Koalition (Politik)
Eine Koalition (vom lateinischen coalitio „Vereinigung, Zusammenschluss, Zusammenkunft“) ist ein Zusammenschluss von Staaten, Organisationen, politischen Parteien oder Personen zur Durchsetzung bestimmter Ziele, vergleichbar einem Bündnis.
Recht
Im Arbeitsrecht werden Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände auf der Grundlage der Koalitionsfreiheit als "sozialpolitische Koalitionen" bezeichnet. Die Koalitionsfreiheit ist als Recht zur Bildung von Vereinen und Gesellschaften im Grundgesetz verankert. Für Gewerkschaften und Parteien, also für Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist dieses Recht für jedermann und für alle Berufe unabdingbar gewährleistet; das Recht kann daher nicht durch Abreden außer Kraft gesetzt werden. Dieses Grundrecht ist ein Sonderfall des allgemeinen Grundrechts der Vereinigungsfreiheit (Artikel 9 Abs. 3 GG).
Politik
Parteien koalieren miteinander, um eine stabile Regierung zu bilden. Dies ist nötig, weil - besonders in politischen Systemen mit Verhältniswahlrecht - eine Partei alleine nur selten über die dafür nötige Absolute Mehrheit an Mandaten im Parlament verfügt. Hat keine der Parteien die Absolute Mehrheit erreicht, folgen die s.g. Sondierungsgespräche, in denen zunächst inhaltliche Aspekte für eine gemeinsame Koalition ausgelotet werden. Die aktivere Rolle liegt hierbei vor allem bei der Partei mit der höchsten Anzahl an Mandaten, da diese im Allgemeinen die zentrale Rolle in einer Koalition übernimmt und im Normalfall auch den entsprechenden Regierungschef (auf Bundesebene Kanzler) stellt.
Durch den Abschluss eines Koalitionsvertrages zwischen zwei oder mehreren Parteien wird die mittel- bis langfristige Zusammenarbeit einer Koalitionsregierung während der nächsten Legislaturperiode geregelt. Der Koalitionsvertrag gibt gewöhnlich einen Überblick über die Gesetzesvorhaben der aus der Koalition hervorgehenden Regierung. Verschiedene mögliche Formen sind dabei in Deutschland die Große Koalition (Schwarz-Rot), Rot-Grüne Koalition, Schwarz-Gelbe Koalition, Sozialliberale Koalition (Rot-Gelb), Ampelkoalition (Rot-Gelb-Grün), Rot-Rote Koalition oder Schwarz-Grüne Koalition. Nach der Bundestagswahl 2005 wurde der Begriff Jamaika-Koalition, auch „Schwampel“ (schwarze Ampel) genannt, in die Diskussion eingeführt. Nach der Landtagswahl 2006 in Mecklenburg-Vorpommern kam der Begriff der Spanienkoalition auf.
Die Koalitionstheorie unterscheidet verschiedene Koalitionstypen, zum Beispiel die minimale Gewinnkoalition (minimal winning coalition), die Koalition der knappsten Mehrheit (smallest size coalition), die Übergroße Koalition oder die minimale verbundene Gewinnkoalition (minimal connected winning coalition). Einige Theorien der Koalitionsbildung sind - ohne Rücksicht auf politische Inhalte - rein ämterorientiert (politik-blind) wie z.B. das Konzept der minimalen Gewinnkoalition. Andere Theorien berücksichtigen auch Distanzen politischer Ideologien, etwa das Konzept der minimalen verbundenen Gewinnkoalition.
Die positive Funktion von Koalitionen
Die Bildung von politischen Bündnissen in Form von Wählervereinigungen oder politischen Parteien wurde von Theoretikern der Demokratie häufig negativ bewertet. Man befürchtete, dass organisierte Interessengruppen sich der Regierung und des Staates bemächtigten und dass anstelle des Gemeinwohls partikulare Interessen verfolgt würden. (So z. B. Rousseau und James Madison.)
Noch heute wirken diese Theorien nach. So findet man z. B. im deutschen Grundgesetz erstaunlich wenig über die Rolle der politischen Parteien, während in der Praxis die Parteien die entscheidenden politischen Akteure sind.
Wahl- und Abstimmungsbündnisse sind jedoch unter normativem Gesichtspunkt unentbehrlich in einer Demokratie, weil sie dem zentralen Schwachpunkt des Mehrheitsprinzips entgegenwirken, der immer dann auftaucht, wenn eine schwach betroffene Mehrheit eine in ihren Interessen elementar betroffene Minderheit überstimmt.
