Zum Inhalt springen

Zufall

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 17. August 2004 um 23:15 Uhr durch ChristophDemmer (Diskussion | Beiträge) (Alte Bücher zum Thema Zufall). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Man spricht von Zufall, wenn ein Ereignis nicht notwendig oder nicht beabsichtigt auftritt. Umgangssprachlich bezeichnet man ein Ereignis auch als zufällig, wenn es nicht absehbar, vorhersagbar oder berechenbar ist. Zufälligkeit und Unberechenbarkeit oder Unvorhersagbarkeit sind jedoch nicht dasselbe.

Als zufällig gelten Ereignisse wie eine Augenzahl beim Würfeln oder das Ergebnis eines Münzwurfs, jedenfalls wenn eine Manipulation ausgeschlossen wurde.

Eine systematische Untersuchung des Phänomen Zufall geschieht

Was ist Zufall?

Eine Anmerkung zur Vorsicht: Schon die umgangssprachliche Formulierung wie "etwas zufällig Geschehenes hatte keine (bekannte) Ursache" impliziert eine deterministische Denkweise, denn man nimmt an, dass alles eine Ursache haben müsse. Daher wird das Wesen des Zufalls am besten im Zusammenhang mit Überlegungen zur Kausalität beleuchtet.

Zufallsprozesse in der Welt

Die Naturwissenschaften versuchen herauszufinden, ob unsere Welt im innersten deterministisch oder zufällig ist. Man will wissen, ob ein Ereignis zufällig ist, weil der Beobachter nicht genügend Daten hatte, um eine exakte Vorhersage zu machen, oder ob das beobachtete System in sich zufällig ist. Beide Arten von Systemen lassen sich mathematisch modellieren.

Die erste Art von Systemen sind solche, in denen angenommen wird, dass das Ergebnis eines Experiments bei festen Bedingungen immer gleich sein muss, und dass die auftretenden Variationen des Ergebnisses auftreten, weil der Beobachter das System nicht genau genug kontrolliert hat. Solche Systeme werden als deterministisch angesehen.

Es ist heute bekannt, dass (theoretisch exakt) deterministische Systeme unvorhersagbares Verhalten zeigen können. Solche Systeme werden in der Chaostheorie untersucht.

Die Quantenphysik hat eine neue Diskussion darüber ausgelöst, ob die Welt fundamental deterministischen oder fundamental zufälligen Prinzipien gehorcht. Die akzeptierte Interpretation der Quantentheorie sagt, dass identische Experimente unterschiedliche Ergebnisse haben können. Das beste Beispiel hierfür ist der radioaktive Zerfall. Es ist keine Möglichkeit bekannt, den Zerfallszeitpunkt eines instabilen Atomkernes vorherzusagen. Über eine große Anzahl von Atomkernen dagegen lassen sich statistische Vorhersagen treffen.

Es gibt Wissenschaftler, die Alternativen (etwa verborgene Variablen) vorschlagen, um doch noch eine deterministische Welt zu beschreiben.

Daneben gibt es die Möglichkeit, aus mikroskopischen Theorien, die zufällig erscheinen, makroskopische Theorien aufzubauen, die (quasi)deterministisch sind.

Zufall quantitativ

In der formalen Welt der Mathematik lassen sich abstrakte Strukturen definieren, die aus der menschlichen Vorstellung bzw. Erwartung von Zufall motiviert sind. Glücksspiele motivierten die ersten mathematischen Wahrscheinlichkeitstheorien und werden auch heute noch oft zu ihrer Illustration eingesetzt.

Die folgenden Begriffe sind zentral zur formalen Beschreibung des Zufalls:

(Zufalls)experiment: Die durchgeführten und/oder beobachteten Vorgänge (z.B. zweimaliges Werfen eines Würfels).
Ergebnis oder Elementar-Ereignis: Beobachtung (z.B. erster Wurf '3', zweiter Wurf '5').
Ereignis: Aus Elementarereignissen zusammengesetze Menge (das Ereignis "gerade Zahl gewürfelt" ist aus den Elementarereignissen "2,4 oder 6 gewürfelt" zusammengesetzt).
Wahrscheinlichkeit: Jedem Elementarereignis wird ein Zahlenwert zwischen 0 (tritt nie ein) und 1 (tritt immer ein) zugeordnet (z.B. Gleichverteilung: Die Wahrscheinlichkeit für jede Zahl auf dem Würfel ist gleichgroß, nämlich 1/6). Bei einem Kontinuum möglicher Ergebnisse spricht man von einer Wahrscheinlichkeitsverteilung.

