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Wut (Fernsehfilm)

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Vorlage:Neuigkeiten

Film
Titel Wut
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahre 2006
Länge 90 Minuten
Stab
Regie Züli Aladağ
Drehbuch Max Eipp
Produktion Christian Granderath
Musik Johannes Kobilke
Kamera Wojciech Szepel
Schnitt Andreas Wodratschke,
Dora Vajda
Besetzung

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Wut (dt. Alternativtitel: Can) ist ein deutscher Fernsehfilm (2005) des Regisseurs Züli Aladağ.

Er verursachte unmittelbar vor Erstaustrahlung im September 2006 eine Kontroverse über Gewalt in den Medien. Der vom Westdeutschen Rundfunk als Beitrag zur Integration gedachte Film sollte ursprünglich am 27. September 2006 zur Hauptsendezeit mit anschließender Diskussionssendung im Ersten gezeigt werden, wurde jedoch kurzfristig auf den 29. September in das Spätprogramm verschoben. Diese Programmänderung wurde allgemein kritisiert.

Handlung

Das Filmdrama spielt in Berlin und erzählt die Eskalation eines Konflikts zwischen einer Familie des Bildungsbürgertums mit einem türkischstämmigen Jugendlichen.

Daneben thematisiert der Film das Scheitern der Kommunikation innerhalb der deutschen und der deutsch-türkischen Familie.

Der angehende Literaturprofessor Simon Laub und seine Mutter Christa, Immobilienmaklerin, ermöglichen ihrem Sohn Felix ein Leben in Wohlstand und Bildung, doch Felix hat Probleme mit seinem türkischstämmigen Mitschüler Can. Dieser ist ein Kind türkischer Einwanderer und weniger gut gestellt und behütet. Aus Neid und Missgunst bestiehlt und drangsaliert er seinen deutschen Mitschüler. Doch erst als Cans "Gang" Felix seine neuen Markenturnschuhe „abzieht“ und der Junge barfuß nach Hause kommt, erfährt Felix' Vater von diesen Vorgängen.

Gegen Felix' Willen versucht dieser zunächst, Can mit friedfertigen Mitteln dazu zu bewegen, seinen Sohn in Ruhe zu lassen. Als wenige Vermittlungsversuche erfolglos bleiben, erweist sich die verständnisvolle Liberalität des Literaturprofessors jedoch als nur vordergründig.

Zunächst nur allmählich, aber mit aller Konsequenz setzt sich eine Rache- und Gewaltspirale in Gang, die schließlich auch Vater Laub, der durch die auf der anderen Seite immer bedrohlicher werdenden Attacken Cans immer mehr die Skrupel verliert, selbst zu drastischeren Maßnahmen zu greifen (die unter Anderem zur Verstoßung Cans durch den eigenen Vater führen), zu Gewalttätigkeit gegen den aggressiven Jugendlichen hinreißt.

Informationen zum Film

Gedreht wurde der Film Wut im Herbst 2005 in Berlin.

Oktay Özdemir spielt den Jugendlichen Can, der Professorensohn Felix Laub wird von Robert Höller dargestellt. August Zirner und Corinna Harfouch sind in den Rollen seiner Eltern zu sehen.

Der Produktionsfirma Colonia Media, die Wut für den WDR produzierte, stand entgegen des späten Sendetermins ein größeres Budget zur Verfügung, weil die Produktion ursprünglich für die Primetime angesetzt war.

Das Drehbuch von Max Eipp galt schon vor seiner Verfilmung als äußerst heikler Stoff und wurde deshalb von Fernsehverantwortlichen mehrfach abgelehnt. Der ursprüngliche Schreibanlass war ein eigenes Erlebnis des Autors aus dem Bereich Jugendgewalt, welches er im Drehbuch dramatisch zuspitzt.

Bei Wut handelt es sich um einen bereits vor der Ausstrahlung von der Kritik hoch gelobten Film. So nannte z. B. Peter Luley von der Süddeutschen Zeitung Wut „den mit Abstand beste[n] Fernsehfilm der Saison“. [1] Selbst die Katholische Nachrichtenagentur konstatierte, dass der als „hartes TV-Drama“ (TV Hören + Sehen) angekündigte Film „zu den herausragenden Fernsehereignissen des Jahres“ gezählt werden müsse.[2]

Kontroverse

Während das WDR-Presseheft zu Wut den Film in eine Reihe mit Meilensteinen der Fernsehgeschichte wie Das Millionenspiel oder Smog stellte, übten Jugendschützer wegen harter Gewaltszenen und gewalttätiger Sprache Kritik an der Produktion, die vorab innerhalb des Medienforums NRW zu sehen war.

