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Ayurveda

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Ayurveda (Sanskrit, m., आयुर्वेद āyurveda, dt.: Wissen vom Leben; auch in der Schreibweise Ayurweda) ist die Bezeichnung für eine traditionelle indische Heilkunst. Wörtlich übersetzt bedeutet Ayurveda Lebensweisheit. Es stammt aus dem indischen Sanskrit und setzt sich aus den Wörtern Ayur (Leben) und Veda (Wissen) zusammen. Man kann es auch als Lebenswissenschaft übersetzen.

Grundlagen

Ayurveda ist eine Kombination aus empirischer Naturlehre und Philosophie, die sich auf die für menschliche Gesundheit notwendigen physischen, mentalen, emotionalen und spirituellen Aspekte konzentriert, die wichtig für die Gesundheit bzw. Krankheit sind. Dadurch hat Ayurveda einen ganzheitlichen Anspruch, da der ganze Mensch mit einbezogen wird. In der Typologie spricht man von unterschiedlichen Temperamenten oder Lebensenergien, den so genannten Doshas:

  • Vata (Wind, Luft, Pneuma)
  • Pitta (Feuer und Wasser, Chole)
  • Kapha (Erde und Wasser, Phlegma)

Diese kommen nach ayurvedischer Vorstellung in jedem Organismus vor. Dabei dominieren meist ein oder zwei Doshas, seltener alle drei. In einem gesunden Organismus sollten sich diese "Energien" oder "Temperamente" in einem harmonischen Gleichgewicht befinden. Es ist für den Arzt wichtig zu wissen, welche Doshas bei einem Menschen vorherrschen, weil jeder Typ andere Medikamente und Behandlungen benötigt.
Das Ziel der ayurvedischen Heilkunst ist die Vermeidung von ernsthaften Erkrankungen, indem man versucht, den Auslöser der Erkrankung zu verstehen und ungesunde Angewohnheiten abstellt. Dazu gibt es eine Reihe von Behandlungen, die vor allem dem Körper dabei helfen sollen, "sich selbst zu helfen". Bekannt sind etwa die diversen Ölmassagen und das Panchakarma, ein aus 5 Teilen bestehendes Entschlackungs- und Reinigungsprogramm ("Panch", ist Hindi für 5).

Ernährungslehre

Zur ayurvedischen Heilkunde gehört auch eine spezielle Ernährungslehre, bei der ebenfalls die Doshas eine wichtige Rolle spielen. Es gibt daher für jeden Konstitutionstyp andere Ernährungsempfehlungen. Allgemeine Empfehlungen, die für alle gelten, sind:

  • nur bei Hunger essen
  • keine Zwischenmahlzeiten
  • die Hauptmahlzeit mittags einnehmen
  • nie in unruhiger Gemütsverfassung essen
  • mindestens drei Stunden Pause zwischen den Mahlzeiten
  • sich nicht völlig satt essen
  • frische Lebensmittel essen
  • Wasser (auch erwärmtes) und Kräutertee trinken
  • alle sechs Geschmacksrichtungen sollen in jeder Mahlzeit enthalten sein

Nahrung wird im Ayurveda als Information für die Doshas angesehen. Im Idealfall werden diese Informationen in Ojas umgewandelt, eine immaterielle feinstoffliche Substanz, die auch bei positiven Erlebnissen entsteht, so die Lehre. Ojas stärkt danach die Abwehrkräfte des Körpers und verbindet Körper und Geist. Voraussetzung für die Bildung von Ojas ist jedoch ein gutes "Verdauungsfeuer" (Agni). Dieses wird unter anderem beeinflusst durch die Qualität der Nahrungsmittel. Agni-Störungen äußern sich als Blähungen, Völlegefühl, Sodbrennen oder Heißhunger. Eine schlechte Verdauung erzeugt Ama, was man mit "Rückstände" übersetzen kann, die sich angeblich im Körper ansammeln. Dadurch werde der Stoffwechsel beeinträchtigt. Aber auch auf der seelischen Ebene könnten durch "unverdaute" Ereignisse und Probleme Ama entstehen.

Eine ausgewogene Ernährung im Sinne von Ayurveda wird als sattvisch bezeichnet. Empfohlen werden generell gekochte Milch, Reis, Ghee, Sesam, Obst und Süßspeisen. Möglichst vermieden werden sollen Fleisch, Fisch, Eier, Käse, Konserven, Tiefkühlkost sowie fette Speisen. Die ayurvedische Ernährung ist also vorwiegend vegetarisch. Alkohol, Kaffee, Getränke mit Kohlensäure und Kakao werden abgelehnt.