Dies ist nun nicht nur ein Problem von Randgruppen sondern ein Problem, das praktisch jeden Wähler betrifft. Ob man Beamte, Industriearbeiter, Rentner, Bauern oder Studenten nimmt, ob man Katholiken, Protestanten oder Konfessionslose nimmt: immer hat man es mit Minderheiten im Verhältnis zur gesamten Wählerschaft zu tun. Diese Minderheiten könnten ihre spezifischen Interessen nicht durchsetzen, wenn über die einzelnen Punkte in Form isolierter Einzelabstimmungen mehrheitlich entschieden würde.
Durch Wahlbündnisse untereinander können die Minderheitsgruppen jedoch erreichen, dass auch ihre elementaren Interessen eine Mehrheit bekommen. Wenn die zentralen Anliegen der verschiedenen Gruppen nicht direkt im Konflikt stehen, können sich mehrere Minderheiten zu einer Mehrheit zusammentun und beschließen: "Wir stimmen für Eure zentralen Anliegen, wenn ihr für unser zentrales Anliegen stimmt." (Diesen Aspekt hat vor allem Robert Dahl in seinen demokratietheoretischen Arbeiten betont.)
Wahlbündnisse führen dazu, dass sich Mehrheiten nicht über isolierte Einzelpunkte bilden sondern über ganze "Pakete" von Entscheidungen. Bei den Verhandlungen über solche gemeinsam durchzusetzende Programme spielt für die Beteiligten nicht nur eine Rolle, dass eine Alternative x einer Alternative y von ihnen vorgezogen wird (die bloße Präferenz), sondern auch, wie stark x gegenüber y vorgezogen wird (die Präferenzintensität). Anders ausgedrückt: bei den Verhandlungen über eine Koalition spielt die Größe der subjektiven Wertdifferenzen zwischen den Alternativen eine große Rolle. Es macht einen Unterschied, ob Zugeständnisse bei Nebenfragen oder bei "essentials" gemacht werden.
Die Bündelung der einzelnen Probleme und Entscheidungen in Form von Parteiprogrammen und Koalitionsvereinbarungen hat allerdings zur Voraussetzung, dass sich die Beteiligten auch an die Absprachen halten und entsprechend abstimmen. Hier liegt die Rechtfertigung für die viel geschmähte Fraktions- und Koalitionsdisziplin, die den Abgeordneten auferlegt wird. Sie verhindert, dass die Pakete wieder aufgeschnürt werden, und so die elementar Betroffenen von kaum betroffenen Mehrheiten überstimmt werden.
Im Arbeitsrecht haben Koalitionen eine lange Geschichte. Schon im Mittelalter standen den Zünften (Interessenvertreter der Handwerkmeister) die Zusammenschlüsse der Gesellen - die Gesellenschaften - gegenüber. [Koalitionen und Koalitionsrecht in Deutschland bis zur Reichsgewerbeordnung
Wolfgang Ritscher. Hrsg. und eingel. von R. Schröder
Nachdruck der Ausg. Stuttgart, Berlin, Cotta, 1917
Frankfurt am Main in Hauptwerke des Arbeitsrechts und der Sozialpolitik
ISBN 3-8051-0111-2]
Wirtschaft
Die Koalitionen-Theorie von Cyert/March sieht Koalitionen als Zweckbündnisse in Organisationen auf Zeit. Nach diesem Verständnis der Bounded Rationality setzen sich Organisationen (Unternehmen) aus verschiedenen Koalitionen zusammen, die sich immer wieder neu bilden bzw. umstrukturieren. Diese Koalitionen verfolgen in aller Regel unterschiedliche Interessen und kämpfen innerhalb der Organisationen aus Eigeninteresse gegeneinander. Durch diese Theorie wird deutlich, dass innerhalb eines Unternehmens nicht nur Unternehmensziele verfolgt werden, sondern auch individuelle Interessen wirksam werden. Dieser Kampf führt oft zu kollektiv suboptimalen Ergebnissen (z.B. in Form von nicht sachdienlichen Kompromissen) Am durchsetzungsstärksten ist die sogenannte Dominant coalition. Vergleiche hierzu auch die Thesen der Mikropolitik.
Wissenschaft
Koalitionen und Koalitionsbildung sind Forschungsgegenstände der Politikwissenschaften, der Soziologie und der Mathematik (Spieltheorie).
Weblinks
- Koalitionsvereinbarungen - "Aktueller Begriff" der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages