Fastenzeit
Die Fastenzeit ist eine Zeit, in der von einer Religion das Fasten vorgeschrieben oder vorgeschlagen wird. Im Christentum ist es ein Merkmal der katholischen Tradition, die sowohl im römischen Katholizismus als auch in der Orthodoxie und im Protestantismus in unterschiedlichem Maß ausgeprägt ist.
Historische Entwicklung und Symbolik der christlichen Fastenzeit vor der Reformation
Die christliche Tradition sieht genau genommen zwei Fastenzeiten vor, da die Adventszeit auch als Fastenzeit gesehen werden kann. Der christliche Brauch der Fastenzeit lässt sich bis in das 4. Jahrhundert zurückverfolgen. Im Mittelalter dauerte die Fastenzeit vor Weihnachten 40 Tage und begann nach dem 11. November, dem Martinstag. Der Brauch, davor noch eine Martinsgans zu essen, stammt aus jener Zeit. Der Begriff Fastenzeit wird jedoch nur (und auch im älteren Sprachgebrauch) für die österliche Bußzeit verwendet. Sie beginnt am Aschermittwoch und endet in der Osternacht, dem Vorabend des Ostersonntag. In dieser Zeit sind ebenfalls 40 Tage Fastenzeit vorgesehen, wobei die Sonntage seit der Synode von Benevent (1091) nicht mehr dazu gerechnet werden. Nach einer anderen Zählweise erstreckt sich die Fastenzeit ebenfalls 40 Tage lang, was auf den Zeitraum von Aschermittwoch bis Palmsonntag bezogen ist und zwar inkl. der Sonntage. Ab Palmsonntag beginnt die Heilige Woche (Karwoche), welche nach dieser Zählweise als extra Abschnitt zählt.
Im christlichen Festkalender geht die österliche Fastenzeit (Quadragesima) dem Osterfest voran, das durch das Konzil von Nicäa 325 auf den ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond festgesetzt wurde. Ostern ist deshalb ein beweglicher Festtermin, der auf die Zeit zwischen den 22. März und den 25. April (Ostergrenzen) fallen kann. Der Termin der Fastenzeit ist "beweglich" und definiert sich im Verhältnis zu Ostern durch die Länge der Fastenzeit.
In Bezug auf das Fasten Jesu in der Wüste (Mt 4, 2) legte die Kirche die Länge der Fastenzeit auf 40 Tage und Nächte fest. Die in 40 Einheiten zu teilende Zeitspanne bezeichnet die erdzugewandte Vielfalt und kommt in der Bibel mehrfach vor: 40 Jahre wandern die Israeliten durch die Wüste (Ex 16,35), 40 Tage begegnet Moses Gott auf dem Sinai (Ex 24,18), 40 Tage wandert Elias zum Berg Horeb (1 Kön 19,8), 40 Tage fastet Jesus in der Wüste (Mt 4,2; Lk 4,2) und 40 Tage nach der Auferstehung (= Ostern) feiert die Kirche Christi Himmelfahrt (Apg 1,3).
Der Beginn der Fastenzeit liegt auf einem Mittwoch und das Ende der Fastnachtszeit auf dem Dienstag nach dem 6. Sonntag vor Ostern (Invocabit). Als die Synode von Benevent 1091 die Sonntage in der Fastenzeit als Gedächtnistage der Auferstehung Jesu vom Fasten ausnahm, rückte deshalb der Beginn der Fastenzeit um 6 (Wochen-) Tage vor. Die Fastnacht endet seitdem am Dienstag nach dem 7. Sonntag vor Ostern (Estomihi) und die Fastenzeit beginnt mit dem folgenden Mittwoch, dem Aschermittwoch. Jene, die ihre Fastnacht nach der alten Fastenordnung vor der Regelung in Benevent (1091) feiern, begehen die Alte Fastnacht (auch: Bauernfastnacht), die immer in die geltende Fastenzeit fällt. Zum Unterschied von der Alten Fastnacht wurde der der neuen Fastenordnung entsprechende neue Fastnachtstermin Herrenfastnacht genannt.
