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Waleri Abissalowitsch Gergijew

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Waleri Gergijew (2010)

Waleri Abissalowitsch Gergijew (russisch Валерий Абисалович Гергиев, wiss. Transliteration Valerij Abisalovič Gergiev, ossetisch Гергиты Абисалы фырт Валери Gergity Abisaly fyrt Waleri; * 2. Mai 1953 in Moskau, Sowjetunion) ist ein sowjetischer und russischer Dirigent und Intendant. Er stammt aus einer ossetischen Familie aus der Nordossetischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik, der heutigen Kaukasus-Republik Nordossetien-Alanien. Seit 2015 ist er Chefdirigent der Münchner Philharmoniker.[1]

Leben

Gergijew wuchs im Kaukasus auf und erhielt erste Klavierstunden in Ordschonikidse. Als begabter Jugendlicher absolvierte er bei Ilja Mussin ein Dirigenten-Studium am Rimski-Korsakow-Konservatorium in Leningrad. Er gewann als Student des Konservatoriums 1977 den Herbert-von-Karajan-Dirigentenwettbewerb in Berlin.

Gergijew im Moskauer Konzertsaal Sarjadje (2018)

Seit 1977 arbeitete er als Dirigent am Kirow-Theater in Leningrad. Von 1981 bis 1985 war er Leiter des Armenischen Staatsorchesters und wurde 1988 Künstlerischer Leiter der Kirow-Oper. Seit 1996 ist er Intendant des seit der politischen Wende wieder in Mariinski-Theater rückbenannten Theaters.

Unter seiner Intendanz entstanden Kontakte zu den führenden Opernhäusern der Welt, und das Mariinski-Theater wurde zu einem der renommiertesten Vertreter der russischen Kultur. Gergijews Arbeit konzentriert sich vor allem auf die Werbung für russische Opern im Ausland. Seine internationalen Erfolge begannen 1989 beim Schleswig-Holstein Musik Festival und mit dem Rotterdamer Philharmonischen Orchester, dessen Chefdirigent er 1995 wurde. Seit 1997 dirigiert er regelmäßig an der Metropolitan Opera in New York. Zu seinen vielen Aktivitäten gehört die Gründung verschiedener Festivals in Finnland, Rotterdam und St. Petersburg.

Mit dem Ensemble des Mariinski-Theaters gastierte er bei großen Festivals, wie 2004 bei den Salzburger Festspielen oder ab 2003 im Festspielhaus Baden-Baden, wo er Richard Wagners Der Ring des Nibelungen aufführte. Im Oktober 2008 gastierte er mit dem Mariinski-Ensemble im Konzerthaus Dortmund, unter anderen mit einer konzertanten Aufführung der Oper Turandot von Puccini. Von 2007 bis 2015 war Gergijew Chefdirigent des London Symphony Orchestra.

Im Herbst 2013 gründete Gergijew zusammen mit der Musikwissenschaftlerin Tatjana Rexroth die Russisch-Deutsche Musikakademie, die den Austausch zwischen Nachwuchstalenten beider Länder intensivieren soll.[2] Am 10. und 11. Juli 2014 fand unter seiner Leitung der erste Auftritt der Akademie mit jungen Musikern des Mariinski-Theaters St. Petersburg, der Universität der Künste Berlin und der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin in St. Petersburg statt.[3]

Durch seine Tätigkeit hat Gergijew nicht nur russische Opern einem internationalen Publikum näher gebracht, sondern auch Protagonisten seines Theaters wie die Sopranistin Anna Netrebko, mit der er 2006 auf der Bühne des Mariinski-Theaters ihre CD The Russian Album einspielte.

Im Januar 2013 designierte der Münchner Stadtrat Gergijew zum Nachfolger des im Juli 2014 verstorbenen Lorin Maazel als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker. Gergijews Amtsantritt war am 17. September 2015.[4] Am 25. Juli 2019 hatte er sein Bayreuther Debüt in der Neuinszenierung des Tannhäusers durch Tobias Kratzer.[5]

Politische Tätigkeit

Waleri Gergijew in Zchinwali (2008)

Im militärischen Kaukasuskrieg zwischen Russland und Georgien ergriff Gergijew Partei für Russland. Als die russische Armee die international nicht anerkannte Republik Südossetien besetzte, spielte[6] Gergijew, der selbst Ossete ist, am 21. August 2008 in den Ruinen der südossetischen Hauptstadt Zchinwali Schostakowitschs Leningrader Symphonie, die im Herbst 1941 im belagerten Leningrad komponiert wurde. „Wir sind hier, damit die Welt die Wahrheit erfährt. Wir sind verpflichtet, jener zu gedenken, die durch die georgische Aggression eines tragischen Todes gestorben sind“, sagte Gergijew anlässlich dieses Gedenkkonzertes.[7]

Im Jahr 2012 erschien im russischen Fernsehen Gergijews Werbeclip für die Wiederwahl Wladimir Putins am 4. März 2012. Über seinen „Freund“ Putin sagte Gergijew in einem 3sat-Interview: „Das Wort ‚Demokrat‘ ist heute weit gefasst. Wenn Sie Putin mit Jelzin vergleichen, ist er ein wirklicher Demokrat […] Ein anderer Freund von mir, Michail Gorbatschow […] wollte zu schnell zu viele Veränderungen wie die komplette Freiheit.“[8]

Am 11. März 2014 unterzeichnete Gergijew den offenen Brief[9] von russischen Kulturschaffenden, in dem die Annexion der Krim unterstützt wird.[10] In dem Brief werden die „gemeinsame Geschichte“ und „die gemeinsamen Wurzeln, unserer Kultur und ihrer geistigen Ursprünge, unserer Grundwerte“ und „Sprache“ als verbindendes Element beider Staaten hervorgehoben und der Wunsch nach einer „stabilen Zukunft“ ausgesprochen. Die Unterzeichner des Briefes wurden von russischen und ukrainischen Künstlern stark kritisiert. Das Kultusministerium der Ukraine erstellte daraufhin eine „schwarze Liste“, auf der die Künstler genannt sind, die durch die Unterstützung von Putins Position als Gefahr für die „nationale Sicherheit“ der Ukraine eingestuft werden.[11] Gergijew wurde auch in Deutschland für seine Unterschrift heftig kritisiert, und seine vertraglich bereits bestehende Position als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker schien gefährdet.[12][13] Gergijew reagierte auf die Kritik mit einem offenen Brief.[14]

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter forderte Gergijew am 25. Februar 2022 auf, sich bis zum 28. Februar eindeutig vom russischen Überfall auf die Ukraine zu distanzieren, ansonsten drohe die Kündigung.[15] Auch das Festspielhaus Baden-Baden forderte Gergijew zu einer klaren Stellungnahme gegen den Krieg auf.[15] Am 25. Februar kündigte das Rotterdam Philharmonic Orchestra an, die vereinbarten Konzerte mit Gergijew zu streichen. Außerdem wurde das Gergiev Festival in Rotterdam im September abgesagt.[16] Am 27. Februar 2022 verkündete sein bisheriger Manager Marcus Felsner, Gergijew nicht mehr zu vertreten. Einen Tag später entschieden die Verantwortlichen des Lucerne Festivals, die beiden Konzerte am 21. und 22. August 2022, welche Gergijew dirigiert hätte, abzusagen.[17] Gergijew trat als Musikdirektor des Verbier Festival Orchesters zurück, nachdem er vom Verbier Festival dazu aufgefordert wurde.[18]

Filme

  • Valery Gergiev. Macher und Magier. Deutschland/3sat 2015, 40 min. Buch und Regie: Reinhold Jaretzky. Produktion: Zauberbergfilm Berlin