Darüber hinaus gibt es spezielle Empfehlungen für die einzelnen Dosha-Typen:

  • Vata-Menschen neigen angeblich zu Verdauungsstörungen und sollen daher gekochte und leicht verdauliche Kost bevorzugen. Die Mahlzeiten sollten warm sein und etwas Fett enthalten. Die empfohlenen Geschmacksrichtungen sind salzig, sauer und süß.
  • Pitta-Menschen haben laut Ayurveda ein starkes "Verdauungsfeuer"; sie können kalte und warme Speisen zu sich nehmen, von mittelschwerer Konsistenz. Ihre Geschmacksrichtungen sind bitter, süß und herb.
  • Kapha-Typen sollten nur mäßig gegarte warme Speisen essen, viel frisches Obst und Gemüse. Die Geschmacksrichtungen sind scharf, bitter und herb.
  • Für Kinder wird die Ernährung der Kapha-Menschen empfohlen.

(Quelle: Claus Leitzmann u. a., Alternative Ernährungsformen, Stuttgart 1999)

Geschichte

Das Alter des medizinischen Systems der Ayurveda ist unbekannt, man schätzt es heutzutage auf mindestens 3000 bis 5000 Jahre. Als Begründer des Ayurveda wird in einigen Schriften (wie dem Srimad Bhagavata Purana) die mythische Figur Dhanvantari angesehen.

Anzeichen auf ein medizinisches Wissen findet man schon in der Steinzeit. 2001 machte Professor Andrea Cucina, von der Universität von Missouri-Columbia die Entdeckung, dass die alten Inder von Mehrgarh (im heutigen Pakistan) schon im Zeitraum zwischen 9000 und 8000 v. Chr. zahnärztliche Kenntnisse besessen haben. Es wurden Zähne gefunden, in die kleine Löcher (mit etwa 2,5 mm Durchmesser) gebohrt waren, die wahrscheinlich mit Pflanzen oder anderen Substanzen aufgefüllt wurden.

Die Samhitas (Hymnen) des Rig Veda erwähnen die Verwendung von Heilkräutern. Innerhalb der mythologischen Erzählungen von Wunderheilungen durch die Asvins, ein Zwillingspaar von Göttern, die der Legende nach Blinde sehend und Lahme gehend machten (I.112.08, I.112.16), kann eine Stelle (I.116.15) als Hinweis auf die Verwendung von Beinprothesen ausgelegt werden. Von einigen Leuten wird I.34.06 als früher Hinweis auf das Konzept der so genannten drei Doshas verstanden. Der Atharva Veda enthält demgegenüber eine große Anzahl von Zauberformeln (Bhaishagykni) zur Bekämpfung von Krankheiten mit magischen Mitteln, entweder durch Beschwörung der Götter, von Amuletten oder bestimmter Heilpflanzen. Als Ursache der Krankheit wird dabei die Bestrafung durch einen Gott, der Angriff durch einen Dämon oder die Verzauberung durch einen Feind verstanden.

Bereits im 6. Jh. v. Chr. beschrieben die indischen Ärzte die menschliche Anatomie (Sehnen, Nervengeflecht, Muskeln, etc) sehr genau und hatten ein gutes Verständnis der menschlichen Verdauung und des Blutkreislaufs. In Sri Lanka gab es in 427 v. Chr. die ersten Spitäler. Der buddhistische König Ashoka ließ im 3. Jh. v. Chr. im zweiten Felsenedikt schreiben, dass Spitäler für Menschen und für Tiere errichtet wurden und dass hierfür Heilpflanzen importiert und angebaut wurden.

Im ältesten erhaltenen medizinischen Werk, der Charaka Samhita (siehe unten), werden Krankheiten vor allem auf die Sünden (doshas) des Menschen zurückgeführt; der Begriff Dosha erfährt später bei den Ayurveda-Anhängern eine Umdeutung.

Plato hatte eine ähnliche Theorie wie die ayurvedische Theorie der Tridosha, in Platos System beruht die Gesundheit auf einem harmonischen Gleichgewicht zwischen den drei Elementen Pneuma (Wind oder Vata), Chole ("Galle", Feuer oder Pitta) und Phlegma (Wasser oder Kapha). Wie der französische Indologe Jean Filliozat schrieb, ist diese Theorie möglicherweise vedischen Ursprungs, da diese Doshas und besonders die Beziehung zwischen Galle und Feuer schon in der vedischen Literatur bekannt waren. Außerdem, so sagt er, gibt es mehrere direkte Referenzen in der hippokratischen Sammlung, die darauf hindeuten, dass einige indische Arzneien und medizinische Rezepte in Griechenland übernommen wurden.