Die Fastenzeit galt als gebundene Zeit, denn in dieser Zeit waren die Christen an Verpflichtungen gebunden: Die Pflicht zum Fasten, d.h. zum Verzicht auf Fleisch, Milchprodukte (= Laktizinien), Wein und Eier, Mitfeier der Karwoche und der österlichen Gottesdienste, Teilnahme an der Osterbeichte.
Andere Namen für die österliche Fastenzeit oder Fastenquadragese sind: Quadragesima, Quadragena, Quarentana, Quadragesimum major, - ante pascha, tempus quadragesi-male, Großes Fasten, Lange -, jejunium longum, - quadragesimale, - paschale, jejunia.
Fastenzeiten in der römisch-katholischen Kirche
Die Fastenzeit beträgt nach römischer und liturgischkorrekter Zählweise 40 Tage. Sie beginnt am Aschermittwoch und endet am Palmsonntag(inkl. aller Fastensonntage). "Die Sonntag zählen auch zur Fastenzeit, sonst würde der Priester Grün,Rot oder Weiß tragen", dies sind Aussagen von Priestern(Pfarrern), welche in Rom studiert haben. Die Zeit von Palmsonntag bis Karsamstag (Osternachtsfeier) wird die "Heilige Woche" (Karwoche) genannt hier ist das Fasten zwingend vorgeschrieben, obwohl die Fastenzeit am Palmsonntag beendet ist. Die "Heilige Woche" ist ein eigener Abschnitt und soll nochmals genau auf das Leiden und Sterben Jesu hinweisen, sie endet in der Osternacht und deshalb ist auch hier das Fastengebot gültig.
Strenge gebotene Fasttage sind heute noch in der katholischen Kirche der Aschermittwoch als erster Tag der Fastenzeit, sowie der Karfreitag, an dem die Kirche des Leidens und Todes Christi gedenkt. Dabei dürfen sich die Gläubigen nur einmal sättigen und weitere zweimal einen kleinen Imbiss zu sich nehmen. Fleisch- und Alkoholkonsum sind an diesen beiden Tagen verboten (Abstinenzgebot).
In der Fastenzeit ist in erster Linie nach alter kirchlicher Tradition auf Fleisch zu verzichten, weil die Enthaltung von Fleisch nicht von jedem Menschen als Verzicht empfunden wird, dürfen an den empfohlenen Fasttagen auch andere Bußformen verrichtet werden. Viele Katholiken essen in dieser Zeit z. B. keine Süßigkeiten und entsagen sämtlichen Genussmitteln wie Kaffee, Tee oder Alkohol. Andere dagegen schränken alltägliche Gewohnheiten wie Fernsehen, Musik hören oder Computerspielen ein und meiden Kneipen- oder Diskobesuche. Auf diese Weise ist es möglich, die Fastenzeit individuell zu gestalten. An den Freitagen der Fastenzeit sollen Katholiken auf jeden Fall auf Fleisch verzichten. Die Sonntage der Fastenzeit sind vom Fasten immer ausgenommen.
Die bewusste Einschränkung soll v. a. eine Schulung des Geistes bewirken. Fastenzeit ist eine Zeit der Buße und der Umkehr. Daher sollen Katholiken während der österlichen Bußzeit die Beichte ablegen. In den Gemeinden finden auch häufig Bußgottesdienste statt. Diese können aber die Heilige Beichte nicht ersetzen.
Auch der Advent, die Vorbereitungszeit auf das Weihnachtsfest, gilt als gebotene Fastenzeit. Hier gilt gleiches wie in der Fastenzeit.
Fasten außerhalb der Fastenzeit
Vor den 1960er Jahren war der Verzicht auf Fleisch an Freitagen für alle Katholiken verbindlich vorgeschrieben. Heute kann dieser Verzicht durch einen anderen Akt der Buße und des Verzichts ersetzt werden.
Viele gläubige Katholiken, die eine engere Beziehung zu Gott aufbauen wollen, fasten aus persönlicher Frömmigkeit am Mittwoch und Freitag. Wobei der Freitag der wichtigste Fasttag ist. Man kann dabei bei Brot und Wasser, d. h. dass an diesen Tagen kein anderes Lebensmittel, bzw. Getränk zu sich genommen wird (der Verzicht auf Fleisch, Süßigkeiten u.Ä. an diesen Tagen wird allerdings auch als Fasten bezeichnet). Eine weitere beliebte Art zu fasten sind die Fastennovenen, die sich individuell gestalten lassen, aber immer die Dauer von neun Tagen betragen und meist Gebet und Fasten verbinden (Bsp.: Fasten bei Brot und Wasser und tägliches Rosenkranzgebet und/oder Besuch der Messe mit Empfang der Kommunion). Die Sonntage sind auch bei den Fastennovenen vom Fasten ausgenommen.