WDR-Intendant Fritz Pleitgen gab schließlich die Verschiebung durch einen Beschluss der Intendanten der ARD bekannt, dem er als Vertreter des WDR nicht zugestimmt hatte: „Man glaubt, dass dieser Film zu gewalttätig sei und nicht um 20.15 Uhr ausgestrahlt werden sollte – in einer Zeit, wo noch viele Jugendliche an den Fernsehschirmen sitzen könnten.“ Pleitgen jedoch hätte der ARD „ein bisschen mehr Courage zugetraut“. Der Film sei ein Film für Jugendliche und zeige die Realität, wie Jugendliche sie heutzutage erleben – nicht, wie ältere Erwachsene sie gern hätten.[3]

Andere Stimmen - auch zahlreiche Zuschauerstimmen in Internetforen - vermuten, die Gewaltdarstellungen seien gar nicht der Hauptgrund für die Verschiebung, sondern dass der Film mit seinem Titelhelden Can einen kriminellen Migrantenjugendlichen und sein Milieu realistisch darstelle und daher von gewissen Kreisen als ausländerfeindlich oder rassistisch eingestuft werden könnte. Drehbuchautor Max Eipp wurde dagegen in verschiedenen Printmedien zitert, dass das im Film Dargestellte "nicht repräsentativ" zu verstehen sei.[4]

Es gibt Opfer und Täter in allen Ethnien, auch unter Türken. Man muss das erzählen dürfen, ohne sofort die Erklärung für die Sozialisierung einer Figur mitzuliefern“ warb in diesem Zusammenhang der Regisseur Züli Aladag, selbst als Kind aus der Türkei nach Deutschland eingewandert, den Film verteidigend gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger für mehr Selbstverständlichkeit und Normalität in der Diskussion auch über negative Seiten der Migration. Man solle die Diskussion über den Umgang mit Fremdheit und damit verbundene Schwierigkeiten nicht nur den Rechten überlassen. Hierzu sei der Film ein Beitrag. Die Dinge beim Namen nennen zu können und den Unmut über bestimmte Zustände zu formulieren habe zudem laut Aladag „für eine bestimmte Schicht der Deutschen etwas sehr Befreiendes.[5]

Die deutsche Wochenzeitschrift Der Spiegel hatte dagegen zuvor die Absicht des Films „mit dem gutmenschlichen linksliberalen Köhlerglauben (zu) brechen, eigentlich seien Ausländer immer nur Opfer“ als „Spiel mit dem Feuer“ bezeichnet und damit laut WDR-Redakteur Wolf-Dietrich Brücker („stattdessen läuft jetzt Paradies in den Bergen“) den Anlass zu der Verschiebung gegeben. Der Spiegel kritisierte weiter, der Film Wut erwecke den falschen Eindruck, „die bisherige Debatte um die Integration der Ausländer (sei) von Tabus geprägt, von falscher deutscher Rücksichtsnahme.“[6] Das Nachrichtenmagazin bezeichnete den Schluss des Films, der den Zuschauer auf dem Höhepunkt der Eskalation der Ereignisse unvermittelt mit dem Problem allein lässt ohne eine Lösung anzubieten, als „fahrlässig“. Andere Blätter dagegen wie das Hamburger Abendblatt lobten, dass der Zuschauer gerade aufgrund so eines Endes „kaum umhinkann, sich zu positionieren und mit der eigenen Haltung auseinanderzusetzen - was eine tabufreie Diskussion über Migrationsprobleme und vorgetäuschte Liberalität mit sich bringen könnte.“ [7]

