Triosonate
Die Triosonate ist eine der wichtigsten und beliebtesten Gattungen der Kammermusik während der Barockzeit etwa von 1600 bis 1750. Zahlreiche Drucke und Neuauflagen bereits aus frühester Zeit zeugen von der Beliebtheit dieser Gattung. Sie bot sowohl dem bürgerlichen wie adeligen Musikliebhaber, als auch dem Virtuosen ein breites Betätigungsfeld.
Einleitung und Charakterisierung
Die Triosonate ist durch zwei gleichrangige (Ober)-Melodiestimmen über einem Generalbass gekennzeichnet. Vorbild könnten die Opern und Sakralwerke Claudio Monteverdis gewesen sein, an dessen Ritornelle sich die ersten Sonaten anlehnen. Die Entwicklungsstufen der unterschiedlichen Formen der Triosonaten verlaufen parallel zu ähnlichen kammermusikalischen Gattungen, wie der Solosonate und weiteren mehrstimmigen Sonatenformen.
Die Melodiestimmen wurden anfänglich hauptsächlich durch Violinen, Violen und Zinken (Cornetto) besetzt, gegen Ende des 17. Jahrhunderts vermehrt durch andere Blasinstrumente. Die Bassstimme wurde gewöhnlich von einem Cello, Bass-Gambe, Fagott, Violone oder Theorbe gespielt. Die durch die Bezifferung gegebene Harmonieführung wurde von einem Cembalo oder Orgel improvisierend ausgedeutet. Entgegen dem Namen der Gattung waren also meistens mehr als drei Ausführende beteiligt, zumal zeitgenössisches Aufführungsmaterial darauf hindeutet, dass die Melodiestimmen gelegentlich mehrfach besetzt wurden.
Im Vordergrund stand die melodische Linie und weniger die Klangfarbe, daher konnte bei der Ausführung auch von der original vorgesehenen Besetzung abgewichen werden. Falls kein zweites Melodieinstrument zur Verfügung stand, war eine Übernahme dieser Stimme in den Diskant des Continuos zulässig, so dass zwei Stimmen des Triosatzes durch ein Instrument ausgeführt wurden.
Frühbarock
Ursprungsland der Triosonate ist Italien. Die ersten Werke, die sich der Trioform annahmen stammen aus dem ausgehenden 16. Jahrhundert und haben ihren Ursprung in der Vokalmusik. Giovanni Gabrieli baute in die Canzonen seiner Symphoniae sacrae von 1597 bereits Triopassagen ein, während man musikgeschichtlich die „Canzone alla Francese a 4“ 1602 für Violine, Corneto, 2 Posaunen (als Stützstimmen) und Basso continuo (B.c.) von Lodovico Grossi da Viadana als erste echte Triosonate bezeichnen kann. Die ältesten Sammlungen von Triosonaten schuf der unter Monteverdi wirkende Violinist Salomone Rossi mit seinem „Primo libro delle Sinfonie e Gagliarde“ von 1607 und seinem Secondo libro von 1608. Werke im gleichen zeitlichen Umfeld schufen Giovanni Battista Buonamente, Dario Castello, Giovanni Paolo Cima, Biagio Marini, Tarquinio Merula und Marco Uccellini.
Auch nördlich der Alpen fand dieser neue Typus hochstehender Instrumentalmusik schnell Anklang, so zuerst in Werken von Paul Peuerl mit seinen 1613 in Nürnberg gedruckten „Gantz Neuen Padovanen....“, bei dem Innsbrucker Hofkapellmeister Johann Stadlmayr in „Philomenus cœlestis“ (1624), bei Johann Vierdanck und bei Johann Erasmus Kindermann in dessen „Deliciæ studiosorum“ (1643).
