Rote Armee

Die Rote Arbeiter- und Bauernarmee (russisch Рабоче-Крестьянская Красная Армия, Rabotsche-Krestjanskaja Krasnaja Armija, kurz Rote Armee) war die Armee der UdSSR. Meist bezeichnet der Begriff die Streitkräfte der Sowjetunion zwischen 1918 und 1946. Sie wurde unter der maßgeblichen Beteiligung Leo Trotzkis mit Hilfe von Militärspezialisten der zaristischen Armee in der Revolutionszeit aufgebaut. Die Bezeichnung entstand im Verlauf des russischen Bürgerkrieges, als die Gegner als Weiße Armee bezeichnet wurden.
Von 1920-1921 brachten die Kämpfe zwischen sowjetischen Roten und antisowjetischen Weißen auch eine Iranische Rote Armee in der Persischen Sowjetrepublik hervor. Seit 1927 existierte in China ebenfalls eine Rote Armee der Chinesischen Sowjetrepublik, die 1949 mit der Gründung der Volksrepublik China jedoch in Volksbefreiungsarmee umbenannt wurde.
Auch in Bayern gab es im Jahre 1919 eine Rote Armee. Diese war von der KPD im Zusammenhang mit der bayerischen Revolution gegründet worden und spielte in der Zeit der Münchner Räterepublik eine – allerdings nur episodenhafte – Rolle. Im Frühjahr 1920 kämpfte zudem noch eine Rote Ruhrarmee im Ruhrgebiet die zwar dazu beitrug,die Sezession des Rheinlandes zu verhindern, allerdings ebenfalls keine größere Bedeutung erlangen konnte.
Von 1946 bis zum Ende der Sowjetunion 1991 hieß die Armee der UdSSR offiziell Sowjetarmee (russ. Советская армия), aber umgangssprachlich wurde sie vor allem in der westlichen Welt weiterhin als „Rote Armee“ bezeichnet.
Gründung und Aufbau
Die Rote Armee wurde durch einen Beschluss des Rates der Volkskommissare am 15. Januar (28. Januar n.d. Julianischen Kalender) 1918 gegründet. Sie ging aus der bereits vorher existierenden Roten Garde hervor. Leo Trotzki, Volkskommissar für Militärwesen von 1918 bis 1924, sah sich als „Gründer“ der Roten Armee.
Der später in der Sowjetunion als offizieller Tag der Roten Armee ausgerufene Feiertag am 23. Februar ging auf den ersten Tag zurück, an dem 1918 in Petrograd und Moskau Soldaten rekrutiert wurden, auch auf den ersten Tag, an dem es zu Siegen bei Kämpfen zwischen der Roten Armee und den Truppen des Deutschen Reiches bei Pskow und Narwa kam. Der bis zum Ende der Sowjetunion wichtige Feiertag wird noch heute als Tag der Verteidiger des Vaterlandes gefeiert.
Bei ihrer Gründung war die Rote Armee eine Freiwilligenarmee ohne Dienstgrade (Ränge),ohne Rangabzeichen oder besondere Hervorhebung einzelner Funktionsträger. Kommandierende wurden demokratisch gewählt, auch konnten die Befehle der Offiziere durch die Untergebenen diskutiert und ggf. abgelehnt werden. Um die militärische Effizienz zu steigern, hob Stalin diese Möglichkeiten allerdings später wieder auf. Es gab danach die Bezeichnung von Dienststellungen (siehe unten), aus denen sich eine Art von Dienstgraden entwickelte. Am 29. Mai 1918, mitten im Bürgerkrieg nach der Oktoberrevolution wurde die allgemeine Wehrpflicht für Männer zwischen 18 und 40 Jahren ausgerufen.
Da ein Mangel an Offizieren vor allem in höheren Kommandofunktionen bestand, wurden anfangs auf freiwilliger Basis Generale und Offiziere der zaristischen Armee gewonnen. Darunter waren auch Generale, die unter dem Zaren Fronten und Armeen befehligt hatten oder in hohen Stabsfunktionen tätig gewesen waren. Beispiele dafür sind Brussilow, Bontsch-Brujewitsch, Parski, Klembowski, Gutor.
Jeder Einheit der Roten Armee wurde ein Politkommissar oder Politruk (политический руководитель, politischer Leiter) zugeteilt, der die Autorität besaß, Befehle von Kommandeuren aufzuheben, die gegen die Prinzipien der KPdSU verstießen. Dies verminderte zwar einerseits die militärische Effizienz, stellte aber andererseits die politische Zuverlässigkeit der Armee gegenüber der Partei sicher, was die Partei für geboten hielt angesichts der Tatsache, dass die Armee auf in der Zarenzeit ausgebildete Offiziere angewiesen war.
Mit Einführung der Wehrpflicht wurden auch Generale und Offiziere einberufen, darunter sogar Generale und Offiziere, die schon kurzzeitig in der Weißen Armee gedient hatten. Am Ende des Bürgerkriegs dienten rund 50000 ehemalige zaristische Generale und Offiziere in der Roten Armee, von denen rund 15000 zuvor auch in der Weißen Armee gedient hatten. Eine große Mehrheit der Generäle und Offiziere versah treu ihren Dienst in der Roten Armee.
Viele dieser Offiziere dienten auch noch im zweiten Weltkrieg und danach in der Sowjetarmee. Beispiele dafür sind Schaposchnikow, Wassiljewski, Rokossowski, Goworow.
Es gab nach Rapallo auch auf militärischem Gebiet eine deutsch-sowjetische Zusammenarbeit zwischen den Weltkriegen zum gegenseitigen Vorteil. Das betraf vor allem die Luftwaffe und Panzertruppe, deren Besitz Deutschland verboten war.
