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Apostel

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Ein Apostel (männlich, v. griech.: απόστολος/apóstolos bzw. aramäisch: saliah = Gesandter, Sendbote) ist im Verständnis der christlichen Tradition jemand, der von Jesus Christus direkt als „Gesandter“ beauftragt worden ist. Von Aposteln berichtet wird in der Bibel, insbesondere in den Evangelien und in der Apostelgeschichte.

Biblisches Vorkommen

Apostel im engeren Sinne

In den Evangelien

In den Evangelien der Bibel wird von einer Auswahl aus den Jüngern Jesu berichtet, die auch „die zwölf Apostel" oder kurz „die Zwölf" genannt werden. Diese Zahl hat aufgrund der jüdischen Tradition der zwölf Stämme Israels eine spezielle Bedeutung. Das Lukasevangelium und Markusevangelium berichten übereinstimmend, dass Jesus die zwölf Jünger selbst erwählte und als Apostel einsetzte (Lk 6,13 und Mk 3,14).

Das Matthäusevangelium (10,2 ff) und das Markusevangelium (3,18 ff) listen von den Namen her identische Apostel auf.

Das Lukasevangelium folgt dieser Aufzählung im Wesentlichen (6,13 ff). Statt Thaddäus nennt es aber "Judas, Bruder des (jüngeren) Jakobus", und Simon (Kanaanäus) wird als Zelot, also „Eiferer“, bezeichnet.

Im Johannesevangelium existiert keine förmliche Liste der Apostel. Dort tritt zweimal ein Nathanael auf (Johannes 1,45 ff; 21,2), der in den anderen Evangelien nicht erscheint. Er wird zwar nicht Apostel genannt, in Johannes 21,2 befindet er sich nach der Auferstehung Jesu allerdings in ihrer Gesellschaft. In der gleichen Episode in der Apostelgeschichte (Apg 1,13) wird an dessen Stelle Bartholomäus aufgeführt.

Tabellarischer Vergleich der drei Apostellisten:

# Matthäusevangelium Markusevangelium Lukasevangelium Anmerkungen
1 Simon Petrus Simon Petrus Simon Petrus  
2 Andreas, „dessen Bruder" Andreas Andreas, „dessen Bruder" Bruder des Simon Petrus
3 Jakobus, der Sohn des Zebedäus Jakobus, der Sohn des Zebedäus Jakobus „Jakobus der Ältere"
4 Johannes, „dessen Bruder" Johannes, „dessen Bruder" Johannes Wie Jakobus der Ältere ein Sohn des Zebedäus. Identität mit dem Evangelisten Johannes nicht nachweisbar.
5 Philippus Philippus Philippus  
6 Bartholomäus Bartholomäus Bartholomäus „Bartholomäus" (Beiname) wahrscheinlich identisch mit „Nathanael" (Rufname) aus dem Johannesevangelium
7 Thomas Thomas Thomas „Didymos Judas Thomas"
8 Matthäus, der (ehemalige) Steuerpächter Matthäus Matthäus Identität mit dem Evangelisten Matthäus vermutet, jedoch nicht nachweisbar
9 Jakobus, der Sohn des Alphäus Jakobus, der Sohn des Alphäus Jakobus, der Sohn des Alphäus „Jakobus der Jüngere"
10 Thaddäus Thaddäus Judas, „dessen Bruder" Wie Jakobus der Jüngere ein Sohn des Alphäus. „Judas" und „Thaddäus" könnten auch verschiedene Personen sein, werden aber traditionellerweise miteinander identifiziert.
11 Simon Kananäus Simon Kananäus Simon Zelotes „Kananäer" Herkunftsname, „Zelotes" Beiname („Eiferer", Mitglied einer Unabhängigkeitsbewegung)
12 Judas Iskariot Judas Iskariot Judas Iskariot „Iskariot" Beiname „Mann aus Kariot" (wahrscheinlicher) oder „Sikarier" („Messerkämpfer", Mitglied einer Unabhängigkeitsbewegung, weniger wahrscheinlich)

