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Balkankonflikt

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Mit dem Begriff Balkankonflikt wird das großenteils gewaltsame Zerbrechen des Staates Jugoslawien in den 1990er Jahren verstanden. Verursacht wurde er durch die schweren ökonomischen Probleme, denen sich das Land in den 1980er Jahren ausgesetzt sah, verbunden mit einer nationalistischen Politik und Propaganda, die vor allem von der damaligen serbischen Macht-Elite, aber auch von Politikern anderer Teilrepubliken ausging. Eine wesentliche Ursache des Streits zwischen den Republiken lag in der Verteilung der finanziellen Mittel zwischen den Teilrepubliken (ähnlich dem deutschen Länderfinanzausgleich). Angesichts der auf Grund der Hyperinflation immer geringeren zur Verfügung stehenden Mittel beanspruchten Kroatien und Slowenien als die reichsten Republiken größere Teile der bei ihnen erwirtschafteten Mittel für sich, während die ärmeren Republiken Serbien und Mazedonien einen höheren Anteil als Ausgleich für die schlechte Wirtschaftlage für sich verlangten. Dieser Konflikt konnte, auch auf Grund eines nicht klar etablierten Regierungssystems nach Titos Tod 1980 nicht gelöst werden.

Im Sog der politischen Umwälzungen in den anderen sozialistischen Staaten Osteuropas 1989/1990 bildeten sich dann auch in Jugoslawien neue Parteien und es kam 1990 zu ersten freien Wahlen in einigen Republiken, die mehrheitlich von nationalistisch agierenden Parteien gewonnen wurden. Daraufhin proklamierten am 25. Juni 1991 zunächst Slowenien und Kroatien ihre Unabhängigkeit, was von der Belgrader Führung als Verfassungsbruch angesehen wurde. Diese versuchte deshalb, die Unabhängigkeit mit Hilfe der Jugoslawischen Volksarmee (JNA) zu verhindern. So kam es im Juni 1990 in Slowenien zu ersten Kämpfen zwischen der Armee und Unabhängigkeitsbefürwortern. Diese Konflikte breiteten sich in der Folgezeit in vielen Gebieten des Landes aus. Insbesondere in den Republiken mit nicht ethnisch homogener Bevölkerung (Bosnien-Herzegowina, Kroatien) wurden die Kämpfe hart und lang andauernd geführt. So forderte der Balkankonflikt ca. 250.000 Todesopfer. Es kam zu Massenfluchten und Vertreibungen, Vernichtungen und Zerstörungen.

Da die Bundesarmee (JNA) von Serben dominiert war und der serbischen Führung unter Slobodan Milošević nahestand, mussten die Republiken Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina eigene Armeen aus Polizei und Territorialverteidigung improvisieren. Bei der Territorialverteidigung handelte es sich um eine parallel zur Armee existierende Institution, welche mit einer der Feuerwehr ähnlichen Organisationsform im Falle eines Angriffes schnell und unbürokratisch die Verteidigung bis zum Eintreffen der Armee organisieren sollte und dem Befehl der Gemeindeverwaltung unterstand.

Kriegsopfer

  • Bosnien (Statistisches Amt der Föderation von Bosnien-Herzegowina): max. 60.000 Tote auf allen seiten, 175.286 Verwundete, 36.470 Vermisste
  • Kroatien (Kroatische Regierung aus dem Jahr 1995): 9.212 Tote, 28.359 Verwundete, 2.858 Verschollene
  • Slowenien (Offizielle slowenische Angaben): 19 Tote und 182 Verletzte (Angaben der Jugoslawischen Volksarmee): 44 Tote und 184 Verletzte
  • Albanien (Da es bis heute keine genauen offiziellen Zahlen gibt, beruhen die Opferzahlen auf Flüchtlingsberichten und Massengrabfunden): 4000 Leichen oder Leichenteile bis 2002 ausgegraben; ca. 800 albanische Tote wurden bislang in Serbien gefunden
  • Serbien (Angaben der Jugoslawischen Volksarmee): 142 getötete serbische Polizei- und Armeeangehörige im Kosovo; die NATO-Operation 1999 führte zu ca. 5.000 Todesopfern in der Bundesrepublik Jugoslawien (NATO-Angaben); nach jugoslawischen Angaben kamen 462 Soldaten, 114 Polizisten und etwa 2.000 Zivilisten ums Leben

Die Kämpfe beim Zerfall Jugoslawiens kosteten schätzungsweise 350.000 Menschen das Leben (so wurden geschätzte 7.000 Muslime allein in einer einzigen Woche 1995 bei einem Massaker serbischer Truppen in Srebrenica in Bosnien getötet) und zwang mehr als 3,5 Millionen Menschen zur Flucht.