Fastenzeiten in der östlich-orthodoxen Kirche
Grundsätzlich sollte in der östlich-orthodoxen Kirche jeder Gläubige seine Fastenregeln mit Gott, sich selbst, und seinem Priester oder Beichtvater abklären. Fasten "auf eigene Faust" wird nicht empfohlen, und Beten sowie die striktestmögliche Enthaltung von den Sünden, nicht der Nahrungsverzicht, gilt als der wichtigere Teil der Fastenübung. Alles folgende ist also nur als Vorschlag zu verstehen.
Die östlich-orthodoxe Kirche hat vier Fastenzeiten:
- die große Fastenzeit, die sieben Wochen vor Ostern beginnt und bis Ostern dauert (50 Tage strenges Fasten)
- die Apostel-Fastenzeit vom ersten Sonntag nach Pfingsten bis zum Tag Peter und Paul am 29. Juni (Länge hängt vom Osterdatum ab, leichtes Fasten)
- die Mariä-Entschlafung-Fastenzeit vom 1. - 14. August (14 Tage mittleres Fasten)
- die Weihnachts-Fastenzeit vom 15. November bis 24. Dezember (3 Wochen leichtes, 3 Wochen mittleres Fasten)
Außerdem soll an jedem Mittwoch und Freitag gefastet werden, außer in den Wochen direkt nach Ostern und Weihnachten.
Während der Fastenzeiten sollte sowohl die Anzahl der täglichen Mahlzeiten wie auch deren Gehalt eingeschränkt werden. Innerhalb dieser Fastenzeiten gibt es Tage mit strengeren und weniger strengen Regeln: die mildeste Form ist Verzicht auf das Fleisch von Landtieren, bei der strengsten Form sind keinerlei Wirbeltier-Produkte (also an tierischen Lebensmitteln nur z.B. Honig und Meeresfrüchte), kein Öl und keine alkoholischen Getränke erlaubt, zudem sollen dann nur zwei Mahlzeiten am Tag gegessen werden und nichts zwischen den Mahlzeiten. Meeresfrüchte galten in den alten Mittelmeer-Kulturen, wo diese Regeln entstanden, als minderwertige Nahrung der Armen.
An Samstagen und Sonntagen wird das Fasten jeweils um eine "Stufe" gelockert.
Für Mönche gelten Regeln; je nach Kloster kann ein einziges gekochtes Ei pro Jahr, am Ostersonntag, das maximal erlaubte sein.
Fastenzeit in protestantischen Kirchen
Die Reformatoren haben das Fasten sehr kritisch betrachtet. Ihrer Ansicht nach handelte es sich dabei um einen rein äußerlichen Akt der Religiosität, der vor Gott nicht verdienstlich sei. Da Jesus Christus sich selbst am Kreuz geopfert hat, seien weitere Opfergaben unnötig. Dennoch ist der Brauch des Fastens im heutigen Protestantismus nicht unbekannt. Für viele Protestanten ist der Verzicht auf Fleisch und Genussmittel bis heute am Karfreitag selbstverständlich. Je stärker der individuelle Protestant bzw. die einzelne protestantische Konfession der katholischen Tradition verpflichtet ist, desto eher wird auch das Fasten mit der 40-tägigen Fastenzeit in Verbindung gebracht, und desto eher werden auch andere Bräuche, die in der Orthodoxie oder im römischen Katholizismus vorkommen, praktiziert. So wird in der anglikanischen Tradition das Aschenkreuz auf der Stirn empfangen; auch liturgische Bewegungen innerhalb des restlichen Protestantismus, wie z.B. die Taizé-Bewegung oder die Berneuchener Bewegung, berücksichtigen die Fastenzeit, in dem die Liturgien einen besonderen Bußcharakter erhalten, und auf das Wort Alleluia verzichtet wird. Am anderen Ende des protestantischen Spektrums, z.B. bei Pfingstlern oder Evangelikalen, aber auch bei vielen Reformierten Christen werden diese geschichtlich gewachsenen Traditionen überhaupt nicht berücksichtigt oder gar als abergläubisch verworfen. Dort, wo die Fastenzeit im Protestantismus beachtet wird, wird weniger auf detaillierte Essvorschriften geachtet, und mehr auf Verzicht im Allgemeinen; so nimmt auch die Evangelische Kirche in Deutschland an Aktionen teil, wie z.B. "Auto-Fasten", die gemeinschaftlich mit der Römisch-katholischen Kirche und dem Verkehrsclub Deutschland organisiert wird.
