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Richard von Weizsäcker

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Richard Karl Freiherr von Weizsäcker (* 15. April 1920 in Stuttgart) ist ein deutscher Politiker (CDU, ruhende Mitgliedschaft).

Richard von Weizsäcker (Bild: Tom Ordelman)

Er war von 1981 bis 1984 Regierender Bürgermeister von Berlin und von 1984 bis 1994 der sechste Präsident der Bundesrepublik Deutschland.

Familie

Gedenktafel am Neuen Schloss in Stuttgart

Weizsäcker wurde als viertes Kind von Ernst von Weizsäcker und Marianne von Weizsäcker, geb. von Graevenitz, in einem Flügel des neuen Schlosses in Stuttgart geboren. Weizsäcker hat zwei Brüder und eine Schwester: Carl Friedrich von Weizsäcker (Philosoph und Physiker), Adelheid von Weizsäcker und Heinrich von Weizsäcker (Offizier, gefallen). Die Familie lebte aufgrund der diplomatischen Tätigkeit des Vaters von 1920 bis 1924 in Basel (Schweiz), von 1924 bis 1926 in Kopenhagen (Dänemark) und danach in Berlin.

Seit 1953 ist Weizsäcker mit Marianne von Kretschmann verheiratet. Die Mutter von Marianne – Asta von Kretschmann, geb. Mohr – ist eine Adoptivtochter von Fritz von Waldthausen. Marianne von Weizsäcker ist ferner eine Großnichte der sozialdemokratischen Frauenrechtlerin Lily Braun, geb. von Kretschmann. Aus der Ehe sind vier Kinder hervorgegangen (Robert Karl von Weizsäcker).

Siehe auch: Weizsäcker

Ausbildung und Beruf

1937 legte Weizsäcker sein Abitur am Bismarck-Gymnasium in Berlin-Wilmersdorf ab. 1937 reiste Weizsäcker nach Oxford (Großbritannien) und Grenoble (Frankreich), um dort Vorlesungen über Philosophie und Geschichte zu besuchen.

Im Herbst 1938 wurde Weizsäcker zum Reichsarbeitsdienst eingezogen und trat noch im selben Jahr seinen Wehrdienst in einer Maschinengewehrkompanie des Potsdamer Infanterie-Regimentes 9 an. Sein Bruder Heinrich von Weizsäcker diente als Leutnant im selben Regiment. Am 1. September 1939 überschritt Weizsäcker im Rahmen des Polenfeldzugs die polnische Grenze am Polnischen Korridor. Sein Bruder Heinrich fiel am 2. September in der Tucheler Heide, wenige hundert Meter von ihm entfernt am Bahndamm von Klonowo (rund 40 km nördl. von Bromberg, poln. Bydgoszcz).

Nach dem Polenfeldzug wurde Weizsäcker an die luxemburgische Grenze verlegt. Während des Westfeldzuges nahm Weizsäcker an Offiziersanwärter-Lehrgängen teil. Danach kämpfte Weizsäcker während des Unternehmens Barbarossa bis zur Schlacht um Moskau in der Sowjetunion. Dort wurde seine Einheit fast vollständig aufgerieben. Im Frühjahr 1942 versetzte man ihn als Ordonnanzoffizier zum Oberkommando des Heeres. Nach seiner Beförderung zum Oberleutnant blieb er bis kurz vor Kriegsende als Regimentsadjutant an der Ostfront, zuletzt als Hauptmann der Reserve. Im März 1945 wurde er in Ostpreußen verwundet und daraufhin über die Ostsee in die Heimat zu seiner Tante nach Lindau am Bodensee transportiert.

Ernst von Weizsäcker in Nürnberg zusammen mit seinem Sohn Richard von Weizsäcker

1945 nahm Weizsäcker sein Studium der Geschichte und der Rechtswissenschaft in Göttingen wieder auf, das er 1950 mit dem ersten und 1953 mit dem zweiten juristischen Staatsexamen beendete. Im Juli 1955 erfolgte die Promotion zum Dr. jur. mit der Arbeit "Der faktische Verein". Nach dem Studium arbeitete Weizsäcker von 1947 bis Anfang 1949 als Assistent von Rechtsanwalt Hellmut Becker, der der Verteidiger seines Vaters bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen war. Während der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse war Weizsäcker im so genannten Wilhelmstraßen-Prozess Hilfsverteidiger seines Vaters Ernst von Weizsäcker, der zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