Die beiden Springer-Blätter Die Welt und die Bild-Zeitung hielten noch weitere Beweggründe für die Verschiebung von Wut für möglich, nämlich die Angst der ARD vor islamistischem Terror. Damit sahen sie die Entscheidung im Zusammenhang mit den Ausschreitungen nach einem Vortrag von Papst Benedikt XVI, in welchem er eine islamkritische Äußerung zitiert, sowie der annähernd zeitgleichen Absetzung einer Inszenierung der Mozart-Oper Idomeneo, in der abgetrennte Köpfe von Religionsstiftern - darunter Mohammed - gezeigt werden. So malte z.B. der Publizist Hajo Schumacher in der Welt ein überspitztes Szenario aus: Was wäre, wenn islamistische Hysterisierungsprofis den WDR zum Ziel erklären würden: Dänemark, Regensburg, Köln? Würden in Syrien Pleitgen-Puppen an Galgen baumeln, in Indonesien die Hauszeitschrift "WDR print" abgefackelt?[8] Da sich der Film des türkischstämmigen Regisseurs Aladag jedoch weder religiös, noch islamkritisch gibt und die Verschiebungsentscheidung der ARD ihm zudem vielmehr eine weiter verstärkte Aufmerksamkeit beschert hat, als dass die Filmthematik an sich dadurch entschärft worden wäre und dennoch eine Nichtaustrahlung nie zur Debatte stand, muss man derartige Spekulationen einem unseriösen Meinungsjournalismus zuordnen.

Am Tag vor dem ursprünglichen Sendetermin stellte der ARD-Vorsitzende Thomas Gruber in München noch einmal offiziell klar, dass allein die Bindung der ARD an den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sowie an weitere ARD-Richtlinien und Kriterien zum Jugendschutz der Grund für die Verschiebung war: "Das und nur das ist der Grund, weshalb die vom WDR eingebrachte Produktion Wut nicht vor 22.00 Uhr im Ersten gezeigt werden kann".[9]

Ungeachtet dieser Erklärung berichteten tags darauf deutsche Medien, dass Politiker aus SPD wie CDU die Verschiebung als "Selbstzensur" verurteilen: Während Johannes Kahrs gegenüber der Bild den späteren Sendeplatz als "indiskutabel" bezeichnete - man könne "als Demokratie nicht dauernd irgendwelchen Radikalen nachgeben und [...] Werte [...] einfach aufgeben", sah Bernd Neumann auch im Zusammenhang mit der Absetzung von Idomeneo "die demokratische Kultur in Gefahr".[2] Mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber setzte sich neben anderen schließlich auch ein CSU-Mitglied öffentlich für den Film des türkischstämmigen Einwanderers Aladag ein und bezeichnete dessen Verschiebung als "fatales Signal. (...) Die Wahrheit (habe) Anspruch darauf, ohne Wenn und Aber gezeigt zu werden."[10]

Fritz Pleitgen hatte unlängst mit dem Verschwinden von Film und Diskussion im späten Abendprogramm die Sendungen um ihre mögliche Wirkung auf die Gesellschaft beraubt gesehen: „Um Mitternacht eine gesellschaftlich wichtige Diskussion zu führen, ist natürlich eine vertane Chance.“[11]

Diskussion

Sandra Maischberger leitete mit Asli Sevindim die begleitende Diskussion

Eine Live-Diskussion, die mit Sandra Maischberger und Asli Sevindim von einer deutsch- und einer türkischstämmigen Journalistin geleitet werden sollte und im direkten Anschluss an die Filmsendung unter dem Titel „Tatort Schulweg: Hilflos gegen Jugendgewalt?“ geplant war, kam nicht zustande. Durch die Verschiebung des Filmes auf den späteren Sendetermin am Freitag hätte sie erst gegen 23.30 Uhr beginnen können. Stattdessen wurde eine aufgezeichnete Sendung gezeigt. Das eigentliche Thema des Films Jugendgewalt kam dabei gleichermaßen aus der Sicht von Politikern, Experten und Betroffenen zur Sprache. Die Dauer der Sendung war auf 45 Minuten angesetzt.

