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Premium-Kollektiv

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Premium Cola
Rechtsform
Gründung 23. November 2001
Sitz Bärenallee 40
22041 Hamburg
Leitung Uwe Lübbermann
Mitarbeiterzahl 10[1]
Branche Lebensmittel
Website premium-cola.de

Das Premium Cola ist ein 2001 begonnenes Unternehmensprojekt, das versucht, wirtschaftliches Handeln jenseits vorhandener Organisationsformen als Kollektiv zu organisieren.[2] Ausgangspunkt dafür ist die Getränkemarke "Premium Cola", unter der Cola, Limonade und eine Sorte Bier hergestellt werden.[3] Die "Unternehmensziele" Premium Colas liegen auf reiner Kostendeckung[4][5], die Organisationsziele auf sozialer, ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit.

Geschichte

1999 kaufte die Mineralbrunnen AG die Marke Afri-Cola und änderte unangekündigt die Rezeptur. So wurde z.B. der Koffeingehalt um 75 % reduziert.[6] Eine Gruppe aus Liebhabern der unveränderten Rezeptur, darunter der angehende Werbekaufmann Uwe Lübbermann, beginnt, Cola gemäß dem unveränderten Rezept herzustellen und später auch unter dem Namen „PREMIUM“ zu vertreiben.

Seit 2008 produziert die Klosterbrauerei Weißenohe als Kollektivmitglied ein Pils, dessen Rezeptur unter Creative-Commons-Lizenz auf der Homepage des Kollektivs bereitgestellt wird.[7] 10 % der Einnahmen durch das Pils werden an Organisationen der Alkoholismus-Vorsorge gespendet.[3]

2010 wurde auf Initiative des Kollektivs der „Verband der korrekten Getränkehersteller e.V.“ gegründet, dem auch Lemonaid und Viva con Agua angehören.

Seit den Jahren 2011 und 2012 wurde eine Holunderlimonade unter dem Namen „Frohlunder“ und ein Mate-Getränk „MunterMate“ produziert.[8]

Im Jahr 2013 wurden 1.088.086 Flaschen verkauft und ein Umsatz von 475.000 € gemacht.[9] 2019 hat Premium-Cola einen Jahresumsatz von 700.000 Euro verzeichnet. Dabei werden 56 Prozent mit Cola, 30 Prozent mit Bier, Sechs Prozent aus Beratungsaufträgen und der Rest aus Limonaden, erwirtschaftet.[10]

Durch die Wirtschaftskrise 2020–2021 in Folge der COVID-19-Pandemie hatte Premium Cola eine Umsatzrückgang um 95%, da der Absatzmarkt vor allem in der Gastronomie und Veranstaltungen liegt. Dennoch konnte sich Premium Cola langsam auf 50% des Umsatz vor der Pandemie erholen.[11]

Organisationsform

Rein rechtlich ist Premium Cola ein Einzelunternehmen des Gründers Uwe Lübbermann. Auf ihn ist die Wort- und Bildmarke Preimum Cola eingetragen.[12] Alle unternehmerischen Entscheidungen werden aber durch ein Kollektiv getroffen.[13] Diese Premium Kollektiv besteht aus 1700[10] stimmberechtigte Personen die sich meist online über ein chatboard und eine Mailingliste austauschen und Entscheidungen online abstimmen[1]. Mitglieder des Premium Kollektiv sind nicht nur Mitarbeiter, wie bei selbstverwalteten Betrieben. Jede Person mit einem Bezug zu Premium Cola kann auf Empfehlung eines Kollektivisten Mitglied werden, dies schließt auch Kunden, Lieferanten oder Konsumenten mit ein.[13][10]

Das Kollektiv fällt Entscheidungen gemäß den Regeln der Konsensdemokratie: Alle Kollektivmitglieder haben ebenbürtiges Stimm- und Vetorecht.[4][13]

Die operativen Tätigkeiten werden durch ein Organisationsteam aus circa zehn Selbstständigen ausgeführt, der Kontakt zu Kunden und Händlern durch 30 sogenannte Sprecher. Für diese Tätigkeiten wird ein Einheitslohn von 18 Euro pro Stunde bezahlt.[14][1][15]

