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Statische Lichtstreuung (Polymeranalytik)

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Statische Lichtstreuung (Polymeranalytik)

Im Folgenden wird die Analyse von statischer Lichtstreuung an Lösungen von Polymeren oder an Dispersionen von Teilchen mit Durchmessern deutlich unter 0.1 µm beschrieben. Lichtstreuung an Teilchen mit Durchmessern im Bereich > 0.1 µm werden über die Formalismen nach Lorenz-Mie bzw. Fraunhofer ausgewertet.

Durchführung

Eine Lösung eines Polymers mit bekannter Konzentration wird in eine zylindrische Küvette eingefüllt und mit einem monochromatischen Lichtstahl beleuchtet. Die Intensität des gestreuten Lichtes wird als Funktion des Streuwinkels (=Winkel zwischen der Ausbreitungsrichtung des Beleuchtungsstahls und der Betrachtungsrichtung des Detektors). Hierbei steht die zylindrische Küvette senkrecht zum einfallenden Strahl und zur Betrachtungsrichtung des Detektors. Der Detektor hat eine entsprechende Trägheit, bzw. das detektierte Signal wird über eine entsprechende Zeit gemittelt, so dass die zeitlichen Fluktuationen der Streuintensität keine Rolle spielen. Als Detektor kann ein mechanisch verfahrbarer Einzeldetektor, ein Array mehrerer Detektoren oder ein Flächendetektor verwendet werden (für weitere Details siehe 'multi-angle light scattering' [1]). Die Empfindlichkeit der Detektoren und gerätespezifischen Parameter (s.u.) werden i.d.R. durch Referenzmessungen an einem bekannten Streumedium wie z.B. Toluol ermittelt. Die Messung wird an mehreren Lösungen des Polymers mit systematisch variierter Konzentration wiederholt.

Theorie

Vereinfacht gesprochen beruht die statische Lichtstreuung an Lösungen von Polymeren darauf, dass gelöste Polymere lokal die Permittivität der Lösung verändern und das bei einheitlicher chemischer Zusammensetzung der Polymere diese Veränderung proportional zur Molekülmasse ist. Die Intensität des gestreuten Lichtes ist proportional zum Quadrat dieser Veränderung und zur Teilchendichte (Anzahldichte) der streuenden Moleküle. Die Teilchendichte der streuenden Moleküle ist gleich dem Verhältnis Massenkonzentration/Molekülmasse. Somit kann man aus dem Verhältnis von Streuintensität zu Massenkonzentration das Molekülgewicht errechnen. Etwas genauer betrachtet liefert die Lichtstreuung Aussagen über die Molmasse (Gewichtsmittel des Molekulargewichts, Mw), die Wechselwirkung mit dem Lösungsmittel (Virialkoeffizienten des Osmotischen Druckes, A2, A3, ...) und die räumliche Ausdehnung der gelösten Polymerketten (Streumassenradius, Rg²). [1] [2][3][4] [5] [6] [7]


Rayleigh-Streuung [2] beschreibt die Lichtstreuung durch Einzelmoleküle eines Gases (leerer Raum zwischen den Gasmolekülen, hohe Verdünnung) als Funktion ihrer Polarisierbarkeit α.

(1)

Hierbei beschreibt das Verhältnis der Intensität des gestreuten Lichtes zur Intensität des eingestrahlten Lichtes, der erste Bruch rechts des Gleichheitszeichens die Wechselwirkung des Moleküls mit der eingehenden Strahlung der Wellenlänge in SI-Einheiten , der zweite die Abhängigkeit der Lichtintensität vom Abstand zwischen Quelle und Detektor, , und der dritte berücksichtigt, dass das eingehende Licht unpolarisiert ist, die Intensität der Streuung somit für den s-polarisierten Anteil winkelunabhängig ist, für den p-polarisierten Anteil hingegen vom Winkel abhängt auftritt (siehe Hertzscher Dipol, ¡ der hier mit θ bezeichnete Winkel ist der Streuwinkel, bei der Beschreibung eines Hertzschen Dipols wird mit theta meist der Polarwinkel in Bezug auf die Dipolachse bezeichnet. Bei p-polarisation gilt theta=90°-θ und 1-cos²(theta)=cos²θ !). Zur Vereinfachung teilen wir beide Seiten durch die Winkelabhängigkeit und gerätespezifische Parameter und erhalten so das Raleigh-Verhältnis,

(2)

Für ein ideals Gas kommen wir zu der gleichen Aussage, wenn wir als Streuzentren nicht Einzelmoleküle, sondern Dichtefluktuationen ansehen: Auf hinreichend kleinen Längenskalen betrachtet, hat ein ideales Gas nicht an jedem Ort die gleiche Teilchendichte und somit auch nicht die gleiche Permittivität. In einem Gas beträgt die Permittivitätszahl nahezu . Somit können wir über die Clausius-Mossotti-Gleichung die Polarisierbarkeit des Gasmoleküls , die Permittivitätszahl des Teilvolumens , die Polarisierbarkeit des Teilvolumens und die Teilchendichte des Teilvolumens, , ineinander umrechnen: , Das Teilvolumen streut Licht, wenn es sich von der Umgebung unterscheidet, dh wenn die Differenz zwischen der Polarisierbarkeit des Teilvolumens und der durchschnittlichehn Polarisierbarkeit aller Teilvolumina, , von Null verschieden ist. Folglich müssen wir in Gleichung (2) nicht durch sondern durch seine Varianz ersetzen. Weiterhin müssen wir in Gleichung (2) die Teilchendichte durch die Dichte der Teilvolumina ersetzen und erhalten somit:


(3)

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Molekül des idealen Gases in eines der Teilvolumina gelangt beträgt . Die Wahrscheinlichkeit, dass eines dieser Teilvolumina die Zahl an Teilchen enthält lässt sich durch die Binomialverteilung beschreiben. Diese Binomialverteilung hat für den Grenzfall eine Varianz der Zahl der Teilchen in den Teilvolumina von . Wir teilen beide Seiten durch und erhalten: . Setzen wir dies in Gleichung (3) ein, erhalten wir:

(4)

Dies ist identisch zu Gleichung (2). Das Ergebnis hängt nicht von der gewählten Größe des Teilvolumens ab.

Auch reale Gase, Flüssigkeiten und Gläser streuen Licht, diese Streuung wird ebenfalls durch Dichtefluktuationen hervorgerufen, allerdings ist die o.g. Beschreibung der Fluktuationen über eine einfache Binomoalverteilung nicht mehr ausreichend. Aus thermodynamischen Überlegungen kann man ableiten, dass die Varianz der Konzentration umgekehrt proportional zur Ableitung des Druckes nach der Teilchendichte ist.[1][2]. Bei idealen Gasen erhält man auch aus diesen Überlegungen erneut Gleichung (2). Bei realen Gasen ergibt sich aufgrund der Wechselwirkung zwischen den Teilchen eine stärkere Dichtefluktuation und somit eine stärkere Streuung. Dieser Effekt ist besonders stark in der Nähe des kritischen Punktes [3].


Gelöste Einzelmoleküle, die sich in ihrer Polarisierbarkeit von dem Lösungsmittel unterscheiden erhöhen im Vergleich zum reinen Lösungsmittel die Lichtstreuung. Dieser Effekt ist i.d.R. deutlich stärker als die Streuung durch die Dichtefluktuationen in der Lösung. Das heißt die Varianz der Permittivitätszahl wird nun durch Konzentrationsfluktuationen hervorgerufen. Experimentell einfach zugänglich ist die Massenkonzentration, , diese ist gleich dem Produkt aus Teilchenkonzentration, , und Molekülmasse :

Es ist experimentell relativ einfach, den Brechungsindex als Funktion der Konzentration zu bestimmen. Für niedrige Konzentrationen ist diese Beziehung linear, so dass wir leicht die Ableitung bestimmen können. Weiterhin gilt .

Folglich können wir in Gleichung (4) folgende Ersetzung durchführen . Weiterhin ersetzen wir in Gleichung (4) und erhalten so:

(5)

Rechnen wir Molekülmasse, in Molmasse um , ( = Avogadrokonstante)um, erhalten wir:

(6)

mit (7)


Hat unser Polymer keine einheitliche Molmasse, so ist die Streuintensität gleich der Summe der Streuintensitäten aller Komponenten, , und die Gesamtkonzentration gleich der Summe aller Teilkonzentrationen dieser Komponenten ,, somit erhalten wir:

D.h. statische Lichtstreuung liefert bei uneinheitlichen Polymeren das Massenmittel der Molmasse


Üblicherweise sind auch Lösungen nicht ideal. Für nichtideale Lösungen ist die o.g. einfache Beschreibung über eine Binomialverteilung nicht mehr ausreichend. Aus thermodynamischen Überlegungen kann man ableiten, dass die Varianz der Konzentration umgekehrt proportional zur Ableitung des osmotischen Druckes nach der Konzentration ist. [1][7] Bei der Beschreibung eines des osmotischen Druckes, wird die Abweichung von der Idealität oft durch eine Reihenentwicklung beschrieben Die Faktoren , , ... bezeichnet man als den ersten, zweiten, usw. Virialkoeffizienten des osmotischen Drucks. Somit ergibt sich bei nichtidealen Lösungen:


(5)


Bei einem Polymerknäuel ist die räumliche Ausdehnung i.d.R. groß genug, dass Streulicht, das von verschiedenen Orten des Polymerknäuels ausgeht, nicht mehr vollständig in Phase ist. Diese führt im Vergleich zu dem Fall, dass die gesamte Polymermasse in einem Punkt konzentriert wäre, zu einer Abschwächung des Streulichtes. Bei gleichbleibender Molekülmasse ist diese Abschwächung um so größer, je größer das Volumen ist, auf das sich das Polymerknäuel ausbreitet. Unter der Annahme, dass die Dimensionen der Polymerkette noch deutlich unter der Wellenlänge liegt, vermindert sich die Intensität um einen Betrag, der proportional dem sin² des halben Streuwinkels und dem Streumassenradius, , ist:

(6)

mit Streuvektor,

Auswertung

Zimm plot

Gleichung (6) ergibt eine 3dimensional Beziehung zwischen , und .