Werke

Traditionelle ayurvedische Literatur:

Die Charaka Samhita und die Sushruta Samhita bilden zusammen mit der Vagbhata Samhita das Kernstück der traditionellen Literatur und sind Standardwerke in der Ausbildung der ayurvedischen Ärzte (vaidyas). Es sind Sammelwerke (Samhita), die Materialien aus unterschiedlichen Epochen beinhalten. Diese Werke werden auch brihat trayi genannt, was die großen Drei heißt. Sie sind benannt nach Namen von drei der berühmtesten Ärzte aus dem Hindustal (damals noch Indien, Bangladesch, Pakistan, Teile Afghanistans und Sri Lanka) und werden der klassischen Periode zugeordnet, die ca. von 500 v. Chr. bis 1000 n. Chr. dauerte. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es neben den Großen Drei auch noch die Kleinen Drei gibt, welche allerdings in einer viel späteren Zeit geschrieben worden sind (12.–16. Jahrhundert n. Chr.). Dies sind: Madhava Nidan, Sharangdhara Samhita und Bhava Prakasha.

  • Susruta Samhita

Dieses Buch stammt vermutlich aus 350 n. Chr. und geht auf den Mediziner Susruta zurück, der wahrscheinlich im frühen 6. Jh. v. Chr. lebte. Susruta beschrieb viele Operationen und 121 Operationsinstrumente. Unter den Operationen, die er beschrieben hat, sind Star, Bruch, Steinschnitt, Kaiserschnitt etc. Instrumente die er beschrieb sind u. a. Sonden, Zangen, Lanzetten, und Katheter. Er übertrug auch Haut von anderen Körperstellen auf ein beschädigtes Ohr und entwickelte die Nasenplastik.

Susruta Samhita wurde vor dem Ende des 8. Jh. ins Arabische übersetzt. Ins Lateinische wurde es von Hassler und ins Deutsche von Ullers übersetzt.

  • Charaka Samhita

Der Autor dieses Buches war Caraka, der nach Angaben aus einer chinesischen Übersetzung der Tripitaka wahrscheinlich im 2. Jh. n. Chr. lebte. Es soll auf einem noch älteren Buch, dem Agnivesha Samhita mit 46.000 Versen, basieren, das aber nicht mehr existiert.

Die Werke Carakas und Susrutas wurden noch vor dem 8. Jh. ins Arabische übersetzt. Der Name Charakas tritt auch in vielen lateinischen Übersetzungen von arabischen Medizinbüchern auf.

  • Ashtanga Hrdayam und Ashtanga Sangraha von Vagbhata (625 n. Chr.)

Weitere wichtige Werke sind:

  • Sharngadhara Samhita von Sharngadhara

Dieses Buch soll im 15. Jh. n. Chr. geschrieben worden sein. Es enthält viele pharmazeutische Rezepte und behandelt auch die Diagnose mittels Pulsmessung.

  • Bhava Prakasha

Dieses Buch stammt aus dem 16. Jh. n. Chr. und enthält 10.268 Verse.

  • Madhava Nidanam

Dieses Buch soll aus dem 7. Jh. n. Chr. stammen.

Kontroversen

  • Schwermetalle, besonders Blei, verunreinigen nicht selten Medikamente traditioneller indischer Medizinrichtungen; über Vergiftungen durch ayurvedische Medikamente gibt es medizinische Berichte. Offenbar kontrollieren einige Hersteller in Indien die unter Verwendung von Pflanzenaschen gewonnenen Präparate nicht ausreichend auf Schwermetallbelastungen (Lit.: Ernst, 2002). In einem dargestellten Fall wurden sieben Monate lang Weihrauchpillen aus Indien gegen chronische Polyarthritis eingenommen und führten zum Bild einer schweren Blei-Intoxikation mit Verdauungsstörungen, hämolytischer Anämie und Lähmungen bei einem Bleigehalt des Blutes von 852 mg/l, der obere Grenzwert ist 100 mg/l (Lit.: Schilling, 2004).
    In Sri Lanka dagegen unterliegen die Präparate strengsten Kontrollen. Ebenso wie viele indische Produkte, denn größere Importeure achten aufgrund der möglichen Verunreinigungen besonders auf die Produktqualität und lassen sie nach internationalen Standards (z. B. ISO 9001) kontrollieren [1].
  • In der Schweiz sind ayurvedische Medikamente nur über wenige Apotheken (in Bern und Zürich) erhältlich und unterliegen dort strengsten Kontrollen.
  • Die häufig gebuchte Kombination aus Ayurveda-Kur und Strandurlaub ist bei zuviel Sonne problematisch. Schon eine leichte Rötung der Haut kann hier körpereigene Reserven zur Wiederherstellung binden. Als besonders problematisch sind dabei die Höhenlagen in Sri Lanka anzusehen, da hier die UV-Strahlung ungefiltert vorhanden ist. Da manche Leiden zur Therapie Salzwasser und Seeklima benötigen, erweist sich die Monsunzeit (Juni bis September) als besonders geeignete Kurzeit.