Reform und Aufrüstung der Roten Armee in den 30ern
Die ursprünglich als Erbe des Zarismus abgeschafften Berufsoffiziere wurden 1935 wieder eingeführt. Den Generalstab bildeten erfahrene Offiziere mit guter operativer Ausbildung, die sich zumeist schon im Bürgerkrieg verdient gemacht hatten.
Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre wurden moderne Miltärtheorien entwickelt und die Sowjetarmee hatte in W.K.Triandafillow, M.N.Tuchaschewski, J.P.Uborewitsch, I.E. Jakir, A.I.Sedjakin, G.S.Isserson, J.I.Alksnis und anderen hervorragende Militärtheoretiker und Kommandeure. Nach Ansicht der meisten dieser Theoretiker kam der Panzerwaffe und der allgemeinen Motorisierung und Mechanisierung der Armee die entscheidende Rolle in den Kriegen der Zukunft zu. Dem Aufbau der Rüstungsindustrie, mit dem Schwerpunkt der Panzerproduktion, wurde daher im ersten und zweiten Fünfjahresplan der sowjetischen Industrie eine zentrale Position eingeräumt. Die gewaltigen Anstrengungen beim Aufbau der Schwerindustrie zeitigten bald Erfolge und so konnten bis zum Jahre 1936 zwischen 10.000 und 15.000 hauptsächlich leichte und mittlere Panzer gebaut werden. Bis zum Kriegsausbruch mit Deutschland im Jahre 1941 wurde diese Zahl auf mindestens 20.000 erhöht. Die Rote Armee besaß damit die an Zahl und Gewicht stärkste Panzerwaffe der Welt. (Zum Vergleich: Deutschland besaß im Jahre 1939 etwa 2500 hauptsächlich leichte und mittlere Panzer, Frankreich etwa 4000 Panzer aller Gewichtsklassen.) Diese Zahlen allein lassen jedoch keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Stärke der Armee zu (siehe Vorkriegssituation).
Die Panzertruppe wurde zunächst in mechanisierte Korps (Panzer mit motorisierter Infantrie und Artillerie) und Panzertruppen zur Infanterieunterstützung aufgeteilt. Die ersteren sollten für tiefe Einbrüche in die feindlichen Linien und zum darauf folgenden Einkesseln und Aufrollen des Gegners verwendet werden. Die mechanisierten Korps ähnelten damit in Funktion und teilweiser Ausstattung den deutschen Panzerdivisionen.
Weiterhin wurden Luftlandetruppen aufgebaut und eine große Zahl von Militärflugzeugen beschafft.
Unter Interpretation der sowjetischen Erfahrungen im Spanischen Bürgerkrieg wurde das sowjetische Landheer erneut umstrukturiert: Die Sowjets machten die Erfahrung, dass Panzerangriffe ohne direkte Infanterie- und Artillerieunterstützung aufgrund der relativ guten Ausstattung der Franqisten mit Panzerabwehrkanonen leicht abwehrt werden konnten. Die Deutschen zogen ausgehend von ähnlichen Erwägungen schon früh den Schluss, die unterstützende Infanterie und Artillerie zu mechanisieren und im Nahbereich des Angriffs einzusetzen, die Sowjets dagegen lösten ihren mechanisierten Korps auf und gliederten ihre Panzer und motorisierten Truppen in die bestehenden Infanteriedivisionen ein. Diese Maßnahme kostete die Rote Armee einen großen Teil ihrer bis dahin vorhandenen Mobilität, da die vorrückenden Panzer nun gezwungen waren ihre Geschwindigkeit der langsamen Infanterie anzupassen.
Eine andere Lehre aus dem Spanischen Bürgerkrieg sollte sich jedoch äußerst positiv für die Rote Armee auswirken: Da sich die vorhandenen Panzer T-26, BT-5 und BT-7 als zu leicht gepanzert für Sturmangegriffe herausgestellt hatten, wurde die Entwicklung schwererer, besser gepanzerter Modelle in die Wege geleitet: Resultat dieser Entwicklung waren die T34- und KW-Panzer, die sich im Verlauf des späteren Krieges als äußerst nützlich und den deutschen Modellen der Frühphase als weit überlegen erweisen sollten. Die Massenproduktion dieser Modelle wurde schnellstmöglich eingeleitet und ab 1939 wurden die ersten Panzer an die Truppe ausgeliefert. Die Zahl der ausgelieferten Panzer blieb jedoch im Vergleich zu den vorhandenen leichte Panzern bis 1941 gering.
Nach den Erfahrungen des sowjetisch-finnischen Winterkrieges und des Japanisch-Sowjetischer Grenzkonfliktes wurden die sowjetische Panzerwaffe einer erneuten Umstrukturierung unterzogen: Die zuvor aufgelösten mechanisierten Korps sollten neu aufgestellt und vergrößert werden. Dieser Reorganisationsprozess steckte beim Ausbruch des „Großen Vaterländischen Krieges“ jedoch noch in der Anfangsphase.
Nachdem bis dahin ein Dualismus mit einer Kaderarmee und militärischer Ausbildung in einem Milizsystem bestand, wurde im September 1939 die allgemeine Wehrpflicht eingeführt um eine weitere Vergrößerung des Landheeres zu ermöglichen.
Stalinsche Säuberungen
Während der großen Stalinschen Säuberungen, vor allem in den Jahren 1937 bis 1939, wurden sehr viele höhere Offiziere durch den NKWD getötet oder in Gulags deportiert, da sie als eine Gefahr für die Machtposition Stalins angesehen wurden. Verhaftet wurden drei von fünf Marschällen der UdSSR, fünf von sechzehn Armeekommandeuren, alle Korpskommandeure, fast alle Kommandeure von Divisionen und Brigaden, etwa die Hälfte aller Regimentskommandeure. Diese weitesgehende Zerschlagung des Offizierskorps sollte sich zunächst im Winterkrieg gegen Finnland und dann im "Großen Vaterländischen Krieg" bitter rächen.