Statt schriftlichen Verträgen werden alle Absprachen nur mündlich Form getroffen.[13] Premium als Kollektiv besitzt keinerlei Produktionsmittel. Alle Verantwortlichen für die Schritte in der Produktions- und Vertriebskette organisieren sich als selbstständige Unternehmer. In Anlehnung an die Bezeichnung der Produktionsmittel als „Hardware“ und der zur Organisation genutzten Struktur als „Software“ wird der im Kollektiv beschlossene Rahmen aus ethischen Zielsetzungen und Prozeduren als Betriebssystem bezeichnet. Dieses Premium-Betriebssystem beinhaltet die fünf Handlungsfelder „Soziales“, „Ökolgie“, „Ökonomie“, „Schutz“ und „Transfer“ und ist als offener Standard bzw. als open franchise konzipiert.[14]

Geschäftsmodell

Neben der alternativen Organisationsform unterscheidet sich Premium Cola durch weitere Geschäftsmodellinnovation von anderen klassischen Unternehmen, aber auch anderen Kollektivbetrieben. Beispielhaft wird der Anti-Mengenrabatt[16] genannt: Es wird kein Mengenrabatt gegeben, im Gegenteil, kleinere Liefermengen von meist kleineren Händlern werden preislich gestützt.[13][17]

In der Unternehmenskommunikation verzichtet Premium Cola grundsätzlich auf kommerzielle Werbung, so wie auf die in der Getränkebranche üblichen Vertriebsmittel wie Marken-Kühlschränke oder Freiware. Dennoch stellt sich Premium und seine Produkte selbst dar: Es gibt Interviews mit Organisatoren und Informationen über Produkte und das Geschäftsmodell auf der Homepage von Premium. Drogenpräventive Aufklärung zu den Folgen übermäßigen Zucker- und Alkoholkonsums wird umsatzgekoppelt finanziell unterstützt.[3]

Ein eingepreister CO2-Ausgleich wird zur Unterstützung von Aufforstungsprogrammen verwendet.[18] Die Strecke der Transportfahrten sind auf 600 km gedeckelt[17] und es werden Zutaten aus biologischer Landwirtschaft verwendet[19] .

Das jährliche Umsatzwachstum soll 30 % nicht übersteigen und auf Fremdfinanzierung wird vollständig verzichtet[3].

Rezeption

Premium Cola wird von zahlreichen Publikationen auch außerhalb der klassischen Szene von selbst-verwalteten Betrieben als Beispiel für funktionierende alternative Wirtschaftsformen geführt. Vor allem der Anspruch die Konstruktionsfehler des Kapitalismus beheben zu wollen und die zahlreichen Geschäftsmodellinnovationen findet in der Forschung zu Wirtschaftsethik und unternehmerischen Gesellschaftsverantwortung Aufmerksamkeit. [4] [20] [21] [22] [23] [24] [25] [26]

Das Syndikat Freiburg der anarchosyndikalistischen Gewerkschaftsföderation FAU kritisiert, dass kollektive Grundsätze nicht eingehalten wären. So bestehe zwar ein Einheitslohn, dennoch werden Verkäufern eine Verkaufsprovision bezahlt. Da keine schriftlichen Verträge existieren, existieren auch keine verbindlichen Regelungen zu einer Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.[27]

