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Franckesche Stiftungen

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Datei:August Hermann Francke-Anstalt.jpg
Kupferstich: Die Francke'schen Anstalten (1749)

Franckesche Stiftungen zu Halle

Die Franckeschen Stiftungen zu Halle an der Saale wurden 1698 durch den lutherischen Theologen und Pädagogen August Hermann Francke gegründet. Seine pietistisch geprägten Schulen und sozialen Initiativen erlangten weltweite Bedeutung. Seit ihrer Wiedereinsetzung im Jahr 1992 knüpfen die Franckeschen Stiftungen an ihre reichen kulturellen, wissenschaftlichen, pädagogischen und sozialen Traditionen an. Das einzigartige historische Bauensemble mit etwa 50 Gebäuden wird nach und nach saniert und mit neuem Leben erfüllt. 25 verschiedene Einrichtungen haben sich wieder auf dem Stiftungsgelände etabliert, darunter vier Schulen, das Deutsche Jugendinstitut, die Martin-Luther-Universität und die Kulturstiftung des Bundes. Die Franckeschen Stiftungen sind heute eine vielfältig profilierte Einrichtung von nationalem Rang mit zahlreichen internationalen Kooperationen. Das historische Waisenhaus mit der Kunst- und Naturalienkammer als ältestem bürgerlichen Museumsraum Deutschlands, das Francke-Kabinett sowie die historische Bibliothek mit barockem Kulissenmagazin sind für Besucher zugänglich. Der historische Gebäudekomplex, auf einem geschlossenen Areal mitten in der Stadt Halle gelegen, ist weitgehend erhalten geblieben. Die Sanierung wurde vor 15 Jahren mit großem Engagement begonnen und hat seitdem große Fortschritte gemacht. Das „Lange Haus“ im oberen Lindenhof ist die größte Fachwerkkonstruktion Europas. Es misst über 110 Meter und bis zu sechs Stockwerke. Als weltweit einzigartiges Beispiel sozialer und pädagogischer Zweckarchitektur steht der gesamte Stiftungskomplex auf der deutschen Vorschlagsliste für das UNESCO Weltkulturerbe.

Geschichte:

1692 kam August Hermann Francke als Professor für orientalische Sprachen an die neue Friedrichs-Universität in Halle und war gleichzeitig Pfarrer in Glaucha. 1698 begann er mit Spendengeldern den Bau des großen Waisenhauses. Gleichzeitig gründete er Schulen für alle sozialen Schichten. Geschickt setzte er seine Studenten als Lehrer an den Schulen des Waisenhauses ein. Als Gegenleistung erhielten sie kostenlose Verpflegung. Spenden, staatliche Vergünstigungen und Privilegien, aber auch gewinnbringende Betriebe wie Druckerei, Buchhandlung und Apotheke ließen die Stiftungen wachsen. Ab 1708 erschien dreimal wöchentlich die “Hallische Zeitung”. In abgewandelter Form hatte sie noch bis 1995 Bestand. 1710 gründete Francke mit dem preußischen Freiherrn Carl Hildebrand von Canstein die Cansteinsche Bibelanstalt. Dort wurden bis in das 20. Jahrhundert Millionen preiswerter Bibeln gedruckt. Die Stiftungen wurden Halles Tor zur Welt. Im 18. Jahrhundert wirkten pietistische Geistliche im Baltikum, in Russland, Polen, Böhmen, Slowenien, Skandinavien, England, Holland, Indien und Nordamerika. Ein weltweites Korrespondenznetz entstand.

Die Kunst- und Naturalienkammer

Die barocke Kunst- und Naturalienkammer von 1698 gilt als der älteste bürgerliche Museumsraum in Deutschland. Sie wurde von Francke zu Unterrichtszwecken angelegt und ist heute wieder nach dem originalen Museumskonzept des 18. Jahrhunderts an ihrem historischen Platz in der Mansarde des Waisenhauses aufgestellt. Die 18 Sammlungsschränke mit über 3000 Naturalien, Kuriositäten und Artefakten vermitteln einen einzigartigen Eindruck einer frühneuzeitlichen Wunderkammer. Die Wunderkammer zählt zu den am besten erhaltenen Sammlungen dieser Epoche.

Die Franckeschen Stiftungen wurden in das im Jahre 2001 erschienene Blaubuch aufgenommen. Das Blaubuch ist eine Liste national bedeutsamer Kultureinrichtungen in Ostdeutschland und umfasst zur Zeit 20 sogenannte kulturelle Leuchttürme.

Literatur

Denkmal August Hermann Franckes im Hof der Franckeschen Stiftungen

A.H. Franckes Reform- und Programmschrift des Halleschen Pietismus:

  • Francke, August Hermann (1704): August Hermann Franckes Schrift über eine Reform des Erziehungs- und Bildungswesens als Ausgangspunkt einer geistlichen und sozialen Neuordnung der Evangelischen Kirche des 18. Jahrhunderts: der Grosse Aufsatz. Mit einer quellenkundlichen Einführung. Hrsg. v. Otto Podczech. Berlin. Akademie 1962.
  • Günter Treizel: Kleiner Führer durch die Frankeschen Stiftungen zu Halle. fliegenkopf verlag, Halle 2001. ISBN 3930195402.
  • Helmut Obst / Paul Raabe: Die Franckeschen Stiftungen zu Halle (Saale). Geschichte und Gegenwart, fliegenkof verlag, Halle 2000. ISBN 3-930195-35-6.
  • Paul Raabe / Thomas J. Müller-Bahlke (Hrsg.): Das Historische Waisenhaus. Das Hauptgebäude der Franckeschen Stiftungen zu Halle, Halle 2005. ISBN 3-931479-73-0.
  • Thomas J. Müller-Bahlke: Die Wunderkammer. Die Kunst- und Naturalienkammer der Franckeschen Stiftungen zu Halle (Saale), Verlag der Franckeschen Stiftungen Halle/Saale 1998. ISBN 3-930195-39-9.
  • Peter Menck: Die Erziehung der Jugend zur Ehre Gottes und zum Nutzen des Nächsten. Die Pädagogik August Hermann Franckes, Tübingen 2001. ISBN 3-484-84007-2; ISBN 3-931479-19-6.


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