Lageanomalie des Hodens

Als Lageanomalie des Hodens wird die Position eines Hodens bezeichnet, der vorübergehend oder dauernd außerhalb des Skrotums (Hodensack) liegt.
Die Bedeutung einer frühzeitigen Erkennung und Behandlung folgt aus der Tatsache, dass Hodendystopien (neben der Varikozele) die häufigste Ursache für spätere Fertilitätsstörungen des Mannes sowie die einzig gesicherte Ursache für das Auftreten von bösartigen Hodentumoren sind.[1]
Grundlagen
Da die Hoden wie die Ovarien aus gemeinsamen Gonadenanlagen retroperitoneal in Höhe der Nieren entstehen, müssen beide Hoden ab der 5. Embryonalwoche eine "Wanderung" vom Ort der primären Bildung bis in das entsprechende Skrotalfach des Skrotums (Hodensacks) unternehmen, den sog. Descensus testis.
Der erfolgreiche Abstieg in das Skrotum ist beim Menschen eines der Reifezeichen des Neugeborenen.
Häufigkeit
Ungefähr 3-6 % der reifen männlichen Neugeborenen und etwa 30 % der Frühgeborenen (aber 100 % aller männlichen Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht von weniger als 900 Gramm) weisen noch eine ein- oder beidseitige Lageanomalie des Hodens auf. Nach Ende des ersten Lebensjahres ist das Vorkommen auf ca 0,7 % gesunken. Bei den Tieren kann der Hodenabstieg allerdings auch erst weit nach der Geburt abgeschlossen sein, wie beispielsweise bei Pferden, Nagetieren oder Hasenartigen.
Formen
Diese Lageanomalie kann ihre Ursache entweder in einer ausgebliebenen bzw. unvollständigen Wanderung in das entsprechende Skrotalfach oder einer Abweichung vom physiologischen Wanderungspfad haben. Im letzteren Fall spricht man von einer Hodenektopie, wobei der Hoden in der Dammregion, der Bauchwand, der Nabelgegend oder dem Oberschenkel zu liegen kommen kann.
Kommt es zu einem Wanderungsstopp entlang der physiologisch vorgegebenen Wanderungsbahn, werden entsprechend dem Wanderungsende unterschieden:
- Kryptorchismus: entsprechend der griech. Bedeutung von kryptos (verborgen) ist der Hoden nicht auffindbar und liegt in der Regel in der Bauchhöhle - Retentio testis abdominalis oder Nondescensus testis)
- Leistenhoden: Der Abstieg des Hodens aus dem Bauchraum ist im Leistenkanal zum Stillstand gekommen - Retentio testis inguinalis)
- Gleithoden: Der Hoden lässt sich wohl durch sanften Druck in das Skrotum verlagern, nimmt seine ursprüngliche Position im Leistenkanal aufgrund eines zu kurzen Samenstranges sofort wieder ein.
- Pendelhoden: Der Hoden befindet sich abwechselnd im Leistenkanal und im Skrotum.
Folgen
Die wesentlichsten medizinischen Konsequenzen der verschiedenen Lageanomalien sind die Gefahr der Entstehung bösartiger Hodentumoren bzw. einer resultierenden Zeugungsstörung (Impotentia generandi).
Maligne Entartung
Das Risiko für die Entstehung eines Hodentumors ist ohne entsprechende Therapie 32x höher als bei normal deszendierten Hoden, insgesamt aber abhängig Zeitpunkt der Operation und von der Höhe, in der der Wanderungsstopp erfolgte:
- bei in der Bauchhöhle verbliebenen Hoden liegt das Entartungsrisiko bei 5 - 10 %
- bei Leistenhoden bei 1 - 2 %
Fertilitätsstörung
Bei gut einem Drittel der Fälle eines unerfüllten Kinderwunsches liegt die Ursache in einer Fertilitätsstörung des Mannes...
Therapie
Therapeutisch wird vor Ende des 2. Lebensjahres eine Kombination zweier Hormone - Gonadoliberin und humanes Choriongonadotropin (hCG) - eingesetzt. Die operativen Maßnahmen führen je nach Lokalisation des Hodens zur Orchidopexie oder operativen Entfernung (Orchektomie).
Quellen
- ↑ http://www.salk.at/lkaurologie/ZugangAerzte/was/Tumormanual/Hoden.htm Hodentumoren (Ch.Clemm, M.Busch, A.Gerl, N.Schmeller, M.Weiss), Landeskrankenhaus Salzburg