Pektine
Pektin (v. griech.: πηκτός pektós = fest, geronnen) - ein Polysaccharid - wird aus Pflanzen gewonnen. Als Lebensmittelzusatzstoff ist ihm formal die Zusatzstoffnummer E 440 zugewiesen worden . Pektin ist in der Lebensmittelindustrie ein unverzichtbarer Bestandteil in vielen Produkten, bei denen aus technologischen Gründen Geliermittel, Verdickungsmittel und Stabilisierungsmittel eingesetzt werden. In der Nahrungsmittelindustrie wird Pektin zur Herstellung von Konfitüren, Süßwaren, Backwaren, zur Getränkestabilisation und in Milcherzeugnissen verwendet. In der Kosmetik- und Pharmaindustrie hat Pektin in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.
Vorkommen
Pektine kommen in allen höheren Landpflanzen vor. Hier findet man Pektine in allen festeren Bestandteilen, beispielsweise den Stengeln, Blüten, Blättern usw. Die Pektine sind in den Mittellamellen und primären Zellwänden enthalten und übernehmen dort eine festigende und wasserregulierende Funktion.
Die Pektinzusammensetzung ist nicht nur von Pflanze zu Pflanze unterschiedlich, sondern hängt ebenso vom Pflanzengewebe und vom Alter des Gewebes ab. Besonders pektinreich sind Pflanzenteile mit relativ zähen/harten Bestandteilen, z. B. Citrusfrüchte oder Fruchtstände von Sonnenblumen. Besonders pektinarm sind weiche Früchte, z. B. Erdbeeren.
Pektin in Früchten (bezogen auf Frischgewicht) Apfel 1-1,5 % Aprikose 1 % Kirsche 0,4 % Apfelsine 0,5 - 3,5 % Möhren 1,4 % Citrusschalen 30 %
Weiterhin werden Pektine chemisch verändert, wenn sie aus dem Pflanzengewebe entfernt werden. Darum werden die nativen pflanzlichen Pektine Protopektine genannt, um sie von den chemisch veränderten Pektinen begrifflich abzugrenzen.
Gewinnung
Die Gewinnung von Pektin erfolgt mit großem technischen Aufwand aus pflanzlichen Rohstoffen mit hohem Pektingehalt, wie beispielsweise Apfel-, Citrus- oder Rübentrester. Durch das verschiedene Ausgangsmaterial und je nach Hersteller variierenden Gewinnungsmethoden und Modifikationen entstehen unterschiedliche Pektintypen mit verschieden Eigenschaften. Pektin ist ein auch ein Ersatzmittel von Gelatine, das natürlich pflanzlich ist. Weltweit werden größenordnungsmäßig 40 000 Tonnen Pektin produziert.
Obwohl die Herstellungsmethoden stark variieren, kann man doch ein Grundschema formulieren:
- Extraktion aller wasserlöslichen Substanzen aus den Rohstoffen mit heißem Wasser
- Trennung der Pektine von den übrigen wasserlöslichen Substanzen durch Fällung mit Ethanol oder Aceton
- Mehrmaliges Zentrifugieren/Filtrieren und Waschen
- Modifikation mit Salzsäure oder Ammoniak zur Senkung des Veresterungsgrades; im Fall von Ammoniak entstehen amidierte Pektine.
- Filtrieren, Waschen, Trocknen liefert ein weißes bis gräuliches Pektin-Pulver.
- Zugabe von Zusatzstoffen, um das Pektin seinem Einsatzbereich anzupassen, z.B. Rohrzucker und Puffer-Substanzen zur Regulation des pH-Wertes und der Calciumverfügbarkeit.
Reines Pektin findet man kaum im freien Handel, für den Hausgebrauch zum "Einmachen" ist Pektin im Gelierzucker erhältlich.
Chemische Struktur und Eigenschaften
Pektine als Substanzklasse besitzen in der Pflanzenwelt eine Vielzahl von Strukturen. Allen gemein ist, dass es sich hierbei um Polysaccharide handelt, deren Hauptbestandteil (zu mind. 65w%) die alpha-D-Galakturonsäure als Monomer ist mit einem pKa-Wert von 2,9.
