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Katz & Goldt

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Katz & Goldt ist ein 1996 vom Zeichner Stephan Katz (* 1970) und vom Schriftsteller Max Goldt (* 1958) gegründetes Comicduo. Ihre Comics erscheinen regelmäßig im Satiremagazin Titanic und auf ihrer Website. Dort bieten sie unter dem Label Rumpfkluft bedruckte Kleidung an.

Geschichte und Arbeitsweise

Katz, der unter anderem für das Magazin Luke & Trooke zeichnete, hatte Goldts Texte bereits ohne dessen Wissen für Comics verwendet.[1] Im Dezember 1994 schickte er Goldt einen Brief mit Zeichnungen zu dessen Texten. Die ersten gemeinsamen Arbeiten schickten sie einander per Post zwischen ihren Wohnorten Bielefeld und Hamburg. Persönlich lernten sie sich bei einer Ausstellung in Hamburg im Januar 1996 kennen.[2] Die ersten Comics erschienen in Bielefelder Stadtmagazinen und der Lokalausgabe der taz. Katz zog 1997 nach Berlin, Goldt lebt dort ebenfalls. Ab Ende der 1990er Jahre erschienen die Comics unter dem Namen „Katz + Goldt“ im Satiremagazin Titanic; später auch unter dem Namen „Katz und Goldt“ in den Magazinen Eulenspiegel[3] und Zitty, für die Katz auch Titelbilder gestaltete.[4][5] Im Jahr 2000 programmierte Katz die Website www.katzundgoldt.de, die unter anderem Animationen einzelner Bilder enthält. Vier Jahre lang erschienen die Comics wöchentlich im Zeitmagazin Leben. Weitere Arbeiten erschienen u. a. im Intro Magazin bis zu dessen Einstellung.[6]

Für die Doppelseiten, die in der Titanic erscheinen, schreibt Goldt ein dramatisches Skript, zu dem Katz anschließend Zeichnungen entwirft. Die beiden lesen sich die nach mehreren Durchgängen fertigen Blätter gegenseitig in verteilten Rollen zur Kontrolle vor.[7]

Inhalt und Stil

Schauplätze und Figuren

Oft werden Szenen des Alltags in Wohnzimmern, Schlafzimmern und Stätten der Gastronomie dargestellt. Protagonisten sind regelmäßig schwule Paare. Wiederkehrende Figuren sind unter anderem Sitzi & Flitzi („der eine behäbig, der andere agil“)[8] sowie Gustl, „das gutmütig-naive, aber auch geschwätzige Kerlchen“ (Gustl und der Motorsport, Gustl und der Computerspezialist, Gustl als Schwangerschaftsvertretung).[9][10]

Reale Personen

Selten werden reale Personen dargestellt, etwa die Politiker Cem Özdemir und Claudia Roth in Die Emanzipation der Unbefugten (2010)[11], Anton Hofreiter in Es muß nicht immer gleich ein Heim sein (2016)[12] oder die Künstlerin Ursula Hübner im gleichnamigen Comic Ursula Hübner (2012).[13] Der Titel des Comics Nichts ist gut in Afghanistan (2012) bezieht sich auf eine Predigt von Margot Käßmann aus dem Jahr 2009.[14] Der Comic Anruf in Köln (2015) enthält einen Dank für „Dialektberatung“ bei Ekki Maas.[15]

Katz & Goldt als Figuren

In den frühen Comics treten Katz und Goldt selbst in Kommentaren zum Comic in Erscheinung, die sich als kleine Nebenszenen an den Rändern der Seiten abspielen.[16][17][18] Darin ist Goldt mit durchgehender Augenbraue und Katz mit eckiger Brille dargestellt. In den Comics seit den 2010er Jahren die Figuren auch Teil der Haupthandlung, etwa in „Unislamisch“ sitzend (2019),[19] Auf dem Weg zur Stiftung Lesehemd (2016),[20] Ein Experte aus unseren Reihen (2012),[21] Eisenbahn und Auto (2012)[22] oder in Mobiler Brezelverkäufer (2010), in dem der Name „M.G.“ „aus Diskretionsgründen abgekürzt“ ist.[23]

