Trinkkultur in Europa

Unter Trinkkultur versteht man das Trinken, Zubereiten und Darbieten von alkoholischen Getränken und von Getränken, die als Genussmittel bezeichnet werden wie Kaffee, Tee und Kakao. Soziologen und Historiker benutzen den Begriff im Allgemeinen nur im Zusammenhang mit Alkohol. Als Bestandteil der Kultur gelten auch alle nötigen Utensilien (Geschirr, Besteck) und die speziellen Trinkorte.
In fast allen Regionen der Welt existiert nicht nur eine Esskultur, sondern auch die Einnahme von Getränken ist mit bestimmten Ritualen oder Zeremonien verbunden. So wird die Trinkkultur in den meisten Gesellschaften zu einem wichtigen Kulturträger.
Soziologische Aspekte

Es gibt eine ganze Reihe wissenschaftlicher Studien zur Geschichte und Bedeutung der Genussmittel. Bei den soziologischen Publikationen zur Trinkkultur steht der Alkohol im Vordergrund, da er das mit Abstand älteste bekannte trinkbare Genussmittel ist. Kaffee, Tee und Kakao wurden im Westen dagegen erst in der Neuzeit eingeführt.
Für das Trinken von Alkohol gab und gibt es in allen bekannten Kulturen Regeln. „Drinking, in every culture, is a rule-governed activity, hedged about with prescriptions and norms concerning who may drink how much of what, when, where, with whom, in what manner and with what effects.“[1] Übersetzt: Das Trinken (von Alkohol) ist in allen Gesellschaften eine geregelte Aktivität, eingegrenzt durch Vorschriften und Normen im Hinblick darauf, wer wieviel von was trinkt, wann, wo, mit wem, auf welche Weise und zu welchem Zweck. Eine Ausnahme bilden die islamischen Gesellschaften, aber auch dort gilt eine feste Regel, nämlich das Alkoholverbot.
Aus den bekannten Studien ergibt sich, dass es vor allem eine kulturübergreifende Regel gibt, und das ist die gesellschaftliche Ablehnung des einsamen Alkoholkonsums (solitary drinking). Alkoholgenuss wird als soziale Aktivität aufgefasst, die dazu dient, soziale Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Wer alleine zu Hause trinkt, gerät in den Verdacht, ein Alkoholiker zu sein. Außerdem ist es üblich, alkoholische Getränke mit anderen zu teilen. Sie alleine zu konsumieren, gilt daher als unsozial.[2]
In nahezu allen Kulturen wird vor allem bei festlichen Anlässen reichlich getrunken. Alkohol und Feste gehören kulturell fast untrennbar zusammen. Es gibt jedoch Länder, in denen die Trinkkultur Bestandteil des Alltags ist, so dass auch ohne besonderen Anlass Alkohol serviert wird; das ist zum Beispiel in den europäischen Mittelmeerländern Italien, Spanien und auch in Frankreich der Fall. Soziologen unterscheiden zwischen Gesellschaften mit „integrierter Trinkkultur„ wie in den erwähnten Mittelmeerländern, wo kein besonderer Anlass für Alkoholgenuss nötig ist, und Nationen mit „ambivalenter Trinkkultur“, wo Alkohol zwar gesellschaftlich durchaus akzeptiert ist, aber nicht ohne jeden Anlass, wie in England und in Deutschland. [3]
Das kann bei ausländischen Besuchern etwa in Frankreich zu Missverständnissen führen, wie ein englischer Autor ausführt: „Drinks may be offered at ten o'clock in the morning, for example. (...) What are we celebrating? During the midday meal, wine is served. What fun! What are we celebrating? The bars are open all afternoon, and people seem to be drinking. What a riot! What are we celebrating? Pastis is served at six o'clock. Whoopee! These people certainly know how to celebrate. More wine is served with dinner. (...)“ [4] (Übersetzt: Drinks werden zum Beispiel um 10 Uhr am Vormittag angeboten. Was feiern wir? Zum Mittagessen wird Wein serviert. Welch ein Spaß! Was feiern wir? Die Bars haben am Nachmittag geöffnet, und die Leute trinken. Welch ein Happening! Was feiern wir? Um 18 Uhr wird Pastis serviert. Super! Diese Leute verstehen es zu feiern. Zum Abendessen gibt es noch mehr Wein.) In England wäre das nur an einem besonderen Feiertag denkbar, in Frankreich gehört das zum Alltag.
Alkohol wird auch symbolische Bedeutung zugeschrieben. Champagner beispielsweise gilt in Mitteleuropa als Getränk für besondere, feierliche Anlässe. In einer Publikation wird erwähnt, dass in Österreich Sekt einen eher formellen, offiziellen Charakter hat, während Schnaps das typische Getränk bei privaten Zusammenkünften ist. Die symbolische Bedeutung werde auch daran deutlich, dass das Anbieten von Schnaps während eines Gesprächs dazu führen könne, dass die Anrede vom formellen Sie zum vertrauten Du wechselt. [5]
Die Art des Getränks gilt auch als Statusindikator, denn nicht alle Alkoholika gelten als "gleichwertig". Importierte Getränke haben oft einen höheren Status als einheimische, und den Konsumenten ist das jeweilige Image bewusst. In Polen zum Beispiel gilt Wein als Getränk der Mittelschicht, während das einheimische Bier und Wodka die Getränke der unteren Schichten sind. Folglich bevorzugen polnische Studenten Wein. In Frankreich dagegen ist Wein ein Alltagsgetränk und hat keinen besonderen Status. Hier bevorzugen junge Akademiker Importbier. [6] Getränke können auch zu Symbolen nationaler Identität werden: Guinness steht für Irland, Tequila für Mexiko, Whisky für Schottland, Ouzo für Griechenland. Das Nationalgetränk zu trinken, kann zu einem Akt des Patriotismus werden.
