Mormonentum
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Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage (HLT) (The Church of Jesus Christ of Latter-Day Saints, LDS, im Folgenden einfach „die Kirche), im Volksmund als Mormonen genannt, versteht sich als christliche Religion. Sie bezeichnet sich als die wiederhergestellte Kirche, die Jesus Christus nach seiner Auferstehung errichtet hat. Sie wurde 1830 in den USA vom Joseph Smith gegründet und hat ihren Hauptsitz in Salt Lake City im Bundesstaat Utah.
Übersicht
Heute (2004) ist die Gemeinschaft weltweit vertreten und hat zwischen 12 und 13 Mio. Mitglieder.
Mitglieder der Kirche, die sich selbst "Heilige der Letzten Tage" (englisch Latter-Day Saints (LDS)) nennen, verstehen ihren Glauben als eine durch Gott eingerichtete Wiederherstellung der Kirche, die, wie im Neuen Testament beschrieben, ursprünglich durch Jesus Christus gegründet wurde.
Der Name der Kirche
Der offizielle Name der Kirche ist "The Church of Jesus Christ of Latter-Day Saints", zu Deutsch "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage". Die Bezeichnung "Mormonen" wurde von Außenstehenden gegeben. Sie kommt ursprünglich von dem für die Kirche grundlegenden Buch Mormon. Unter den Mitgliedern wird sie zum Teil abgelehnt, zum Teil macht man sie sich jedoch auch bewusst zu eigen. Sie wird oft auch dann verwendet, wenn die vielen Splittergruppen mitgemeint sind, die sich im Laufe der Zeit von der Hauptkirche getrennt haben, da es keinen anderen guten Sammelbegriff gibt.
Theologie
In der Lehre der Gemeinschaft fließen die Lehren aus Altem und Neuem Testament sowie aus der Lehre Joseph Smiths und seiner Nachfolger.
Höchste Gottheit ist der Gott Vater, von dem die ganzen göttlichen Gesetze ausgehen und der die volle Entscheidungs- und Ausführungskraft besitzt. Die Lehre besagt auch, dass Gott Vater einen Körper besitzt und auch eine weibliche Gottheit an seiner Seite hat, nur so konnte er seine geistigen Kinder zeugen (die später in einen physischen Körper gekleidet auf die Erde kommen, also alle Menschen). Sein Sohn, Jesus Christus, ist an zweiter Stelle. Er hat auf Anweisung seines Vaters die Erde erschaffen, und auch später für die Sünden der Menschheit freiwillig gestorben und danach auferstanden, und somit den Tod überwunden. Der Heilige Geist hat keinen Körper und ist allwissend und allgegenwärtig. Er überträgt die Botschaften von Gott Vater und Jesus Christus. Die Mitglieder glauben auch daran, dass sie Antworten auf ihre Gebete durch den Heiligen Geist empfangen können.
Eine Dreifaltigkeit wird abgelehnt. Alle drei Gottheiten werden als von einander unabhängig agierende Personen betrachtet. Sie alle verfolgen jedoch das gleiche Ziel. Sie werden auch zusammengefasst als "die Gottheit" (engl. "the Godhead") bezeichnet.
Die Eigenschaften dieser Drei sind im wesentlichen Allmacht, Allwissenheit, Güte, Unveränderlichkeit und Unsterblichkeit.
Es gibt auch Unterschiede : Gott gilt als Ordner, nicht aber als Schöpfer der Materie; letztere habe schon immer existiert und werde auch ewig weiter bestehen. Auch Intelligenz sei ungeschaffen und könne auch nicht geschaffen werden. Gott gilt als Gott dieser Welt aber nicht notwendigerweise als Gott aller Welten. Die Mitglieder glauben auch, dass Gott selbst einst ein Mensch war und auf einer Erde wie dieser eine Prüfungszeit durchlaufen musste, bevor er selbst ein Gott werden konnte. Daher haben auch alle Menschen die Möglichkeit - wenn sie alle von Gott aufgestellten Gesetze befolgen - einst ein Gott zu werden und Welten zu erschaffen.
Der Himmel wird in drei Reiche aufgeteilt:
- das Celestiale Reich, das himmlische Reich, von lateinisch "caelum", d.h. "Himmel", oder das Reich der Sonne
- das Terrestriale Reich, das Reich des Mondes oder das irdische Reich, von lateinisch "terra", d.h. "Erde", und
- das Telestiale Reich, das entfernte Reich oder das Reich der Sterne, von griechisch "tele", d.h. "weit"
Die Mitglieder der Kirche, die im Tempel geheiratet haben, werden im Celestialen Reich derart belohnt, dass ihr Status gottgleich wird. Der Lehre nach können sie eigene geistige Kinder haben und später sogar eigene Welten erschaffen.
Alle guten Menschen, die dieser Lehre nicht folgen, werden sich im Terrestrialen Reich wiederfinden; auch hier finden sie ein ewiges, glorreiches Leben, müssen aber auf die Gegenwart Gottes des Vaters verzichten. Christus jedoch ist auch hier gegenwärtig.
Die Menschen, die die Gebote nicht gehalten haben oder nicht die Möglichkeit hatten von der Kirche zu hören, befinden sich im dritten, dem Telestialen Reich. Auch hier ist das ewige Leben, auch hier noch von alles Sterbliche weit überragender Herrlichkeit, jedoch sind weder Gott der Vater noch Christus, sondern nur der Heilige Geist anwesend. Hierhin gelangen alle die Menschen, die nach der Lehre vieler anderer Kirchen in die Hölle geschickt würden.
Nur eine sehr kleine Zahl von Menschen, die die Wahrheit sicher und mit Gewissheit wussten, sich aber willentlich von ihr abwandten, werden als sogenannte "Söhne des Verderbens" in eine Art Hölle geworfen, die sogenannte "äußere Finsternis".