Die Presseinladung zur Aufzeichnung der Diskussionsendung, die am ursprünglich vorgesehenen frühen Termin am Mittwoch im Zusammenhang mit einer Filmvorführung von Wut vor einem teils jugendlichen Publikum stattfand, nannte ausdrücklich neben dem in Programmzeitschriften ausgedruckten Thema „Jugendgewalt“ auch Probleme der Integration ausländischer Jugendlicher in die deutsche Gesellschaft als eines der zentralen Themen, wie auch die verbreitete Wahrnehmung auf deutscher Seite, dass „jugendliche Migranten besonders häufig an solchen Gewalttaten beteiligt zu sein scheinen“.[12]

Das Publikum bestand vorwiegend aus Lehrern, Eltern und vor allem Schülern verschiedener Schulen aus Mönchengladbach, aber auch Lehrern und Schülern der GHS Alfred-Teves-Schule im niedersächsischen Gifhorn. Gäste waren darüber hinaus der Regisseur des Films Züli Aladag, sowie der Hauptdarsteller Oktay Özdemir. Als Diskutanten waren Uwe Schünemann, Innenminister von Niedersachsen, Armin Laschet, Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen, der Jugend-Kriminologe Christian Pfeiffer und ein türkischstämmiger Leiter eines Kölner Jugendtreffs geladen.

Die Diskussion endete mit deutlicher Kritik des Hauptdarstellers Özdemir an Armin Laschet, Integrationsminister NRW: Dieser sei viel zu selbstgefällig und würde die wahre Situation nicht verstehen (Darauf gab es von den anwesenden Jugendlichen großen Beifall). Die Situation sei viel negativer und dramatischer, worauf der Hauptdarsteller, als Veranschaulichung für die Konsequenzen des Nicht-Handelns (für die Verelendung) und Dramatik, das 'kaputtgehen' der Jugendlichen (Teile seines Umfelds) durch Drogenkonsum beschrieb. Deweiteren würden die Pädagogen nicht dem wirklichen Wesen der Situation gerecht werden, und könnten deshalb nicht wirklich helfen "Sie (die Pädagogen) haben kein Herz".

Wirkung

Ob und in wieweit der Fernsehfilm Wut Einfluss auf Kultur und Gesellschaft in Deutschland haben wird ist heute noch nicht abzusehen. Das Fernsehkabarett hatte das Filmdrama zumindest noch vor seiner Sendung als Gegenstand der Satire entdeckt: so entschuldigte Harald Schmidt am 27. September 2006 den aufgrund der Programmänderungen im Zusammenhang mit der Nichtaustrahlung früheren Beginn seiner Sendung Harald Schmidt in seinem Eröffungsgag mit „Gründen des Jugendschutzes“.

Immerhin war Wut zu seiner Sendezeit am Freitagabend schließlich Marktführer: der Film erreichte 2,67 Millionen Zuschauer; damit lag der Marktanteil bei 12,5 Prozent. Selbst die anschließende Diskussionsendung verfolgten bis über Mitternacht hinaus noch 1,27 Millionen Zuschauer (10,8 Prozent Marktanteil).


Quellen

  1. Peter Luley: „ARD verlegt Thriller. "Wut" aus dem Migrantenmilieu“, Süddeutsche Zeitung, 27. September 2006
  2. a b „Warum dürfen wir heute diesen Film nicht sehen?“, Bild-Zeitung, 26. September 2006
  3. „Cosmo TV am 23.9.2006, 14.00-15.00 Uhr mit Schwerpunkt Jugendgewalt“, WDR-Pressestelle, 23. September 2006
  4. „«Wut»-Regisseur Aladag verteidigt seinen Film“, Schwabmünchner Allgemeine, 25. September 2006
  5. Michael Aust: „Wie tolerant bist du?“, Kölner Stadt-Anzeiger, 26. September 2006, Interview mit dem Regisseur Züli Aladag
  6. „Integration: Türkischer Teufel“, Der Spiegel, Nr. 38, 18. September 2006 (zahlungspflichtig)
  7. Maike Schiller: „Viel Wut, wenig Mut“, Hamburger Abendblatt, 26. September 2006
  8. Hajo Schumacher: „Fernsehen: Wut über die Verschiebung des Filmes "Wut" “, Die Welt, 27. September 2006
  9. „Umstrittene Entscheidung. Gewalttätige Türken: ARD-Film "Wut" wird verschoben“, Rheinische Post, 27. September 2006
  10. „«Wut»-Verschiebung für Stoiber falsches Signal“, Netzzeitung, 28. September 2006
  11. „Fritz Pleitgen: „Ich bin zornig“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24. September 2006
  12. „Presseeinladung zur Aufzeichnung der Diskussionssendung "Tatort Schulweg - Hilflos gegen Jugendgewalt“, WDR-Pressestelle, 25. September 2006

Siehe auch