Hochbarock
Die katholischen Priester Giovanni Legrenzi und Maurizio Cazzati entwickelten in Bergamo einen eigenen Triosonatenstil. Ihre Sonaten wurden, damals nicht unüblich während der Messen aufgeführt. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts wurde der norditalienische Instrumentalstil durch Uccellini und Cazzati auf emilianische Zentren wie Modena und Ferrara übertragen. Die in Modena wirkenden Musiker führten französische Tanzformen, Skordatur und Kanonformen ein, während in Bologna der „da chiesa“ Stil (Kirchensonate) durch Kantabilität und kraftvolle Klangfarben gepflegt wurde. Giovanni Maria Bononcini und Alessandro Stradella sind hier beispielhaft zu nennen. Legrenzi und die Römer Lelio Colista und Carlo Ambrogio Lunati übten durch ihre Trio-Symphonias direkten Einfluss auf die Werke eines Arcangelo Corelli oder Henry Purcell aus.
Außerhalb Italiens wurde die Triosonate geprägt von Johann Heinrich Schmelzer mit seinen „Duodena Sonatorum Selectarum“ von 1659, den Werken von Heinrich Biber („Harmonia artificiosa-ariosa“, 1670), sowie die sechs Sonaten aus „Musicalische Ergötzung“ (1691) von Johann Pachelbel. In Norddeutschland finden wir Dietrich Beckers „Erster Theil Zwey-stimmiger Sonaten und Suiten“ von 1674 und als Höhepunkt dieser Periode Dietrich Buxtehudes aus je sieben Triosonaten bestehende Sammlungen op. 1 und op. 2 (1696), in denen teilweise die Gambe als zweites Melodieinstrument eingesetzt wird.
Spätbarock
Als wegbereitenden Komponisten für den Typus der spätbarocken „da chiesa“ Triosonate kann man Arcangelo Corellis op. 1 (1681) und op. 3 bezeichnen, mit dem für die emilianische Violinschule typischen Satzwechsel langsam-schnell-langsam-schnell. Die schnellen Sätze zumeist fugiert gesetzt. Seine Kammersonaten op. 2 und op. 4 (1695), beginnend mit einem langsamen „Preludio“, gefolgt von zwei bis drei Tanzsätzen (Allemande, Corrente, Gavotte, Gigue, Sarabande). Corelli verzichtetet bei diesen Kompositionen auf herausragende Virtuosität, dies macht sie für Amateure interessant und eröffnet dem Berufsmusiker vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Allein zu Corellis Lebzeiten gab es insgesamt 78 Nachdrucke dieser Werke, dies lässt auf ihre außerordentliche Beliebtheit und weitreichende Verbreitung schließen. Die erste von einer Komponistin veröffentlichte Sammlung von Instrumentalwerken überhaupt, ist das 1693 in Bologna erschienene op. 16 von Isabella Leonarda in der elf Triosonaten enthalten sind.
In der folgenden Blütezeit der italienischen Triosonate entstanden die Werke von Tomaso Albinoni (op. 1, 3 und 8), Evaristo Dall'Abaco (op. 5), Antonio Caldara (op. 1 und 2) der vom Cello herkommend in einigen Sonatensätzen eine obligate Cellostimme einfügte, Francesco Antonio Bonporti (der in seinem op. 4 von 1704 dem Stile Corellis folgte), sowie von Antonio Vivaldi. Dessen Sonaten op. 1 beginnen als Kammersonaten mit einem da chiesa ähnlichen Präludium, gefolgt von Tanzepisoden. Weiterhin gehören Vivaldis 2 Sonaten aus op. 5 zum Typus der Triosonate. Die Sonate op.5 Nr.6 beginnt mit einer konzertanten Einleitung der ersten Violine, während die zweite Stimme das Ostinato des Basses begleitend ergänzt.