Christologie
Die grundlegende Ablehnung der Kirche durch fast alle christlichen Zweige und Traditionen wird begründet mit der unterschiedlichen Auffassung zur Gottheit und der Bedeutung Jesu Christi (siehe auch Christologie). Die Mitglieder erklären, dass früh in der Geschichte der christlichen Kirche äußere Einflüsse des Hellenismus und Neuplatonismus eine Korruption der wahren Lehre bedingten, welche durch die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage wieder hergestellt werde. Kritiker werfen jedoch ein, die Lehre der Kirche Jesu Christi sei wesentlich neuplatonistischer als die Lehren anderer Christlicher Kirchen. Die Mitglieder glauben, die einzig wahre Kirche auf Erden zu sein, die die alleinige Vollmacht inne hat im Namen Gottes zu handeln. Der Glaube ist also, wie auch im Katholizismus und der Orthodoxie, absolutistisch und unvereinbar mit der christlichen Ökumene, sofern diese als "alle Kirchen sind Zweige der Einen Kirche Gottes" verstanden wird (siehe Ökumene weiter unten).
Heilige Schriften
Die Lehre von der fortlaufenden Offenbarung bedingt, dass der Kanon der heiligen Schriften nicht abgeschlossen ist. Derzeit stellen die Bibel mit Altem und Neuem Testament), das Buch Mormon, "Lehre und Bündnisse" und "Die Köstliche Perle" den Kanon dar. In der Praxis ist nur das Buch "Lehre und Bündnisse" nach 1900 noch ca. drei- bis viermal verändert worden.
Die Bibel
Die Bibel der Kirche ist das im ganzen Christentum anerkannte Buch gleichen Namens, ohne die bei den Katholiken und Orthodoxen üblichen Spätschriften des Alten Testaments. Von deutschsprachigen Mitgliedern wird heute die Einheitsübersetzung verwendet, im englischen Sprachraum seit jeher die King James Bibel von 1611. Das Buch Mormon wird als weiterer Zeuge für Jesus Christus angesehen und ist eine Ergänzung der Bibel. Dies begründet sich dadurch, dass die Gemeinschaft die Bibel als unvollständig und an vielen Stellen als falsch überliefert oder übersetzt ansieht; viele Lehren der frühchristlichen Zeit seien später herausgenommen worden.
Es gibt eine seherische "Übersetzung" der Bibel durch Joseph Smith, deren Manuskript allerdings nach dem Tode Smiths bei der unten näher erläuterten "Reorganisierten Kirche" verblieb, die sich auch das Copyright daran sicherte. Daher, und weil sie nie ganz fertiggestellt wurde, wird diese Version in der Salt Lake City-basierten Hauptkirche nicht verwendet. Viele ihrer Veränderungen erscheinen aber inzwischen, nach Ablauf des Copyrights, als Fußnoten in den englischsprachigen mormonischen Bibelausgaben, auch in der Hauptkirche. Zwei längere Auszüge finden sich im Buch "Die Köstliche Perle" (siehe unten). Dies ist keine Übersetzung im üblichen weltlichen Sinne (Smith konnte ja kein Griechisch und nur ein wenig Hebräisch), sondern nach Lehre der Kirche eine Serie von Smith durch den Heiligen Geist eingegebener Korrekturen zur englischen Bibel.
Das "Buch Mormon"
Mit der Herausgabe des Buches Mormon begann Joseph Smith im Jahre 1830 seine öffentliche Wirksamkeit. Das Buch ist nach Mormon benannt, welcher laut dem Bericht des Buches einer der letzten vor dem Niedergang der Völker im alten Amerika tätigen Propheten war. Das Buch Mormon berichtet unter anderem von der Arbeit, die Jesus Christus nach seiner Auferstehung in Amerika vollbracht habe.
Weitere, detaillierte Informationen siehe unter Buch Mormon
Die Entstehung des Buchs Mormon sowie sein Anspruch werden von Außenstehenden ganz anders gesehen als es innerhalb der Kirche der Fall ist. Die darin enthaltene Darstellung der altamerikanischen Geschichte wird von der nicht-mormonischen Geschichtswissenschaft als umstritten betrachtet.
Während des längsten Teils der Geschichte der Kirche Jesu Christi war es hauptsächlich die Existenz des Buches, die für die Mitglieder wichtig war, belegte sie doch ihrer Überzeugung nach das Prophetentum Joseph Smiths.
"Lehre und Bündnisse"
"Lehre und Bündnisse" ist eine Zusammenstellung von Offenbarungen, die Joseph Smith, seinen direkten Mitarbeitern und, in wenigen Fällen, ihm folgenden Propheten von Jesus Christus eingegeben worden seien.
Die meisten spezifischen Lehren der Kirche finden sich in diesem und dem folgenden Werk, nicht im Buch Mormon. In den anderen im Laufe der Zeit von der Kirche Jesu Christi abgespaltenen "mormonischen" Kirchen unterscheidet sich dieses Buch in Inhalt und Zusammenstellung meist erheblich von dem der in diesem Artikel behandelten Hauptkirche und wird auch regelmäßig fortgeschrieben. In der Kirche Jesu Christi sind solche Erweiterungen recht selten.
Unter den wichtigsten Lehren aus "Lehre und Bündnisse" sind zu nennen: Missouri als neues Zion, das zweigeteilte Priestertum und seine Rolle, das dreigeteilte Himmelreich, die Enthaltung von Alkohol und Tabak, die Taufen für die Verstorbenen sowie die ewige Ehe.