Ausgangssituation
Wie zuvor ausgeführt besaß die Sowjetunion im Vorfeld des "Großen Vaterländischen Krieges" eine große und teilweise sehr modern ausgerüstete Armee: Sie besaß die bei weitem größte Panzerarmee der Welt, eine große Zahl von Geschützen und Flugzeugen und eine sehr große und gut ausgerüstete Infanterie. Große Teile der Artillerie waren ebenso wie ein kleiner Teil der Infanterie motorisiert.
Die Rote Armee hatte jedoch mit 4 zentralen Problembereichen zu kämpfen, die die späteren gravierenden Niederlagen der Roten Armee leicht erklärbar machen.
1. Operative Mängel
Durch die großen Säuberungen in den Jahren 1937-39 ging der Roten Armee ein Großteil ihrer erfahrenen, höheren Offiziere verloren. Besonders gravierend äußerste sich dies im Mittelbau der militärischen Hierarchie: Es mangelte an erfahrenen Korps- und Divisionskommandeuren, die nachrückenden Offiziere hatten oftmals kaum Erfahrung im für die sowjetische Kriegstaktik entscheidenden verbundenen Einsatz von Panzern, Infanterie und Luftwaffe. Die Kommandeure der Infanteriedivisionen, denen das Gros der Panzer zur eigenen Verwendung direkt unterstellt war, waren selten in der Lage diese effizient einzusetzen.
2. Schlechter Ausbildungsstand der Panzertruppen
Durch die massive und extrem schnelle Vergrößerung der Panzerwaffe in den 30er-Jahren (die Sowjetunion baute zwischen 1934 und 1939 mindestens 20.000 Panzer, Deutschland in der gleichen Zeit etwa 2.000) waren nur sehr begrenzte Ausbildungskapazitäten für den einzelnen Panzersoldaten vorhanden. Da militärische Manöver teuer und Ausbilder für die Panzerwaffe knapp waren, wurden die sowjetischen Panzersoldaten nur ungenügend geschult. Oftmals waren sie zum Schießen aus der Bewegung und zum gemeinsamen, taktischen Vorgehen mit anderen Panzern und der Luftwaffe nicht in der Lage.
3. Logistische Probleme
Da sich die Sowjetunion bei ihren Aufrüstungsprogrammen in den 30ern auf den Ausbau der Panzerwaffe konzentrierte, wurde der Ausbau der Logistik stark vernachlässigt: Es mangelte an LKWs für die schnelle Versorgung der Panzer und (motorisierten) Artillerie mit Benzin, Munition und Ersatzteilen, so dass diese oftmals nicht einsatzfähig waren oder gänzlich liegen blieben. Auch gab es in der Sowjetunion für die Menge der eingesetzten Panzer viel zu wenig ausgebildete Mechaniker, so dass das vorhandene Material schon in der Vorkriegszeit mangelhaft gewartet war und später im Kriegseinsatz beschädigte Panzer selten befriedigend wiederhergestellt werden konnten.
4. Unterentwickelte Leichtindustrie
Die Sowjetunion war in der Phase der großen Industrialisierung nicht in der Lage eine den Bedürfnissen der Roten Armee entsprechende Leichtindustrie aufzubauen. Dies wirkte sich besonders für die Beschaffung einer ausreichenden Zahl von Funkgeräten und qualitativ hochwertigen Zieloptiken für die Panzer- und Luftwaffe fatal aus.
Begünstigende Umstände
Die Verteidigung der SU wurde jedoch auch durch einige bedeutende Umstände begünstigt: Die sowjetische Rüstungsindustrie wurde unter Bedacht weit verstreut angesiedelt, einem eventuellen Aggressor sollte niemals die gesamte sowjetische Rüstungsindustrie in die Hände fallen. So befanden sich große rüstungsrelevante Betriebe im westlichen Teil der SU, so im ukrainischen Charkow und in Leningrad, im zentralrussischen Moskau und Stalingrad, im Kaukasus und Ural und in Sibirien. So mussten die westlich gelegenen Rüstungsbetriebe nach Ausbruch der Kampfhandlungen gen Osten evakuiert werden, die restlichen Betriebe konnten jedoch unverdrossen weiterproduzieren.
Gliederung
In der operativ-strategischen Ebene gliederte sich die Rote Armee in Fronten, die in etwa den deutschen Heeresgruppen entsprachen, aber vom Personal und Ausrüstungsbestand kleiner waren. Die Fronten bestanden aus Armeen, selbständigen Korps und Spezialtruppenteilen.
siehe auch: Schematische Kriegsgliederung der Roten Armee am 22. Juni 1941
Juni 1941 bis Dezember 1941
Am 22. Juni 1941, dem Tag des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion, umfasste die Rote Armee etwa 4,7 Millionen Soldaten, von denen knapp die Hälfte im Westen stationiert war. Der deutsche Angriff, auf Befehl und unter starkem Einfluss Hitlers auf die militärische Planung und Durchsetzung, verfolgte das Ziel, die Sowjetunion und den Bolschewismus innerhalb kürzester Zeit zu vernichten und den deutschen „Lebensraum“ bis zum Ural auszudehnen.
Der von gut ausgerüsteten und erfahrenen, wenngleich bereits zum Zeitpunkt des Einmarsches der Roten Armee personell unterlegenen deutschen Kräften ausgeführte Angriff traf die sowjetische Führung und die schlecht gestaffelte Rote Armee völlig überraschend. Selbst nach Stunden und sogar Tagen glaubte Stalin nur an eine zielgerichtete Provokation, um die unvorbereitete Sowjetunion in einen Krieg mit dem hochgerüsteten Deutschen Reich zu verwickeln.
Stalin ging davon aus, Hitler wolle im Gegensatz zur deutschen Generalität keinen Krieg mit der Sowjetunion. Tatsächlich war es umgekehrt. Während die Führung der Wehrmacht überwiegend aufgrund der Größe der Sowjetunion von einem Krieg gegen Stalin abriet, bestand Hitler auf seinem vorgefassten Plan zum „Unternehmen Barbarossa“.
