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Pantomime

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Pantomime (griechisch: pantomímos, „alles nachahmend“) bezeichnet eine Form der darstellenden Kunst, deren Darsteller grundsätzlich ohne gesprochenes Wort auskommen und Szenen, Örtlichkeiten und Charaktere hauptsächlich durch Gestik und Mimik verständlich machen. Masken oder Schminkmasken können dabei Verwendung finden.

Als Gegenbewegung zum Ursprung der Pantomime aus Tanz und Zirkusartistik, den man noch im Stummfilm erkennt, hat sich eine karge, aufs Wesentliche beschränkte „autonome“ Pantomime als moderne Kunstform entwickelt. Gelegentlich wird diese Pantomime dennoch mit anderen Theaterformen verbunden, zum Beispiel beim Schwarzen Theater, seltener auch im Schwarzlichttheater. Ebenso kann die Darbietung eines Clowns pantomimische Elemente enthalten.

Geschichte

Ursprünge

Der römische Pantomimus war eine Art virtuoser Solotanz. Er war weit verbreitet, bis das Christentum alle Formen öffentlicher Aufführungen verbot. Eine Kontinuität des römischen Mimus über das Mittelalter hinweg wird manchmal behauptet, lässt sich aber nicht belegen. Allerdings wurde seit der Neuzeit immer wieder versucht, verschiedenste Theaterformen durch Berufung auf die Antike zu rechtfertigen.

Mit der Commedia dell’arte, dem italienischen Stegreiftheater der Renaissance, entstand seit dem 16. Jahrhundert eine neuzeitliche Form der Pantomime, die sich über den Umweg der europäischen Metropole Paris auf der ganzen Welt verbreitete. Ihre Helden waren unter anderen die Figuren des Pagliaccio oder Pedrolino (wird zu Pierrot) oder des Arlecchino (wird zu Harlekin).

Mit dem Begriff der Pantomime verbunden ist die Vorstellung einer allgemeinen Verständlichkeit über Sprachgrenzen und Standesgrenzen hinweg. In diesem Sinne hatten auch die englischen Wanderschauspieler, die Kontinentaleuropa seit etwa 1600 bereisten, ohne die Sprachen zu beherrschen, Anteil an ihrer Entwicklung. Sie nahmen Einflüsse der Commedia dell'Arte auf.

18. Jahrhundert

Als populäres Gegenstück zum höfischen Ballett wurde im 18. Jahrhundert eine getanzte Form der Commedia dell'arte üblich, die man Pantomime nannte. Überall in Europa gab es Tanzkompanien, die diese sehr musikbetonten Stücke, oft mit vielen Kostümwechseln und Verwandlungen auf der Bühne, präsentierten.

Auf den Pariser Jahrmärkten Saint-Germain und Saint-Laurent war die Pantomime deshalb so häufig, weil die offiziellen Pariser Theater aus Angst vor der wirtschaftlichen Konkurrenz dieser modischen Spielstätten zeitweise ein Textverbot für sie durchsetzen konnten.

In der Ästhetik des 18. Jahrhunderts, in einer gehobeneren gesellschaftlichen Sphäre, hatte die Pantomime eine andere Funktion. Sie sollte nach dem Tod des tanzenden Königs Louis XIV 1715 die zunehmende Loslösung von den französischen Hofsitten rechtfertigen, die Tanz und Theater instrumentalisierten. Die Befreiung von den regulären Schritten des Gesellschaftstanzes, vom einengenden Korsett des Operngesangs, von den Posen und Deklamationsregeln der tragischen Schauspieler, all das wurde mit Vorliebe Pantomime genannt, die als Vision grenzenloser Freiheit, Wahrheit und Natürlichkeit erschien und sich zudem noch auf die Antike abstützen ließ.

Von Jean-Baptiste Dubos (Réflexions critiques sur la poésie et la peinture, 1719) über Denis Diderot (De la poésie dramatique, 1758) bis Johann Georg Sulzer (Allgemeine Theorie der Schönen Künste, 1771) gibt es zahlreiche Äußerungen in diese Richtung. Ein Praktiker, der von solchen Vorstellungen ausging, war der Tänzer und Choreograf Jean Georges Noverre. Er löste durch "natürlichere" Bewegungen den Bühnentanz vom Gesellschaftstanz und schuf das Handlungsballett (ballet en action). Aber auch er orientierte sich wohl nicht an der Theorie seiner Zeit, sondern an den populären Pantomimen der Jahrmärkte oder den gastierenden englischen Schauspielern wie David Garrick.

19. Jahrhundert

Von der Ballett-Pantomime stammt die englische Pantomime des 19. Jahrhunderts her, die eng mit dem Zirkus verwandt war und in Joseph Grimaldi (dem Erfinder des Clowns) einen berühmten Interpreten hatte. An Weihnachten wird die englische Pantomime noch heute aufgeführt. In den Music Halls seit 1850 erfuhr sie jene kommerzielle Perfektionierung, die man noch in Stummfilmkomödien bewundern kann.