"Die köstliche Perle"
"Die Köstliche Perle" enthält Auszüge aus der seherischen "Übersetzung" des 1. Buch Mose von Joseph Smith (genannt "Das Buch Mose"), eine von Ägyptologen nicht akzeptierte Übersetzung eines ägyptischen Papyrus, den Joseph Smith nach eigenen Angaben 1835 erwarb und der von Abraham verfasst sein soll (genannt "Das Buch Abraham"), einen Auszug aus der "Übersetzung" des Matthäusevangeliums, eine kurze apologetische Autobiographie von Smiths Jugend bis zur Herausgabe des Buch Mormon mit der er über ihn umlaufende Gerüchte widerlegen wollte, sowie einen Teil eines seiner Briefe, der die 13 Glaubensartikel enthält. Dieses Buch, das 1851, also nach dem Tode Smiths, von Missionaren in England zusammengestellt wurde, wird von vielen anderen "mormonischen" Kirchen nicht als heilige Schrift anerkannt.
Inhaltlich ist in dieser Zusammenstellung hauptsächlich das "Buch Abraham" von Interesse; einerseits findet sich nur hier eine entscheidende Lehre der Kirche Jesu Christi, nämlich die "Mehrzahl der Götter" (engl. plurality of gods); andererseits sind die Papyri erhalten geblieben. Zu Smiths Zeiten waren die Hieroglyphen noch kaum entziffert; heute sind sie es, und die Papyri können somit von heutigen Ägyptologen gelesen werden. Dabei stellt sich heraus, dass sie aus spätägyptisch-hellenistischer Zeit, lange nach Abraham, stammen, und dass es sich um Teile des Buch des Atems handelt, welches eine Kurzfassung des ägyptischen Totenbuchs darstellt, die während dieser Epoche Mumien oft mit ins Grab gelegt wurde, und von der daher relativ viele Kopien erhalten geblieben sind. Der wahre Inhalt hat somit keinerlei Beziehung zum angeblichen Inhalt. Es gibt Wissenschaftler (in einer Vereinigung namens F.A.R.M.S. innerhalb der Kirche, die sich näher damit beschäftigen und ihre eigene Version und geschichtlichen Hintergründe dazu liefern. Siehe weitere Infomationen Hier: F.A.R.M.S.
Die drei Bücher "Buch Mormon", "Lehre und Bündnisse" und "Köstliche Perle" werden für Mitglieder der Kirche heute meist in einem Band herausgegeben.
Kernlehre
Die wichtigsten öffentlichen Glaubensgrundsätze hat die Kirche in 13 Artikeln aufgestellt. Eine bedeutende Rolle nimmt dabei der vierte Artikel ein, der den Glauben an Jesus Christus, die Umkehr vom falschen Leben und Glauben, die Taufe durch Untertauchen zur Vergebung der Sünden sowie das Auflegen der Hände zur Gabe des Heiligen Geistes betont.
Plan Gottes
Im Weltbild der Mitglieder nimmt der so genannte "Plan der Erlösung" eine zentrale Stellung ein. Diese Lehre besagt, dass der Mensch einst vor seiner Geburt in der Gegenwart Gottes als Geistkind lebte (siehe Präexistenz) und zu Prüfungszwecken zur Erde kam, um später wie Gott werden zu können. Vom Gründer Joseph Smith an über die Zeit Brigham Youngs (zweiter Prophet der Kirche Jesu Christi), bis zu den heutigen Führern der Gemeinschaft wurde und wird diese Lehre in unterschiedlichen Aspekten gepredigt.
Die Voraussetzungen für dieses "Gott Werden" sind die Mitgliedschaft bei den Kirche Jesu Christi durch die einzig bevollmächtigte Taufe, das Befolgen aller Gebote, das Innehaben des Priestertums für die Männer, die "ewige Ehe", die nur in einem Tempel der Kirche Jesu Christi geschlossen werden kann, und das Einhalten der Tempelbündnisse.
Die Kirche glaubt, dass durch das Sühneopfer Christi jeder Mensch vor leiblichem und geistlichem Tod (d.h. Sünde) gerettet werden kann, wenn er den Gesetzen der Evangelien folgt. Durch Jesu Kreuzestod und nachfolgende Auferstehung erlangt jeder Mensch Unsterblichkeit und kann dadurch erwarten, gemeinsam mit Gott in Ewigkeit zu leben. Obwohl das ewige Leben allen Menschen geschenkt ist, werden nur die ausgewählten, d. h. die im Tempel verheirateten Mitglieder der Kirche, in das höchste Königreich Gottes aufgenommen. Allerdings soll es auch nach dem Tode noch möglich sein, sich zum Glauben der Kirche Jesu Christi zu bekennen, und somit Eingang ins Königreich Gottes zu finden. Aus diesem Grund verzichtet die Kirche Jesu Christi auch, im Gegensatz zu einigen anderen Kirchen, auf eine Mission in Ländern, christliche Mission verboten oder hochgradig unerwünscht ist.
Umkehr
Die Kirche vertritt die Lehre von der Umkehr, welche ein ernsthaftes Bedauern sowie eine Wiedergutmachung, soweit möglich, und eine Änderung des eigenen Verhaltens darstellt. Bedeutende Sünden sollen dem Bischof, der in etwa dem Pfarrer anderer Kirchen entspricht, gebeichtet werden. Dieser soll aber auch für alltägliche Probleme bereitstehen.
Ein Schlüssel zur Umkehr ist das persönliche Bekenntnis im Gebet vor Gott, worin um Vergebung gebeten wird sowie darum, den Fehler nicht zu wiederholen.
Kritik
Insgesamt hat die große Bandbreite der mormonischen Theologie es einzelnen Kritiker schwer gemacht: Zu beinahe jedem Kritikpunkt gibt es gläubige Mitglieder, die diesen Glauben gar nicht teilen. Befürworter der Kirche sehen in dieser großen Bandbreite der Lehren ein Zeichen von Toleranz.
