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Alfred von Waldersee

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Waldersee-Denkmal am Rande der Eilenriede in Hannover

Alfred Heinrich Karl Ludwig Graf von Waldersee (* 8. April 1832 in Potsdam; † 5. März 1904 in Hannover) war ein deutscher Militär und Generalfeldmarschall Preußens. Er befehligte überwiegend Militäreinheiten in Hannover, hatte aber um 1900 als Oberbefehlshaber eine bedeutende Rolle bei der Niederschlagung des chinesischen Boxeraufstands inne.

Familie

Alfred von Waldersee entstammte einer alten holsteinischen Soldatenfamilie. Seit 1897 befindet sich der Familiensitz auf dem Gut Schloss Waterneverstorff im Ortsteil Waterneverstorf der Gemeinde Behrensdorf. Er war das fünfte von sechs Kindern aus der Ehe des preußischen Kavalleriegenerals Franz Heinrich von Waldersee (1791-1873) und Bertha von Hünerbein (1799-1859).

Leben

1850 wurde Waldersee nach der obligatorischen Erziehung in verschiedenen Kadettenanstalten zum Leutnant ernannt. 1852 besuchte er die Artillerie- und Ingenieursschule und 1858 wurde er Adjutant der Artillerieinspektion. Während des Deutsch-Österreichischen Kriegs war Waldersee 1866 erst Adjutant im königlich preußischen Großen Hauptquartier und dann im Stab des Generalgouverneurs von Hannover. Dann wurde er zum Generalstabsoffizier berufen. 1870 ging er als Militärattaché an die preußische Botschaft in Paris. In quasi-nachrichtendienstlicher Tätigkeit sammelte er hier Informationen über die französische Armee.

1870/71 im Deutsch-Französischen Krieg war Waldersee Flügeladjutant des preußischen Königs, dann Generalstabschef der Armee des Großherzogs von Mecklenburg. 1871 war er wieder, diesmal als diplomatischer Geschäftsträger des Deutschen Reichs, in Paris. 1873 wurde Waldersee Chef des X. Armeekorps in Hannover, 1882 Generalquartiermeister und damit Stellvertreter Helmuth Graf von Moltkes im Großen Generalstab, der ihn persönlich ausgesucht und zu seinem Nachfolger aufgebaut hat und ihm in den letzten Jahren relativ freie Hand ließ.

1874 heiratetr er Marie Esther von Waldersee, geb. Lee, verwitwete Fürstin von Noer, einer bedeutenden Protagonistin der deutschen Erweckungsbewegung.

Die 1885/86 entwickelten Strategien für einen Präventivkrieg gegen Russland und Frankreich für den Fall eines Bündnisses zwischen beiden Staaten (wie sie später Schlieffen weiterentwickelte) gerieten zunehmend in den Widerspruch zur Außenpolitik des Reichskanzlers Fürst Otto von Bismarck. 1887 forderte Waldersee dann erneut, einen Präventivkrieg gegen Russland zu überdenken, verbunden mit Annäherungen an das konservative Lager um Adolf Stoecker und Prinz Wilhelm, den späteren Kaiser. 1888, nach dem Amtsantritt Wilhelms II., wurde Waldersee Nachfolger Moltkes als Chef des Generalstabs. In dieser Position stärkte er das Militär gegenüber der Politik (Kriegsministerium und Reichsleitung) und wirkte am Sturz Bismarcks 1890 aktiv mit, ohne jedoch, wie erhofft, dessen Nachfolger zu werden.

1891 musste Waldersee nach unerwarteten Differenzen mit Kaiser Wilhelm II. seinen Posten im Generalstab räumen, da er beim Kaisermanöver gewagt hatte, den Kaiser zu schlagen und damit zu zeigen, dass der Kaiser in Wirklichkeit wenig Ahnung von militärischer Strategie besitzt. Dafür wurde Waldersee Kommandierender General des IX. Armeekorps in Altona, eines damals wichtigen Postens, da er damit auch in der Nähe von Bismarcks Ruhesitz Friedrichsruh residierte. Als Waldersees Nachfolger wurde Alfred Graf von Schlieffen Chef des Generalstabes.

1897 wurde Waldersee noch einmal politisch auffällig mit der (erfolglosen) Forderung repressiver Maßnahmen gegen die Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, von der er meinte, dass sie die größte Gefahr für das Deutsche Kaiserreich darstellen würde und forderte eine Allianz von Kirche, Bürgertum und Militär, um Deutschland zu retten. 1898 wurde er Generalinspekteur der III. Armeeinspektion in Hannover, 1900 zum Generalfeldmarschall ernannt. Nach seiner Rückkehr aus China 1901 wurde er wieder Generalinspekteur der III. Armeeinspektion in Hannover und verstarb 1904. Die letzten Lebensjahre verbrachte er hier in einer Villa in der Hohenzollernstraße am Rande der Eilenriede, die heute das Altenheim Walderseestift beherbergt. 1915 wurde gegenüber dem letzten Wohnsitz eine überdimensionale Steinplastik aufgestellt, die der Bildhauer Bernhard Hoetger schuf. Die Grabstätte befindet sich auf dem Familienfriedhof der Familie Waldersee in Stöfs bei Lütjenburg in Holstein.