Diese Galacturonsäure-Monomere sind über alpha-1,4-glykosidische Bindungen miteinander verbunden und bilden so das Rückgrat des Pektinmoleküls.
Dieses lineare „backbone“ wird periodisch durch 1,2-bindungen mit alpha-L-Rhamnose unterbrochen, was dazu führt, dass es in der linearen Polygalakturonsäurekette zu Unterbrechungen kommt (die Ketten werden "geknickt") und die Bezeichnung Rhamno-galakturonsäure synonym für Pektin verwandt wird. Weiterhin tragen die Rhamnose-Bausteine in natürlichen Pektinen Seitenketten aus den Zuckern Arabinose, Galactose oder Xylose. Diese Seitenketten sind homopolymer, bestehen also jeweils nur aus einer solchen Zuckerart, und sind maximal 20 Bausteine lang. Bei der Gewinnung der industriellen Pektine aus den natürlichen Pektinen gehen diese Seitenketten zum Großteil verloren. Die Verzweigungen in der Kette durch L-Rhamnose und ihre Seitenketten treten nicht regelmäßig auf, sondern häufen sich in den sogenannten „hairy regions“. Im Gegensatz dazu heißen die linearen Teile der Kette „smooth regions“.
Neben den Verzweigungen der Hauptkette finden sich weitere Merkmale des Pektinmakromoleküls. Die Hydroxylgruppen am C2- oder C3-Atom der Galakturonsäureeinheiten sind zu geringen Teilen acetyliert oder durch weitere Neutralzucker (wie D-Galaktose, D-Xylose, L-Arabinose, L-Rhamnose) substituiert (auch hier vorwiegend in den "hairy regions"). Die Carboxylgruppen der Polygalakturonsäure sind teilweise mit Methanol verestert.
Der Grad der Veresterung und Acetylierung schwankt mit der Herkunft des Pektins, hat aber entscheidenden Einfluss auf die chemischen Eigenschaften. Deshalb werden Pektine anhand ihres mittleren Veresterungsgrades (VE) klassifiziert.
Klassifizierung der Pektine
Hochmethylierte oder hochveresterte Pektine
- haben per Definition einen Veresterungsgrad größer 50%,
- bilden Gelee bei einem Zuckergehalt von mind. 55w%,
- und brauchen dafür einen pH-Wert von 1 bis 3,5,
- können also nur in sauren, stark zuckerhaltigen Produkten eingesetzt werden, z.B. in Konfitüren und Fruchtfüllungen.
Niedrigmethylierte, niederveresterte Pektine
- haben per Definition einen Veresterungsgrad zwischen 50% und 5%,
- können in Anwesenheit von mehrwertigen Kationen auch ohne Zucker Gelee bilden,
- und brauchen dafür einen pH-Wert von 1-7,
- werden oft in Milch- und Diätprodukten eingesetzt, da hier schon Ca2+ als mehrwertiges Kation enthalten ist.
Pektinsäure
- hat per Definition einen Veresterungsgrad kleiner 5%,
- geliert wie niedrigmethylierte Pektine (s.o.),
- und fällt aus bei hohen pH-Werten und großen Gehalten an mehrwertigen Kationen als Pektat, also als Salz der unveresterten Pektinsäure.
Amidopektine (amidierte Pektine) (E 440ii)
- fallen in die Gruppe der niedrigmethylierten Pektine, wobei ein bestimmter Anteil der Carbonsäure-Gruppen künstlich mit Ammoniak zum Amid umgesetzt ist,
- gelieren wie niedrigmethylierte Pektine sowohl mit Zucker, als auch mit mehrwertigen Kationen,
- die Geleigenschaften werden aber vom Gehalt der mehrwertigen Kationen (insbesondere Calcium) weniger beeinflusst - robuster in der Anwendung.
Der anwendungstechnische Hauptunterschied zwischen den Modifikationen liegt in der Neigung, Gele aus wässrigen Lösungen zu bilden, sowie in den Eigenschaften der gebildeten Gele. Mit dem Veresterungsgrad und mit Zusatzstoffen können Geschwindigkeit der Gelbildung, Gelfestigkeit, Aromafreigabe und Streichfestigkeit gezielt gesteuert werden.