Offensichtlich sind nur solche Zufallsexperimente interessant, die mehr als ein mögliches Ergebnis haben.

Die Statistik versucht, zu einem gegebenen Zufallsexperiment die zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsverteilung zu ermitteln.

Beispiel eines Zufallsexperimentes

Die Stufen eines Zufallsexperiments sind

  1. Vor dem Experiment: Mindestens 2 Ergebnisse sind möglich, es ist aber noch nichts entschieden.
  2. Das Zufallsexperiment wird durchgeführt.
  3. Aus den mindestens 2 möglichen Ergebnissen wurde eines zufällig ausgewählt.

Das einfachste Zufallsexperiment hat zwei mögliche Ergebnisse, die die gleiche Wahrscheinlichkeit besitzen.

Man kann mit einer Münze diese Art von Zufallsexperiment durchführen und selber Zufallszahlen erzeugen. Dabei ordnet man der einen Seite der Münze die Zahl 0, der anderen die Zahl 1 zu. Durch Notieren vieler Wurfergebnisse erhält man eine Folge von 0 und 1. Eine solche Folge ist das Ergebnis eines sehr einfachen Zufallsprozesses.

Die so erhaltenen Zufallsfolgen von 0 und 1 sind leicht statistisch untersuchbar. Dabei kann man Eigenschaften dieser Zufallsfolgen feststellen, die bei nicht-zufälligen Folgen (also Folgen, die deterministisch nach irgendeinem Gesetz ermittelt werden) nicht auftreten. Auf diese Weise kann man Zahlenfolgen auf echte Zufälligkeit prüfen.

Auffällige statistische Abweichungen von reinen Zufallsfolgen können zum Beispiel verwendet werden, um wissenschaftliche Fälschungen zu enttarnen, da Messungen stets auch einen zufälligen Messfehler beinhalten, während erfundene Zufallsfehler oft gerade durch den Versuch, sie möglichst zufällig erscheinen zu lassen, deutliche Abweichungen vom Zufallsergebnis enthalten.

Je länger eine Zahlenfolge ist, desto klarer kann unterschieden werden, ob es sich um eine zufällige oder nicht zufällige Folge handelt. Theoretisch kann auch ein Zufallsexperiment eine Folge von hundert Nullen hintereinander liefern, nur ist das so unwahrscheinlich, dass man in diesem Fall mit gutem Recht von einer Regelmäßigkeit ausgehen darf. Auf der anderen Seite gibt es deterministische Algorithmen, deren Ergebnisse sehr ähnlich denen eines Zufallsexperiments sind, so genannte Pseudozufallsgeneratoren. Bei guten Pseudozufallsgeneratoren braucht man eine sehr lange Zahlenreihe, um den Unterschied zum echten Zufall erkennen zu können. In der Informatik werden gelegentlich Zufallszahlen benötigt. Der Versuch, sie mit dem Computer zu berechnen, ist ein Widerspruch in sich.

Eine Folge, die die Realität abbildet, ist nicht immer rein deterministisch oder rein zufällig, sondern es liegt häufig eine Mischung aus beidem vor. Ein einfaches Beispiel wäre, wenn man z.B. stets eine Ziffer per Münzwurf bestimmt, die nächste als den Unterschied zwischen den beiden vorhergehenden Ziffern, dann wieder Münzwurf, und so fort. Durch Untersuchung solcher Folgen bekommt man ein recht gutes Verständnis für den Zufall und die Mischung von Zufälligem und Nichtzufälligem, wie es ja oft in der Realität anzutreffen ist.

Ein elementares Zufallsereignis beruht auf Gleichheit und Ungleichheit

  • Die zwei möglichen Varianten müssen gleich sein (d.h. gleichwahrscheinlich).
  • Trotzdem müssen sie irgendwie ungleich, nämlich unterscheidbar sein.