Grafische Elemente

In den frühen Comics, die teilweise schwarzweiß sind, werden häufig Schraffuren verwendet. Die neueren Comics sind überwiegend farbig. Vereinzelt werden Aquarell-[24] und Bleistifttechniken[25] verwendet. Auf der Website werden sogenannte „Risographien“ angeboten.[26] Häufig werden Penisse dargestellt.[27][28][29][30][19] Häufig enthalten die gezeichneten Comics digitale Grafiken realer Logos, etwa WMF, Kahla,[31] Tyskie,[32] Emirates,[33] Kaiser Natron[34] oder DB Mobil.[23]

Komische Verfahren

Der Humor von Katz & Goldt entsteht unter anderem aus dem Kontrast zwischen der stilistisch komplexen Sprache Goldts und dem naiven Zeichenstil von Katz. Im Laufe der Jahre wurden die Zeichnungen anspielungsreicher und selbstreferentieller. Als Vorbild für die Technik des Abschweifens[35] nennt Katz den Berliner Comiczeichner FiL.[6] Zum Stil zählt außerdem der Verzicht auf Pointen.[36] Oft werden Elemente der urbanen Alltagskultur wie Kochrezepte, modische, musikalische und gastronomische Trends sowie Namen von Unternehmen parodiert, außerdem Habitus und Soziolekt bestimmter Gruppen, etwa Anglizismen, Austriazismen, Jugendsprache, umgangssprachliche Wendungen und nachlässige Aussprache mit Elisionen,[37] gereimte Gedichte („Reimerei“),[38][37] Bestecksprache,[39] Jargon aus Feuilleton und Geisteswissenschaften sowie geschlechtergerechte Sprache.

Ein häufiges Verfahren ist die Entstehung einer Bildidee aus einem Kalauer, einem Malapropismus oder einer Verballhornung. So basiert der Comic Die Schlacht von Wosiegrad (2006) auf der Ähnlichkeit der umgangssprachlichen Formulierung „wo Sie grad’“ und Stalingrad,[40] die Bezeichnung „Hamsestadt“ im Comic Hamburg (2016) auf der Ähnlichkeit der Formulierung „hamse“ („haben sie“) und Hanse.[41] Der Comic Der Titel der Bildfolge steht im Denkbläschen des Piloten (2008) stellt dar, wie aus dem Wort „Onanierburg“ (von einem Verleser des Ortsschilds „Oranienburg“) eine Bildidee mit aus den Schießscharten einer Burg ragenden Penissen wird und die Autoren die Idee diskutieren.[29] Der Comic Die Servuslenkung (2016) basiert auf dem Wort „Servolenkung“ und dem Gruß „Servus“.[42]

Rezeption

Daniel Kehlmann

Der Schriftsteller Daniel Kehlmann bezeichnete die Arbeiten von Katz & Goldt in seiner Laudatio bei der Verleihung des Kleist-Preises 2008 an Goldt als zentralen Teil von dessen Werk: „Und hätte er nichts geschaffen als sie, der Preis stände ihm immer noch zu. Goldts Zugriff adelt auch hier das scheinbar Unseriöse, und aus der Energie populärer Formen gewinnt seine Kunst eine Kraft und Originalität, wie sie aus den Seminarräumen der Universitäten nie hätte kommen können.“[43] Ein Comic mit dem Titel Der Comic zum Millionenseller thematisiert Kehlmanns Buch Die Vermessung der Welt (2005) als Bestseller, der häufig verschenkt, aber selten gelesen wird. Kehlmann veröffentlichte ihn auf seiner Website.[44]

Im literarischen Werk von Max Goldt

Goldt thematisiert die Arbeit des Comicduos in verschiedenen Texten. In einer Titanic-Kolumne aus dem Jahr 2001 bezeichnet er das Wort „Comicduo“ als „das einzige nicht an den Haaren herbeigezogene Wort, in dem die Buchstabenfolge CDU vorkommt.“[45] Im 2015 erschienenen Band Räusper versammelt er 30 dramatische Skripts, die auf Comics von Katz & Goldt beruhen. Im Vorwort erklärt er ein neu eingeführtes typografisches Zeichen. Text, der den Figuren durch den Kopf, aber nicht über die Lippen geht, wird satztechnisch mit einem von Typografen Martin Z. Schröder eigens für das Buch entwickelten Zeichen dargestellt, das den Inhalt einer Denkblase ankündigt. Das Zeichen besteht aus drei größer werdenden Kreisen (mit Verkettungszeichen dargestellt: „∘⚬○“). Im Dramensatz gebe es bisher kein Zeichen zur Markierung gedachter Passagen.[46][47] Der Titel Räusper ist laut Goldt ein „Erikativ“, ein von der Donald-Duck-Übersetzerin Erika Fuchs populär gemachter Inflektiv des Verbs „räuspern“.[48]

