Project for the New American Century
Das Project for the New American Century (PNAC), zu deutsch: Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert, ist eine US-amerikanische neokonservative Denkfabrik.
Es wurde im Frühjahr 1997 als nicht-kommerzielle Ausbildungsorganistation gegründet, deren Ziel es ist, für weltweite Führerschaft der Vereinigten Staaten zu werben. Das PNAC hat seinen Sitz im gleichen Gebäude wie das American Enterprise Institute in Washington (D.C.).
Allgemeines
Das PNAC gilt diesseits wie jenseits des Atlantik als äußerst umstritten. Kritiker argwöhnen, die Denkfabrik befürworte die US-amerikanische Herrschaft über das Weltgeschehen für die absehbare Zukunft (Pax Americana) – folglich das "neue amerikanische Jahrhundert" und betreibe dafür umfangreiche Lobby-Arbeit unter Politikern, nicht zuletzt auch in der verschwiegenen Politik-Insidervereinigung Atlantik-Brücke. Das PNAC nennt ihre Vorgehensweise, umfangreiche politische Konzepte für Parlamentarier so zu straffen, dass sie in eine Aktentasche passen, brief test case.
Die meisten der Ideen und Mitglieder des PNAC stehen mit der politischen Schule des Neokonservativismus in Verbindung. Einer der wichtigsten Protagonisten der Denkfabrik war lange Zeit sein Mitbegründer Richard Perle. Als Wortführer am öffentlichkeitswirksamsten ist daneben anscheinend der zeitweise in Brüssel lebende Journalist Robert Kagan. Das PNAC bildet einen Teil eines weitversponnenen neokonservativen Netzwerks von Denkfabriken, Medien, Bildungseinrichtungen, Stiftungen und Werbe- bzw. PR-Agenturen - schwer überblickbar, aber hervorragend organisiert und dementsprechend einflussreich.
Das Projekt stellt eine Initiative des New Citizenship Project dar, einer nichtkommerziellen Organisation gemäß der Bestimmungen von § 501c3 (in welchem festgelegt ist, was die Voraussetzungen für diesen Status sind), die von der Bradley Foundation finanziert wird.
Die Thesen
Das PNAC vertritt u.a. folgende Thesen:
- US-amerikanische Führerschaft ist sowohl gut für die Vereinigten Staaten von Amerika als auch für die ganze Welt.
- Eine solche Führerschaft erfordert militärische Stärke, diplomatische Energie und Hingabe an moralische Prinzipien.
- Eine multipolare Welt hat den Frieden nicht gesichert, sondern stets zu Kriegen geführt.
- Die Regierung der Vereinigten Staaten soll Kapital schlagen aus ihrer technologischen und wirtschaftlichen Überlegenheit, um durch Einsatz aller Mittel - einschließlich militärischer - unangefochtene Überlegenheit zu erreichen.
Wenn Diplomatie gescheitert sei, seien Militäraktionen ein akzeptables und nötiges Mittel (Clausewitz). Das PNAC befürwortet die Errichtung dauerhafter eigener Militärstützpunkte weltweit, um die USA weitestgehend unangreifbar zu machen. Als "Weltpolizist" hätten die Vereinigten Staaten die Macht, in einer chaotischen "hobbesianischen" Welt für die Einhaltung von Recht und Gesetz gemäß der von den USA gesetzten Maßstäbe zu sorgen - wenn es sein muss, auch ohne Absprache mit oder Rücksichtnahme auf "Verbündete" und andere supranationale Organisationen, Verträge und sonstige Rechtsverbindlichkeiten (Unilateralismus). Darin sehen alle Kritiker einen klaren geschichtlichen Rückfall hinter die mühselig errungenen Fortschritte im Völkerrecht seit dem Westfälischen Frieden.
Das PNAC und seine Mitglieder haben schon frühzeitig u.a. die Kündigung des mit der ehemaligen Sowjetunion geschlossenen ABM-Vertrages gefordert. Das PNAC schlägt außerdem vor, "die neuen internationalen Gemeinschaftssphären, Weltraum und virtuelle Welt, zu kontrollieren und den Weg für eine neue Militärgattung – die U.S. Space Forces – mit dem Auftrag, den Weltraum zu kontrollieren, freizumachen".
Im September 2000 publizierte das PNAC einen 80-seitigen Bericht mit dem Titel "Rebuilding America's Defenses: Strategies, Forces, And Resources For A New Century". Diese Forderung zur Fortsetzung des unter Ronald Reagan begonnenen "Star-Wars"-Projekt war Gegenstand zahlreicher Analysen und zog einiges an Kritik auf sich.
Mitglieder
Vorsitzender des PNAC ist William Kristol, Herausgeber des "Weekly Standard" und ehemaliger Herausgeber des Commentary Magazine. Gegenwärtige und ehemalige Mitglieder sind unter anderem auch Mitglieder der Bush-Regierung:
- Vizepräsident Dick Cheney
- Verteidigungsminister Donald Rumsfeld
- sein ehemaliger Stellvertreter und jetzige Weltbank-Direktor Paul Wolfowitz
- Vize-Außenminister Richard Armitage
- der einstige Präsidentenberater Richard Perle
- der ehemalige Staatssekretät und heutige Botschafter bei der UNO John R. Bolton
- der ehemalige Stabschef des Vizepräsidenten Lewis Libby
- der Direktor der Drogenaufsichtbehörde William J. Bennett
- Zalmay Khalilzad, der spätere US-Botschafter in Afghanistan
Zu den weiteren Mitglieder gehören Jeb Bush, der Gouverneur von Florida und Bruder des Präsidenten, der ehemalige CIA-Direktor James Woolsey, Ellen Bork, die Ehefrau des Richters Robert Bork, der Publizist William Kristol sowie der Politologe Francis Fukuyama.
