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Wolfgang Schüssel

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Wolfgang Schüssel September 2006

Wolfgang Schüssel (* 7. Juni 1945 in Wien) ist ein österreichischer Politiker. Er ist der amtierende Bundeskanzler der Republik Österreich, Bundesparteiobmann der ÖVP und ehemaliger Präsident des Europäischen Rates.

Beginn seiner Karriere

Unmittelbar nachdem Wolfgang Schüssel das Studium der Rechtswissenschaft mit dem Erwerb des Doktorgrades abgeschlossen hatte, begann er 1968 seine berufliche Laufbahn in der ÖVP: Von 1968 bis 1975 war er Sekretär des Parlamentsklubs der Österreichischen Volkspartei, von 1975 bis 1991 Generalsekretär des Österreichischen Wirtschaftsbundes, ab 1979 Abgeordneter zum Nationalrat und von 1987 bis 1989 Klubobmann-Stellvertreter der ÖVP. Er war sowohl an den Koalitionsverhandlungen der ÖVP mit der SPÖ bei der Wiederauflage der großen Koalition 1986 als auch an Österreichs Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union beteiligt.

Minister in der großen Koalition

1989 wurde Schüssel als Nachfolger von Robert Graf Bundesminister für Wirtschaftliche Angelegenheiten in der von SPÖ und ÖVP gebildeten Großen Koalition unter Bundeskanzler Franz Vranitzky. 1995 wurde er zum Bundesparteiobmann der ÖVP gewählt. Im selben Jahr wurde er Vizekanzler und Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten im Kabinett Vranitzky IV und am 12. März 1996 in denselben Funktionen im Kabinett Vranitzky V bestätigt. 1997 wurde er in denselben Funktionen in das Kabinett der Regierung Klima übernommen. Nach dem Ende der großen Koalition war er bis zur Angelobung des Kabinetts Schüssel I im Jahr 2000 kurzfristig Klubobmann der ÖVP im Nationalrat.

Bundeskanzler

Erste Amtsperiode

Nach den Nationalratswahlen am 3. Oktober 1999 und darauf folgenden langen Parteiengesprächen einigten sich Wolfgang Schüssel und Jörg Haider auf eine ÖVP-FPÖ-Koalition. Schüssel wurde am 4. Februar 2000 österreichischer Bundeskanzler (Kabinett Schüssel I), obwohl die ÖVP mit 26,9 % der gültigen Stimmen auf den dritten Platz hinter SPÖ und FPÖ (die um 415 Stimmen mehr als die ÖVP erhalten hatte) zurückgefallen war. Schüssel hatte vor den Wahlen für diesen Fall angekündigt, in Opposition zu gehen, verwarf diesen Entschluss allerdings aufgrund der innenpolitischen Lage wieder. Die Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen FPÖ hatte sowohl inländische (Donnerstagsdemonstrationen) wie internationale Proteste zur Folge. Die Regierungen der übrigen 14 EU-Mitgliedsstaaten reduzierten die politischen Kontakte auf das notwendige Mindestmaß. In Österreich wurden diese Maßnahmen oft als „die Sanktionen“ bezeichnet. Im September 2000 wurden diese bilateralen Maßnahmen, nach Vorliegen des so genannten „Weisenberichts“, wieder aufgehoben.

Zweite Amtsperiode

Interne Differenzen beim Koalitionspartner FPÖ führten zur Knittelfelder FPÖ-Versammlung am 7. September 2002 und hatten schließlich den Rücktritt von Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer, Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Peter Westenthaler (damals alle drei FPÖ-Mitglieder) zur Folge. Am 24. November 2002 wurde die ÖVP unter seiner Führung bei den vorgezogenen Wahlen zum Nationalrat nach einem Rekordgewinn (+ 15,4 %) mit einem Stimmanteil von 42,3 % erstmals seit den Wahlen 1966 wieder stimmenstärkste Partei, und Schüssel erneuerte die Koalition mit der FPÖ (Bundesregierung Schüssel II). Im April 2005 spaltete sich die Führungsspitze der FPÖ unter Führung von Jörg Haider ab, und gründete das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ). Trotz dieser Spaltung seines Koalitionspartners führte Schüssel die Koalition nun mit dem BZÖ weiter.

Politisches Wirken

Schüssel wurde im Jahr 2000 als erster ÖVP-Obmann seit Josef Klaus (1966 - 1970) österreichischer Bundeskanzler. Obwohl er wie sein Vorgänger Erhard Busek ursprünglich dem liberalen Flügel der ÖVP zugerechnet wurde, verstand er es auch den konservativen Teil seiner föderalistisch organisierten Partei hinter sich zu sammeln. Seit den Anfängen seiner politischen Tätigkeit setzte er sich für Budgetdisziplin und Reformen im öffentlichen Dienst und der verstaatlichten Industrie ein ("Mehr privat - weniger Staat"). Überhaupt ist seine Regierung von großen und einschneidenden Reformen (etwa Pensionsreform) geprägt, die ihre Spuren in der politischen Landschaft Österreichs hinterlassen haben.

