Vitra Campus
Vitra AG
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Rechtsform | Aktiengesellschaft |
Gründung | 1950 |
Sitz | Birsfelden, Schweiz |
Leitung | Hanns-Peter Cohn (CEO) Rolf Fehlbaum (VR-Präsident) |
Branche | Möbel |
Website | www.vitra.com |

Vitra AG ist ein Schweizer Unternehmen für die Herstellung und den Handel mit Wohn- und Büromöbeln mit der Zentrale in Birsfelden, Basel-Landschaft, Schweiz. Eigenständige Filialen in 14 Ländern gehören zur Unternehmensgruppe. Am deutschen Standort in Weil am Rhein befindet sich seit 1989 auch das Vitra Design Museum.
Möbeldesign
Im Alter von 20 Jahren übernahm Willi Fehlbaum (* 1914) ein Ladenbaugeschäft in Birsfelden bei Basel, das er mit seiner Frau Erika kontinuierlich zu einem Möbelbau-Unternehmen erweiterte. Nach Kriegsende verlagerte er 1950 die Produktionsstätten nach Weil am Rhein in Deutschland, ebenfalls nahe bei Basel gelegen, und nannte seine Firma Vitra. Auf einer USA-Reise 1953 entdeckte Fehlbaum die Ausstellungsstücke des Designer-Ehepaars Charles und Ray Eames. Er bemühte sich spontan um die Vertriebslizenzen und erhielt die Rechte von Herman Miller, dessen Mobiliar bereits damals ein hohes Ansehen in den USA hatte. Zu dem Vertrag zählten die Entwürfe der Eames sowie George Nelson. Die Sitz- und Liegemöbel von Charles und Ray Eames gehören bis heute zu den erfolgreichsten Produkten des Unternehmens. Ein großer Teil des nichtschriftlichen Nachlasses der beiden Möbelentwerfer befindet sich seit 1988 im Besitz von Vitra.[1]
Designgeschichte schrieb der Panton Chair des dänischen Designers Verner Panton, der 1967 bei Vitra in Serie ging. 1976 kam Vitras erster selbst entwickelter Bürostuhl auf den Markt, der „Vitramat“.
1977 übernahm Rolf Fehlbaum die Leitung des Unternehmens, sein Bruder Raymond nahm ebenfalls eine Führungsposition ein und leitete weiterhin das Ladenbaugeschäft Vizona in Muttenz.
Entwürfe von bekannten Designern und Architekten wie Antonio Citterio, Alberto Meda, Mario Bellini, Maarten van Severen, Jasper Morrison, Ronan und Erwan Bouroullec, Hella Jongerius und Konstantin Grcic werden bei Vitra hergestellt. Bellinis samtblauer Drehstuhl-Entwurf „Figura“ wurde für den Plenarsaal des Deutschen Bundestages ausgewählt.[2]
Um die Jahrtausendwende setzte Vitra auf die Idee des offenen, mobilen Großraumbüros. Die Globalisierung erhöhe die Mobilität der Mitarbeiter, so dass entsprechend flexible Büromodule die Abkehr vom festen Arbeitsplatz erleichtern sollten. Ein halbes Jahrzehnt später modifizierte und relativierte man die These einer allgemeinen Auflösung von Arbeitsstrukturen und brachte dies im Schlagwort „Net 'n' Nest“ auf den Begriff. Demnach ist das Büro ein Zentrum der Kommunikation („Net“), das aber auch die Möglichkeit eines Rückzugs anbieten sollte („Nest“).[3] [4]
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Charles Eames: Lounge Chair, 1956
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Verner Panton: Panton, 1959-60
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Joe Colombo: Tubo, 1969
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Maarten van Severen: Vitra .03 Stuhl mit integrierten Blattfedern,
Flämisches Parlament in Brüssel, 2005 -
Mario Bellini: Figura (als Bestuhlung des Bundestags)
Architekturpark Vitra Campus
Der Begriff „Vitra Campus“ bezeichnet das Architektur-Ensemble auf dem Firmenareal des Möbelherstellers Vitra in Weil am Rhein, Deutschland.