In der Apostelgeschichte

Da Judas Iskariot sich nach dem Verrat an Jesus selbst tötete, wurde, kurz nach der Himmelfahrt Jesu, Matthias als einer der Zwölf nachgewählt (Apostelgeschichte 1,15 ff). Der Bericht über seine Nachwahl ist besonders interessant, weil er die Voraussetzungen nennt, die ein Mitglied der apostolischen Zwölfergruppe aufzuweisen hat:

Das muss einer von den Männern sein, die mit uns (den anderen Zwölfen) gewesen sind in all der Zeit, in der der Herr Jesus bei uns ein- und ausging, und zwar von der Taufe des Johannes an bis zu dem Tage, an dem er aufgenommen wurde. Mit uns soll er zum Zeugen seiner Auferstehung werden. (Apg 1,21-22)

Diesen Voraussetzungen entsprach die Biografie des Apostels Paulus nicht. Er hatte seine Begegnung mit Jesus Christus ja erst nach Pfingsten. Was den „geschichtlichen“ Jesus anging, war Paulus auf Informationen der anderen Apostel und Jünger sowie auf besondere Offenbarungen angewiesen. In Römer 11,13 nennt Paulus sich Apostel der Heiden und beschreibt damit seinen besonderen Dienstauftrag, den er nach seinen Aussagen bereits bei seiner Bekehrung erhalten hatte.

Apostel im weiteren Sinne

Hier geht es nicht um die auserwählten Zwölf, sondern der Begriff „Apostel“ wird im wörtlichen Sinne verwendet - Gesandter.

  • In Apostelgeschichte 14,4 und 14 werden Barnabas und Paulus als Apostel bezeichnet. Barnabas war zuvor laut Apostelgeschichte 13,1-4 zusammen mit Paulus zu dem Werk, zu dem sie der Herr berufen hatte, auserwählt worden.
  • In Römer 16,7 werden Andronikus und Junias erwähnt, die "angesehene Apostel sind" (Einheitsübersetzung). Junias wird als Kurzform für Junianus angesehen. Einige gewichtige Majuskeln bezeugen ursprünglich Junia. Die Textform Junian tritt erst ab dem 9.-12. Jhdt. auf. Dementsprechend wurden die Textzeugen B und D von Redaktoren bearbeiten und das "n" (Akkusativ) zugefügt. Junia, ohne Akkusativ, würde gramatisch auf eine Frau hinweisen. Darum gilt Junia in der feministischen Theologie als der einzige im Neuen Testament erwähnte weibliche Apostel.
  • Paulus bezeichnet Jakobus, „des Herrn Bruder“, als Apostel (Galater 1,19).
  • In Epheser 4,11 wird das Amt des Apostels zusammen mit den Ämtern der Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrern als einer der grundlegenden Dienste der Kirche bezeichnet.

Nachbiblischer Gebrauch

Das Neue Testament arbeitet nur wenige Jünger bzw. Apostel als Individuen heraus (z. B. Simon Petrus, Johannes, Judas Ischariot). Generell bleiben sie bis auf ihren Namen oder einzelne Ereignisse farblos. Allerdings sind zahlreiche Legenden über den Lebensweg dieser Apostel überliefert. So soll Thomas das Evangelium nach Indien gebracht und Jakobus der Ältere sein Grab in Santiago de Compostela (übersetzt: Heiliger Jakob vom Sternenfeld) gefunden haben.

Die drei Frauen, die am Ostermorgen auf dem Weg zum Grab zuerst die Kunde der Auferstehung erhielten, werden - allerdings außerhalb der biblischen Berichte - manchmal die Apostelinnen der Apostel genannt, weil sie als erste die Auferstehungsbotschaft den Aposteln weitermeldeten.

Das Apostelamt

In der katholischen und orthodoxen Kirche

In der katholischen und der orthodoxen Kirche gelten die Bischöfe als Nachfolger der Apostel, unterscheiden sich aber von diesen dadurch, dass sie einen festen Sitz haben. Den Titel eines Apostels haben die Bischöfe aber nie getragen.