In Deutschland komponierte Georg Philipp Telemann rund 140 Triosonaten, von denen etwa ein Drittel Corellis Strukturen folgen. Telemann schreibt in seinem „Lebens-Lauff“ 1718 Corelli verpflichtet zu sein und bezeugt, dass seine Triosonaten wegen ihrer corellischen Tugenden geschätzt würden. Darüber hinaus stammen aus seiner Feder Ouvertürensuiten im französischen Stil oder auch Sonaten mit teils slawischer Volksmusik entlehntem Rhythmus, wie die Sonaten polonesi. Die Mehrzahl von Telemanns Triosonaten waren „zur Belustigung großer Fürsten und Herren, zur Unterhaltung vornehmer Gäste, bey herrlichen Mahlzeiten“ bestimmt, aber auch für die Collegia Musica in Leipzig, Frankfurt und Hamburg, die er selber leitete. In seiner Sonatensammlung Essercizii Musici veröffentlichte Telemann Triosonaten für die verschiedensten Besetzungen der Oberstimmen, neben der Violine setzte er die damals in Mode gekommene „flûte traversière“ (Querflöte) sowie Oboen, Blockflöten, Gamben und obligates Cembalo ein.
Weiterhin zu nennen ist Georg Friedrich Händels op. 2 (in diesem vom Verleger Walsh in London herausgegebenen Opus sind drei Frühwerke, die sogenannten Dresdener Sonaten enthalten). Händels Sonatensuiten op. 5 von 1739 beginnen ebenfalls häufig mit einer da Chiesa Einleitung gefolgt von von mehreren Tanzsätzen. Weniger aktiv im Bereich der Triosonate im engeren Sinn war Johann Sebastian Bach mit den Werken BWV 1039 und der Triosonate aus dem Musikalischen Opfer, BWV 1079. Die Urheberschaft der Sonaten BWV 1036-1038 ist nicht zweifelfrei gesichert. Eine besondere Form der Triosonate sind die für konzertierendes Cembalo und Violine geschriebenen BWV 1014-1019, sowie weitere vergleichbare Werke für Flöte (3 mit gesicherter Urheberschaft) und für Gambe (2). Hier spielt die linke Hand des Cembalisten die Bassstimme, während die Rechte neben dem separaten Melodieinstrument die zweite Melodiestimme bestreitet. Ähnlich gestaltete Werke finden sich in der galanten Periode bei Carl Philipp Emanuel Bach. Mit den 6 Triosonaten BWV 525-530 übertrug Johann Sebastian Bach das Prinzip der Triosonate auch auf die Orgel. Von Jan Dismas Zelenka, der in Dresden wirkte, stammen 6 Triosonaten (ZWV 181, wohl 1721/22) für 2 Oboen, Fagott und Basso continuo. Durch die selbstständige, virtuose Führung der Fagottstimme handelt es sich de facto um Werke für drei melodische Stimmen und B.c., wodurch der Begriffsrahmen der Triosonate deutlich erweitert wird.
In Frankreich verschloss man sich lange, eher aus politischen Gründen, jeglichem italienischen Einfluss. Die Tragédie lyrique, geprägt von Jean-Baptiste Lully unter Louis XIV., war die Hauptmusikgattung, auf deren Pflege die Académie Royale de musique besonders achtete. Ab 1700 wagten sich junge Komponisten erstmals, angespornt durch den Reiz der Werke Corellis, an die Wiedervereinigung des italienischen und französischen Geschmacks in der die Perfektion der Musik zu finden sei, wie François Couperin 1725 schrieb. Als Schöpfer französischer Triosonaten finden sich neben Couperin Jean-Féry Rebel mit dem schon 1695 geschaffenen Recueil de Douze Sonates, André Campra, Joseph Bodin de Boismortier, Louis-Nicolas Clérambault mit seiner Sonate „La Magnifique“, J. J. de Mondonville (op. 2) und Jean Marie Leclair der vom Corelli Schüler Giovanni Battista Somis unterwiesen wurde und mit seinen Sonaten op. 4, 13 und 14 (posthum) den Höhepunkt der französischen Triosonate erreichte, nachdem er sich vorher bereits mit Solosonaten einen Namen gemacht hatte. Die Brücke zum galanten Stil mit Haupt- und Nebenstimme findet sich in den nach 1740 entstandenen Werken von Louis-Gabriel Guillemain sowie Jean Philippe Rameau mit seinen Pièces de clavecin en concerts.