Fastenzeit im Islam
Die jährliche maximal dreißigtägige Fastenzeit des Islam heißt Ramadan. In dieser Zeit dürfen Moslems tagsüber weder essen noch trinken.
Fasten (arabisch: Saum) bildet die vierte Säule des Islam und ist für alle Muslime verpflichtend. Der Fastenmonat Ramadan beginnt, wenn am ersten Tag des Monats die Mondsichel erkennbar wird und endet, wenn sich dies zu Beginn des Folgemonats wiederholt. Die tägliche Fastenzeit umfasst die Zeit des Tageslichts.
Da das Jahr im Islamischen Kalender 10 bis 12 Tage kürzer als das Sonnenjahr ist, wandert der Fastenmonat durch die Jahreszeiten. Im Jahr 2006 ist er im Zeitraum vom 24. September 2006 bis zum 24. Oktober 2006
Während der täglichen Fastenzeit ist untersagt:
- Nahrungsaufnahme
- Trinken
- Parfüm
- Geschlechtsverkehr
Diese Tätigkeiten sind aber nach Sonnenunter- und vor Sonnenaufgang erlaubt. Die erste Speisen nach Einbruch der Dunkelheit sind dabei Wasser und Datteln.
Zum Fasten gehört weiterhin, sich dem Koran zu widmen, in die Moschee zum Beten oder zur gemeinschaftlichen Koranrezitation zu gehen. Ebenso soll man seinen Glauben auch durch andere Handlungen bezeugen.
Die Verpflichtung zum Fasten gilt für für alle erwachsenen Muslime, gleich ob Mann oder Frau, sowie für Jugendliche ab dem Einsetzen der Pubertät.
Davon ausgenommen sind laut Koran Kranke (sowohl physisch als auch psychisch) und Menschen, die sich auf einer Reise befinden. Frauen sind während der Schwangerschaft, der Zeit des Stillens und während der Menstruation auch ausgenommen, da sie sich in diesen Zeiten in einem Zustand der Unreinheit befinden.
Fastenzeit der Baha'i
Die neunzehntägige Fastenzeit fällt auf den Monat Ala (2. bis 20. März) des Baha'i-Kalenders. Shoghi Effendi weist darauf hin, dass die Fastenzeit mit der vollständigen Enthaltung von Speise und Trank zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang „im wesentlichen eine Zeit der Meditation und des Gebetes, der geistigen Erneuerung ist, während der Gläubige sich bemühen soll, sein inneres Leben wieder zu ordnen und die in seiner Seele ruhenden geistigen Kräfte zu erfrischen und zu stärken. Der Sinn und Zweck des Fastens ist geistiger Natur. Fasten ist ein Symbol, eine Mahnung, sich selbstischer und fleischlicher Wünsche zu enthalten.“ Abdul Baha erklärt, dass Fasten in der Enthaltung von Speise und Trank besteht und dass auch das Rauchen eine Art von „Trinken“ ist. Im Arabischen bezeichnet nämlich dasselbe Verb sowohl trinken als auch rauchen.
Siehe auch:
- Fasten, Heilfasten, Fastenbrechen
- Familienfasttag, Misereor, Fastensuppe
- Exerzitien, Einkehr- und Wüstentage,
Literatur
- Peter Gerlitz, Hugo Mantel, Stuart George Hall, Joseph H. Crehan: Fasten/Fasttage I. Religionsgeschichtlich II. Judentum III. Biblisch und kirchenhistorisch. In: Theologische Realenzyklopädie 11 (1983), S. 41-59 (histor. Überblick)