Einige der Mitglieder werden, u. a. wegen ihrer Befürwortung militärischer Konfliktregulierung, oftmals als "Falken" bezeichnet.
Als Executive Director des PNAC fungieren und mit mehreren Publikationen aufgetretenen Geheimdienst-Experten Gary Schmitt, Elliot A. Cohen, Autor des Buches: Soldier, Statesman and Leadership in Wartime, und Thomas Donnelly, mittlerweile vom Rüstungskonzern Lockheed Martin eingestellt. Zu den Unterzeichnern des Statement of Principles des PNAC gehörte 1997 auch Steven Forbes, Herausgeber des Forbes Magazine.
Diskussion
Kritiker des PNAC betrachten diesen Bericht als ein Manifest, das die Grundlinien eines neuen ehrgeizigen Planes zur Etablierung eines neuartigen Imperialismus aufzeigt. Die Geopolitik darin sei offen von der Energiepolitik der USA bestimmt (Erdöl).
Befürworter hingegen argumentieren, dass die darin entwickelten politischen Entwürfe nicht grundsätzlich von dem abwichen, was andere konservative außenpolitische Analysten in den USA schon seit längerem vorschlügen. Einen hegemonialen Führungsanspruch hätten alle Weltmächte. Einige Befürworter begrüßen den zum Ausdruck kommenden Hegemonialanspruch ausdrücklich.
Einen Angriff auf den Irak hatte das PNAC schon länger gefordert (vgl. Irak-Invasionsplan der USA). So heißt es 1998 in einem Brief an den damaligen US-Präsidenten Bill Clinton: "We urge you to [...] enunciate a new strategy that would secure the interests of the U.S. and our friends and allies around the world [..] That strategy should aim, above all, at the removal of Saddam Hussein's regime from power." [1]
In Deutsch etwa: "Wir bitten Sie dringend [...] eine neue Strategie zu verkünden, die die Interessen der USA und unserer Freunde und Verbündeten in aller Welt absichert [...] . Diese Strategie sollte vor allem anderen auf die Entmachtung von Saddam Husseins Regime abzielen."
Kritiker zitieren häufig eine Passage des Manifests, die sich auf die Möglichkeit eines katastrophalen und transformierenden Ereignisses wie Pearl Harbor (Seite 51) bezieht und die in anscheinend verdächtiger Weise den Anschlägen am 11. September 2001 vorausgegangen ist. Sie legen nahe, dass das PNAC und seine Mitarbeiter die Anschläge gewollt und von den Vorbereitungen gewusst hätten oder sie sogar direkt darin verwickelt gewesen seien (s.h. Verschwörungstheorien zum 11. September 2001). Dem wird entgegengehalten, diese Passage sei aus dem Zusammenhang gerissen worden.
Das oben genannte Zitat steht im Mittelpunkt einer Diskussion über den Einsatz neuentwickelter Informationstechniken durch das Militär. Das Manifest hält den Übergang zu neuen Technologien für einen langsamen Prozess, es sei denn, ein katalysierendes Ereignis träte ein, das das Militär zu einer dramatischen Beschleunigung des Ausbaus seiner technologisch-strategischen Kapazitäten veranlassen würde. Als Vergleich wird das US-amerikanische Engagement im Vietnamkrieg herangezogen, das die Entwicklung der US-amerikanischen Militärtechnologie vorantrieb und die Rüstungsausgaben erheblich steigerte.
Fest steht, dass durch die Terroranschläge am 11. September das PNAC-Projekt befördert wurde.
Literatur
- Donnelly, Thomas: Operation Iraqi Freedom. A Strategic Assessment. Washington: AEI Press, 2004. - ISBN 0-844-74195-7
- Shulsky, Abram N./Schmitt, Gary James: Silent Warfare. Understanding the World of Intelligence. Dulles, VA: Brassey's Inc, 2002. - ISBN 1-574-88345-3
- Kagan, Robert/Kristol, William (Hg.): Present Dangers. Crisis and Opportunity in American Foreign and Defense Policy. San Francisco: Encounter Books, 2000. - ISBN 1-893-55413-9
- Soros, George: Die Vorherrschaft der USA - eine Seifenblase. München: Karl Blessing, 2004. - ISBN 3-896-67255-X - (Hier findet sich auf den Seiten 18 bis 20 eine deutsche Übersetzung der Grundsatzerklärung des PNAC.)
- Todd, Emmanuel: Weltmacht USA - Ein Nachruf. München: Piper, 2003. - ISBN 3-492-04535-9
Siehe auch
Weblinks
Analyse des PNAC
- Right-Web, Individual Profile: Gary Schmitt (vom Interhemispheric Resource Center IRC, dessen liberale US-Denkfabrik als FPIF firmiert)
- PNAC Watch -- Exposing the Project for the New American Century's plan for a unipolar world (PNAC-kritische Site)
- Kriegslobby - Die Vorbereitung eines Angriffskriegs ("Die Gazette", Februar 2003 - Übersetzung eines PNAC-Briefes an Präsident Clinton vom 26. Januar 1998)
- Neil Mackay, Bush planned Iraq 'regime change' before becoming President (Sunday Herald, 15. September 2002)
- John Pilger, America's Bid For Global Dominance (Zmag.org, 12. Dezember 2002. Ursprünglich erschienen im "New Statesman")
- Paul Reynolds, Analysis: Power Americana (BBC, 2. März 2003)
- Project for the New American Century: Info and Sources (Die Mitglieder des PNAC und ihre Schriften, Opednews.com)
- William Rivers Pitt, New York, you've been used (Truthout.org, 15. September 2003)
- Eine Ideologie packt ein (von Thomas Kleine-Brockhoff) (ZEIT online, 6. September 2006)