Ausbildung zum Arzt bzw. Therapeuten

In den meisten Ländern der Welt ist der Begriff Ayurveda oder eine Berufsbezeichnung in Verbindung mit dem Namen Ayurveda ungeschützt, sodass jeder Mensch ohne besondere Auflagen entsprechende Anwendungen anbieten darf. In Deutschland stehen einige Gesundheitsämter allerdings der Verwendung des Begriffs Therapeut (oder Therapie) sehr kritisch gegenüber. Selbst wenn nachweislich ayurvedisch geschulte Fachkräfte ihn als öffentliche Werbung (z. B. als Reklametafel an der Praxis o. Ä.) nutzen wollen oder aber in irgendeiner Form auch nur den vagen Eindruck erwecken könnten, Gebrechen oder Krankheiten heilen zu können, kann es leicht zu Abmahnverfahren kommen.

In Indien und Sri Lanka müssen Ayurveda-Ärzte, ebenso wie Schulmediziner, sechs Jahre lang studiert haben, um dann ein Staatsexamen in ayurvedischer Heilkunst abzulegen. Es ist ein eigener, vollständiger Studiengang und wird an rund 40 indischen und ebensovielen srilankischen Universitäten gelehrt. Nach weiteren drei Jahren Praxis darf man sich dann dort Doctor of Ayurveda nennen. Allein in Indien erhalten pro Jahr rund 4.000 Mediziner ihre Ayurveda-Approbation.

Auch in Deutschland gibt es inzwischen einige Ayurveda-Institute, die eine gute Ayurveda-Ausbildung nach indischen Standards bewerben, welche letztlich aber nicht nachzuprüfen ist. Eine gewisse Gefahr besteht in dem Verlust von Authentizität, da das vermittelte Wissen meist auf westliche Lebensbedingungen übertragen wird.

Seit Ayurveda im Zuge der Wellness-Welle zu einem Modetrend geworden ist, gibt es vor allem im Westen viele nur unzulänglich ausgebildete Personen, die im Ayurveda keine Berufung sehen, sondern lediglich eine Möglichkeit, schnell Geld zu verdienen. So ist es nicht ungewöhnlich, dass manche Leute einen Wochenend-Crash-Kurs belegen, um sich anschließend Ayurveda-Therapeut bzw. -Therapeutin zu nennen. Sie bieten dann fast ausschließlich ayurvedische Wellness-Massagen an und ihr sich meist auf einige wenige Behandlungsformen beschränktes Repertoire mag gegebenenfalls ein erstes Indiz für eine relativ begrenzte Ausbildung sein.

Siehe auch

Literatur

  • Hans Heinrich Rhyner: Das Neue Ayurveda Praxis Handbuch – Gesund leben, sanft heilen, 5. völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Urania Verlag, Neuhausen 2004. ISBN 3-03819-049-7
  • Dr. Thomas Hoffmann: AyurVeda Ritam – Gesundheit aus erster Hand Julia White Publishing 2003 ISBN 3-934402-11-9
  • Hans H. Rhyner/Kerstin Rosenberg: Das große Ayurveda-Ernährungsbuch – Gesund leben und genussvoll essen, Urania Verlag, Neuhausen 2004 (2. Aufl.). ISBN 3-908652-16-2
  • Hans-Heinrich Rhyner, Birgit Frohn: Heilpflanzen im Ayurveda AT-Verlag 2006 ISBN 3-03800-279-8
  • Nicky Sitaram Sabnis: Das große Ayurveda-Kochbuch AT-Verlag 2004 ISBN 3-85502-986-5
  • Kerstin Rosenberg: Das Ayurveda-Praxisbuch für Frauen – Gesund, schön und sinnlich AT-Verlag 2005 ISBN 3-85502-976-8
  • Erika Diehl, Edith Ch. Kiel: Klassische Ayurveda-Massage – Das große Handbuch. Mit einem Vorwort von Hans H. Rhyner, Urania Verlag, Neuhausen 2005. ISBN 3-03819-039-X

Quellenangaben

  1. http://www.dradio.de/dlf/sendungen/verbrauchertipp/371071/