Die Lehre der Gemeinschaft wurde über die Jahre immer wieder leicht verändert und der jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklung angepasst, das betrifft z.B. Polygamie, Schwarze im Priestertum, Wortlaut der Tempelrituale. In letzter Zeit wurden die Familie und Jesus Christus stärker in den Vordergrund gestellt.
Ökumene
Gemäß der Ersten Vision von Joseph Smith gelten alle anderen Kirchen als nicht wahr. Nichts desto trotz betrachtet sich die Kirche Jesu Christi den anderen Kirchen gegenüber als sehr Tolerant und versucht mit allen Kirchen einen guten Kontakt aufzubauen. Eine einheitliche Ordnung lehnt die Kirche jedoch ab.
Gemeindehäuser und Tempel
Der Gottesdienst findet jeden Sonntag im Gemeindehaus statt und umfasst Gesang, Gebet, Abendmahl und Predigt wobei jedes Mitglied eine Ansprache geben kann. Einen Prediger gibt es in dem Sinne nicht). Das Abendmahl, im Englischen einfach the sacrament genannt, findet wie im Katholizismus jede Woche statt. Anstelle von Oblaten und Wein aus einem großen Kelch wird normales Weißbrot und Wasser aus kleinen Bechern verwendet. Die Verwendung von Wasser hängt mit dem unten beschriebenen Gebot auf Alkohol zu verzichten zusammen.
Es ist nicht vorgeschrieben, aber erwünscht, dass Männer in Anzug oder Kombination mit Krawatte und Frauen in Rock oder Kleid teilnehmen; es muss kein besonders teurer Anzug sein, aber legere Kleidung gilt als unangemessen. Da kleine Gemeinden, in denen man sich persönlich kennt, erwünscht sind, teilen sich oft mehrere Gemeinden ein Gemeindehaus und feiern ihre Gottesdienste dort nacheinander. Einmal monatlich findet anstelle einer Predigt eine allgemeine Aussprache statt, wobei jeder, der möchte, sein persönliches Zeugnis vom Evangelium und der Kirche mit den anderen teilen kann. Der Begriff des Zeugnisses spielt eine wichtige Rolle bei den Mitgliedern, die glauben, dass jeder Mensch von Gott direkt angesprochen wird, wenn er im Gebet darum bittet.
Tempel dienen nicht dem normalen sonntäglichen Gottesdienst; in ihnen finden verschiedene spezielle Zeremonien statt, deren gemeinsamer Nenner und Hauptunterschied zu den anderen Ritualen der Kirche darin besteht, dass sie einen direkten Bezug zum Jenseits und Leben nach dem Tod haben. Es werden Einweihungen (Endowments) durchgeführt, die Taufen für die Toten vollzogen, ewige Ehen geschlossen und die Kinder an ihre Eltern gesiegelt (damit sie nach dem Tod als Familie ewig bestehen können). Nach dem Bau haben die Tempel einige Tage der Offenen Tür, aber ab der Einweihung ist der Zutritt nur erwachsenen Kirchenmitgliedern mit Empfehlungsschreiben ihres Bischofs, d.h. des Gemeindeleiters, gestattet. Um das Empfehlungsschreiben zu erhalten muss man einige zentral vorgegebene Fragen zur eigenen Lebensführung, z.B. Zahlung des Zehnten, Einhaltung des Verzichtes auf Alkohol, zufriedenstellend beantworten, wobei der Wahrheitsgehalt der Antworten aber nicht kontrolliert wird es als Sache des Gewissens angesehen wird, wahrheitsgemäß zu antworten. Hierbei wird darauf hingewiesen, dass die Antworten vor Gott und nicht dem Interviewenden erfolgen. Der Tempelschein ist jeweils zwei Jahre gültig und muss danach erneuert werden.
Während des größten Teils der Kirchengeschichte gab es weltweit nur wenige Tempel, aber seit etwa 1990 wird deren Bau stark forciert, sodass nun etwas mehr als 100 existieren. Im Juli 2004 sind nach Angaben der Kirche 119 Tempel in Betrieb. Die Tempel, vor allem die älteren, sind meist architektonisch recht bemerkenswerte einzigartige, teilweise durchaus extravagante Gebäude. Die neueren Tempel (nach 1990) sind meist etwas simpler gehalten und auch untereinander einheitlicher. In Deutschland gibt es 2 Tempel. Einer steht in Friedrichsdorf bei Frankfurt und einer in Freiberg (Sachsen).
Taufe
Der Eintritt in die Kirche erfolgt formal über die Taufe und die in der Regel eine Woche später erfolgende Konfirmation.
Die Kirche praktiziert die Taufe durch Untertauchen, die in den Gemeindehäusern durchgeführt wird. Sie stellt ein Symbol für Begräbnis und Wiedergeburt als ein Jünger Jesu Christi dar. Durch Umkehr und Taufe wird ein Mensch von all seinen früheren Sünden gereinigt und in die Kirche aufgenommen. Wie in den meisten Kirche kann die Taufe nur einmal im Leben erfolgen.
Die Taufe wird nur nach dem achten Geburtstag durchgeführt, da erst dieses Alter sicherstelle, dass der Täufling für seine Handlung selbst verantwortlich ist. Die Säuglingstaufe wird sowohl im Buch Mormon als auch in neueren Offenbarungen strikt abgelehnt.
Die Taufen anderer Kirchen werden nicht anerkannt, und auch von bereits getauften Neumitgliedern wird erwartet, dass sie sich in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage neu taufen lassen. Umgekehrt erkennen fast alle anderen christlichen Kirchen diese Taufe nicht an, da nach ihrer Ansicht der Bezug auf die recht gelehrte Dreifaltigkeit fehlt. Dies kommt daher, dass die Mitglieder in Gott, Jesus und dem Heiligen Geist drei getrennte Personen sehen. Daher gibt es für Mormonen keine Dreifaltigkeit.