Von 1950 bis 1953 arbeitete Weizsäcker als wissenschaftliche Hilfskraft bei der Mannesmann AG in Gelsenkirchen. 1953 wechselte er in die Rechtsabteilung der Mannesmann AG nach Düsseldorf. Im Juli 1955 erhielt er Prokura und wurde 1957 Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung. Ende Juni 1958 schied Weizsäcker bei Mannesmann aus und war bis 1962 persönlich haftender Gesellschafter des Bankhauses Waldthausen. Danach war er von 1962 bis 1966 geschäftsführender Gesellschafter des Chemie- und Pharmaunternehmens Boehringer in Ingelheim am Rhein. In dieser Zeit produzierte Boehringer "Agent Orange", das in Vietnam von den USA eingesetzte Entlaubungsmittel.

Partei

Seit 1954 ist Weizsäcker Mitglied der CDU. Von 1966 bis zu seiner Wahl zum Bundespräsidenten 1984 war er Mitglied des Bundesvorstandes der CDU Deutschlands.

1968 wurde Weizsäcker zum ersten Mal als CDU-Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten von Helmut Kohl (CDU) vorgeschlagen, unterlag aber in der Kampfabstimmung im CDU-Auswahlausschuss mit 20 zu 65 Stimmen gegen den damaligen Verteidigungsminister Dr. Gerhard Schröder (CDU).

1971 wurde Weizsäcker von Rainer Barzel zum Vorsitzenden der CDU-Grundsatzkommission berufen. Auf dem 22. Bundesparteitag der CDU in Hamburg im November 1973 stellte Weizsäcker die ersten Ergebnisse zweier Jahre Arbeit in der Grundsatzkommission vor und löste damit lebhafte Diskussionen aus. Erst 1978 wurde das neue CDU-Grundsatzprogramm, an dem Weizsäcker und Heiner Geißler federführend beteiligt waren, beschlossen.

Von 1981 bis 1983 war er außerdem CDU-Landesvorsitzender in Berlin.

Mit der Annahme der Wahl zum Bundespräsidenten ließ er die Mitgliedschaft in der CDU ruhen und nahm sie auch nach dem Ende seiner Amtszeit nicht wieder auf.

Abgeordneter

1969 kandidierte Weizsäcker im Wahlkreis Worms für den Deutschen Bundestag. Er wurde über Platz 2 der rheinland-pfälzischen CDU-Landesliste in den Bundestag gewählt und war bis 1981 Mitglied des Deutschen Bundestages.

Am 17. Mai 1973 unterlag Weizsäcker Karl Carstens in einer Kampfabstimmung um den Vorsitz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Weizsäcker wurde sodann stellvertretender Fraktionsvorsitzender.

Von 1979 bis 1981 war er dann Vizepräsident des Deutschen Bundestages.

Öffentliche Ämter

Bei der Bundespräsidentenwahl 1974 war Weizsäcker Kandidat von CDU und CSU für das Amt des Bundespräsidenten. Diese Kandidatur nahm Weizsäcker im Bewusstsein an, dass er aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung nur als sogenannter "Zählkandidat" aufgestellt wurde. Gewählt wurde der bisherige Außenminister Walter Scheel (FDP), der als Kandidat der sozial-liberalen Koalition angetreten war.

Weizsäcker gehörte dann 1976 dem von Helmut Kohl für die Bundestagswahl 1976 aufgestellten Schattenkabinett an.

1979 war Weizsäcker Spitzenkandidat der CDU bei den Wahlen zum 8. Abgeordnetenhaus von Berlin. Zwar wurde die CDU mit 44,4 % der Stimmen stärkste Kraft, Regierender Bürgermeister blieb aber der bisherige Amtsinhaber Dietrich Stobbe. Die Koalition aus SPD und FDP wurde fortgesetzt. 1981 kam es zu vorgezogenen Neuwahlen zum Abgeordnetenhaus. Bei diesen Neuwahlen wurde die CDU mit 48,0 % der Stimmen erneut stärkste Kraft und erhielt ihr bislang bestes Ergebnis auf Berliner Landesebene.

Weizsäcker wurde daraufhin als Nachfolger von Hans-Jochen Vogel, der damit nur ein halbes Jahr im Amt war, zum Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt. Er stand zunächst einem CDU-Minderheitssenat vor, nach dem Bruch der sozialliberalen Koalition in Bonn im September 1982 bildete er im März 1983 eine Koalition mit der FDP.