Boxeraufstand

1900/01 erhielt er den Oberbefehl über die europäischen Interventionstruppen zur Niederschlagung des Boxeraufstandes im Kaiserreich China. Im deutschen Volksmund wurde er auch - teils spöttisch, teils bewundernd - „Weltmarschall“ genannt. Da bei seinem Eintreffen im September 1900 Peking bereits erobert war, übernahm Waldersee dort die Rolle des Besatzungsoffiziers, der einerseits Plünderungen stoppte und andererseits zwischen den acht Besatzungsmächten vermittelte. Allerdings unterstellten sich die amerikanischen und französischen Truppen nie seinem Befehl. Dennoch hatten alle Mächte vor ihm größte Ehrfurcht und widersetzten sich im großen und ganzen nicht seinen Anweisungen. Gegen tatsächliche oder vermeintliche verbliebene „Widerstandsnester“ der „Boxer“ unternahm er, teils blutige und umstrittene Strafexpeditionen. Belegt ist jedoch, daß nach den Stafexpiditionen die Greultaten der Boxer erheblich in diesen Provinzen zurückgingen.

Aus heutiger Sicht bei sehr vielen UN-Missionen zur Erhaltung des Friendens weltweit zur gleichen zeit, muß man diese multinationale Streitmacht als erste internationale Friedenstruppe mit weltweitem Charakter ansehen. Daß China danach beruhigt war und von einer gefestigten Regierung geführt werden konnte, ist ein Verdienst von Waldersee und des internationalen Engagements.

Historische Bewertung

Generalfeldmarschall von Waldersee war der erste bekannte und erfolgreiche „politische“ Offizier. Sein Amtsvorgänger Moltke war zwar auch ein Offizier mit politischen Ambitionen, der aber an der übermächtigen Position Bismarcks und auch Roons nicht „vorbeikommen“ konnte.

Waldersees Idee des Präventivkrieges gegen Russland vor Wiedererstarkung der französischen Militärmacht wurde nicht nur von ihm ausgearbeitet, sondern auch von Moltke gefördert, der vollständig hinter dieser Idee gestanden hat. Dieser Plan ist der Grundstein des Schlieffenplans, der die deutsche Strategie im Ersten Weltkrieg darstellte. Für sein Engagement in China wurde er international mit den höchsten Orden ausgezeichnet und als erster protestantischer Christ mit dem Pius-Orden durch den Papst ausgezeichnet.

Waldersee war die Person, die im Kaiserreich am meisten als nächster Kandidat für den Posten des Reichskanzlers gehandelt worden ist, den er jedoch nie erhalten hat. Man rätselte damals, ob er er den Posten wirklich gerne gehabt hätte. Aber alleine durch die Mutmaßungen, daß er Reichskanzler werden würde, wurden die favorisierten Kandidaten vorhar aus dem Kreuzfeuer von Presse und Parteien genommen.

Kurz vor seinem Tode fertigte er einen Aufmarschplan für die japanische Armee in Korea für den aufziehenden russisch-japanischen Krieg. Nach seinem Tode und der Beendigung des Krieges in Asien, bestätigte Generalstabschef Schliefen gegenüber dem Neffen des Generalfeldmarschalls, dass die japanische Offensive absolut identisch mit dem Plan Waldersees gewesen ist.

In der Geschichte großer deutscher Generäle wird Waldersee häufig zwischen seinem Vorgänger Moltke und seinem Nachfolger Schlieffen vergessen. Seine militärischen Gaben standen beiden in nichts nach, sein politisches Engagement war erfolgreicher als bei allen Generälen im Kaiserreich bis zum Ersten Weltkrieg hin, als Hindenburg und Ludendorff aktiv in die Politik des Kaiserreiches eingriffen.

Waldersee war in seiner Grundhaltung ein konservativer Vertreter der preussisch-wilhelminischen Epoche, der kaisertreu bis ins Mark war und gleichzeitig die Gefahr erkannte, die die Sozialdemokraten für den Erhalt des Kaiserreich darstellten.

Gleichzeitig sah er aber schon nach 1871 die Gefahr, die auf Deutschland 1914 zukam, indem man Rußland und Frankreich sich verbünden ließ, England verprellte und sich bedingungslos an die Donaumonarchie fesselte. Leider konnte er bei den Kaisern mit seinem Mentor Moltke den Schritt eines Präventivschlages nicht erreichen, der vielleicht den ersten Weltkrieg mit seinen Grauen verhindert hätte und am Ende nicht das Aus für so viele Monarchien bedeutet hätte.