Taufe Verstorbener
Neben der Normalen Taufe existiert die Praxis der "Taufe für die Toten", in der ein Mitglied der Kirche als Stellvertreter für einen Verstorbenen einsteht, und anstelle dessen getauft wird. Es wird also dabei nicht, wie manche glauben könnten, ein Leichnam getauft. Im Gegensatz zur Taufe Lebender findet die Taufe Verstorbener im Tempel statt. Es handelt sich hierbei um Taufangebote die durch den Verstorbenen angenommen werden müssen. Es ist somit keine Zwangstaufe Verstorbener wie es manchmal falsch verstanden wird.
Nach der Lehre der Kirche können die zur Heilsbringung notwendigen Handlungen allen Menschen dargebracht werden, die sie bislang noch nicht erhalten haben; der Verstorbene selbst entscheide dann, ob er diese Taufe auch annehme.
Die systematische Taufe verstorbener Vorfahren wird durch die Ahnenforschung an Familiengeschichtszentren (Family History Centers, FHC) in vielen Städten der USA, aber auch in anderen Ländern, unterstützt. In Salt Lake City befindet sich das Hauptquartier dieser Zentren. Dort liegen Kirchenbuch-Verfilmungen (Mikrofilme), welche schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg in Gebieten des ehemaligen Deutschen Reiches begonnen wurden. In der USA kann man Kopien der Kirchenbuchfilme in den einzelnen Familien-Genealogischen Zentren besichtigen und kopieren.
Seit ein paar Jahren sind diese Abstammungslisten auch im Internet zugänglich (www.familysearch.org). Alle Eintragungen werden von freiwilligen Kirchenmitgliedern unternommen, welche wiederum ebenfalls die Unterlagen von persönlicher Ahnenforschung eintragen. Dabei unterlaufen natürlich auch Fehler. Jedoch ist die Verfilmung der Kirchenbücher original; wenn es sich um Kopien handelt, wird das explizit erwähnt.
Endowment
Das "Endowment" (deutsch etwa: Ausstattung; der früher in den deutschsprachigen Gemeinden der Kirche verwendete Begriff ist "Begabung") ist diejenige Zeremonie, an der der Gläubige bei seinem ersten Besuch im Tempel teilnimmt. Das Endowment ist Voraussetzung für eine Missionstätigkeit.
Das Endowment verpflichtet das Mitglied zur Loyalität und Hingabe zur Gemeinschaft und soll es mit den nötigen geistigen Dingen ausrüsten, die ein Leben in der Gegenwart Gottes ermöglichen. Dabei sollen diejenigen Teile des Glaubens, die wegen ihrer Heiligkeit nicht öffentlich ausgesprochen werden, erlernt und praktisch erfahren werden. Man kann nur einmal im eigenen Namen teilnehmen, jedoch danach auch noch stellvertretend für Verstorbene.
Im Rahmen der Zeremonie werden Namen, Zeichen und Kennzeichen bekannt gegeben, die nach der Lehre der Kirche für den Durchgang durch den Vorhang, also für den Übergang aus diesem Leben ins Jenseits, entscheidend wichtig sind. Diese Kennzeichen dürfen die Mitglieder nicht nach außen tragen. Beim Endowment wird, wie bei allen Tempelzeremonien, spezielle Tempelkleidung getragen.
Eheschließung
Die Ehe kann auch außerhalb des Tempels geschlossen werden, ist dann aber nur bis zum Tod gültig. Eine im Tempel mit seinem Jenseitsbezug geschlossene oder nachträglich bestätigte Ehe bleibt dagegen nach dem Glauben der Kirche über den Tod hinaus bestehen und ist Voraussetzung für den Eintritt ins Celestiale Reich. Dabei müssen beide Partner Kirchenmitglieder sein. Auch als Gäste bei der eigentlichen Eheschließung sind nur erwachsene Kirchenmitglieder mit gültigem Tempelschein zugelassen; bei der meist folgenden Party können natürlich auch andere eingeladen werden.
Bereits verheiratete Paare können die Ehe auch stellvertretend für verstorbene Paare schließen.
Siegelung
Die Siegelung ist eine Zeremonie, die wegen des Jenseitsbezugs nur im Tempel stattfindet. Alle Mitglieder einer Familie, Eltern und erwachsene Kinder, werden darin nach der Lehre der Kirche derart aneinandergebunden, dass sie auch im Jenseits noch eine Einheit bilden. Die Siegelung kann auch stellvertretend für Verstorbene durchgeführt werden, oder zwischen Lebenden und Verstorbenen.
Wort der Weisheit
Die Mitglieder leben entsprechend dem Wort der Weisheit oder Gesundheitsgesetz. Es wird Wert auf eine gesunde Ernährung gelegt. Dies umfasst den völligen Verzicht auf Tabak, Alkohol, Kaffee, Schwarztee, Drogen und alle anderen schädlichen Stoffe. Je nach Auslegung beinhaltet dies auch koffeeinhaltige Limonaden. Das Wort der Weisheit findet sich im Buch "Lehre und Bündnisse", Abschnitt 89, wird dort aber entgegen der heutigen Praxis als "kein Gebot oder Befehl", sondern als ein weiser Ratschlag bezeichnet. Die heutige strikte Auslegung entstand erst zur Zeit der Prohibition.
Kleidung
Die Kleidung sollte bescheiden aber gepflegt sein. Jeder soll aber selbst entscheiden, nach eigenem Gewissen, was er zu tragen hat.