Bücher

Die Schreibweise des Duonamens „Katz & Goldt“ variiert. Nachdem die Bücher zunächst mit „Katz“ und „Max Goldt“ betitelt waren, trugen sie anschließend den Namen „Katz und Goldt“ oder „Katz & Goldt“. Während bei den Büchern seit Ende der 2010er Jahren auf dem Buchrücken „Katz und Goldt“ abgedruckt ist, trägt die Vorderseite den Namen „Katz & Goldt“. Die folgende Liste richtet sich nach den auf den Titelbildern abgedruckten Namen.

Als Katz / Max Goldt

Als Katz und Goldt

Als Katz & Goldt

Literatur

  • Max Goldt: Der Krapfen auf dem Sims – Betrachtungen, Essays u. a. Alexander Fest Verlag 2001, ISBN 3-8286-0156-1, S. 173–175.
  • Max Goldt: „Ein Comicduo ziert sich und zieht sich zurück“ / „Die nichtgehaltene Rede“, in ders.: Wenn man einen weißen Anzug anhat. Ein Tagebuch-Buch. Rowohlt 2002, ISBN 3-498-02493-0, S. 74–76 / 92–95.
  • Max Goldt: Räusper: Comic-Skripts in Dramensatz. Rowohlt Berlin 2015, ISBN 978-3-87134-820-4.
  • Bernd Dolle-Weinkauff: Comics made in Germany: 60 Jahre Comics aus Deutschland 1947-2007 : eine Ausstellung der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt am Main und des Instituts für Jugendbuchforschung der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Harrassowitz, 2008, ISBN 978-3-447-05772-1.