In allen Kulturen finden sich auch einschränkende Regeln im Hinblick auf den Alkoholkonsum von Frauen und Kindern bzw. Jugendlichen. Es wird erwartet, dass sie deutlich weniger Alkohol trinken als Männer. Fast überall gibt es auch Unterschiede zwischen Alkoholika, die als "männlich" und solchen, die als "weiblich" gelten. Die "Frauengetränke" enthalten weniger Alkohol, gelten als "leichter" und sind oft süßer. Likör gilt zum Beispiel als typisches Frauengetränk, im Gegensatz zum Schnaps. Im Allgemeinen gilt es für Frauen als unweiblich, "harte" Drinks zu konsumieren, während es unter Männern verpönt ist, die "Frauengetränke" zu trinken. [7]
Es ist unter Soziologen umstritten, ob die Alkoholbeschränkungen für Frauen und Heranwachsende vorrangig gesundheitliche Gründe haben, oder ob sie die gesellschaftliche Hierarchie symbolisch betonen sollen, wonach gewisse Getränke mit höherem Status allein den erwachsenen Männern vorbehalten sind.
Trinksitten
Historisch
In früheren Zeiten wurde in Mitteleuropa wesentlich mehr Alkohol getrunken als heute; Wein und Bier waren Alltagsgetränke, denn das Wasser konnte aus hygienischen Gründen nicht pur getrunken werden. In Deutschland nahm ein großer Teil der Bevölkerung bis weit in die Neuzeit hinein morgens eine Biersuppe zu sich. Außerhalb von Mahlzeiten nahm das Trinken der Männer im Allgemeinen den Charakter eines Gelages an. Die Trinksitten verlangten, dass ein angebotenes Getränk nicht abgelehnt werden durfte, das wäre als Beleidigung aufgefasst worden. Solange die Mittrinker noch tranken, durfte keiner aufhören, denn das galt als Zeichen von Schwäche und Unmännlichkeit. So wurde oft gezecht bis zur Bewusstlosigkeit, wie Chronisten berichten. Die Trinksitten schrieben das Kampftrinken vor, eine Form des Duells ohne Waffen. Wer sich diesen Regeln entziehen wollte, wurde zum Außenseiter und wurde sozial ausgegrenzt, oder er wurde sogar zum Feind erklärt.
Von Grimmelshausen ist die Äußerung überliefert, dass beim so genannten Zutrinken oft regelrecht "der Angstschweiß ausbrach, doch es musste gesoffen sein", um sich keine Blöße zu geben oder geächtet zu werden. Adlige Herren hatten den Vorteil, dass sie mitunter ersatzweise ihre Diener vorschicken konnten, die dann in ihrem Namen mittrinken mussten. Dahinter stand teilweise auch die Angst, beim Trinken vergiftet zu werden. In einem Singspiel von 1793 von Joachim Perinet heißt es: "Wer niemals einen Rausch hat g'habt, der ist ein schlechter Mann, wer seinen Durst mit Achteln labt, fang lieber gar nicht an". Dieser Satz war lange Zeit ein geläufiges Zitat.
Wenn auch in anderen europäischen Ländern viel getrunken wurde, so hatten sich gerade die Deutschen im Laufe des Mittelalters den Ruf erworben, besonders trinkfreudig zu sein. So gibt es eine Anekdote, dass Kaiser Karl V. bei einem Spaziergang mit spanischen Adligen voller Stolz auf seine Leibgarde wies und sagte: „Sehet, sein die Teutschen nicht wackere, starke, ansehnliche, gerade Männer?“ Worauf ein Spanier erwidert haben soll: „Es ist wahr (...), wenn sie nur nicht so sehr söffen.“[8]
Nicht nur der Adel sprach bei entsprechenden Anlässen reichlich dem Alkohol zu, sondern auch Bauern und Handwerker. Die Zünfte verfügten eigens über Trinkordnungen, auch Komment genannt. Vor allem die Gesellen zeigten des öfteren einen Hang zu ausgiebigen Zechgelagen, was entsprechende Anordnungen der Obrigkeit nach sich zog, in denen zum Beispiel die Gewohnheit, am Montag der Arbeit fernzubleiben, mit Strafen bedroht wurde. Der Ausdruck Blauer Montag könnte in diesem Zusammenhang entstanden sein.[9]
Seit dem 16. Jahrhundert gingen weltliche und geistliche Obrigkeit mit Verordnungen gegen diese Trinksitten vor. Ein Teil der Trinkstuben wurde geschlossen, die Schankzeiten wurden verkürzt. Friedrich I. von Preußen erließ 1711 ein Allgemeines Edict wegen der Abstellung des Voll-Sauffens. Es wurden Vereinigungen gegründet, die Mäßigkeit beim Trinken propagierten. So gab es die Brüderschaft der Enthaltsamkeit oder den Orden der Mäßigkeit. Es ging keineswegs darum, dem Alkoholgenuss ganz zu entsagen, sondern lediglich um das Vermeiden des sonst fast unvermeidlichen "Vollrausches". Auch der Klerus beteiligte sich den Überlieferungen zufolge häufig an Trinkgelagen.
Im 18. Jahrhundert wurde der Branntwein, der lange Zeit in Apotheken als Heilmittel in kleinen Dosen verkauft worden war, in den unteren Schichten populär; der starke Konsum wurde mit dem Begriff Branntweinpest bezeichnet. Durch den vermehrten Ausschank von Schnaps änderten sich die Trinksitten insofern, dass der Rausch jetzt deutlich schneller eintrat als bei Wein oder Bier. Und in den "besseren Kreisen" diente Alkoholkonsum nicht mehr als Form des Duells. Historiker vertreten die Ansicht, dass die Industrialisierung einen deutlichen "Ernüchterungseffekt" hatte, denn die Arbeit in den Fabriken ließ sich zwar mit einem gewissen Alkoholpegel besser ertragen, in betrunkenem Zustand war sie jedoch nicht zu bewältigen und führte zur Entlassung oder zu Arbeitsunfällen. Die Konsumstatistiken zeigen jedoch auch, dass der Alkoholkonsum in dem Maße zurück ging, in dem Kaffee populär und zu einem Volksgetränk wurde.
Studentenverbindungen
Eine entwickelte Trinkkultur stellt die alltägliche Flüssigkeitsaufnahme in den Dienst einer höheren Sache, zum Beispiel in die Pflege der Sozialbeziehungen der gemeinsam Trinkenden (siehe auch Ritual). Alkoholische Getränke werden hier oft als besonders wirksam erachtet. Die einfachste Form ist das „Zuprosten“ und zeitgleiche Trinken, zu zweit oder in größeren Gruppen, oft nach einer Ansprache (engl. toast), auf das gegenseitige Wohl oder auf einen oder mehrere Dritte.

Im deutschsprachigen Raum hat sich die ausgeprägteste Form von sozialverstärkender Trinkkultur bei den Studentenverbindungen erhalten, die im Laufe des 19. Jahrhunderts aus dem zwanglosen abendlichen Essen, Trinken und Rauchen die mehr formellen Veranstaltungsformen Kneipe und Kommers entwickelt haben.
Eine besonders ritualisierte Form des Zutrinkens ist der Schoppensalamander, der auf eine Trinksitte vermutlich des 18. Jahrhunderts zurückgeht.
Typisch für die Entwicklung der Studentenverbindungen in Deutschland besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind geschriebene Bier-Comments, die das Trinkverhalten auf der Kneipe im Detail regelten – bis hin zu strengen Sanktionen bei Fehlverhalten. Jugendlicher Übermut führte dabei auch zur Entwicklung des noch heute vielfach durchgeführten „Bierjungen“.
Binge Drinking
Als Binge Drinking wird seit der Mitte des 19. Jahrhunderts im englischen Sprachraum übermäßiger Alkoholkonsum bis zum Kontrollverlust, mitunter bis zur Bewusstlosigkeit, verstanden. Mediziner benutzen mitunter eine Definition, wonach der Konsum von vier alkoholischen Getränken bei Frauen und von fünf Alkoholika bei Männern innerhalb von zwei Stunden bereits als Binge Drinking zu werten ist. Die sinngemäße Übersetzung wäre Kampftrinken oder Wetttrinken, die historische Entsprechung ist das Trinkgelage.
Am ausgeprägtesten ist die Erscheinung des Binge Drinking in Irland, Großbritannien und den USA, obwohl es in den letzten Jahren auf dem europäischen Kontinent bei jungen Leuten zunehmend populär wird. Die Aussagen von regelmäßigen Teilnehmern an solchen "Sauftreffen" deuten darauf hin, dass das Ziel des übermäßigen Trinkens der möglichst schnelle Rausch inklusive Bewusstlosigkeit ist. Genuss wird eindeutig nicht angestrebt. In den Ländern, in denen bei jedem Essen selbstverständlich Wein getrunken wird und Jugendliche auf diese Weise früh in die Trinkkultur des Landes eingeführt werden, sind diese Saufgelage (noch) sehr selten. Völlige Trunkenheit gilt in diesen Ländern als gesellschaftlich nicht akzeptabel und unkultiviert.
Auf dem europäischen Kontinent ist Binge Drinking fast ausschließlich unter Jugendlichen verbreitet, weniger unter Erwachsenen. Besuche in der Kneipe dauern meist mehrere Stunden, der Alkoholkonsum verteilt sich so über einen längeren Zeitraum. In Großbritannien wird der Alkohol im Gegensatz dazu relativ schnell konsumiert, was früher zu einem Zustand der Trunkenheit führt. Gefördert wird das übermäßige Trinken auch dadurch, dass jede britische Universität einen eigenen Pub betreibt. In der Öffentlichkeit betrunken zu sein, zu torkeln oder sich zu übergeben erregt weniger Anstoß als in vielen anderen Ländern. Das sind jedenfalls die Aussagen einiger Studien in diesen Ländern.
Den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch von Alkohol haben nach einer Studie die Iren mit umgerechnet 12 Litern reinem Alkohol pro Jahr, gefolgt von Großbritannien mit 9 Litern. In Skandinavien und Deutschland liegt er demnach bei 6 Litern. Es gibt jedoch auch andere Zahlen (siehe Alkoholkonsum in Europa). Etwa die Hälfte aller irischen Männer und 16 Prozent der Frauen nehmen danach einmal pro Woche an einem Binge Drinking teil. In Großbritannien ist das bei 38 Prozent der Männer und 12 Prozent der Frauen der Fall. (Quellen: englische Wikipedia und Weblinks)
Der Historiker Wolfgang Schivelbusch vertritt die Ansicht, dass sich in den unteren Schichten der mitteleuropäischen Bevölkerung die Trinksitten des Mittelalters teilweise bis heute gehalten haben. Die alten Rituale des Zutrinkens und Wettsaufens hätten gerade im Arbeitermilieu nach wie vor eine Bedeutung. Dies ist als ein Erklärungsansatz für Binge Drinking zu sehen, obwohl es die unterschiedliche Ausprägung in verschiedenen Ländern nicht erklärt.
Aufschlussreicher ist ein Erklärungsansatz von Roderick Phillips: "In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verbreitete sich unter den englischen Männern der besseren Gesellschaft eine Trinkkultur, in der viel galt, wer viel vertrug." In dieser Zeit entstand die Redewendung "betrunken wie ein Lord". Die britische Trinkkultur der Oberschichten entwickelte sich demnach in eine andere Richtung als die derselben Schichten auf dem Kontinent, die ihren Alkoholkonsum allmählich reduzierten.
Die Kneipenrunde
Das Ritual, sich gegenseitig zu einem alkoholischen Getränk einzuladen und dadurch eine Form der Verbundenheit herzustellen, ist Studien zufolge fast universell verbreitet. Im deutschen Sprachgebrauch stehen die Begriffe "einen ausgeben" oder "eine Runde ausgeben" für diesen Brauch. Auch für diese Trinksitte gibt es ungeschriebene Regeln, die interessanterweise wiederum in allen untersuchten Ländern übereinstimmen, in den USA ebenso wie in Europa und in Australien.
