem Sytschow „keinesfalls“ misshandelt worden sei, sondern an einer Venenerkrankung leide. Der russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow hatte den Fall zunächst heruntergespielt, nach öffentlichen Protesten aber lückenlose Aufklärung versprochen.

Am 26. September 2006 hat der Richter des Garnisons-Gerichts in Tscheljabinsk, Jurij Schazkij, das Urteil gegen den Hauptangeklagten im Fall Sytschow, Aleksandr Siwjakow, verkündet. Er muss für vier Jahre ins Gefängnis. Außerdem wurden Aleksandr Siwjakow der Titel eines jüngeren Sergeanten für die Dauer von drei Jahren aberkannt sowie das Recht, Kommandofunktionen auszuüben. Die Untersuchungshaft wird angerechnet, somit gilt die Freiheitsstrafe ab dem 16. Januar 2006. Aleksandr Siwjakow muss ferner Gerichtskosten in Höhe von 22.000 Rubel tragen, die Kosten für die Anreise von Zeugen aus anderen Städten. Zwei weitere Angeklagte, die Soldaten Kusmenko und Bilimowitsch, erhielten eine Freiheitsstrafe von anderthalb Jahren auf Bewährung.

Mit der Höhe des Strafmaßes sind weder der staatliche Kläger, der für Siwjakow sechs Jahre gefordert hatte, noch Sytschows Angehörige zufrieden, die für Siwjakow eine zehnjährige Haftstrafe verlangt hatten.

Das sei ein zu mildes Urteil, erklärte Marina Muffet, Sytschows Schwester: "Ich habe unsere Mutter in Moskau angerufen, sie ist wütend deswegen! Auch Andrej ist unzufrieden, anfangs beschwerte er sich lange, doch dann steckte er seinen Kopf in das Kissen und schwieg."

"Ein solch mildes Urteil zeigt, dass Aleksandr unschuldig ist. Wir sind der Ansicht, dass er unschuldig ist. Er ist schockiert, weil er dieses Verbrechen nicht verübt hat", erklären hingegen Siwjakows Anwälte. "Laut Gesetz hat er zehn Tage Zeit, gegen das Urteil Berufung einzulegen, und wir werden ihm natürlich dabei helfen", sagte der Anwalt Aleksandr Petrow.

Sytschows Anwälte sind der Ansicht, Siwjakow habe eine zu kurze Haftstrafe erhalten: "Wir bestehen auf einer längeren Strafe", sagte der Anwalt Jewgenij Below und fügte hinzu. "Wir werden das Urteil anfechten." Somit wird die Sache Sytschow auf Initiative von beiden Seiten eine Fortsetzung finden und dann vor dem Bezirks-Militärgericht Jekaterinburg verhandelt werden.

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