Preise und Auszeichnungen

Chart­plat­zie­rungen
Erklärung der Daten
Alben[19]
Liszt – My Piano Hero (mit Lang Lang & der Wiener Philharmoniker)
 AT2302.09.2011(5 Wo.)
Sommernachtskonzert 2018 (mit Anna Netrebko & der Wiener Philharmoniker)
 AT329.06.2018(4 Wo.)
Sommernachtskonzert 2020 (mit Jonas Kaufmann & der Wiener Philharmoniker)
 AT1323.10.2020(1 Wo.)
Silver Age (mit Daniil Trifonov & Mariinsky Orchestra)
 DE8713.11.2020(1 Wo.)
Commons: Waleri Abissalowitsch Gergijew – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Waleri Gergijew gibt Einstand bei Münchner Philharmonikern. In: Welt Online. 16. September 2015; abgerufen am 16. September 2015.
  2. Stardirigent Gergijew begeistert mit Mariinskij-Ensemble in Berlin. Russia Beyond the Headlines, 31. Oktober 2014, abgerufen am 4. November 2014.
  3. Russisch-Deutsche Musikakademie. Gazprom, abgerufen am 4. November 2014.
  4. Georg Etscheit: Rastlos: Waleri Gergijew in München. In: Mittelbayerische Zeitung. 15. Mai 2015, abgerufen am 8. Juli 2015.
  5. Tannhäuser 2019. Bayreuther Festspiele, abgerufen am 28. Juli 2019.
  6. Kriegsmusik. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 22. August 2008, abgerufen am 23. Januar 2013.
  7. Knut Mellenthin: Südosseten und Abchasen demonstrieren für ihre Unabhängigkeit. In: Junge Welt. 23. August 2008, abgerufen am 23. Januar 2013.
  8. Hannah Friedrich: Künstler für Putin. Stardirigent Gergijew unterstützt Putins Wiederwahl. 3sat, 2. März 2012, abgerufen am 23. Januar 2013.
  9. afp/BaM: Auch Stars wie Valery Gergiev schwören Putin Treue. In: Welt Online. 12. März 2014, abgerufen am 28. September 2015.
  10. Christine Lemke-Matwey: Dirigent Valery Gergiev. Putins Liebling. In: Die Zeit. Nr. 20/2014.
  11. Ukraine erklärt 14 russische Künstler zu Gefahr für Sicherheit. In: Süddeutsche Zeitung. 8. August 2015, abgerufen am 3. August 2020.
  12. Markus Thiel: Pro-Putin Brief: Philharmoniker-Dirigent in Kritik. In: Münchner Merkur. 23. Juli 2015, abgerufen am 28. September 2015.
  13. Falscher Strahlemax. In: Die Zeit. Nr. 1/2014.
  14. Manuel Brug: Der Chef schreibt einen Brief. In: Welt Online. 20. Mai 2014, abgerufen am 28. September 2015.
  15. a b Moritz M. Steinbacher: Münchens OB Reiter droht Chefdirigent Gergiev mit Kündigung. In: Webseite des Bayerischen Rundfunks. 25. Februar 2022, abgerufen am 26. Februar 2022.
  16. https://www.ndr.de/kultur/elbphilharmonie/Ultimatum-fuer-russischen-Dirigenten-Gergiev-laeuft-heute-ab,gergiev108.html
  17. Valery Gergiev — Lucerne Festival lädt Star-Dirigenten aus — wegen Putin-Nähe In: srf.ch. 28. Februar 2022, abgerufen am 28. Februar 2022.
  18. Verbier Festival Orchester: Gergiev tritt zurück. In: Musik-Heute.de, 28. Februar 2022.
  19. Chartquellen: DE AT
  20. Королева Нидерландов подарила Гергиеву Орден Нидерландского льва. Abgerufen am 12. Juni 2020.
  21. Валерий Гергиев удостоен ордена Восходящего солнца. Abgerufen am 12. Juni 2020.
  22. Президент Болгарии наградил Гергиева орденом Святых Кирилла и Мефодия. Abgerufen am 12. Juni 2020.