Im November 1983 wurde er zum zweiten Mal als CDU/CSU-Kandidat für das Bundespräsidentenamt benannt. Bei der Bundespräsidentenwahl 1984 am 23. Mai 1984 wurde Weizsäcker von der Bundesversammlung zum sechsten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Am 1. Juli wurde er als Nachfolger von Karl Carstens in diesem Amt vereidigt.

Gesellschaftliches Engagement

Von 1964 bis 1970 und von 1979 bis 1981 amtierte er als Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentags, von 1967 bis 1984 gehörte er außerdem der Synode und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland an.

Seit 1994 ist er Vorsitzender des Bergedorfer Gesprächskreises der Körber-Stiftung und des Kuratoriums der Theodor-Heuss-Stiftung. Seit 2002 gehört er außerdem dem Kuratorium des Hannah Arendt-Zentrums (Universität Oldenburg) an und ist seitdem daneben auch Schirmherr der Initiative Perspektive Deutschland sowie der Aktion Deutschland Hilft (ADH), dem Bündnis der Hilfsorganisationen.

Weizsäcker ist Mitglied der Jury der Marion Dönhoff-Stiftung und Mitglied des Club of Rome.

Weizsäcker ist Schirmherr des Richard-von-Weizsäcker Berufskollegs in Lüdinghausen und Dülmen.

Parteienkritik

In der ZEIT übte Richard von Weizsäcker 1992 schwere Kritik an den deutschen Parteien. Er kritisierte, dass sich der Einfluss der Parteien auf die gesamte Gesellschaft ausgeweitet habe. Sie seien längst zu einem sechsten Verfassungsorgan geworden, seien aber, im Gegensatz zu den anderen, keiner Kontrolle unterlegen. Weiterhin führte er aus, dass das primäre Ziel der Parteien sei, die nächste Wahl zu gewinnen und nicht langfristig Probleme dieses Landes zu lösen. Sie nähmen temporäre Stimmungen im Volk in ihr Parteiprogramm auf, um bei der nächsten Bundestagswahl möglichst viele Stimmen zu erhalten.

Staatsbesuche

Jahr Monat Staaten
1984 November Frankreich
1985 Februar Jordanien, Ägypten
März Finnland
Mai/Juni Niederlande
Oktober Israel
1986 Februar Birma, Bangladesch, Malaysia
März Österreich
Mai Türkei
Juli Großbritannien
September Norwegen
Oktober Ungarn
1987 März Argentinien, Bolivien, Guatemala
Mai Schweiz
Juni Griechenland
Juli Sowjetunion
1988 März Mali, Nigeria, Simbabwe, Somalia
Mai Italien
Juni Schweden
September Luxemburg
November Bulgarien
1989 April Spanien, Dänemark
Mai/Juni USA
Oktober Marokko
1990 März Portugal, Tschechoslowakei
Mai Polen
September Kanada
Oktober Malta
1991 Februar/März Südkorea, Indien
Juni Italien, Vatikan
Oktober Tschechoslowakei
1992 April/Mai USA
Juni/Juli Tansania, Jemen
Juli Island, Irland
November Mexiko
1993 April/Mai Tunesien
Mai USA
Juli Estland
August/September Neuseeland, Australien, Thailand, Oman
Oktober Litauen, Lettland
Oktober/November Chile, Ecuador
1994 März Vatikan
Mai Frankreich
Juni Großbritannien, Polen

Ehrungen

Ehrendoktorwürden

Werk

  • Der faktische Verein. Dissertation, Göttingen 1955.
  • Richard von Weizsäcker im Gespräch mit Gunter Hofmann und Werner A. Perger. Frankfurt/Main: Vito von Eichberg Verlag, 1992 (Gespräch zur Ortsbestimmung deutscher Politik nach dem politischen Wandel in Osteuropa mit zwei ZEIT-Redakteuren)
  • Vier Zeiten. Erinnerungen. Siedler, 1. Auflage, Berlin 1997.
  • Drei Mal Stunde Null? 1949 – 1969 – 1989. 1. Auflage 2001.
  • Was für eine Welt wollen wir? Richard von Weizsäcker im Gespräch mit Jan Roß. Rowohlt, 1. Auflage, Berlin 2005, ISBN 3871345245.

Literatur

  • Friedbert Pflüger: Richard von Weizsäcker – Ein Portrait aus der Nähe. 1. Auflage, München 1993.

Senat

Commons: Richard von Weizsäcker – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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