Henry Purcell beschreitet in England ebenfalls die Pfade des italienischen Stils, nimmt jedoch französische Elemente und die Tradion der englischen Consortmusik in seine 24 Werke der Gattung auf. Der erste Band von 14 Sonaten erschien 1683 und 10 spätere Sonaten wurden 1697, zwei Jahre nach seinem Tod veröffentlicht. Nach Purcells Tod machte sich John Ravenscroft mit seinen im Corellistil gehaltenen op. 1 und op. 2 einen Namen. Acht seiner Triosonaten gingen gar um 1740 in Paris fälschlich als Corellis op. 7 in Druck. Englands Triosonaten-Landschaft wurde ebenfalls durch emigrierte Komponisten wie Johann Christoph Pepusch, Francesco Geminiani und Felice Giardini bereichert.
Der galante Stil
Zur Rokokozeit wurden die strengen Vorgaben der Barockmusik verlassen und es setzte sich ab 1740 der Style galant durch. In die Entstehungszeit dieser Stilrichtung fallen die Werke der älteren Meister aus der Mannheimer Schule. Ebenso zu nennen sind die am Hofe Friedrichs des Großen wirkenden Brüder Graun, die mehr als 200 Triosonaten hinterließen, Johann Joachim Quantz und die 29 Triosonaten von Carl Philipp Emanuel Bach, die zwischen 1731 (Wq 143) erst nach barockem Vorbild und 1765 komponiert progressiv die Loslösung vom hergebrachten Stil verdeutlichen. In seiner Sonate „Discour zwischen dem Melancolico und dem Sanguineo“ (Wq 161/1 Nürnberg 1751), zeichnete Bach bereits die Themendialektik der Klassik vor.
Die frühen Kirchensonaten für zwei Violinstimmen und Generalbass-Orgelbegleitung von Wolfgang Amadeus Mozart gehören zu den letzten ihrer Gattung im deutschsprachigen Raum, bevor der sinfonische Stil die Triosonate ablöste. Bei den italienischen Komponisten ist diese Entwicklung der Triosonate bei Giovanni Battista Sammartini, Pietro Nardini (1760), Carlo Tessarini und Pietro Locatelli (op. 5 von 1746 und op. 8) zu verfolgen. Gaetano Pugnanis op. 1, 3 und 9 sind schon Vorläufer der letzten Werke dieser Gattung von Luigi Boccherini und Giovanni Battista Viotti, in denen bereits erste Anzeichen der aufkeimenden Romantik erkennbar werden.
Mit der zunehmenden Verselbstständigung der einzelnen Stimmen ging das Generalbasszeitalter seinem Ende entgegen. Mehr und mehr entstanden neue Formen, so die moderne Violinsonate, welche auf dem Typus der Bachschen Sonate mit obligatem Cembalo beruht, das Streichtrio und das Streichquartett. In der Folgezeit übernahmen diese Gattungen die dominierende Rolle in der Kammermusik.
Weblinks
- Zahreiches Notenmaterial und Midibeispiele im WIMA Archiv
- MACKAY-SMITH COLLECTION, Verzeichnis und Beschreibung zahlreicher Triosonaten und ähnlicher Werke
Literatur
- Die italienische Violinmusik im 17. Jahrhundert Willi Apel 1983, Franz Steiner Verlag ISBN 3515037861
- Die Triosonate Erich Schenk 1970 und 2005, Laaber Verlag ISBN 3-89007-623-8
- La sonata a tre Christopher Hogwood, Editions BBC (en-fr-it)
- The Italian Trio Sonata, From Its Origins Until Corelli Peter Allsop 1992 ISBN 0198162294 (en)