Die Feststellungen der amerikanischen Soziologin Sherri Cavan über die Regeln einer Trinkrunde sind daher als allgemeingültig anzusehen: "Wenn einmal erklärt worden ist, daß eine Runde beginnt, sind alle Teilnehmer verpflichtet, mitzuhalten, und zwar unabhängig von ihrer persönlichen Stimmung im Augenblick. Man kann in dieser Situation nicht darauf bestehen, nur für sich selber zu zahlen. Wenn einer aus der Gruppe nach der ersten Runde das Lokal verlassen muß, so wird er in der Regel erklären, daß er die erste Runde ausgeben wird (...) Obwohl es ihm gegenüber eine gewisse Ungerechtigkeit darstellt, mehr Getränke zu bezahlen als er selber trinken kann, wird die Gruppe sein Angebot annehmen, oder aber ein anderer Rundenteilnehmer erklärt sich bereit, die erste Runde zu übernehmen und dem, der bald das Lokal verlassen muß, ein Glas gleichsam als Geschenk zu zahlen. (...) Wenn das Rundentrinken begonnen hat, ist jeder Teilnehmer verpflichtet, mindestens eine Runde zu übernehmen. Das heißt, wenn eine Gruppe aus vier Teilnehmern besteht, müssen mindestens vier Runden absolviert werden. Danach kann dann entweder ein neuer Zyklus von Runden beginnen, oder die Teilnehmer trinken auf eigene Kosten weiter. (...)" (Zitat aus: Wolfgang Schivelbusch, Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft, 1980)
Beim Ritual der Trinkrunde handelt es sich de facto nicht um eine Geste des Schenkens, sondern um eine Form von Tauschgeschäft, denn jeder bezahlt im Prinzip für die Menge, die er trinkt. Eine Ausnahme stellt nur die so genannte "Lokalrunde" dar.
Der Trinkort
Alkohol wird - außer von Alkoholikern - fast immer in Gesellschaft getrunken, nicht allein. Sehr häufig geschieht das in einer Kneipe. Für das Verhalten in einem Trinklokal gelten wiederum bestimmte ungeschriebene Regeln. "Alle hier Anwesenden, gleichgültig, ob sie sich kennen oder nicht, haben das Recht, den anderen in eine Unterhaltung zu verwickeln und die Pflicht, sich ihrerseits ansprechen zu lassen. Während an allen anderen Orten der Kontakt zu Unbekannten normalerweise eingeschränkt ist, stellt die allseitige Aufgeschlossenheit und Ansprechbarkeit die Grundregel der Kneipe dar (...)" (Zitat aus: Wolfgang Schivelbusch, Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft).
Der Kneipenbesitzer oder Gastwirt hat eine besondere Rolle, denn einerseits fungiert er als Gastgeber, andererseits ist er ein Kaufmann, denn er verlangt Geld für die Getränke. Schivelbusch spricht von der "Kommerzialisierung der Gastfreundschaft". Ein Vorläufer der Kneipe war das Gasthaus, der früher immer zugleich Restaurant, Ausschank und Herberge war. Ein anderer Vorläufer war die Schänke. Im Gasthaus war der Gastraum bis weit in die Neuzeit hinein nicht getrennt von der Küche und den Privaträumen des Gastwirts; diese Trennung vollzieht sich erst um 1800.
Der heute für Kneipen typische Tresen, auf Englisch bar, kam erst um 1900 in England auf als Pendant zum Ladentisch in Geschäften. Bald etablierte sich die Sitte, an der Theke stehend zu trinken statt sich zu setzen. Das liegt auch an der wachsenden Popularität von Spirituosen wie Branntwein und Gin, die in einem Zug gekippt werden, was bei Bier und Wein üblicherweise nicht der Fall ist. Die englischen Gin Palaces des 19. Jahrhunderts bezeichnet Schivelbusch als "Trink-Fabriken", in denen innerhalb von einer Stunde 400 Kunden "abgefertigt" werden können.
In England und in den USA nehmen seitdem die meisten Gäste ihre Getränke am liebsten am Tresen ein, während das in Deutschland üblicherweise nur die Stammgäste tun. Daraus lässt sich schließen, dass die Verweildauer in deutschen Kneipen höher ist als in englischen oder amerikanischen.
Alkoholkonsum in Europa
Nach einer Statistik des deutschen Bundesverbandes der Spirituosenindustrie war Luxemburg im Jahr 2000 der europäische Spitzenreiter beim Alkoholkonsum mit 12,1 Litern (reiner Alkohol, berechnet aus dem Konsum verschiedener Alkoholika), gefolgt von Rumänien (11,7), Portugal (10,8) und Irland (10,7). Deutschland lag mit 10,5 Litern auf Platz sechs hinter Tschechien. Großbritannien landete im unteren Mittelfeld mit nur 8,4 Litern. Die Schlusslichter der Statistik waren Island (4,4) und Norwegen (4,3). (Quelle: Hans Jügen Teuteberg (Hg), Die Revolution am Esstisch, 2004)
Genussoptimierung
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Rotwein
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Weißbier
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Tee
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„Flambierte“ Cocktails
Hierzu zählen alle Maßnahmen, Hilfsmittel und Raumausstattungen, die dem Zweck dienen, den Genuss der Flüssigkeitsaufnahme zu maximieren. So bieten viele Getränke schon bei der Herstellung die Möglichkeit, durch Sorgfalt und Know-how den Genuss zu verbessern, wobei die eigentliche Herstellung (Anbau von Tee und Kaffee, Keltern von Wein, Brauen von Bier etc.) nicht im engeren Sinn zur Trinkkultur gehört.
Das Zubereiten und Servieren wird jedoch sehr wohl dazugerechnet. Hochentwickelt ist die Kunst des Teekochens und Kaffeeaufbrühens. Ein weiteres Beispiel ist die Degustation von Weinen, inklusive Darbietung im richtigen Glas etc. oder die Kulte, die sich rings um den schottischen Whisky gebildet haben. Auch die Rituale und Legenden, die sich im Kanton Jura und Neuenburger Jura um den Genuss von Absinth gebildet haben, gehören zur Trinkkultur in diesem Sinne.
In der Inlokal-Szene des 20. Jahrhunderts entstand eine Form des Tequilatrinkens, bei der Salz und Zitronensaft eine besondere Rolle spielen.
Noch vor wenigen Jahrzehnten warben Gaststätten mit der Formulierung „gepflegte Getränke“, was sich nicht nur auf das fachgerechte Zapfen von Bier („Ein gutes Pils braucht sieben Minuten.“) bezog.