Im 8. Jahrhundert wurde der Angelsachse Bonifatius „Apostel der Deutschen“ genannt, im 9. Jahrhundert bekamen Kyrill und Method den Titel „Slawenapostel“.

Einige Heilige, darunter auch Frauen wie Nina von Georgien, werden als „apostelgleich“ verehrt.

In protestantischen Kirchen

Einige protestantische Kirchen, insbesondere solche der Pfingstbewegung, kennen in ihren Gemeinden den Dienst des Apostels (zusammen mit den Diensten des Lehrers, Hirten, Propheten und Evangelisten) gemäß Epheser 4,11. Sie sehen dieses Amt als Funktion ohne besondere Privilegien. Im Bereich der Hauskirchen und der sog. New Apostolics (nicht zu verwechseln mit den „apostolischen Kirchen“) gewinnt der Apostel eine wesentliche Bedeutung innerhalb informeller Netzwerke, nicht jedoch innerhalb einer Hierarchie. Auch hier ist Epheser 4,11 Grundlage.

In apostolischen Kirchen

Ein sogenanntes „Apostelamt der Neuzeit“ wurde in den Katholisch-Apostolischen Gemeinden um 1832 eingerichtet. Sie beriefen sich dabei auf eine direkte Anweisung Gottes. Auch die zahlreichen Nachfolgeorganisationen dieser Gemeinden kennen meist das Apostelamt. Die Neuapostolische Kirche (NAK) als bekannteste Abspaltung bzw. Nachfolgeorganisation kennt das Amt des Stammapostels und der Apostel, das innerhalb der Kirche weitergegeben wird. Der Stammapostel ist das religiöse Oberhaupt der Apostel der NAK, er beruft die ihm unterstehenden Bezirksapostel und Apostel. Die niederländische „Apostolisch Genootschap“ und die in der Vereinigung Apostolischer Gemeinden zusammengeschlossenen Gemeinschaften, wie die deutsche Apostolische Gemeinschaft, kennen ebenfalls das Apostelamt, jedoch mit einer veränderten Bedeutung und Autorität.

In mormonischen Kirchen

In der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage existiert ebenfalls das Amt des Apostels. Es gibt immer nur 15 lebende Apostel, die die Erste Präsidentschaft und das Kollegium der Zwölf Apostel bilden. Auch andere mormonische Kirchen wie die Gemeinschaft Christi und die Kirche Christi mit der Elias-Botschaft haben Apostel.

Siehe auch

Literatur

  • Jürgen Roloff: Apostel, Apostolat, Apostolizität I. Neues Testament, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 3. de Gruyter, Berlin 1993, S. 430ff. (mit weiterer Lit.), ISBN 3-11-013898-0
  • Jörg Frey: Apostelbegriff, Apostelamt und Apostolizität. Neutestamentliche Perspektiven zur Frage nach der "Apostolizität" der Kirche, in: Das kirchliche Amt in apostolischer Nachfolge. I. Dialog der Kirchen, 12. Hrsg. v. T. Schneider, G. Wenz. Freiburg - Göttingen 2004, S. 91-188 (differenzierte, umfassende Darstellung), ISBN 3-451-28320-4, ISBN 3-525-56933-5
  • Jürgen Roloff: Apostolat - Verkündigung - Kirche. Ursprung, Inhalt und Funktion des kirchlichen Apostelamtes nach Paulus, Lukas und den Pastoralbriefen, Gütersloh 1965
  • Rudolf Schnackenburg: Apostel vor und neben Paulus, in: Schriften zum Neuen Testament. Exegese in Fortschritt und Wandel, hrsg. v. R. Schnackenburg, Kösel: München 1971, S. 338-358
  • Ferdinand Hahn: Der Apostolat im Urchristentum, in: Kerygma und Dogma 20, 1974, S. 54-77
  • John MacArthur: Zwölf ganz normale Menschen, CLV: Bielefeld 2004 (mit Kapiteln zu jedem einzelnen Apostel Jesu (online, PDF, 1,3 MB)), ISBN 3-8939-7959-X