In den ersten Kriegswochen verlor die Armee trotz teilweise verzweifelten Widerstandes fast jedes Gefecht. Die Verluste an Gefangenen gingen bald in die Millionen. Große Teile der Ausrüstung wurden von den Invasoren zerstört oder erbeutet. Der von Anfang an energische Widerstand der sowjetischen Einheiten führte jedoch bereits 1941 auch bei der Wehrmacht zu erheblichen Verlusten. Im Dezember 1941 waren fast alle seit Juni 1941 eingesetzten Panzer der Wehrmacht ebenso wie die gepanzerten Fahrzeuge der Roten Armee zerstört oder anderweitig ausgefallen.
Die sowjetische Staatsführung änderte als Reaktion auf die Niederlagen ihre Strategie im Umgang mit der Armee. Die Propaganda zielte nicht mehr auf die politische Dimension des Klassenkampfes ab, sondern wandte sich den patriotischen Gefühlen der Bevölkerung zu, bezog sich positiv auf die vorrevolutionäre russische Geschichte. Der Krieg gegen die deutschen Angreifer wurde als „Großer Vaterländischer Krieg“ bezeichnet, eine Bezugnahme auf den „Vaterländischen Krieg“ gegen Napoléon Bonaparte 1812. Traditionelle russische Helden wie Alexander Newski und Michail Kutusow wurden ein wichtiger Teil der Propaganda, Repressionen gegen die Russisch-orthodoxe Kirche hörten auf; die traditionelle Praxis, Waffen vor dem Gefecht kirchlich zu segnen, wurde wieder eingeführt. Die militärische Einzelleitung wurde 1943 eingeführt. Aus den Politkommissaren wurden Stellvertreter für politische Arbeit der jeweiligen Kommandeure. Rangabzeichen, Orden und Medaillen nach vorrevolutionärem Muster wurden wieder eingeführt.
War die Rote Armee zum Kriegsbeginn im Sommer 1941 eine in Teilen schlecht ausgebildete und mit veralteter Technik ausgerüstete Armee, die nicht in der Lage war, den schlagkräftigen und kampferprobten Verbänden der angreifenden deutschen Wehrmacht Niederlagen beizubringen, änderte sich das im Verlaufe der nächsten zwei Jahre. Bis Herbst 1943 verwandelte sie sich in eine qualitativ und quantitativ deutlich überlegene Angriffsarmee, die in der Lage war, die Initiative auf dem Schlachtfeld zu ergreifen, aufwändige Offensiv-Operationen durchzuführen und diese auch erfolgreich abzuschließen. Nach dem überraschenden Überfall befanden sich zunächst alle Verbände der Roten Armee in der Defensive. Technologisch trotz hoher Haushaltsaufwendungen für die Landesverteidigung z. T. schlecht ausgestattet und mit ungeeigneter Strategie und Taktik operierend, verzeichnete die Rote Armee vor allem in den ersten Kriegsmonaten verheerende Verluste an Menschen und Material. Gemäß den Front- und Feldlazarett-Berichten verloren die sowjetischen Streitkräfte (Heer, Marine und Luftwaffe) im Zeitraum 22. Juni bis 31. Dezember 1941 3.137.673 Soldaten und Offiziere als Gefallene, Gestorbene, Vemisste oder Gefangene und 1.336.147 als Verwundete und Kranke (ohne Berücksichtigung der Verluste der Landwehr und Partisanen), sowie 20.500 Panzer und 21.200 Flugzeuge aller Typen. Der schnell vorstoßende und durch die gute Ausstattung mit Funkgeräten zu weitreichender Kommunikation fähige Gegner errang in kurzer Zeit die Luftherrschaft. Panzereinheiten durchbrachen schlecht verteidigte Stellungen und stießen schnell in die Tiefe vor, so dass die Rote Armee keine durchgehende Front errichten konnte. Viele der veralteten Flugzeuge der Roten Armee wurden bereits in den ersten Tagen am Boden zerstört oder in kurzen Luftkämpfen abgeschossen. Verteidigende und zurückweichende Einheiten sahen sich von Beginn an permanenten Luftangriffen, vor allem durch die psychologisch wirkungsvoll mit Sirenen ausgestatteten Sturzkampfflugzeuge (Stukas), ausgesetzt. Fehlgeleiteter Widerstand und kompromisslose Haltebefehle führten zu katastrophalen Einkesselungen, die regelmäßig zur Vernichtung ganzer Divisionen und Armeen führten, aber den Vorstoß der Wehrmacht immerhin entscheidend verzögerten. Erst kurz vor Moskau stabilisierte sich die Front. NKWD-Sperrverbände wurden hinter der kämpfenden Truppe aufgestellt und drastische Maßnahmen, bis hin zur öffentlichen Erschießung von angeblichen Feiglingen taten ein Übriges. Gefangengenommene Rotarmisten galten als Verräter. Stalin weigerte sich später seinen in den ersten Kriegswochen gefangenen Sohn Jakow gegen den Generalfeldmarschall Paulus auszutauschen. Sein Sohn nahm sich in einem KZ das Leben.
Die Sowjetunion verwandelte sich in wenigen Monaten in ein gewaltiges Heer- und Arbeitslager, in dem nur ein Ziel galt: Die Rote Armee in kürzester Zeit mit allem Notwendigen für den Sieg zu versorgen. Nahrungsmittel, Treibstoff, Panzer, Flugzeuge, Geschütze, Soldaten. Mit dieser gewaltigen Opferbereitschaft hatten Hitler und andere, die nach den Erfolgen Finnlands 1939 gegen die Sowjetunion und nach dem deutschen Teilsieg gegen Russland im ersten Weltkrieg davon ausgegangen waren, die Sowjetunion sei ein Koloss auf tönernen Füßen, nicht gerechnet.