Auszeichnungen

Einzelnachweise

  1. Detlef Kuhlbrodt: Gemeinschaftskitt für Kinder. In: Die Tageszeitung: taz. 4. Juli 1997, ISSN 0931-9085, S. 17 (taz.de [abgerufen am 11. März 2021]).
  2. Katz & Goldt | Der Schrank und die Schürze. Abgerufen am 10. März 2021.
  3. Eulenspiegel. Berliner Verlag., 2008, ISBN 978-3-359-01667-0 (google.de [abgerufen am 14. Juni 2021]).
  4. 2007 — Katz & Goldt, Katz & Goldt (36167D96C088D454). Abgerufen am 17. Juni 2021 (deutsch).
  5. Katz & Goldt | ZITTY Nr. 19/1998. Abgerufen am 24. Februar 2022.
  6. a b „Angela Merkel hat etwas Spezielles“. Abgerufen am 10. März 2021 (deutsch).
  7. Interview - „Lern mal Perspektive“. Abgerufen am 10. März 2021.
  8. Katz & Goldt | Sitzi & Flitzi in: Der Morgendurst. Abgerufen am 15. März 2021.
  9. Katz & Goldt | Gustl und der Computerspezialist. Abgerufen am 15. März 2021.
  10. Katz & Goldt | Gustl als Schwangerschaftsvertretung. Abgerufen am 15. März 2021.
  11. Katz & Goldt | Die Emanzipation der Unbefugten. Abgerufen am 12. Mai 2021.
  12. Katz & Goldt | Es muß nicht immer gleich ein Heim sein. Abgerufen am 2. Juli 2021.
  13. Katz & Goldt | Ursula Hübner. Abgerufen am 12. Mai 2021.
  14. Katz & Goldt | Nichts ist gut in Afghanistan. Abgerufen am 1. Juli 2021.
  15. Katz & Goldt |. Abgerufen am 17. Februar 2022.
  16. Katz & Goldt | Wraps. Abgerufen am 24. Februar 2022.
  17. Katz & Goldt | Lernen und Verlernen des Kennens. Abgerufen am 24. Februar 2022.
  18. Katz & Goldt | Ein gelungener Antrittsbesuch. Abgerufen am 24. Februar 2022.
  19. a b Katz & Goldt | „Unislamisch“ sitzend. Abgerufen am 24. Februar 2022.
  20. Katz & Goldt | Auf dem Weg zur Stiftung Lesehemd. Abgerufen am 14. Februar 2022.
  21. Katz & Goldt | Ein Experte aus unseren Reihen. Abgerufen am 16. Februar 2022.
  22. Katz & Goldt | Eisenbahn und Auto. Abgerufen am 23. Februar 2022.
  23. a b Katz & Goldt | Mobiler Brezelverkäufer. Abgerufen am 14. Februar 2022.
  24. Katz & Goldt | Espresso. Abgerufen am 24. Februar 2022.
  25. Katz & Goldt | Zündender Name für einen Pflegedienst? Abgerufen am 24. Februar 2022.
  26. Risographie "Raumsonde in Rahmsoße". Abgerufen am 24. Februar 2022 (deutsch).
  27. Katz & Goldt | Scheunenfund. Abgerufen am 23. Februar 2022.
  28. Katz & Goldt | Das schlimmste Schimpfwort. Abgerufen am 23. Februar 2022.
  29. a b Katz & Goldt | Der Titel der Bildfolge steht im Denkbläschen des Piloten. Abgerufen am 5. Mai 2021.
  30. Katz & Goldt | Wenn das Hirn außer Haus ist, tanzen die Penisse auf den Tischen. Abgerufen am 23. Februar 2022.
  31. Katz & Goldt | Die lange Nacht der Sprache. Abgerufen am 24. Februar 2022.
  32. Katz & Goldt | Warschau-Lodz-Posen. Abgerufen am 24. Februar 2022.
  33. Katz & Goldt | Ernährung am Flughafen. Abgerufen am 24. Februar 2022.
  34. Katz & Goldt | Die plötzlichen Nasen. Abgerufen am 24. Februar 2022.
  35. Lars Weisbrod: Deutsche Comics: Lesbe mit offenem Ohr. In: Die Zeit. Nr. 22/2014 (online).
  36. http://www.tagesspiegel.de/kultur/comics/der-baum-ist-koestlich-graf-zeppelin-von-katz-und-goldt-scharf-aber-menschenfreundlich/11231502.html
  37. a b Katz & Goldt | Dialektlektion bei die Toten. Abgerufen am 16. Februar 2022.
  38. Katz & Goldt | Kleine Dental-Reimerei. Abgerufen am 23. Februar 2022.
  39. Katz & Goldt | Die lange Nacht der Sprache. Abgerufen am 17. September 2021.
  40. Katz & Goldt | Die Schlacht von Wosiegrad. Abgerufen am 12. Mai 2021.
  41. Katz & Goldt | Hamburg. Abgerufen am 12. Mai 2021.
  42. Katz & Goldt | Die Servuslenkung. Abgerufen am 14. Juni 2021.
  43. Der Seitlich-Vorbei-Geher. In: sueddeutsche.de. 17. Mai 2010, abgerufen am 2. Juli 2018.
  44. Rebecca Braun: The world author in us all: conceptualising fame and agency in the global literary market. In: Celebrity Studies. Band 7, Nr. 4, 1. Oktober 2016, ISSN 1939-2397, S. 457–475, doi:10.1080/19392397.2016.1233767.
  45. Max Goldt: Wenn man einen weißen Anzug anhat: ein Tagebuch-Buch. Rowohlt, 2002, ISBN 978-3-498-02493-2, S. 75 (google.de [abgerufen am 28. August 2021]).
  46. Goldt: Räusper, S. 7 f.
  47. Leise blubbern die Denkblasen. 1. Januar 2016, abgerufen am 15. März 2021.
  48. Von Wieland Schwanebeck: Das Pfeifen des Windes im Fleischtunnel - Max Goldt adaptiert in „Räusper“ sein eigenes Comic-Archiv : literaturkritik.de. Abgerufen am 11. März 2021 (deutsch).