Kaffee
Der Kaffee kam im 17. Jahrhundert nach Europa. Zunächst blieb sein Konsum auf den Adel beschränkt, denn er war sehr teuer. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde er dann auch zu einem beliebten Getränk des Bürgertums und begann, Wein und Bier zu verdrängen. Wurde vorher in allen Schichten zum Frühstück eine Biersuppe gegessen, aß man nun Brot und trank dazu Kaffee. In den unteren Schichten war im 19. Jahrhundert aber auch die Kaffeesuppe weit verbreitet. Das neue Heißgetränk wurde zum typischen Getränk der Aufklärung, er galt als Wachmacher und Ernüchterer im Gegensatz zum berauschenden Alkohol. Außerdem schrieb man ihm gesundheitsfördernde Eigenschaften zu. Die Einführung des Kaffees veränderte eindeutig die Trinkkultur in Mitteleuropa, der Alkoholkonsum der oberen Schichten ging deutlich zurück. Interessant ist, dass Tee offenbar nicht die gleiche Funktion übernahm, denn in England änderte sich der Alkoholkonsum nicht.
Im 19. Jahrhundert entstanden zahlreiche bürgerliche Abstinenz- und Mäßigkeitsvereine zur Bekämpfung des Alkoholismus, vor allem der unteren Schichten. Auf ihre Initiative hin wurden so genannte Volkskaffeehallen in zahlreichen Städten gegründet, in denen nur Kaffee ausgeschenkt wurde, kein Alkohol. 1888 gab es solche Hallen in 28 deutschen Städten. Der Erfolg war aber wohl eher bescheiden. Die Arbeiter gründeten ihre eigenen Kaffeestuben, in Frankreich café poulaire genannt, in denen es eben doch Alkohol gab. Die ärmere Bevölkerung trank im Allgemeinen auch keinen echten Bohnenkaffee, sondern Ersatzkaffee aus Surrogaten, vor allem aus Zichorie.
Kaffeehäuser
Zeitgleich mit den ersten Kaffeeimporten entstanden in Europa im 17. Jahrhundert auch die ersten Kaffeehäuser; das erste wurde 1647 in Venedig eröffnet. Das erste deutsche Kaffeehaus wurde 1673 in Bremen gegründet. Damit war in Konkurrenz zur Gaststätte ein neuer Trinkort entstanden, der bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ausschließlich Männern vorbehalten war. Die Kaffeehäuser entwickelten sich zu bürgerlichen Treffpunkten, denn Adlige tranken ihren Kaffee innerhalb der eigenen Kreise, Arbeiter konnten sich dieses Getränk nicht leisten. Im Gegensatz zur Kneipe war das Kaffeehaus aber ein Ort der Nüchternheit, so dass es möglich war, mit klarem Kopf hier geschäftliche Kontakte zu knüpfen und Informationen auszutauschen. Es war ein Ort der Kommunikation. Darüber hinaus wurde in den Cafés auch oft über Politik geredet oder sogar Politik gemacht; in Paris wurden sie zu revolutionären Treffpunkten vor der Französischen Revolution. Die Vorbereitung einer Revolution befürchtete der englische König Karl II. schon 1675, als er die Schließung der Kaffeehäuser anordnete, weil sie ihm suspekt waren. Die heftigen Reaktionen bewogen ihn aber dazu, diese Anordnung schon wenige Tage später zurückzunehmen. Zu dieser Zeit war Kaffee in England noch weitaus bedeutender als Tee.
Zu literarischen Treffpunkten wurden die Kaffeehäuser vor allem in Wien, wenn auch nicht ausschließlich dort. Echte Kulturstätten waren die Cafés aber nur in wenigen europäischen Großstädten. Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden dann die Konditorei-Cafés, zu denen nun auch Frauen Zutritt hatten. Der Ausflug dorthin wurde zu einem Sonntagsvergnügen der Biedermeier-Familie. Heute haben Cafés mit dem Image zu kämpfen, vor allem ein Treffpunkt für ältere Damen zu sein, allenfalls ist es "in", dort zu frühstücken. Coffee-Bars entsprechen eher dem aktuellen Zeitgeist und der Trend zum Coffee to go (Kaffee zum Mitnehmen) kann auch als Zeichen einer niedergehenden Kaffeekultur interpretiert werden.
Siehe auch Wiener Kaffeehaus
Kaffeekränzchen
Da das Kaffeehaus lange Zeit den Männern vorbehalten war, tranken die Frauen den Kaffee zu Hause und etablierten eine eigene Kaffeekultur. Schon 1715 ist im Frauenzimmer-Lexicon zu lesen: "Das Caffé Cräntzgen ist eine tägliche oder wöchentliche Zusammenkunft und Versammlung einiger Frauenzimmer, welche nach der Reihe herum gehet, worbey sie sich mit Caffee trincken und L'ombre-Spiel divertiren und ergötzen". Über den Stand der Frauen wird nichts gesagt, aber es handelte sich nur um Angehörige des Bürgertums, denn den unteren Schichten fehlte für diese Freizeitbeschäftigung die Zeit, für den Adel galten andere Regeln des Einladens. Hier sprach man von Kaffeegesellschaften. Johann Georg Krünitz spricht in der Oeconomischen Encyclopädie von Nachmittagsbesuchen oder Kaffee-Visiten. Der Ausdruck Kaffeekränzchen bürgerte sich jedoch bereits im 18. Jahrhundert ein.
Krünitz betont mehrfach, dass diese nachmittäglichen Zusammenkünfte erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts aufgekommen sind. Seitdem kamen in Bürgerhäusern erstmals Visitenstuben auf als Pendant zum adligen Salon. Dass es vorher keine "Kränzchen" gab, lässt sich nicht zuletzt auf die begrenzte Getränkeauswahl zurückführen: Der Konsum von Wein, Bier oder Likör in größeren Mengen galt für Frauen als unschicklich, erst recht am Nachmittag; Gästen einfach nur Wasser oder Milch vorzusetzen, wäre jedoch unhöflich gewesen. Erst die Einführung des Kaffees ermöglichte es den Frauen, Gäste standesgemäß zu bewirten. Das galt für adlige ebenso wie für bürgerliche. Der alkoholfreie Kaffee schuf eine neue Trinkkultur, an der Frauen nun ebenso teilhaben konnten wie die Männer - wenn auch zunächst nicht in der Öffentlichkeit.
Bereits im 18. Jahrhundert stieß das Kaffeekränzchen jedoch auch auf Spott und Kritik. Der Ökonom Krünitz kritisiert heftig die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten, unter anderem durch die Einrichtung der entsprechenden Zimmer samt Mobiliar und Geschirr. Außerdem sei die Hausfrau dadurch nun häufig am Nachmittag nicht mehr in der Lage, das Personal zu beaufsichtigen, so dass negative Folgen für den Hausstand zu befürchten seien. Außerdem wurden die weiblichen Zusammenkünfte im Gegensatz zu männlichen als unnötig angesehen. Das Deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm bezeichnet Kaffeeklatsch als "geschwätz in einem kaffeekränzchen", und diese Definition zeigt eine deutliche Geringschätzung. Der Austausch von Neuigkeiten unter Frauen ist Klatsch oder "Geschwätz", während der Austausch von Neuigkeiten unter Männern "Nachrichten" sind. Zudem argwöhnten Männer wohl auch, dass sie des öfteren Gegenstand dieser Kaffeegespräche waren und befürchteten eine Solidarisierung der Frauen. Doch als Keimzelle der Emanzipation haben sich die Kaffeekränzchen bekanntlich nicht erwiesen.
Kaffeegeschirr
Die in Europa neuen Heißgetränke Tee und Kaffee machten die Einführung neuer Trinkgefäße notwendig, denn die vorher üblichen Metallgefäße erwiesen sich als ungeeignet. Zum einen verfälschten sie den Geschmack, zum anderen konnte man durch die Wärmeleitung leicht den Mund und die Finger verbrennen. Daher wurden von den Adelshäusern aus China Trinkschalen aus Porzellan importiert, wie sie dort bereits benutzt wurden. Da man sich daran jedoch auch die Finger verbrennen konnte, orderte man Schalen mit Haltegriff. Das Ergebnis waren die heute bekannten Tassen mit Henkel, wobei sich im Laufe der Zeit unterschiedliche Formen für Tee und Kaffee entwickelten. 1708 entstand in Deutschland die erste eigene Fabrikationsstätte in Meißen, so dass man von China unabhängig wurde.
Schon im 18. Jahrhundert kamen zu den Tassen die Untertassen hinzu, die nicht rein zufällig nicht "Unterteller" heißen, denn es war zu dieser Zeit üblich, den heißen Kaffee portionsweise in die Untertasse zu gießen und daraus zu trinken, damit er schneller abkühlte. Etwa zeitgleich mit den Tassen kamen auch die Kaffeekannen auf, die zunächst aber meist aus Metall hergestellt wurden, aus Silber, Zinn und Messing, auf dem Land auch aus emailliertem Blech. Diese Kannen konnten auf dem Herd warm gehalten werden. Adel und Bürgertum führten aber bald die Kanne aus Porzellan ein, die auf den Kaffeetisch gestellt wurde. Hier entstand nun das Problem, dass der Kaffee schnell getrunken werden musste, sollte er nicht abkühlen. Sie wurden deshalb nur beim Kaffeekränzchen und in größerer Runde benutzt. Für den Alltag wurden im 18. Jahrhundert beheizbare Metallkannen entwickelt, die teilweise als Kaffeemaschine bezeichnet wurden. In Norddeutschland hießen sie auch Kranenkanne, da sie keine Ausgusstülle hatten, sondern kleine Hähne (Krane) oberhalb des Bodens. Zur Beheizung wurden Brenner verwendet, ab 1930 gab es auch Modelle, die elektrisch betrieben wurden.
Das komplette Kaffeeservice bestand daneben noch aus Milchgießer und Zuckerdose, und auch die Kaffeelöffel bzw. Teelöffel kamen hinzu. Vor der Einführung des Kaffeetrinkens waren kleine Löffel unnötig gewesen. Arbeiter- und Bauernfamilien besaßen bis ins 20. Jahrhundert hinein dagegen kein besonderes Kaffeegeschirr. Sie tranken den Kaffee daher auch nicht, sondern löffelten ihn mit dem Esslöffel vom Suppenteller.
(Quelle: Heinz-Peter Mielke: Kaffee, Tee, Kakao, Viersen 1988)
Trinkgewohnheiten
Bereits im 18. Jahrhundert entwickelten sich in Europa unterschiedliche Vorlieben bei den Trinkgewohnheiten, wie Krünitz schildert. Die Engländer tranken ihn danach vor allem zum Frühstück zum Butterbrot. Die Holländer tranken morgens und nachmittags eher starken gesüßten Kaffee; die einfachere Bevölkerung musste auf den Zucker verzichten und süßte stattdessen teilweise mit Lakritzsaft. In Frankreich war morgens ein Kaffeebrey mit Brotstücken üblich. Die Schweden tranken Kaffee vor allem nach dem Mittagessen mit Milch und Zucker. Bei den Deutschen waren angeblich alle diese Varianten bekannt, und es werde zu jeder Tageszeit Kaffee getrunken.
Sowohl die in deutschen Provinzen im 18. Jahrhundert teilweise erlassenen Kaffee-Verbote als auch der Preis für echten Bohnenkaffee zwang die einfache Bevölkerung dazu, auf Ersatzkaffee auszuweichen. Am häufigsten wurde er aus Zichorien hergestellt, Ende des 19. Jahrhunderts kam jedoch auch Getreidekaffee auf den Markt. Tagelöhner und arme Leute bereiteten auch einen "Kaffee" durch das erneute Aufbrühen von Kaffeesatz zu, den Krünitz als Kaffee-Spülicht bezeichnet. Auch der Ersatzkaffee wurde meistens sehr dünn aufgebrüht und mit Milch gestreckt. Doch auch in besseren Kreisen wurde der Kaffee oft dünn zubereitet, nicht nur um zu sparen. Nur bei "echtem" Kaffee hatte das Getränk nämlich bei dünnem Aufguss eine hellbraune Farbe, während Zichorienkaffee immer ganz dunkel war. So wurde der Blümchenkaffee sogar zu einem Statussymbol.