Allgemeine Charakterisierung
Der Vitra Campus in Weil am Rhein umfasst Fabrikations-, Logistik- und Verwaltungsbauten des Unternehmens ebenso wie das Vitra Design Museum, weitere vorwiegend kulturell genutzte Gebäude sowie das als Schauraum und Besuchercenter konzipierte VitraHaus. Auf kleinem Raum versammelt, findet sich hier eine Vielfalt von zeitgenössischen Architekturen, die, seit 1981 schrittweise, von Architektinnen und Architekten wie Nicholas Grimshaw, Frank O. Gehry, Zaha Hadid, Tadao Ando, Alvaro Siza,[5] Herzog & de Meuron und SANAA errichtet wurden.
Der Vitra Campus zählt seit den 1990er Jahren zu den touristischen Höhepunkten in der Region Basel und wird mittlerweile jährlich von rund dreihunderttausend Besuchern aus der ganzen Welt besucht. Einzelne Bauten des Campus, insbesondere das Vitra Design Museum (Frank O. Gehry, 1989) und das Feuerwehrhaus (Zaha Hadid, 1993) gelten als Marksteine der jüngeren Architekturgeschichte.
Die Bezeichnung Vitra Campus verweist auf das Mit- bzw. Nebeneinander verschiedener architektonischer Handschriften und Konzepte sowie auf die unterschiedliche Zweckbestimmung der einzelnen Bauten.
Entwicklung
Vitra unterhält seit Anfang der 1950er Jahre einen Produktionsstandort in Weil am Rhein. Die eigentliche Geschichte des Vitra Campus begann 1981, als ein Grossbrand wesentliche Bereiche der damals bestehenden Produktionsanlagen vernichtete und das Unternehmen zwang, in kürzester Zeit neue Fabrikhallen zu bauen. Rolf Fehlbaum, der vier Jahre zuvor die Leitung der Firma übernommen hatte, erkannte die Chance, mit den notwendigen Baumaßnahmen eine architektonische Neuausrichtung zu verbinden. Nachdem der Architekt Nicholas Grimshaw innerhalb von nur sechs Monaten eine Fabrikhalle realisiert hatte, wurde er gebeten, einen Masterplan für die weitere Entwicklung des Areals zu entwerfen. Die Vorstellung war, dass in Zukunft weitere Gebäude in der gleichen Art entstehen und damit eine technisch ausgerichtete Corporate Identity unterstützen sollten.
Anlässlich des 70.Geburtstags des Vitra-Gründers Willi Fehlbaum, wurde 1984 auf dem Vitra Gelände eine Großskulptur von Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen errichtet. Mit der „Balancing Tools“ genannten Skulptur kam ein neues, die Welt der industriellen Produktion erweiterndes Element ins Spiel. Im Zuge dieses Projekts kam es zu der Begegnung von Rolf Fehlbaum mit Frank Gehry. Als Ergebnis der mit ihm geführten Diskussionen rückte Rolf Fehlbaum in den späten 1980er Jahren von der Idee einer Bebauung nach einheitlichen, wiedererkennbaren Gestaltungsgrundsätzen ab. Stattdessen verfolgte er seither einen pluralistischen Ansatz, der die Weiterentwicklung des Areals im Sinn eines gleichberechtigten Nebeneinanders unterschiedlicher Architektursprachen und -auffassungen ermöglichte.
Mit Frank O. Gehry, der bis dahin in Europa noch nicht gebaut hatte, projektierte Fehlbaum zunächst eine Fabrikhalle. Ihr sollte ein kleines Gebäude für eine Möbelsammlung vorgelagert werden. Daraus wurde das 1989 eröffnete dekonstruktivistischen Vitra Design Museum. Daneben steht das Gebäude der Pforte, das die Grenze zwischen den öffentlich zugänglichen und dem vorwiegend betrieblich genutzten Teilen des Campus markiert. Nicht weniger auffällig als Gehrys Museumsbau fiel auch das nächste Projekt auf dem Vitra Campus aus: das von Zaha Hadid entworfene, zwischen 1989 und 1993 erbaute Feuerwehrhaus. Für Zaha Hadid, die es mit ihren kühnen Architekturvisionen in Fachkreisen zu einer gewissen Bekanntheit gebracht hatte, war es der erste, nach ihren Vorstellungen realisierte Entwurf. Das Feuerwehrhaus, das entgegen manchen Aussagen funktionsfähig war, wurde aufgegeben, als Vitra von der eigenen Betriebsfeuerwehr zur öffentlichen Feuerwehr überging. Heute wird der Bau für Ausstellungen und Events genutzt. Fast als Antithese zu den expressiven Architekturskulpturen von Gehry und Hadid ist der von dem japanischen Architekten Tadao Ando geplante, ebenfalls 1993 fertiggestellte Konferenzpavillon lesbar. Dieses betont ruhige, auf klaren geometrischen Formen basierende Gebäude, das Ando in eine dem Vitra Design Museum direkt benachbarte Kirschbaumwiese integrierte, war Andos erster außerhalb Japans realisierter Entwurf.
Den Schlusspunkt der Bauaktivitäten auf dem Vitra Campus in den 1990er Jahren setzte der portugiesische Architekt und Pritzker-Preisträger Álvaro Siza Vieira, mit einer von ihm entworfenen, 1994 vollendeten Fabrikationshalle. Der nüchterne Bau, der mit seinem roten Klinkerkleid Bezug nimmt auf die alten Fabrikgebäude des Areals, bildet einen neutralen Hintergrund, vor dem sich die Dynamik des benachbarten Feuerwehrhauses entfaltet. Imposant erscheint dagegen die ebenfalls von Siza entworfene brückenartige Dachkonstruktion, die den Weg zwischen seiner und der gegenüber liegenden Produktionshalle überspannt. An ihren Stahlträgern ist ein absenkbares Dach befestigt, das bei Regen tief liegt und damit Schutz für den Werksverkehr bietet. Bei schönem Wetter fährt es automatisch nach oben, um eine freie Sicht auf Hadids Feuerwehrgebäude zu ermöglichen.
Nach der Fertigstellung von Sizas Projekten kam es für annähernd eineinhalb Jahrzehnte zu keinen weiteren Neubauten auf dem Vitra Campus, sieht man von den beiden kleinen Bushaltestellen einmal ab, die Jasper Morrison 2006 an der Charles-Eames-Strasse vor dem Vitra Areal realisierte.
Auf dem Vitra Campus befinden sich auch zwei Strukturen, die ursprünglich nicht von Vitra beauftragt wurden, hier aber eine dauerhafte Bleibe gefunden haben. Das ist zum einen ein „Dome“, der nach den Prinzipien des amerikanischen Erfinders Richard Buckminster Fuller entwickelt wurde. Diese kuppelförmige Leichtbau-Konstruktion, die 1975 in von Thomas C. Howard bei Charter Industries realisiert wurde, steht seit 2000 in Weil und wird seither für Präsentationen und Veranstaltungen genutzt. Das ist zum anderen ein 1953 entstandenes modulares Fertigbau-Tankstellenhäuschen des französischen Konstrukteurs und Designers Jean Prouvé, das nach einer grundlegenden Sanierung 2003 auf dem Campus installiert wurde.