Ehe
Sexuelle Enthaltsamkeit vor der Ehe wird vorgeschrieben. Die Ehe selbst sowie eine möglichst kinderreiche Ehe, gelten als erstrebenswert und heilsnotwendig. Homosexuelle Beziehungen werden strikt abgelehnt und gelten als Sünde. In den Anfängen der Gemeinschaft konnten die Männer mehrere Frauen heiraten (Vielehe, Polygamie). Dabei handelte es sich nur um Versorgung der Frauen, deren Männer verstorben waren und es handelte sich nicht um sexuelle Beziehungen. Bei den Vorfällen wurden die schuldigen Personen exkommuniziert. Joseph Smith, Brigham Young und einigen andere frühe Kirchenführer praktizierten dies zunächst im Geheimen. Ab etwa 1850 wurde es auch öffentlich und von normalen Mitgliedern ausgeübt und wurde bald zum entscheidenden Kennzeichen der Gemeinschaft, allerdings der tatsächliche Hintergrund der Versorgungs-Ehen ist nur wenigen Theologen bekannt. Diese Lehre wurde im Jahre 1891 aufgrund von äußerem Druck in der Praxis abgeschafft.
Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage glaubt, dass Familien ewigen Bestand haben und wirbt heute primär mit dieser Botschaft. Wer nicht im Tempel heiratet, kann einst nicht wie Gott werden und wird eine dienende Funktion im Himmel einnehmen.
Freizeit
Kirchenmitglieder treffen einander während der Woche zu gegenseitiger Ermutigung und zum gemeinsamen Gebet und Studium. Jedes erwachsene Kirchenmitglied hat gewöhnlich eine Berufung, genannte spezielle Aufgabe, wie z.B. Leitung von Kindergruppen, Buchhaltung, Instandhaltung der Gebäude und Anlagen, Besuche bei kranken Mitgliedern oder andere Sozialdienste.
Einmal in der Woche halten die Mitglieder einen "Familienabend" ab, an dem alle mit ihrer Familie irgendwas unternehmen sollen. Die Kirche empfiehlt, dies am Montag zu tun. Die Familien werden monatlich zu Hause von so genannten "Heimlehrern", das sind Männer meist ab dem 14. Lebensjahr, und "Besuchslehrerinnen", Frauen ab dem 18. Lebensjahr, besucht. Diese berichten dann in ihren entsprechenden Gremien oder dem Bischof über den Stand der Familien. Bei den Mitgliedern werden so entstehende persönliche Probleme schon früh erkannt, sodass früh geholfen werden kann. Die daraus resultierende Sozialisation der Jugend stellt einen der Grundpfeiler für das Wachstum der Gemeinschaft dar.
Zehnt
Die Mitglieder spenden der Kirche freiwillig 10% ihres Einkommens und folgen damit dem Zehnt des Alten Testaments. Dies erfolgt nicht in Form von Kirchensteuer sondern durch freiwillige Spenden. Manche Mitglieder gehen weiter und widmen auch 10% ihrer Zeit der Gemeinschaft und dem Evangelium.
Ehrenamtliche Aufgaben
Die Mitarbeit in der Kirche ist ehrenamtlich; nur wenige auf Lebenszeit dienende Funktionäre erhalten einen finanziellen Ausgleich. Auch die Jugendarbeit spielt eine große Rolle, seit dem 20. Jahrhundert besonders das Pfadfinderwesen; Pfadfinder zu sein ist in den USA für junge Mitglieder beinahe Pflicht.
Missionsarbeit
Junge Männer übernehmen meist mit 19 Jahren eine zweijährige Missionsarbeit, deren Kosten von der Familie getragen werden. Voraussetzung ist dabei die Weihe zum Ältesten und das Endowment. Die Kirche erwartet, dass jeder junge Mann, dessen Familie es irgendwie finanzieren kann, eine solche Mission leistet. Junge Frauen können, wenn sie es wünschen, ab dem 21. Lebensjahr 18 Monate lang in der Mission arbeiten. Ehepaare im Ruhestand können auch als Missionare dienen, von ihnen wird dies aber nicht allgemein erwartet.
Derzeit (2003) sind etwa 58.000 Missionare tätig. Die Gemeinschaft hat einen Zuwachs von ca. 300.000 neugetauften Mitgliedern jährlich, wobei die Zahl der Austritte und inaktiven Mitglieder entsprechend hoch sind.
Priesterschaft und Führung der Kirche
Weihen und Priestertum
Das Priestertum der Kirche besteht aus einem Aaronischen und Melchisedekischen Priestertum; das erstere hat dabei eher weltliche, das letztere mehr geistliche Aufgaben. Das Priestertum ist auf Männer beschränkt.
Das Priestertum und die von ihm verwalteten so genannten "Schlüssel" spielen in der Kirchenlehre eine zentrale Rolle; gemeint ist damit, dass alle Zeremonien nur von Priestern administriert werden dürfen. Auch werden viele alltägliche Angelegenheiten, wie die Rolle des Familienvaters, als spezielle Ausprägungen des Priestertums verstanden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Begriff der "Statthalterschaft" (engl. "stewardship"). Nach der Lehre der Kirche ist jeder Priestertumsträger ein Statthalter Gottes in seinem Lebensbereich und soll sich dies zum Maßstab seines Handelns nehmen. Im Gegenzug kann er auch für seinen Aufgabenbereich private Offenbarungen von Gott empfangen.
In den unteren Ebenen arbeiten ausschließlich unbezahlte Laienpriester, die diese Arbeit neben ihrer normalen Beschäftigung verrichten. In höchster Ebene arbeiten die Führer in Vollzeit und werden dafür auch bezahlt.
Jugendliche männliche Mitglieder erhalten die Weihe zum Aaronischen Priestertum ab 12 Jahren. Das Melchisedekische Priestertum wird ab 18 Jahren übertragen. Alle männlichen Mitglieder werden somit gewöhnlich während der Teenagerzeit bzw. einige Jahre nach ihrem Beitritt nacheinander zu Diakonen (ab 12), Lehrern (ab 14), Priestern (ab 16) und Ältesten (ab 18) geweiht, außer wenn sie das nicht wünschen. Diese Weihe von Jugendlichen ist seit der Zeit Brigham Youngs, des zweiten Propheten, üblich, wobei die Altersgrenzen später mehrmals abgesenkt wurden.