Bauern und Arbeiter tranken den Kaffee bis ins 20. Jahrhundert hinein nicht, sondern aßen morgens und abends eine Kaffeesuppe, auch Kaffeemus oder Kaffeebrei genannt aus dünnem Ersatzkaffee mit Milch und Brotstückchen, manchmal auch noch mit weiteren Zutaten. Diese Mahlzeit gab es für Erwachsene wie für Kinder. Viele Mediziner kritisierten die "Kaffeeseuche" in Deutschland und warnten vor Gesundheitsschäden; doch auch das Argument, dass Milch billiger wäre als Kaffeesurrogat änderte nichts an der Vorliebe für Kaffeesuppe. Sie war an die Stelle der vorher üblichen Biersuppe getreten.
Aktuell trinken die Finnen weltweit den meisten Kaffee; im Jahr 2003 waren es pro Kopf umgerechnet über elf Kilogramm Rohkaffee. An zweiter Stelle lagen Belgien und Luxemburg mit rund neun Kilo, gefolgt von Norwegen, Dänemark und Schweden. Im Mittelfeld folgen dann die Schweiz, die Niederlande und Deutschland mit gut sechs Kilo. Österreich kommt mit 5,6 Kilo erst an elfter Stelle. (Quelle: Deutscher Kaffeeverband)
Interessant ist der Vergleich mit der Statistik des Alkoholkonsums (siehe oben). Dort liegen die skandinavischen Länder alle auf den hinteren Plätzen. Das stützt die These, dass der Kaffee- den Alkoholkonsum teilweise ersetzt.
Tee
Der Begriff Trinkkultur bezieht sich in China und Japan nicht auf Alkohol, sondern auf den Genuss von grünem Tee. In beiden Ländern ist eine eigene Teekultur entstanden, wobei China das eigentliche Ursprungsland ist. Die japanische Teezeremonie, die Teeweg genannt wird, ist im Westen wesentlich bekannter als die chinesische Teekunst, was aber auch an der starken Abschottung des Landes infolge der Kulturrevolution liegt. Den weltweit höchsten Teekonsum hat China, wobei es keine genauen statistischen Angaben gibt. Japan liegt erstaunlicherweise mit rund einem Kilogramm jährlich pro Kopf nur im Mittelfeld, deutlich hinter Großbritannien und Irland (siehe Britische Teekultur).
Während die Teezeremonie im Westen oft als quasi-religiöse Handlung aufgefasst wird, hat sie vielmehr philosophische Bedeutung. Die Teekultur spielt sowohl im Taoismus als auch im Konfuzianismus und im Buddhismus eine wichtige Rolle, wobei jede Richtung eine eigene Einstellung zum Tee hat. Die Taoisten streben ein langes Leben an und betrachten Tee als „Trank der Unsterblichkeit“. Die Konfuzianer verwenden Tee bei vielen Zeremonien als Opfergabe oder als Gabe zum Zeichen der Verehrung oder Dankbarkeit. Im Buddhismus dient Teetrinken der inneren Einkehr und Harmonie.
Chinesische Teekultur

China ist das Mutterland des Teeanbaus. Wann damit begonnen wurde, lässt sich jedoch nicht nachweisen. Sicher ist, dass es bereits im Jahr 221 vor unserer Zeitrechnung eine Teesteuer gab. Die chinesische Teezeremonie wurde nie so stark verfeinert und überhöht wie in Japan, dafür ist sie stärker in der gesamten Bevölkerung verwurzelt. Früher gab es auch sehr viele öffentliche Teehäuser in China, die jedoch während der Kulturrevolution schließen mussten.
Während der Tang-Dynastie wurde Tee vom Adel und von Gelehrten getrunken. In dieser Zeit begannen auch die Mönche in buddhistischen Klöstern damit, während ihrer oft stundenlangen Meditationen Tee zu trinken, unter anderem um wach zu bleiben. Dieser Brauch soll zuerst im Lingyang-Kloster auf dem Berg Taishan eingeführt worden sein und sich von dort ausgebreitet haben. Nach einiger Zeit begannen die Klöster, selbst Tee anzubauen.
In der Song-Dynastie übernahmen die Familien der Oberschichten das Teetrinken. Es wurden Teewettbewerbe eingeführt, um die besten Teesorten des Landes zu ermitteln. Gleichzeitig wurde die Kunst des Teekochens verfeinert. In der Zeit der Yuan-Dynastie breitete sich der Tee in der gesamten Bevölkerung aus. Während der Ming-Dynastie begründete dann Zhu Quan, der 17. Sohn des Ming-Kaisers Taizu, der ein zurückgezogenes Leben als Einsiedler führte, eine neue Schule der Teekunst.
Die Experten der chinesischen Teekultur unterscheiden drei historische Schulen der Teekunst: In der Tang-Phase wurde der Tee zusammen mit dem Wasser aufgekocht, bis das Wasser die richtige Färbung annahm, wobei pulverisierter Tee verwendet wurde. Da diesem Tee eine Prise Salz zugefügt wurde, heißt diese Methode auch „Schule des gesalzenen Pulvertees“. Während der Song-Dynastie wurde die Teekunst verfeinert, das Teepulver wurde nun mit heißem Wasser aufgegossen und mit einem Bambusbesen schaumig geschlagen. Die Kunst der Teemeister bestand darin, dass der Schaum so lange wie möglich erhalten blieb. Das nennt man die „Schule der geschäumten Jade“. In der Ming-Phase wurden dann ganze Teeblätter verwendet und es entstand die Zeremonie namens Gong Fu Cha oder Kung Fu Cha, die heute noch im Süden Chinas und auf Taiwan zelebriert wird. Sie heißt auch die „Schule des duftenden Blattes“. Dazu wird Oolong-Tee verwendet.