Der sich verschärfende Widerstand an der Front und im Hinterland brachte in Verbindung mit dem Herbstschlamm und dem kalten Winter 1941 die angreifende Wehrmacht kurz vor Moskau zum Stehen. Ein prosowjetischer deutscher Journalist (Dr.Richard Sorge,im Dienst des Sowjetischen NKWD) hatte Stalin von Tokio aus mitgeteilt, dass das mit Deutschland verbündete Japan keinen Angriff auf die Sowjetunion plante. Infolgedessen konnte Stalin die im Osten zur Abwehr gegen Japan stationierten Einheiten nach Moskau verlegen. Diese leiteten zum 5. Dezember 1941 einen ersten erfolgreichen Gegenangriff ein, der die Wehrmacht vor Moskau zurückwarf. Die Rote Armee konnte zu diesem Zeitpunkt die Initiative im Krieg noch nicht übernehmen, allerdings musste sich die Wehrmacht 1942 auf den Angriff in einer strategischen Richtung beschränken, der Südrichtung.
Die Rote Armee wurde nun in immer breiterem Umfang mit moderner Gefechtstechnik ausgerüstet. Teilte Stalin den Fronten und Armeen in der Anfangszeit die wenigen produzierten Panzer, Flugzeuge und Geschütze noch persönlich zu, sorgten die aus den besetzten Landesteilen evakuierten und im Hinterland neu oder wiedererrichteten Rüstungsbetriebe für eine ständig steigende Anzahl an moderner Ausrüstung.
Zu nennen sind hier vor allem der bekannte mittlere Panzer T-34, das Schlachtflugzeug Il-2 und die Jagdflugzeuge Jak-9, Jak-3 und La-5/7. Fast alle Kriegsgeräte waren auf die Massenproduktion in riesigen Stückzahlen mit ungelernten Arbeitern – darunter auch sehr viele Frauen im Hinterland – zugeschnitten. Auf dem Gefechtsfeld sorgte ihre zunehmende Zahl und immer bessere Beherrschung für einen allmählichen Wandel. Der entscheidende Befehl Nr. 227 des Volkskommisars für Verteidigung vom 28. Juli 1942 macht den Ernst der Situation, in der es für die Sowjetunion um das nackte Überleben ging, deutlich. Der Befehl statuierte die Forderung „Kein Schritt zurück“ und legte durchgreifende Bestimmungen zum Erhalt und zur Durchsetzung der Disziplin fest. Er enthielt unter anderem die Anweisung zur Aufstellung von Strafbataillionen und Sondereinheiten, die „unmittelbar hinter unzuverlässigen Divisionen einzusetzen sind und die Aufgabe haben, im Falle eines ungeordneten Rückzugs der vor ihnen liegenden Divisionen jeden Flüchtenden und jeden Feigling zu erschießen und damit dem ehrlichen Kämpfer bei der Verteidigung seiner Heimat beizustehen.“
1942
Ein erster Versuch, die militärische Initiative durch eine großangelegte Offensive zu gewinnen, scheiterte in der Schlacht bei Charkow (12. - 28. Mai 1942) aufgrund zu schwacher und für großangelegte Offensivmaßnahmen noch nicht fähiger Kräfte sowie ungenügender Reserven und Überheblichkeit der Führungskräfte. Das Ziel der Operation unter Marschall Timoschenko, mit starken Panzerkräften die 6. Armee unter Paulus einzuschließen, schlug fehl. Die weit vorgestoßenen sowjetischen Truppen – sechs Armeen mit über 30 Divisionen und Brigaden – wurden nun ihrerseits in einer Zangenbewegung durch deutsche Verbände eingeschlossen und in einer Kesselschlacht vollständig aufgerieben. Verzweifelte Ausbruchsversuche schlugen fehl, mehrere hunderttausend sowjetische Soldaten wurden getötet oder gingen in Gefangenschaft. Der Kräftevorteil an der gesamten Front lag zu diesem Zeitpunkt immer noch auf Seiten der Wehrmacht, die nun auf Befehl Hitlers zwei groß angelegte Offensiven in Richtung der südlichen Ölvorkommen bei Baku, des Kaukasus und Stalingrads begann. Er verschob sich jedoch - auch aufgrund der Verlegung eines Teils der deutschen Truppen nach Nordafrika und der steigenden US-amerikanischen Materialunterstützung – weiter in Richtung der sowjetischen Streitkräfte.
1943
Nach der Einkesselung und Vernichtung der 6. Armee in Stalingrad und der folgenden Charkower Operation erlangte die Rote Armee 1943 immer mehr die Initiative und ging zu weitreichenden Angriffsoperationen über. Das Bewusstsein der eigenen Kraft und die Motivation stiegen an. Heldentaten wurden von der sowjetischen Propaganda an Front und im Hinterland ausgiebig gefeiert. Ausgezeichnete Soldaten und Offiziere erhielten auch materielle Vorteile, höhere Lebensmittelzuteilungen oder sogar Fronturlaub. Parallel stattfindende Umstrukturierungen und die steigende Qualifikation von Kommandeuren und Mannschaften, die aus Fehlern und Niederlagen lernten, sorgte für die notwendige Schlagkraft. Neu geschaffene Panzer- und Luftarmeen, sowie die steigende Mobilität durch motorisierte Verbände, erlaubten Kräftekonzentration an entscheidenden Punkten des Gefechtsfeldes, so dass die Wehrmacht immer stärker in die Defensive gedrängt wurde. Nach der letzten, von der Roten Armee gestoppten Angriffsoperation bei Kursk (Unternehmen Zitadelle, etwa 500.000 Tote auf beiden Seiten) im Sommer 1943 konnte Hitler die militärische Initiative nicht mehr an sich reißen.
Aufgrund der Strategie Hitlers („Halten um jeden Preis“) zu permanenter Verteidigung im Stellungskrieg gezwungen, konnte die Wehrmacht den angreifenden Verbänden der Roten Armee zwar hohe Verluste beibringen. An einen Sieg gegen den ständig besser und stärker werdenden Gegner war im Gegensatz zu Illusionen, die sich einige Getreue Hitlers weiterhin machten, auch ohne die spätere Eröffnung der zweiten Front im Westen, nicht mehr zu denken. Hitler hatte bereits im Dezember 1941 Gesprächsprotokollen zufolge geäußert, dass der Krieg gegen die Sowjetunion nicht mehr zu gewinnen sei und bereits vor 1943 in zunehmendem Maße Ressourcen für die Durchführung des Holocaust eingesetzt. Ab September 1943 verlegte Hitler etwa ein Drittel der in der Sowjetunion stationierten Divisionen nach Frankreich, um einem erwarteten Angriff der Westalliierten vorzubauen mit der Folge einer weiteren Ausdünnung der deutschen Truppen.
1944
Im spiegelbildlicher Verkehrung der Lage aus den Anfangstagen operierte die Rote Armee in den großen Offensiven 1944 mit der „Blitzkriegstaktik“. Konzentrierte Verbände mit hoher Panzerdichte durchstießen nach stundenlanger Artillerievorbereitung mit tausenden Geschützen die gegnerischen Linien und drängten weiträumig vorwärts. Nachfolgende Verbände kesselten überrollte Wehrmachtsverbände, Städte und Dörfer ein. Am 22. Juni 1944 begann die Rote Armee eine Offensive bei Minsk, die zur Einkesselung der Heeresgruppe Mitte führte. Die Heeresgruppe Nord wurde infolge des Vordringens nach Westen von Ostpreußen abgeschnitten und vollständig im Kurland bis zum Kriegsende im Mai 1945 eingeschlossen. Der organisierte Widerstand der stark angeschlagenen und personell wie materiell unterlegenen Wehrmacht, die zeitgleich an der Westfront gegen überlegene Kräfte operieren musste, wurde mit sicherem Hinterland und kontinuierlichem Nachschub der Roten Armee so entscheidend erschwert.
1945
Im Frühjahr 1945 stand die Rote Armee vor Berlin, in Ungarn, Österreich und der späteren Tschechoslowakei. In der letzten großen Offensive, der Berliner Operation, beginnend mit der unter hohen eigenen Verlusten geführten Schlacht bei den Seelower Höhen bis zu den letzten Straßenkämpfen in Berlin, verlor die Rote Armee noch einmal 78.291 Soldaten als gefallen, gestorben, vermisst oder gefangen und 274.184 als verwundet und krank, bevor Deutschland am 8. Mai bedingungslos kapitulierte.
Während des Zweiten Weltkriegs zog die Rote Armee 34 Millionen Männer ein, von denen nach amtlichen Erhebungen der Sowjetunion 8.668.400 gefallen, vermisst oder in Kriegsgefangenschaft gestorben waren. Schätzungen von Militärhistorikern gehen von bis zu 13 Millionen Rotarmisten aus, die ums Leben kamen. Weitere 939.700 Soldaten wurden im Laufe des Krieges als vermisst oder gefangen angemeldet, aber später „am Leben“ gefunden und wieder in die Armee eingezogen. Dazu kehrten 1.836.562 sowjetische Kriegsgefangene nach dem Ende des Krieges zurück in die Heimat. Von etwa 5,5 Millionen sowjetischen Soldaten, die in deutsche Kriegsgefangenschaft gerieten, kamen etwa 3,7 Millionen durch Hunger oder gezielte Tötung um. Von den etwa 3,5 Millionen Wehrmachtssoldaten in sowjetischer Gefangenschaft verstarben etwa 1,5 Millionen.
In die deutschen Heeresgruppen, die gegen die Rote Armee kämpften, war auch die Waffen-SS mit einer Personalstärke von etwa 900.000 Mann am Kriegsende integriert. Darunter waren auch viele Ausländer sowie freiwillige Gefangene unter dem früheren General der Roten Armee Wlassow (so genannte Wlassow-Armee). Aufgrund der Rassenideologie der Nationalsozialisten und der unterstellten Möglichkeit eines Frontwechsels kamen diese, obwohl Wlassow bereits 1942 eine Kooperation angeboten hatte, zunächst seit 1943 nur in geringem Umfang und leicht bewaffnet und erst seit September 1944 zu nennenswerten Einsätzen. Nach dem blutig errungenen Sieg über Deutschland und der Einnahme von Berlin 1945 stiegen das Prestige und der politische Einfluss der Roten Armee in der Sowjetunion immens. Stalin bemühte sich jedoch in der Folgezeit, namhafte Kommandeure, wie den erfolgreichen Marschall Schukow, von entscheidenden Machtpositionen fernzuhalten.
Die Rote Armee in Finnland
Beginnend mit einem Luftangriff auf Helsinki, befahl die Führung der Sowjetunion 1939 den Überfall auf Finnland. Finnland war offiziell wegen der Nähe zu Leningrad (heute St. Petersburg) und einem möglichen Angriff aus dem Norden als Gefahr beurteilt worden, tatsächlich aber wohl nur durch den Krieg in Europa ohne ausreichenden Schutz. Die zahlenmäßig weit unterlegene finnische Armee vermochte sich aber im so genannten Winterkrieg 1939 erfolgreich zu verteidigen. Nach einer Umorganisation der Truppen der Roten Armee wurde am 11. März 1940 die Mannerheimlinie durchbrochen, womit ein Vormarsch bis Helsinki möglich gewesen wäre. Daraufhin bat die finnische Regierung unter Risto Ryti um Friedensverhandlungen. Das durch Großbritannien und Frankreich aufgestellte Hilfskorps für Finnland kam nicht mehr zum Einsatz und wurde nach dem deutschen Überfall auf Norwegen im Raum Narvik eingesetzt. Insgesamt war der Winterkrieg ein schwer erkaufter Sieg für die Rote Armee und vielleicht neben dem Irrglauben einer rassischen Überlegenheit ein Grund für die Hitlerregierung, die Sowjetunion sehr zu unterschätzen, während in der SU dadurch zahlreiche Modernisierungs- und Aufrüstungsmaßnahmen ergriffen wurden.