Anfang 2010 wurde das VitraHaus eröffnet, das als Besucherzentrum für den Campus dient. Das von den Basler Architekten Herzog & de Meuron entworfene Gebäude – aus scheinbar spielerisch aufeinander gestapelten, langgezogenen Giebelhäusern komponiert – ist das höchste und entsprechend schon von weitem sichtbare Bauwerk auf dem Vitra Campus. Vor dem Werksgelände von Vitra türmt sich ein zufällig angeordneter Komplex aus zwölf schwarzgrauen Satteldachhäusern auf fünf Etagen.[6] [7] Das VitraHaus beherbergt einen öffentlichen Schauraum des Unternehmens, sowie einen Store, ein Café, ein „Lounge Chair Atelier“[8], wo Besucher der handwerklichen Entstehung des „Lounge Chair“ von Charles und Ray Eames zuschauen können, und eine für Events nutzbare Business Lounge.
Im Laufe des Jahres 2012 wird eine von dem japanischen Architekturbüro SANAA entworfene Fabrikationshalle fertiggestellt.
Am 18./19. Juni 2014 wurde der knapp 31 Meter hohe Aussichts- und Rutschturm Vitra Slide Tower des belgischen Künstlers Carsten Höller eröffnet.
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Das Vitra Design Museum von Frank Gehry, 1989
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Fabrikhalle von Nicholas Grimshaw, 1986
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Fabrikhalle von Frank O. Gehry
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Regenschutzpassage von Álvaro Siza Vieira, im Hintergrund Hadids Feuerwehrhaus
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Tankstelle von Jean Prouvé
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«VitraHaus» von Herzog & de Meuron, 2010, Verkaufsausstellung
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Sitzreihe am VitraHaus
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Das Kuppelzelt von Richard Buckminster Fuller, 1978 bzw. 2000
Literatur
- Rolf Fehlbaum: Vitra. Vom Umgang mit Design, Gegenwart und Ökonomie. Steidl, Göttingen 1991, 221 S., Ill.
- Dietmar Stock-Nieden: Die Bauten der Vitra Design GmbH in Weil am Rhein 1981 - 1994. Untersuchungen zur Architektur- und Ideengeschichte eines Industrieunternehmens am Ende des 20. Jahrhunderts. Dissertation, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Philosophische Fakultät, 2006, online-Datei, 13,3 MB, PDF, 313 S., mit grossem Bildanhang
- Rolf Fehlbaum: Projekt Vitra. Orte, Produkte, Autoren, Museum, Sammlungen, Zeichen; Chronik, Glossar, [1957—2007], hrsg. von Cornel Windlin und Rolf Fehlbaum. Birkhäuser, Basel 2008, 2., korr. Auflage, 396 S., 795 Fotos, ISBN 978-3-7643-8592-7 [9]
Weblinks
- Internetpräsenz der Vitra AG
- „Vitra. Schöne neue Wohnwelten“, Bilanz, 25. August 2004
- Virtueller Rundgang durch das VitraHaus
Einzelnachweise
- ↑ „Vitra Design Museum. Das heimliche Mekka des Möbeldesigns“, Die Welt, 14. August 2009
- ↑ „Stippvisite bei Vitra“, Welt am Sonntag, 11. März 2001 und Vitra-Firmenbroschüre
- ↑ „Net 'n' Nest - das geläuterte Großraumbüro“, baulinks.de, 24. November 2006
- ↑ „Hanns-Peter Cohn - Net 'n' Nest“, Designline, 5. Oktober 2006
- ↑ Christian Gänshirt: Vitra Furniture Factory. In: Álvaro Siza, 1986 – 1995. Hg. von Luiz Trigueiros. Editorial Blau, Lissabon 1995, S. 182–190.
- ↑ Simon Cowell: „Das neue VitraHaus“, architonic.com, 2010, mit Bilderserie
- ↑ 360-Grad-Rundumansichten des VitraHauses
- ↑ [1]
- ↑ Besprechung von «Projekt Vitra»: „Schrecklich, diese vielen Bürodesaster!“ FAZ, 29. Februar 2008, S. 41