Von der Zeit Brigham Youngs bis zu einer Offenbarung 1978 waren schwarze Mitglieder von der Weihe ausgeschlossen. Schwarze sind innerhalb der USA auch heute noch eine sehr kleine Minderheit in den ganz überwiegend weißen Gemeinden, spielen aber in vielen wichtigen Missionsgebieten wie z.B. Brasilien eine größere Rolle. In einigen der kleineren Splittergruppen spielen dagegen Indianer eine relativ große Rolle, und in der frühen Kirchengeschichte gab es viele, allerdings nicht sehr erfolgreiche, Missionen bei Indianern, die als Nachfahren eines auserwählten Volkes gelten.
Höhere Weihen, die nicht jedem Mann gespendet werden, sind Hohepriester, Patriarch, Siebziger und Apostel. Anders als im Aaronischen Priestertum verleihen diese so genannten "Ämter" im Melchisedekischen Priestertum keine weiteren Priestertumsvollmachten; vielmehr gehen diese Ämter mit verschiedenen leitenden Aufgaben einher. Zum Beispiel sind Bischöfe und Pfahlpräsidenten sowie ihre Ratgeber Hohepriester.
Jeder Priestertumsträger, außer den Patriarchen, gehört mit seinem Amt auch zu einem Kollegium: ein Diakon beispielsweise zum Diakonskollegium seiner Gemeinde, eine Hoherpriester zum Hohenpriesterkollegium des Pfahles.
Diakons-, Lehrer-, Priester- und Ältestenkollegien gehören zu einer bestimmten Gemeinde, während es in einem Pfahl nur ein Hohepriesterkollegium gibt und in den einzelnen Gemeinden nur Hohepriester-Gruppen.
Die Kollegien der Siebziger und der Apostel gibt es nur auf Kirchenebene. Es gibt ein Kollegium der Zwölf Apostel sowie bis zu sieben Kollegien der Siebziger. (Zurzeit – 2004 – gibt es sechs Kollegien der Siebziger auf der Welt.)
Organisation der Kirche
Lokal
Die kleinste ordentliche Einheit der Kirche ist die Gemeinde, die von einem Bischof mit seinen (üblicherweise zwei) Ratgebern geleitet wird. Mehrere Gemeinden werden zu einem Pfahl (englisch "stake") zusammengefasst; der Name rührt von den Zeltpfählen her, die das Bündniszelt im alten Israel stützten. Der Pfahl wird von der Pfahlpräsidentschaft geleitet, welche aus einem Pfahlpräsidenten und seinen Ratgebern besteht.
Es gibt im Pfahl auch einen Hohen Rat aus zwölf Hohenpriestern (den Hohen Räten), welche der Pfahlpräsidentschaft bei der Leitung des Pfahles behilflich sind und den Auftrag haben, die Gemeinden regelmäßig zu besuchen. Jeder Hohe Rat ist außer für eine oder mehrere Gemeinden (je nach Anzahl der Gemeinden im Pfahl) normalerweise auch für einen bestimmten Bereich (z.B. Jugendarbeit, Missionsarbeit, Tempel) verantwortlich. Der Begriff "Hoher Rat" kann sowohl eine Person als auch die gesamte Gruppe bezeichnen.
In Gegenden der Welt, in denen es verhältnismäßig wenige Mitglieder gibt -- zum Beispiel die deutschsprachigen Länder --, sind Mitglieder in Gruppen oder Zweigen organisiert, die zu Distrikten zusammengefasst werden, welche wiederum Missionen unterstellt sind. Pfähle und Missionen unterstehen Gebieten mit einer Gebietspräsidentschaft; auch diese besteht aus einem Gebietspräsidenten und seinen Ratgebern.
Global
Das erste und das zweite Kollegium der Siebziger umfasst Siebziger, die für die Kirche in der ganzen Welt verantwortlich sind. Gebietspräsidenten sowie manchmal ihre Ratgeber sind häufig aus einem dieser Kollegien. Männer im zweiten Kollegium der Siebziger dienen für einen begrenzte Zeit, häufig fünf Jahre, während Männer im ersten Kollegium der Siebziger auf Lebenszeit berufen werden. Diese verlassen ihre bisherige Arbeit und werden von der Kirche für ihren Dienst bezahlt.
Der Prophet
An der Spitze der Kirche steht die Erste Präsidentschaft mit einem Präsidenten/Propheten und seinen (üblicherweise zwei) Ratgebern, sowie das Kollegium der Zwölf Apostel.
Die Mitglieder der Kirche glauben daran, dass Gott direkt oder durch den Propheten Offenbarungen geben kann.
Der Präsident und seine Ratgeber sind ebenfalls Apostel, werden aber normalerweise nicht als Mitglieder des Kollegiums der Zwölf Apostel gezählt, sodass es normalerweise insgesamt fünfzehn Apostel gibt. Die Apostel haben den besonderen Auftrag, als "besondere Zeugen für Jesus Christus" zu dienen. Auch die Erste Präsidentschaft und die Apostel sind in Vollzeit für die Kirche tätig und werden durch diese finanziell unterstützt.
Die Erste Präsidentschaft und die zwölf Apostel werden von den Mitgliedern als Propheten, Seher und Offenbarer (engl. prophets, seers, and revelators) angesehen. Sie bilden zusammen mit den ersten beiden Kollegien der Siebzig die so genannten Generalautoritäten der Kirche.
Wenn der Präsident/Prophet der Kirche stirbt, so wird normaler Weise der dienstälteste Apostel einstimmig von den restlichen Aposteln und später allen Mitgliedern als neuer Präsident der Kirche bestätigt.