Die Rote Armee in Ostasien
1939 kam es auch zu einer kurzen Auseinandersetzung zwischen Japan und der UdSSR, in der die Rote Armee als eine der ersten Armeen Panzer wie Kavallerie einsetzte und damit die japanischen Truppen einschloss und vernichtend schlug. Da Hitler zu dem Zeitpunkt nicht glaubte, dass Deutschland Russland besiegen könne, verzichtete er auf einen Beistand, was Japan dazu veranlasste, eine Friedensvereinbarung mit der Sowjetunion zu unterzeichnen, die wiederum der Sowjetunion im späteren Krieg gegen Deutschland den Rücken freihielt (zusammen mit dem von den Alliierten verhängten Ölembargo und der mangelnden Fähigkeit der Japaner, Panzer in großen Mengen zu bauen). Zum Ende des zweiten Weltkriegs brach die Sowjetunion dieses Abkommen, und die Rote Armee eroberte unter anderem die Kurilen, die seither Zankapfel zwischen Japan und Russland sind.
Die Rote Armee in Polen
Am 17. September 1939 besetzte die Rote Armee den östlichen Teil Polens. Dieses Gebiet, bis zur Curzon-Linie, war von Polen im Polnisch-Sowjetischen Krieg erobert worden. Darüberhinaus hatten Hitler und Stalin im Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt und dem Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag Polen zwischen sich aufgeteilt.
Im Sommer 1944 versuchte die polnische Heimatarmee, einen freien nationalistischen Vorkriegsstaat Polen wiederherzustellen, dessen Hauptstadt sie selbst befreien wollte und rief am 1. August 1944 in Warschau zum Aufstand gegen die deutsche Besatzung auf. Die Rote Armee hatte sich während des Aufstandes in Warschau bis an die Grenzen und Vororte der Stadt herangekämpft, war dann aber nicht in der Lage weiter vorzustoßen, da sie sich in der vorherigen Offensive (Operation Bagration) erschöpft hatte. Auf Befehl Stalins wurden keine weiteren Angriffe bis zum Eintreffen von Auffüllungen und Nachschub vorgenommen.
Die Rote Armee im Baltikum
Im geheimen Zusatzprotokoll des Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes wurden die baltischen Staaten der Interessensphäre der Sowjetunion zugeschlagen. In mehreren bilateralen Verträgen erwarb die Rote Armee Stützpunktrechte an der Ostseeküste und an anderen strategisch wichtigen Orten. Nach dem deutschen Westfeldzug 1940 und dem damit einhergehenden Zusammenbruch Frankreichs annektierte und besetzte die Sowjetunion Estland, Lettland und Litauen. In mehreren Wellen wurde ein großer Teil der dortigen Bevölkerung in sibirische und zentralasiatische Lager deportiert. Zehntausende versuchten oft, in wenig seetüchtigen Booten nach Schweden zu fliehen, wobei viele ertranken. Andere gründeten Widerstandsgruppen (Partisanen), die nach der deutschen Besetzung des Baltikums im Sommer 1941 an die Seite von Wehrmacht und Waffen-SS traten.
Die Rote Armee in Deutschland
Die historische Bewertung der Roten Armee in der Zeit des Zweiten Weltkriegs ist unterschiedlich: Einerseits kämpfte die UdSSR an der Seite der anderen Alliierten in der Anti-Hitler-Koalition und befreite viele Konzentrationslager, darunter auch das KZ Auschwitz-Birkenau. Andererseits werden ihr Gewaltexzesse vorgeworfen, die von manchen als Rache für die Verbrechen der Nazis gesehen werden. Lew Kopelew, der als Offizier der Roten Armee die Gewaltexzesse kritisierte, fand kein Gehör bei seinen Vorgesetzten und wurde deswegen zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt. Ähnlich erging es Alexander Solschenizyn.
Zeitgenössische Schilderungen berichten von Vergewaltigungen in erheblicher Zahl durch die Rote Armee. Schätzungen über die Anzahl variieren; die Bundeszentrale für Politische Bildung geht auf Basis von Franz W. Seidler/Alfred M. de Zayas Kriegsverbrechen in Europa und im Nahen Osten im 20. Jahrhundert von mindestens 2 Millionen deutschen Vergewaltigungsopfern aus. [1] Die Führung der Roten Armee versuchte, das Problem seit Juni 1945 einzudämmen, dabei reichten die Strafen von Arrest bis zur Hinrichtung. Erst durch die Einrichtung der Besatzungsregierung in Berlin konnte das Problem dort entschärft werden. Seit Mitte 1947 wurde die Rote Armee auch räumlich von der Wohnbevölkerung getrennt. Im März 1949 schließlich erließ das Präsidium des Obersten Sowjets einen Erlass, der das Strafmaß vereinheitlichte und erhöhte. Eine Vergewaltigung zog zwingend eine Strafe von 10 bis 15 Jahren im Arbeitslager nach sich, schwere Fälle eine Strafe von 10 bis 20 Jahren.
Wegen der Übergriffe der Roten Armee kam es im Mai 1945 in Demmin zur vermutlich größten Massenselbsttötung der deutschen Geschichte. Etwa um 900 Einwohner beendeten nach dem Einmarsch der russischen Armee ihr Leben.