Als Bundeskanzler hat er sich den Ruf eines geschickten Verhandlers, aber auch kühlen Taktikers erworben. Kritiker meinen, dass er durch ein zu hohes Reformtempo vor allem am Beginn seiner Kanzlerschaft Irritationen und Unverständnis in der Bevölkerung hervorgerufen hätte. Die Oppostionsparteien bezeichnen seine Politik als neokonservativ. Seine Zurückhaltung bei der Kommentierung von Aussagen des Koalitionspartners brachte ihm den Beinamen Schweigekanzler ein. Seine Anhänger sehen ihn demgegenüber als Wendekanzler, der notwendige Reformen, die die Konsenspolitik der vorangegangenen großen Koalitionen verabsäumt hätte, umgesetzt habe. Kritiker nehmen ihm besonders die Regierungskoalition mit der FPÖ Jörg Haiders übel. Andere meinen allerdings, es sei ein Erfolg von Schüssels politischer Strategie, dass die FPÖ in allen Wahlen der letzten Jahre, mit Ausnahme der Landtagswahlen 2004 in Kärnten, massive Verluste hinnehmen musste.

Unter der Kanzlerschaft Wolfgang Schüssels wurden zahlreiche tief greifende Maßnahmen und Reformen durchgeführt, deren Ergebnisse sehr unterschiedlich bewertet werden. Dazu gehören vor allem eine Pensionsreform (Abschaffung der Frühpension, Einkommenssenkung bei erhöhtem Pensionsantrittsalter), eine Verwaltungsreform, umfassende und teilweise umstrittene Privatisierungen staatlicher Unternehmen, eine Steuerreform, die Einführung von Studiengebühren und die sehr umstrittene Neuanschaffung von Abfangjägern des Typs Eurofighter Typhoon.

Kritik erregte auch, dass unter seiner Kanzlerschaft sowohl die Steuer- und Abgabenquote (mit dem Spitzenwert 46,5% im Jahr 2001, also im Augenblick konjunktureller Krise) als auch die Arbeitslosigkeit (Jahresschnitt 2005: 252.655; Anstieg 2000-2005 um +30,0%, bei Jugendlichen bis 25 Jahre um +48,75%) ihren Höchststand während der Zweiten Republik erreichten. Zu den gescheiterten Vorhaben der Regierung zählen Kritiker weiters das als Ziel der Budgetpolitik in Aussicht gestellte "Nulldefizit". Nach dem schlechten Abschneiden des österreichischen Bildungssystems in der internationalen PISA-Studie 2003 geriet auch insbesondere die Bildungspolitik in die Kritik. Parteiübergreifende Zustimmung fand die Einleitung der Restitutionszahlungen an Opfer des Nationalsozialismus.

Seit dem Jahr 2000 hat sich die politische Landschaft Österreichs grundlegend geändert. Unter Schüssels Kanzlerschaft musste die auch international umstrittene rechtsgerichtete FPÖ, die nach den Nationalratswahlen 1999 zweitstärkste Kraft hinter der SPÖ war, hohe Verluste hinnehmen, was schlussendlich zur Spaltung dieser Partei in BZÖ und "Alt-FPÖ" unter der Führung von Heinz-Christian Strache führte. Die ÖVP-FPÖ-Koalition führte auch zu einer neuen Machtverteilung im politischen System Österreichs. Vor der Regierung Schüssel I war Österreich durch das Proporzsystem von SPÖ und ÖVP dominiert, auch spielten Gewerkschaft und Unternehmervertreter im Rahmen der Sozialpartnerschaft eine wesentliche Rolle in der politischen Willensbildung. Diese österreichische Besonderheit fand unter der Kanzlerschaft Wolfgang Schüssels ein Ende. Kritiker sehen nun neue Machtaufteilungen und Postenschacher zwischen ÖVP und FPÖ/BZÖ.

Die "Frühstücksaffäre" 1997

Kritisiert wird häufig der politische Stil Schüssels. Internationales mediales Aufsehen erregte vor allem die sog. „Frühstücksaffäre“ im Sommer 1997. Am Rande des EU-Gipfels in Amsterdam soll der damalige Außenminister Schüssel den deutschen Bundesbankpräsidenten Hans Tietmeyer als "eine richtige Sau" bezeichnet haben (weil er Theo Waigel hintergangen habe). Weiters habe er "den Schweden" (gemeint war allerdings der dänische Ministerpräsident oder Außenminister) als "Trottel" tituliert, der in einer Streitfrage "wie ein Kamel" agiert habe. Als zeitgleich sowohl Der Standard als auch Focus darüber berichteten, dementierte Schüssel, eine deratige Aussage getätigt zu haben, und vermutete "eine Intrige" gegen seine Person. Allerdings waren einige Personen, unter ihnen auch ein Reporter der Tageszeitung "Salzburger Nachrichten", bereit, die zitierten Aussagen auch als Zeugen vor Gericht zu bestätigen. Zu einem Prozess kam es jedoch nicht mehr. Schüssel war binnen 24 Stunden per Chartermaschine zum Vier-Augen-Gespräch mit Tietmeyer nach Frankfurt gereist, um die Wogen zu glätten.

Europäischer Ratspräsident

Gemäß dem europäischen Rotationsprinzip folgte Schüssel am 1. Januar 2006 Tony Blair als Ratspräsident der Europäischen Union nach; am 1. Juli 2006 übernahm Tarja Halonen, die Präsidentin Finnlands, das Amt. Am 20. und 21. Juni 2006 kam es zu einem Treffen der EU-Ratspräsidentschaft mit US-Präsident George W. Bush in Wien.

Familie und Privates

Schüssel ist mit der Psychotherapeutin Krista Schüssel verheiratet und hat zwei Kinder, seine Tochter Nina ist Schauspielerin und arbeitete 2003 als Personaltrainerin für das Bundeskanzleramt, was Protektionsvorwürfe nach sich zog. Schüssel spielt Klavier, Akkordeon, Gitarre und Cello; weitere Hobbys sind Bergwandern, Fussballspielen und das Zeichnen von Comics.

Wolfgang Schüssel auf der Website des österreichischen Parlaments


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