Geliermechanismen
Pektine in Lösung
Pektinmoleküle sind sehr groß (Makromoleküle) und sollten wegen ihres Gewichtes und ihrer großen Oberfläche nur schwer zu lösen sein. Tatsächlich aber kann man relativ große Mengen Pektin in nur wenig warmen Wassers lösen. Die Ursache dieses Phänomens sind die freien Carbonsäure-Gruppen der Galacturonsäure-Bausteine. Bei Kontakt mit Wasser werden die Säuregruppen deprotoniert und dadurch entstehen anionische Säurereste, die mehr oder weniger gleichmäßig über das lange Molekül verteilt sind. Die negative Ladung sorgt dafür, dass sich die Pektinmoleküle elektrostatisch abstoßen. Weiterhin bilden sich um diese Ladungsträger große Hydrathüllen, die zusätzlich verhindern, dass sich die Moleküle einander annähern. Auf diese Weise bleiben Pektine in Lösung und darum werden sie Hydrokolloide genannt.
Zum Gelieren muss die Barriere aus elektrostatischer Abstoßung und Hydrathüllen überwunden werden. Dazu gibt es zwei Mechanismen:
Gelierung mit mehrwertigen Kationen
Ein mehrwertiges Kation wird zwischen zwei oder mehr anionischen Gruppen im Chelat gebunden, so dass sich ein Gel ausbildet, in dem mehrwertige Kationen die Pektinketten in einem dreidimensionalen Netzwerk zusammen halten.
Gelierung mit Zucker und Säure
Die Säure überführt viele der anionischen Säurereste in Säuregruppen, wodurch die elektrostatische Abstoßung zwischen den Pektinketten sinkt. Große Mengen Zucker haben einen wassentziehenden Effekt, d.h. die verbleibenden Hydrathüllen werden zunehmend abgebaut. Dadurch können sich die Pektinketten stellenweise einander annähern und bilden Wasserstoffbrücken z.T. unter Einbindung des Zuckers zueinander aus. Auch hier bildet sich nach und nach ein dreidimensionales Netzwerk aus.
Anwendungen und industrieller Einsatz
Pektine werden aufgrund ihrer Fähigkeit, Gele zu bilden, hauptsächlich in der Lebensmittelindustrie (Lebensmittelzusatzstoff E 440) zur Herstellung von Gelees, Konfitüren und Marmeladen eingesetzt. Niedrigmethylierte Pektine finden Anwendung in der Joghurt-Produktion und bei der Pasteurisierung von Sauermilchprodukten, wo die Koagulation des Caseins durch die Anwesenheit von Pektin unterbunden wird.
Ihre Eigenschaften als Verdickungsmittel, Schutzkolloide und Stabilisatoren werden auch in der Pharma- und Kosmetikindustrie genutzt, um die Viskosität und Stabilität von Emulsionen und Suspensionen zu erhöhen und verschiedene Gele, Cremes und Pasten zu erzeugen.
Weitere medizinische Anwendungen der Pektine sind gegeben durch die Fähigkeit, als Komplexbildner bei der Entgiftung bei Schwermetallvergiftungen mitzuwirken und durch ihre Eigenschaft den Cholesterinwert im Blut zu senken. Außerdem wird es in manchen Medikamenten zur Durchfallbehandlung eingesetzt.
Beispielsweise Apfelpektin wird als Ausleitkur für Menschen mit überschrittenen Grenzwerten (Atomare Verstrahlung) verwendet. 66% des Cäsium–137 können so wieder ausgeschieden werden. Die Entstehung von schweren chronischen Organerkrankungen kann so vermieden werden.
Ernährungsphysiologisch betrachtet sind Pektine für den Menschen Ballaststoffe. Mikroorganismen dagegen sind in der Lage, Pektine beziehungsweise Galakturonsäure zu verstoffwechseln.
Links
Internationaler Pektinproduzentenverband (IPPA International Pectin Producers' Association) [1]
WHO/JECFA-Spezifikation für Pektin [2]