Zimm-Plot

Wir könnten:

  • gegen auftragen und erhielten mehrere Kurvenscharen (jede bei einem anderen gemessen)
  • jede dieser Kurven gegen extrapolieren und erhielten so Werte für
  • Auftragung dieser extrapolieren Werte gegen ergäbe eine Gerade mit der Steigung und
  • Extrapolation auf ergäbe .

Wir könnten

  • gegen auftragen, erhielten mehrere Kurvenscharen (jede bei einem anderen gemessen)
  • jede dieser Kurven gegen extrapolieren und erhielten so Werte für
  • Auftragung dieser extrapolieren Werte gegen ergäbe eine Gerade mit der Steigung und
  • Extrapolation auf ergäbe erneut .


Eleganter geht diese doppelte Extrapolation im Zimm-Plott[6][7]:

  • wir wählen eine mehr oder minder beliebige Konstante mit der Dimension 1/(Länge² Konzentration)
  • wir tragen von allen unseren Messwerten in einem zweidimensionalen Diagramm (Ordinate) versus (Abszisse) auf ().

  • wir verbinden jeweils die Schar der Punkte, die alle beim gleichen Streuwinkel aufgenommen wurden mit je einer Linie ( ____ ) und führen jede dieser Linien nach links weiter ( ...... )
  • bei jeder dieser Linien zeichnen wir von dem Punkt, der zur niedrigsten vermessenen Konzentration, , gehört, aus in einem Abstand von einen weiteren Punkt ein (). Dieser entspricht der Extrapolation auf
  • wir verbinden diese extrapolierten Punkte mit einer Linie und verlängern diese bis zum Schnittpunkt mit der Ordinate ( ----- ).
  • die Steigung dieser Linie entspricht
  • diese Linie schneidet die Ordinate bei


  • wir verbinden jeweils die Schar der Punkte, die alle bei der gleichen Konzentration aufgenommen wurden mit je einer Linie ( ____ ) und führen jede dieser Linien nach links weiter ( ...... )
  • bei jeder dieser Linien zeichnen wir von dem Punkt, der zum niedrigsten vermessenen Streuvektor, , gehört, aus in einem Abstand von einen weiteren Punkt ein () . Dieser entspricht der Extrapolation auf
  • wir verbinden diese extrapolierten Punkte mit einer Linie und verlängern diese bis zum Schnittpunkt mit der Ordinate ( ----- ).
  • die Steigung dieser Linie entspricht
  • diese Linie schneidet die Ordinate ebenfalls bei

Guinier plot

Sind wir nur am Streumassenradius, , interessiert, so ist eine Extrapolation nicht notwendig. Üblicherweise bestimmt man die Winkelabhängigkeit der Streuintensität für nur eine Konzentration und trägt versus auf. Für gilt und . Somit ergibt diese Auftragung in dem Bereich eine Gerade mit Steigung

Einzelnachweise

  1. a b c A. Einstein: Theorie der Opaleszenz von homogenen Flüssigkeiten und Flüssigkeitsgemischen in der Nähe des kritischen Zustandes. In: Annals of Physics. 33. Jahrgang, Nr. 16, 1910, S. 1275, doi:10.1002/andp.19103381612, bibcode:1910AnP...338.1275E (zenodo.org).
  2. a b C.V. Raman: Relation of Tyndall effect to osmotic pressure in colloidal solutions. In: Indian J. Phys. 2. Jahrgang, 1927, S. 1.
  3. P.Debye: Light Scattering in Solutions. In: J. Appl. Phys. 15. Jahrgang, Nr. 4, 1944, S. 338, doi:10.1063/1.1707436, bibcode:1944JAP....15..338D.
  4. B.H. Zimm: Molecular Theory of the Scattering of Light in Fluids. In: J. Chem. Phys. 13. Jahrgang, Nr. 4, 1945, S. 141, doi:10.1063/1.1724013, bibcode:1945JChPh..13..141Z.
  5. B.H. Zimm: The Scattering of Light and the Radial Distribution Function of High Polymer Solutions. In: J. Chem. Phys. 16. Jahrgang, Nr. 12, 1948, S. 1093–1099, doi:10.1063/1.1746738, bibcode:1948JChPh..16.1093Z.
  6. a b B.H. Zimm: Apparatus and Methods for Measurement and Interpretation of the Angular Variation of Light Scattering. In: J. Chem. Phys. 16. Jahrgang, Nr. 12, 1948, S. 1099–1116, doi:10.1063/1.1746740.
  7. a b c Paul C. Hiemenz, Timothy P. Lodge: Polymer chemistry. 2nd Auflage. CRC Press, Boca Raton, Fla. [u.a.] 2007, ISBN 978-1-57444-779-8, S. 307–308..