Das Thema wurde stets auch politisch instrumentalisiert, sowohl zur Legitimation des Antikommunismus, als auch, um im Vergleich die Taten der Nationalsozialisten zu verharmlosen und zu relativieren. Noch vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs spielte die „Schändung deutscher Frauen“ eine wichtige Rolle in der Kriegspropaganda. In der DDR war es nicht möglich, das Thema in der Öffentlichkeit zu erwähnen.
Nach 1945
Die im zweiten Weltkrieg erlernten Strategien und Taktiken prägten und bestimmten bis zum Ende des kalten Krieges und der Sowjetunion die Militärdoktrin der Sowjetarmee. Starke und zahlenmäßig überlegene, vor allem mit Panzern ausgerüstete konventionelle Angriffsarmeen sollten auch im Zeitalter der nuklearen Waffenarsenale durch konzentrierte Vorstöße den Krieg auf dem Territorium des Gegners entscheiden. Die in der DDR befindliche Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland verfügte zu diesem Zweck über mehrere schlagkräftige Armeen, die für die gegenüberstehenden NATO-Verbände den potentiellen Gegner stellten.
Der schleichende wirtschaftliche und soziale Verfall der Sowjetunion, der bereits in den sechziger Jahren begann, machte auch vor den grundsätzlich aus Wehrpflichtigen bestehenden Streitkräften der Sowjetarmee nicht halt. Die Technik wurde schlecht gewartet, die Mannschaften und Offiziere, vor allem der Verbände im Hinterland, waren schlecht ausgebildet. Teilweise mussten durch Soldaten selbst Lebensmittel, z. B. Kartoffeln, angebaut werden, um die Versorgung der Truppen zu verbessern. Ganze Truppenteile wurden in die sozialistische Wirtschaft abkommandiert, um Engpässe, z. B. in der Kohleförderung oder beim Einbringen der Ernte, zu beseitigen.
Der Afghanistan-Krieg, in dem sich die Sowjetarmee in unwegsamen Gelände mit hartnäckigen und jahrelangen Partisanen-Taktiken konfrontiert sah, sorgte für einen weiteren moralischen Verfall, sowie starke materielle und personelle Abnutzungserscheinungen bei der aus unzureichend ausgebildeten und schlecht motivierten Wehrpflichtigen bestehenden Truppe. Obwohl die Sowjets nahezu jedes größere Gefecht gegen den nationalen und islamistischen Widerstand der ausländischen Kämpfer gewann, wurde sie 1988 aus Afghanistan durch die politische Führung aus dem verwüsteten Land, das in der Folge in einem jahrelangen und blutigen Bürgerkrieg versank, abgezogen.
Nach dem Ende der Sowjetunion, insbesondere im ersten Tschetschenienkrieg Russlands wurde das Desaster und der komplette Niedergang der nach dem Ende des zweiten Weltkrieges mächtigsten konventionellen Streitkraft auch in der breiten Öffentlichkeit deutlich. Die nationalistischen Freischärler brachten auch starken Truppenteilen, insbesondere in der ersten Schlacht um die Hauptstadt Grosny, in der die russischen Streitkräfte schlecht ausgebildet und schlecht geführt mit völlig verfehlter Taktik operierten, empfindliche Niederlagen bei, die letztendlich in einem vorübergehenden Rückzug gipfelten.
Nach der Ära Jelzin haben die aus großen Teilen der Sowjetarmee formierten russischen Streitkräfte einen hohen Stellenwert für die politische Führung Russlands, die damit ihre weiterhin vorhandenen Ansprüche einer internationalen Großmacht legitimieren will. Es wird versucht, durch Reformen und einen höheren Militäretat eine Renaissance einzuleiten. Vielfach wird die einstmalige - wenn auch entscheidend durch jahrelange Propaganda und Indoktrination vermittelte - Größe und der Ruhm der roten Armee beschworen. Der Niedergang konnte bislang jedoch nur in Teilbereichen aufgehalten werden. Unglücke und ihre Bewältigung, wie der tragische Untergang des Atom-U-Bootes Kursk und der Verfall der ausgemusterten Atom-U-Boot-Flotte in Murmansk und anderen Standorten, sind nur Sinnbild für die tiefe Krise der russischen Streitkräfte.
Siehe auch
Literatur
- Leo Trotzki: Mein Leben. Versuch einer Autobiographie. Deutsche Ausgabe: Fischer, Frankfurt am Main 1990 ISBN 3-596-26627-0 - Trotzki war zuerst Kommissar für äußere Angelegenheiten (Außenminister), dann Kriegskommissar (Kriegsminister) der UdSSR und hat die Rote Armee mit aufgebaut. Das Buch ist online unter [2]
- Carey Schofield: Die Rote Armee: ein Koloss enttarnt sich, Zürich, 1991 ISBN 3-7263-6629-6
- Basil Henry Liddell Hart (Hg.): Die Rote Armee, Bonn, 1956
- Gardier Michel : Histoire de l’armée soviétique, Plon, 1959
- Vigor P.H. :La théorie soviétique du « Blizkrieg » , Anthropos, 1985
- Schofield Carey : Les secrets de l’armée rouge, Berlin, 1991
- Ilko-Sascha Kowalczuk und Stefan Wolle: Roter Stern über Deutschland. Ch. Links Verlag, Berlin 2001 ISBN 3-86153-246-8
- Lutwak Edward :La stratégie de l’impérialisme soviétique, Lutwak Edward, Anthropos, 1985
- Sapir Jacques :Le système militaire soviétique, Sapir Jacques, La découverte, 1988
- Helke Sander und Barbara Johr (Hrsg.): Befreier und Befreite. Krieg, Vergewaltigungen, Kinder. Kunstmann, München 1992. (als Taschenbuch: Fischer, Frankfurt am Main 1995 ISBN 3-596-12644-4)
- Franz W. Seidler/Alfred M. de Zayas, Kriegsverbrechen in Europa und im Nahen Osten im 20. Jahrhundert, Hamburg-Berlin-Bonn 2002, S. 122. ISBN 3813207021