(Münze: beide Seiten müssen mit derselben Wahrscheinlichkeit auftreten können, trotzdem müssen beide Seiten verschieden geprägt (bzw. gefärbt etc.) sein, sonst könnte man sie nicht unterscheiden.)

Zufall und Gerechtigkeit


Datei:Zufallsverteilung-aufgabes.jpg
Aufgabe: Verteile 11 Münzen an 10 Schweinchen.
Datei:Zufallsverteilung-solls.jpg
Verteilt so der Zufall 11 Münzen auf 10 Schweinchen?

Die Natur kennt keine Gerechtigkeit, der Zufall auch nicht.

Ein Beispiel:
Wir möchten 11 Münzen auf 10 Schweinchen verteilen. Wie stellen wir es an?

1) Wir geben fast jedem eine Münze. Aber warum bekommt ein Schweinchen zwei?

Datei:Zufallsverteilung-ists.jpg
So verteilt der Zufall: Einer bekommt sehr viel (drei Münzen), zwei bekommen viel (zwei Münzen), und vier bekommen etwas (eine Münze). 30% gehen leer aus.

2) Würfeln wir und lassen den Zufall entscheiden, ist folgende Verteilung die wahrscheinlichste (siehe Binomialverteilung):

  • Ein Schweinchen (10%) bekommt sehr viel (drei Münzen),
  • zwei (20%) bekommen viel (zwei Münzen),
  • vier (40%) bekommen etwas (eine Münze).
  • Drei (30%!) gehen leer aus.

Es ist die Aufgabe einer Gesellschaft, ein System zu finden, das Härten ausgleicht und von möglichst allen akzeptiert wird.

Zufall und freier Wille

Zwischen den Begriffen Zufall und freier Wille existiert ein enger Zusammenhang. Man kann argumentieren, dass eine freie Entscheidung eine Entscheidung ist, die zumindest teilweise nicht von anderen Einflüssen (innerer und äußerer Art) bestimmt wird. Sie ist also nicht determiniert. Dies kann aber gerade auch als Definition von Zufall angesehen werden. Nach dieser Auffassung kann es in einem Universum ohne Zufall keinen freien Willen geben, da jede Entscheidung bei Kenntnis aller Einflussgrößen vorhergesagt werden könnte.

Es ist nun eine Aufgabe der Philosophie, Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Begriffe genauer herauszuarbeiten. Der englische Begriff random number (wörtlich: freie Zahl) für Zufallszahl weist auf diesen Zusammenhang hin.


Einige wichtige Basisaussagen über den Zufall:


(Es wurden bewusst kurze Sätze formuliert, die zum Nachdenken anregen sollen. Erklärungen dazu finden sich im Gesamttext))

  • Ein elementarer Zufallsprozess ist der Münzwurf, denn er liefert eine zufällige Entscheidung zwischen 2 Alternativen.
  • Der Zufall hat kein Gedächtnis. (Vergleiche den Begriff Unabhängigkeit in der Stochastik)
  • Je geordneter ein System ist, desto geringer ist der Anteil an Zufall.
  • Eine echte Zufallsfolge von 0 und 1 lässt sich ohne Verlust kaum komprimieren.
  • Echten Zufall kann man sehr genau testen, wenn man das zugrundeliegende Verfahren beliebig wiederholen kann.
  • Zufall heißt nicht, das alles möglich ist. Ein zufälliger Münzwurf kann nur Kopf oder Zahl ergeben.
  • Wenn die Zukunft völlig festgelegt und vorherbestimmt ist, dann gibt es keinen Zufall. (Determinismusproblem)
  • Die Mischung aus zufälligen und gesetzmäßigen Ereignissen wird der Realität am besten gerecht.
  • Bevor man ein Ereignis als zufällig ansieht, sollte man sich eingehende Gedanken darüber machen, ob es wirklich rein zufällig ist. Manchmal ist der Zufall eine allzu bequeme Erklärungsvariante.
  • Das menschliche Gehirn neigt dazu auch in rein zufällige Geschehnisse Gesetzmäßigkeiten hinein zu interpretieren, da das kausale Denken insgesamt sich sehr erfolgreich erwiesen hat. Beim Zufall stößt es aber an seine Grenzen.( Vergleiche Systemlotto)
  • Ein Maß für die Menge an Zufall, die in einer Zahlenfolge oder einem physikalischen System steckt, ist die Gesamtzufallsmenge oder Entropie.