Chronologie

  • Serbische Intellektuelle fordern im Sanu Memorandum ein Ende der so genannten „Diskriminierungen des serbischen Volkes“. Das Memorandum propagiert unter anderem einen „Genozid“ am serbischen Volk im Kosovo und eine antiserbische Verschwörung Kroatiens und Sloweniens gegen Serbien.
  • März kam es zu ersten Auseinandersetzungen zwischen der kroatischen Nationalgarde und der vom serbischen Belgrad aus geführten Jugoslawischen Bundesarmee entlang der Grenze und innerhalb der Krajina
  • 27. Juni bis 4. Juli: Kämpfe zwischen der Jugoslawischen Volksarmee und der slowenischen Territorialverteidigung nach der Unabhängigkeitserklärung Sloweniens am 26. Juni
  • Besetzung der Plitvitzer Seenplatte durch die Jugoslawische Volkarmee.
  • 5. Juli: EG-Waffenembargo gegen Jugoslawien.
  • 25. Juli: Der serbischstämmige Bevölkerungsteil erklärte, aufgrund der sich abzeichnenden Verfassungsänderung, die "Souveränität des serbischen Volkes in Kroatien" und gründete einen Nationalrat.
  • 26. Juli: wurde die kroatische Verfassung geändert, die keine Gruppenrechte für die serbische Minderheit vor sah.
  • 15. Oktober: Bosnien-Herzegowina erklärt Unabhängigkeit.
  • 18. November: Nach 87 Tagen Belagerung fällt die völlig zerstörte Stadt Vukovar in serbische Hand. Erste Kriegsverbrechen werden begangen.
  • 22. Dezember: Kroatien verabschiedete eine neue Verfassung als einheitlicher und souveräner Staat, die Krajina-Serben erklärten sich für autonom und die Republik Serbische Krajina wurde ihrerseits ausgerufen.
  • 15. Januar: Anerkennung Kroatiens und Sloweniens durch die EG
  • 30. Mai: UN-Sicherheitsrat verhängt Sanktionen gegen Serbien und Montenegro
  • 25. August: In der Nacht wird die Universität von Bosnien und Herzegovina in Sarajevo in Trümmer geschossen. Serbische Artilleristen aus den umliegenden Hügeln haben absichtlich Granaten in das historische Gebäude gefeuert und die Bibliothek in Flammen aufgehen lassen. Ihr gesamter Bestand – eineinhalb bis zwei Millionen Bücher – verbrennen. Die Asche geht stundenlang auf die Stadt nieder.
  • März: Die Serben lehnen den ersten einer Reihe von Friedensplänen ab.
  • 19. April: Kapitulation der Stadt Srebrenica, die drei Tage zuvor zur UN-Schutzzone erklärt wurde.
  • 23. Juli: Der UN-Sicherheitsrat verurteilt die Offensive der bosnischen Serben zur Isolierung Sarajevos.
  • 9. November: Kroatische Geschütze zerstörten die Altstadt von Mostar, darunter die weltberühmte Brücke der Osmanen Stari Most. Sie sollte gerade zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt werden.
  • Mai: Die kroatische Armee startet die Offensive "Blitz" gegen die serbisch kontrollierten Gebiete in Westslawonien (siehe auch Republik Serbische Krajina).
  • 22. Mai: Einheiten der bosnischen Serben transportieren schwere Waffen aus einem Waffendepot der UNO ab. Das UNO-Kommando fordert die sofortige Zurückgabe. Die gesetzte Frist wird von den Serben ignoriert.
  • 25. Mai: NATO bombardiert auf Anforderung der UNO ein Munitionsdepot der bosnischen Serben in Pale. Die Serben antworten mit einem Artilleriebeschuß von Sarajevo und Tuzla und bringen eine Anzahl von Blauhelmen in ihre Gewalt. Die bosnischen Serben betrachten die Blauhelme als Kriegsgefangene und verlangen für ihre Freilassung die Einstellung der Luftangriffe.
  • 11. Juli: Eroberung der UN-Schutzzone Srebrenica durch serbische Truppen.
  • August: Die USA legen dem UNO-Sicherheitsrat Fotomaterial eines US-Aufklärers vor. Die Bilder lassen auf Massenexekutionen und -gräber in der Region schließen. Später wird sich herausstellen, dass über 7000 Zivilisten hingerichtet wurden: die schlimmsten Gräueltaten in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.
  • 21. November: Vertrag von Dayton. Friedensvertrag unter Vermittlung von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA. Bosnien und Herzegowina wird dadurch zu einem föderativen Staat mit zwei Entitäten.

seit 1996

Literatur

  • Götz Kubitschek/Peter Felser: Raki am Igman - Texte und Reportagen aus dem Bosnien-Einsatz der Bundeswehr, ISBN 3000054324
  • Ivo Andric: Die Brücke über die Drina, Roman zur Geschichte des Balkans, Suhrkamp Verlag 2003, ISBN 3518399608

Filme

  • 2003, Gori vatra! IMDb
  • 2001, No Man's Land (Ničija zemlja), IMDb
  • 1999, Warriors, IMDb
  • 1993, Vrijeme za... IMDb

Siehe auch

historische Balkankriege, Balkan, Liste der Kriege, Liste von Schlachten


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