Geschichte
Gründung
Die Kirche wurde formal am 6. April 1830 von Joseph Smith und fünf seiner Familienmitglieder und Nachbarn in Fayette im Staat New York als Religionsgemeinschaft angemeldet. Joseph Smith wird als Prophet angesehen.
Smith erklärte, im Jahre 1820 nach einem Gebet über die Frage, welche Kirche die wahre sei, eine Vision gehabt zu haben, in der ihm Gott Vater und Jesus Christus erschienen. Diese sollen ihm mitgeteilt haben, dass alle derzeit bestehenden Kirchen im Irrtum seien und er sich keiner anschließen dürfe.
In den Jahren von 1823 bis 1827 habe er weitere Erscheinungen gehabt, diesmal von einem Engel namens Moroni, der ihm den Auftrag gegeben haben soll, das "Buch Mormon" von goldenen Platten, die seit Jahrhunderten in einem von Moroni "Cumorah" genannten nahen Hügel lagerten, zu übersetzen. "Cumorah" ist übrigens der damalige Name der Komoren, und "Moroni" heißt die Hauptstadt der Komoren. Joseph Smith übersetzte dann das Buch mit Hilfe der ebenfalls gefundenen Sehersteine Urim und Tummim. Danach habe er die Platten elf Zeugen aus Familie und Nachbarschaft gezeigt, worauf Moroni sie wieder an sich genommen habe. Das Buch wurde 1830, kurz vor der Gründung der Kirche, erstmals veröffentlicht.
Joseph Smith wurde am 27. Juni 1844 im Gefängnis von Carthage in der Nähe von Nauvoo, wohin er sich freiwillig begeben hatte nach einer Anklage die gegen ihn erhoben worden war, von einem bewaffneten und maskierten Mob erschossen. Sein Tod wird von dem einzig überlebenden Zeugen, dem späteren dritten Propheten der Kirche, John Taylor, im Abschnitt 135 der Lehre und Bündnisse näher beschrieben.
Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage breitete sich aus und musste in den folgenden Jahren häufig ihren Standort wechseln: Von Fayette (New York) nach Kirtland (Ohio) und Far West (Missouri). Von dort nach Nauvoo (Illinois) und schließlich nach Smiths Tod hinaus aus den zunehmend feindlich empfundenen USA nach Westen über die Rocky Mountains in ein Gebiet das damals noch zu Mexiko gehörte. Dort gründeten die Mitglieder der Kirche ihre noch heute bestehende Metropole Salt Lake City (Utah). Zur Gründerzeit von Salt Lake City (1847) und danach folgten Tausende von Gläubigen dem Ruf der Gemeinschaft und nahmen den beschwerlichen Weg, den "Mormon Trail", von 1300 km durch die Prärie und über die Berge auf sich, um sich im Zentrum der Mormonen zu sammeln. Diese Sammlung aller Gläubigen an einem Ort war damals Kirchenlehre, erst später hatten frisch getaufte auch die Wahl, in ihrer alten Heimat zu verbleiben. Die Pioniere der Kirche Jesu Christi trugen so ihren Teil zur weißen Erschließung des amerikanischen Westens bei.
Im Zuge der Besiedlung und der Gründung des Staates Utah befanden sich die Mitglieder für kurze Zeit mit den USA im Krieg. Zu dieser Zeit wurde auch das drittgrößte Massaker in der amerikanischen Geschichte von verbündeten Mitgliedern und Indianern an einem friedlichen Siedlertreck verübt: Das Mountain Meadow Massaker.
Die Anfeindungen erfolgten hauptsächlich wegen der von etwa 1850 bis 1890 bei den Mitgliedern offiziell erlaubten Polygamie sowie wegen des Auftretens der Kirche als geschlossene, gemeinsam lebende und einheitlich handelnde Gruppe, die somit auch politische Mehrheiten zu ihren Gunsten zu verändern drohte. Lange Zeit unterstützten die Mitglieder vor allem die Demokratische Partei, heute sind sie ganz überwiegend den Republikanern zugeneigt.
Weitere Entwicklung
Seit ihrer Gründung bis heute ist die Kirche zu einer Religion mit weltweit mehr als 12 Millionen Mitgliedern angewachsen und stellt die fünftgrößte Religionsgemeinschaft in den USA dar. In vielen westlichen Bundesstaaten der USA ist sie heute die größte Einzelkirche. Außerhalb der USA war ihre Mission vor allem in westlichen Kanada, in Lateinamerika, auf den Philippinen und auf einem Teil der Pazifikinseln erfolgreich; manche Pazifikinseln sind heute mehrheitlich mormonisch. In Europa gibt es dagegen nur sehr wenige Mitglieder und die Mitgliederzahlen sinken weiter ab. Lediglich in Großbritannien sind es etwas mehr.
Abspaltungen
Die Kirche in Utah ist die größte einer langen Reihe von Religionsgemeinschaften, die sich als legitime Nachfolgeorganisationen der von Joseph Smith gegründeten Kirche verstehen.
Die größte der vielen Splittergruppen ist mit etwa 250.000 Mitgliedern die Reorganisierte Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage, heute "Gemeinschaft Christi" genannt, welche 1860 von Smiths Witwe und seinem Sohn begründet wurde. Diese ist jedoch heute eher dem Protestantismus als einem "Mormonismus" zuzuordnen.
Siehe Auch
Überblick über die Propheten der Kirche F.A.R.M.S. - Interne Organisation der Mitglieder an der kircheneigenen "Brigham Young University", die sich wissenschaftlich mit dem Thema "Buch Mormon und altamerikanische Geschichte" auseinandersetzten
Weblinks
- Offizielle Homepages der LDS Deutschland, Schweiz, Österreich, International
- http://www.relinfo.ch/mormonen/index.html (kritisch)
- Sachliche Kritik Allgemein, Zum Buch Abraham, Zum Buch Mormon