Das Aufstreben der Pantomime nach der französischen Revolution hat vor allem mit der strengen Theaterzensur zu tun, die Aufführungen ohne Text, also ohne die Gefahr politischer Äußerungen, stark begünstigte. Der Begriff Pantomime wird auch deshalb mit einer subtilen Gesellschaftskritik in Verbindung gebracht.

Jean-Gaspard Deburau gilt als Erfinder der modernen, feinen und poetischen Pariser Pantomime, die sich bis heute erhalten hat. Er schuf die Figur des Pierrot. Deburau wurde im Film Kinder des Olymp (1945) in der Darstellung von Jean-Louis Barrault ein Denkmal gesetzt.

20. Jahrhundert

Etienne Decroux (auch er gehörte zu den Darstellern in Kinder des Olymp) erklärte den vom Tänzerischen und Artistischen weitgehend gereinigten „mime pur“ zur Grundform der Pantomime und gründete in den 1930er-Jahren die erste Pantomimenschule in Paris. Zu seinen Schülern gehörten Jean-Louis Barrault, der die Pantomime ins Schauspiel integrierte, und Marcel Marceau, der sie zu einer Soloauftrittskultur perfektionierte.

Decroux' Auffassungen deckten sich mit den Bestrebungen mancher Theaterreformer nach dem Ersten Weltkrieg wie z. B. Max Reinhardt, Bertolt Brecht und Meyerhold, die auch das Schauspiel auf einen klaren körperlichen Ausdruck reduzierten, der nicht naturalistisch, sondern stilisiert sein sollte.

Samy Molcho verband die Pantomime wiederum mit den Ausdrucksmitteln des Balletts und Dimitri mit denen des Clowns. Gerade letztere Verbindung erlebte durch die Fools-, Clowns- und Narren-Bewegung der späten 1970er- und beginnenden 1980er-Jahre einen neuen Aufschwung. Die Gruppe Mummenschanz brachte ihre Variante einer Pantomime mit Ganzkörpermasken in den 1970er-Jahren erfolgreich auf die Broadway-Bühne.

Die École Internationale de Théâtre von Jacques Lecoq in Paris und die Scuola Teatro Dimitri im schweizerischen Verscio sind professionelle Ausbildungsstätten für Pantomime im weiteren Sinne.

Trotz der Bemühungen um eine "reine" Pantomime ist der Begriff noch heute sehr weit, und der Übergang zu Tanztheater oder Performance ist fliessend. Auch im Straßentheater oder in Diskotheken gibt es vielfältige pantomimische Darbietungen (z. B. Robotman).

Technik

Ausgangspunkt jeder pantomimischen Aktion ist die Stellung „Neutral“: leicht angewinkelte Füße, Fersen berühren sich leicht, Knie leicht durchgedrückt, Becken nach vorne geschoben, die Wirbelsäule bis zum Kopf völlig gerade, Arme und Schultern hängen locker und (ganz wichtig!) die Zunge klebt nicht oben am Gaumen, sondern hängt ebenso locker in der Mitte der Mundhöhle. Davon ausgehend wird jede Gestik auf das Minimum an Bewegung reduziert und jeder mimische Ausdruck auf das Einfachste, um sie dadurch „klarer“ zu machen.

Dies verlangt vom Pantomimen bzw. der Pantomimin einen hohen körperlichen Trainingsaufwand. Es werden sehr viele gymnastische und so genannte „Separationsübungen“ angewandt, um wirklich jeden einzelnen Körperteil (fast könnte man sagen: jeden Muskel) unabhängig voneinander und auch gegeneinander bewegen zu können. Erst die Perfektion hierin macht Pantomime zur Kunst und unterscheidet sie von Laien-Darbietungen. So wird z. B. nie eine Hand zum Ohr geführt, um zu zeigen, dass etwas gehört wird, sondern der Kopf waagerecht (wie auf einer Schiene) langsam in die Richtung des (vermeintlichen) Geräusches geschoben, ohne die Schultern dabei zu bewegen und „mitzuziehen“ oder den Gesichtsausdruck anzuspannen. Das von Laien gerne gebrachte „Abtasten von Wänden“ ist daher nicht wie bei diesen ein „Patschen in die Luft“, sondern durch Muskel- und Sehnenan- und -entspannung der Finger und Hände ein fast „wirkliches“ Abtasten von Wänden, bei dem man die Wand geradezu zu sehen glaubt! (Zu Quellen: siehe Diskussion!)

Weitere berühmte Pantomimen

Literatur

  • R. J. Broadbent: A History of Pantomime, IndyPublish 2005. ISBN 1414249233
  • Stephanie Schroedter: „Tanz – Pantomime – Tanzpantomime, Wechselwirkungen und Abgrenzungen der Künste im Spiegel der Tanzästhetik“, in: Meyerbeers Bühne im Gefüge der Künste, herausgegeben von Sibylle Dahms u. a. (S. 66–81), München: Ricordi 2002, ISBN 393178813X
  • Marcel Marceau, Herbert Ihering: Die Weltkunst der Pantomime [1956], München: dtv 1989. ISBN 3423618701
Wiktionary: Pantomime – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

(mit einem kleinen Fehler: „Pantomime“ ist nicht auch die weibliche Form eines Pantomimen; diese ist: „Pantomimin“!)