Für die Teezeremonie Gong Fu Cha reinigt der Teemeister zunächst die Teeschalen und die Kanne mit heißem Wasser. Dann werden die Teeblätter in die Kanne geben und mit heißem Wasser übergossen. Dieser erste Aufguss öffnet nur die Blätter und mildert die Bitterkeit der späteren Aufgüsse - er wird sofort in die Schälchen abgegossen und nicht getrunken. Er heißt "Aufguss des guten Geruchs". Der Meister füllt das Kännchen ein zweites mal mit Wasser, lässt den Tee etwa 10 bis 30 Sekunden ziehen und gießt den Aufguss dann in die Teeschalen, und zwar "schichtweise", damit jeder Gast die gleiche Aufgussqualität erhält. Das ist der "Aufguss des guten Geschmacks". Die Aufgüsse werden dann mit demselben Tee mehrfach wiederholt, bei sehr guter Teequalität bis zu 15 mal (Aufgüsse der "langen Freundschaft"). Dabei lässt man den Tee jeweils zehn Sekunden länger ziehen als zuvor. Jeder Aufguss schmeckt anders. Da die Teeblätter unmittelbar nach einem Aufguss nicht "weiterarbeiten" sollen, wird der Tee meistens zunächst in eine zweite Kanne gegossen und aus dieser eingeschenkt. In einer verfeinerten Variante der Teekunst wird der Aufguss zunächst in Duftbecher gegossen und von diesen in die Trinkschalen; der Teetrinker begutachtet dann das Aroma des Tees zunächst durch Riechen am geleerten Duftbecher.
Gäste werden in China zum Zeichen der Wertschätzung immer mit Tee bewirtet. Diese Geste existiert bis heute auch noch innerhalb der Familien. Die jüngere Generation bietet der älteren Tee an, um ihre Ehrerbietung zu zeigen. Die Fähigkeit, guten Tee zuzubereiten, war früher auch ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl künftiger Schwiegertöchter. In den wohlhabenderen Familien der Han-Chinesen zeigte die Teekanne den sozialen Status der Trinker an: Für die Diener, Tagelöhner etc. gab es eine große Kanne aus Zinn, die in einem Holzeimer mit Öffnung stand. Hielt man den Eimer schräg, floss der Tee heraus; so brauchte man keine Teeschale. Eine kleinere Porzellankanne war für die Familie und Gäste bestimmt. Das Familienoberhaupt und Ehrengäste tranken ihren Tee dagegen aus Teeschalen mit Deckeln.
Siehe Artikel Chinesische Teekultur
Japanische Teekultur

Die japanische Teezeremonie (auch Teeweg) Sadō bzw. Cha do ist eingebettet in die Philosophie des Zen-Buddhismus, der von chinesischen Missionaren in der Nara-Zeit (710-784) mitsamt dem Tee nach Japan gebracht wurde. Zunächst wurde der Tee auch aus China importiert, ehe japanische Klöster selbst mit dem Anbau in der Nähe von Kyoto begannen. Die Teezubereitung bei der Zeremonie zeigt noch die Ähnlichkeit mit der der chinesischen Tang-Phase. Während man in China zu anderen Methoden überging, wurde diese Form in Japan verfeinert und zu einer eigenen Philosophie mit sehr hohem Stellenwert.
Es ist überliefert, dass der japanische Kaiser im Jahr 792 unserer Zeitrechnung eine große Teegesellschaft gab, um das neue Getränk bekannt zu machen. Mehrere Jahrhunderte lang wurde der Tee nur von den Adligen getrunken und in den buddhistischen Klöstern, wobei es den Adligen nicht als Hilfe zur Meditation diente, sondern als reines Luxusgetränk. In der Kamakura-Zeit (1192-1333) folgten die Samurai dem adligen Vorbild, ehe sich der Teegenuss allmählich im gesamten Volk verbreitete. Das heute zelebrierte Ritual mit Matchatee entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte durch den Einfluss von Mönchen, die den Rang eines Teemeisters hatten. Teekochen wurde zu einer Übung auf dem Weg zur Erleuchtung. Jeder Handgriff hat eine symbolische Bedeutung, die Einrichtung des Teeraums ist genau festgelegt. Die japanischen Teegäste trinken alle aus einer Teeschale wie die Mönche im Kloster. Wie in China ist Tee in Japan aber auch das allgemeine Alltagsgetränk.
Siehe Artikel Japanische Teezeremonie
Siehe auch
Symposion, Alkoholmissbrauch, Ernährungssoziologie, Trinkspiel, Trinkgelage
Anmerkungen
- ↑ Social Issues Research Centre, Social and Cultural Aspects of Drinking
- ↑ Social Issues Research Centre, Social and Cultural Aspects of Drinking
- ↑ Social Issues Research Centre, Social and Cultural Aspects of Drinking
- ↑ Social Issues Research Centre, Social and Cultural Aspects of Drinking
- ↑ Social Issues Research Centre, Social and Cultural Aspects of Drinking
- ↑ Social Issues Research Centre, Social and Cultural Aspects of Drinking
- ↑ Social Issues Research Centre, Social and Cultural Aspects of Drinking
- ↑ Manfred Hübner/Regina Hübner: Der deutsche Durst, S. 20
- ↑ Manfred Hübner/Regina Hübner: Der deutsche Durst, S. 90
Literatur
- Daniela Ball (Hg): Kaffee im Spiegel europäischer Trinksitten, Zürich 1991
- Thomas Hengartner/Christoph M. Merki (Hg): Genussmittel. Eine Kulturgeschichte, Frankfurt/M. 2001
- Gunter Hirschfelder: Europäische Esskultur. Eine Geschichte der Ernährung von der Steinzeit bis heute. ISBN: 3593379376
- Manfred Hübner/Regina Hübner: Der deutsche Durst. Illustrierte Kultur- und Sozialgeschichte, Edition Leipzig 1994
- Roderick Phillips: Die große Geschichte des Weins, Campus Verlag, 2003, ISBN 3-593-37390-4
- Wolfgang Schivelbusch: Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft. Eine Geschichte der Genußmittel, Verlag Hanser 1980
- Hasso Spode: Alkohol und Zivilisation. Berauschung, Ernüchterung und Tischsitten in Deutschland bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, Berlin 1991
- Ulrich Wyrwa: Branntewein und ›echtes‹ Bier. Die Trinkkultur der Hamburger Arbeiter im 19. Jahrhundert. (Sozialgeschichtliche Bibliothek, Hrsg.: Dieter und Ruth Groh), Junius Verlag, Hamburg 1990.