Solche können zum Beispiel sein: Münze, Würfel, Roulette, Urne oder Reißnagel

Spiele mit dem Zufall? - Beispiel: Stichomantie

Zitate

  • "Zufall ist das unberechenbare Geschehen, das sich unserer Vernunft und Absicht entzieht." (Gebrüder Grimm, Deutsches Wörterbuch)
  • "Gott würfelt nicht" (Albert Einstein)
  • "Zufall ist vielleicht das Pseudonym Gottes, wenn er nicht selbst unterschreiben will" (Anatole France)
  • "Nun noch zu einem weiteren Kennzeichen der Biologie, dem Zufall. In den physikalischen Wissenschaften führen die Naturgesetze normalerweise zu stark deterministischen Ergebnissen. Weder die natürliche noch die geschlechtliche Selektion gewährleisten einen solchen Determinismus. Tatsächlich ist das Ergebnis eines evolutionären Prozesses gewöhnlich die Folge von Wechselwirkungen zahlreicher Zufallsfaktoren. Blinder Zufall produziert auch die Variation. Er herrscht sowohl beim crossing-over wie bei der Verteilung, der Chromosomen in der Reduktionsteilung. Gerade wegen dieses Zufallsaspektes wurde die Theorie der natürlichen Selektion am häufigsten kritisiert. Doch ist es gerade diese Unabhängigkeit vom Determinismus, die der natürlichen Selektion ihre große Flexibilität gibt. Es ist keineswegs wahr, wie von Darwins Zeitgenossen, zum Beispiel dem Geologen Sedgwick behauptet wurde, dass es unwissenschaftlich sei, sich auf den Zufall zu berufen, Es ist gerade die Zufälligkeit der Variation, die so charakteristisch für die Darwin'sche Evolution ist. Dennoch ist die relative Bedeutung des Zufalls im Evolutionsprozess auch heute noch sehr umstritten. Natürlich hat die eigentliche Selektion immer das letzte Wort." (Ernst Mayr)
  • "Bei dem Gedanken an den gewaltigen Weg, den die Evolution ... zurückgelegt hat, an die ungeheure Vielfalt der Strukturen, die durch sie geschaffen wurden und an die wunderbare Leistungsfähigkeit von Lebewesen - angefangen vom Bakterium bis zum Menschen - können einem leicht Zweifel aufkommen, ob das alles Ergebnis einer riesigen Lotterie sein kann, bei der eine blinde Selektion nur wenige Gewinner ausersehen hat." (Monod, J.: Zufall und Notwendigkeit, dtv, 3. Aufl. 1977)
  • "Zufall ist ein Wort ohne Sinn, nichts kann ohne Ursache existieren." (Voltaire)
  • "Die Welt, in der wir leben, lässt sich als das Ergebnis von Wirrwarr und Zufall verstehen; wenn sie jedoch das Ergebnis einer Absicht ist, muss es die Absicht eines Teufels gewesen sein. Ich halte den Zufall für eine weniger peinliche und zugleich plausiblere Erklärung." Russell

Literatur

  • Lew W. Tarassow: Wie der Zufall will? Vom Wesen der Wahrscheinlichkeit. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1998 ISBN 3827404746
  • Gerd Gigerenzer, Zeno Swijtink, Theodore Porter u.a.: Das Reich des Zufalls: Wissen zwischen Wahrscheinlichkeiten, Häufigkeiten und Unschärfen. Spektrum Akademischer Verlag 1999. ISBN 3-8274-0101-1
    (Buch über die Geschichte der Wahrscheinlichkeitsrechnung)
  • Manfred Eigen und Ruthild Winkler: Das Spiel. Naturgesetze steuern den Zufall. Piper. ISBN 3-492-20410-4
  • Karl Bosch: Statistik für Nichtstatistiker. Zufall oder Wahrscheinlichkeit ISBN 3486247506
  • Allan Combs/Mark Holland: Die Magie des Zufalls ISBN 3499191776

Klassische Werke zum Thema Zufall

siehe auch: Zufall und Ordnung, Zufall (Philosophie), Erstaunliche Zufälle