Literatur

  • Alexander Kraemer, Laura Marie Edinger-Schons (Hrsg.): CSR und Social Enterprise Beeinflussungsprozesse und effektives Schnittstellenmanagement . 1. Auflage. Springer Gabler, 2019 ISBN 978-3662555903, S. 202–210.
  • Richard Pircher: Agilstabile Organisationen: Der Weg zum dynamischen Unternehmen und verteilten Leadership 1. Auflage. Vahlen, 2018, ISBN 978-3800655304
  • Daniel Deimling: Sinnstrukturen und Muster nachhaltiger Unternehmen im Kontext der Wachstumskritik: Eine Untersuchung unter Einsatz einer Systemaufstellung LIT Verlag Münster, 2017, ISBN 978-3643507624 S. 215
  • Kathrin Ganz, Jens Ohlig, Sebastian Vollnhals : Hackerbrause, O'Reilly, 2011 ISBN 9783868991413 S. 92
  • Uwe Lübbermann, Lennart Herberhold (Illustration): Wirtschaft hacken - Von einem ganz normalen Unternehmer, der fast alles anders macht Büchner-Verlag, 2021, ISBN 978-3-96317-233-5
Commons: Premium-Cola – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c newmanagement.haufe.de/ - Premium Cola: Von Grund auf anders
  2. Uwe Lübbermann: Umfrage: Das Kollektiv entscheidet. In: Arno Balzer (Hrsg.): Harvard Business Manager. Spezial 2017, 2017, ISSN 0945-6570, S. 30–32.
  3. a b c d Veronika Schubring et. al.: Unternehmen und Postwachstum: Das Beispiel Premium-Cola. In: Ökologisches Wirtschaften 1/2013. 1. Mai 2017, abgerufen am 1. Mai 2017.
  4. a b c Alexander Kraemer, Laura Marie Edinger-Schons (Hrsg.): CSR und Social Enterprise Beeinflussungsprozesse und effektives Schnittstellenmanagement . 1. Auflage. Springer Gabler, 2019 ISBN 978-3662555903
  5. premium-cola.de - Modul "Kein Gewinn"
  6. Die Geschichte von afri-cola. In: ipremium.de. Abgerufen am 3. Juni 2017.
  7. PREMIUM HERSTELLUNG. In: premium-cola.de. Abgerufen am 3. Juni 2017.
  8. metamate.cc - Munter Mate
  9. Arian Gutscher und Pouya Rismansanj: Mitgestalten, mitentscheiden, Weltverbessern. (PDF 1.8 MB) In: Einsichten und Perspektiven, Bayerische Zeitschrift für Politik und Geschichte, 3/14. März 2014, abgerufen am 3. Juni 2017.
  10. a b c Thomas Fischermann: Kollektiv abgefüllt. In: Die Zeit. 12. August 2020, abgerufen am 12. August 2020.
  11. fr.de - Premium Cola: „Unsere wichtigste Funktion ist, zu zeigen, dass es anders geht“
  12. dpma.de - Registernummer: 30261161
  13. a b c d e Jan Pfaff: Die gute Cola. In: freitag.de. 11. Juni 2010, abgerufen am 11. Oktober 2017.
  14. a b Alina Grün: In Kooperationen Potenziale schaffen und verwirklichen – Eine Untersuchung des Getränkeherstellernetzwerks von Premium und des „Verbandes der korrekten Getränkehersteller“. (PDF 3.2 MB) In: premium-cola.de. 16. April 2016, abgerufen am 3. Juni 2017.
  15. Flaschenweise anders wirtschaften
  16. Alexander Kraemer, Laura Marie Edinger-Schons (Hrsg.): CSR und Social Enterprise Beeinflussungsprozesse und effektives Schnittstellenmanagement . 1. Auflage. Springer Gabler, 2019 ISBN 978-3662555903 S. 207
  17. a b Maximilian Haß: Unternehmerische Suffizienzstrategien im Spannungsfeld kompetitiver Wachstumsmärkte und Postwachstums-Debatten. (PDF 1.1 MB) In: premium-cola.de. 30. November 2014, abgerufen am 3. Juni 2017.
  18. Anne Schmidt: Leben&Arbeiten im Kollektiv. (PDF 27.4 MB) In: premium-cola.de. 15. März 2016, abgerufen am 3. Juni 2017.
  19. Hanna F. Klusmann: The "Premium" way of organisation, an insight into a German soft drink company. (PDF 296 KB) In: premium-cola.de. 30. September 2015, abgerufen am 3. Juni 2017 (englisch).
  20. - Wir wollen einen Nachteilsausgleich für die Kleinen
  21. brandeins.de - Die utopische Brause
  22. spiegel.de - Wir wollen beweisen, dass Moral und Wirtschaft zusammen funktionieren
  23. mopo.de - Die Hamburger Cola-Kommune Hier darf jeder Kunde mitentscheiden
  24. Bier trinken für mehr Gerechtigkeit? Gleiches Gehalt für alle Mitarbeiter
  25. derbund.ch - Der Firmenchef, der mit 18 Euro pro Stunde glücklich ist
  26. karriere.at - Wie ein Unternehmen mit Cola die (Arbeits)welt gerechter machen will
  27. Das Premium-Cola-Kollektiv aus syndikalistischer Sicht