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Werkstatt für behinderte Menschen

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Eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) ist eine überbetriebliche Einrichtung, die es behinderten Menschen erlaubt, einer bezahlten Arbeit nachzugehen. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei jedoch nicht auf bezahlter Arbeit, sondern auf Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Somit soll eine WfbM nicht unbedingt ein Dauerarbeitsplatz sein, sondern neben der Förderung der Bildung und Persönlichkeit des Werkstattbeschäftigten auf eine Integration auf den ersten Arbeitsmarkt fördernd einwirken.

Der Begriff "Werkstatt für Behinderte" existiert offiziell nicht mehr und wurde durch "Werkstatt für behinderte Menschen" ersetzt.

Es gibt zwei wichtige Gesetzestexte, welche die Grundlage für eine WfbM bilden: Das "SGB IX" (9. Sozialgesetzbuch) und die "WVO" (Werkstättenverordnung). Im "SGB IX" sind die Belange von behinderten Menschen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben geregelt. Ab dem §136 (Kapitel 12) ist alles Wissenswerte über die gesetzliche Regelung in einer WfbM nachzulesen. Mehr ins Detail geht die Werkstättenverordnung (WVO) (siehe auch Weblinks unten).

Laut WVO soll eine WfbM mindestens 120 behinderten Mitarbeitern die Möglichkeit geben, Arbeit zu finden, die dem Leistungsstand des jeweiligen behinderten Mitarbeiters entspricht. Die Werkstatt soll dabei darauf achten, dass die betreffenden Menschen im Einzugsgebiet erreicht werden, damit eine ortsnahe Förderung stattfinden kann.

Die Werkstatt muss generell alle Menschen mit mentalen, psychischen und physischen Eigenarten aufnehmen. Ausnahme bilden Menschen, die einer überdurchschnittlichen Pflege bedürfen, oder von denen eine starke Fremd- oder Eigengefährdung ausgeht.

Viele Werkstätten trennen die Bereiche nach den psychischen, psychischen oder mentalen Eigenarten der Menschen, um eine optimale Föderung zu gewährleisten.

Die Aufnahme in eine WfbM geschieht über die überörtlichen Sozialhilfeträger, den Rentenversicherungen (LVA und BfA) oder der Bundesagentur für Arbeit. Diese Träger fördern die Maßnahme in den ersten 27 Monaten (maximal).

Der Maßnahmeverlauf ist momentan in drei verschiedenen Stufen geregelt:

Eingangsverfahren (EV)

Das Eingangsverfahren dient dem Mitarbeiter dazu, sich einen ersten Einblick in die Werkstatt zu verschaffen. Es soll festgestellt werden, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung "für die Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben ist sowie welche Bereiche der Werkstatt und welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für den behinderten Menschen in Betracht kommen" (§40 I 1. SGB IX). Auch soll ein Eingliederungsplan erstellt werden. Das EV dauert maximal drei Monate (zwölf Wochen). Finanziert wird das EV durch den zuständigen Rehabilitationsträger. In der Regel ist das die Bundesagentur für Arbeit oder der Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen (LVA, BfA).

Berufsbildungsbereich (BBB)

Nach dem EV folgt der Berufsbildungsbereich. Der BBB dauert maximal zwei Jahre. Nach dem ersten Jahr BBB erfolgt ein Bericht, welcher dem entsprechenden Kostenträger zugesandt wird. Hier wird geprüft, welche Stärken beziehungsweise Schwächen der einzelne Mitarbeiter besitzt, und wie er entsprechend seiner Leistungen eingesetzt werden kann. Weist der Mitarbeiter starke Defizite in bestimmten Punkten auf, so wird darauf geachtet, dass an diesen Punkten eine verstärkte Förderung stattfindet. Laut §9 Absatz 3 der WVO ist ein gesetzlicher Gruppenschlüssel von 1:6 gefordert.

Arbeitsbereich (AB)

Nach dem BBB haben die Mitarbeiter die Möglichkeit, in den Arbeitsbereich der Werkstatt zu wechseln. Die Beschäftigung im Arbeitsbereich ist unbefristet. Der Mitarbeiter soll möglichst dort beschäftigt werden, wo seine Stärken am besten einzusetzen sind. Auch hier findet eine weitergehende Förderung statt.



Arbeitsentgelt

Zugleich erhält der Mitarbeiter im Arbeitsbereich eine Entlohnung durch die Werkstatt. Die Werkstatt ist verpflichtet, mindestens 70 % des Arbeitsergebnisses den Mitarbeitern zukommen zu lassen (WVO §12 Abs. 5 Satz 1). Dieses Entgelt ist folgendermaßen zusammengesetzt:

a) Grundlohn

b) Schwierigkeit der zu verrichtenden Arbeit

c) Qualität der Arbeitsergebnisse


Das Entgelt basiert auf einen Grundbetrag, der zur Zeit 67 Euro beträgt. Dieser Betrag ist gesetzlich vorgeschrieben (SGB IX §138 Absatz 2). Auf diesen Grundbetrag aufbauend, gibt es als Steigerungsbetrag die leistungsbedingten finanziellen Zuschüsse der Werkstatt.

Die Werkstattbeschäftigten werden unabhängig von den häufig geringen Entgeltzahlungen wie andere Arbeitsnehmer kranken- und rentenversichert. Zu den üblichen Leistungen gehört auch die Sicherstellung der Beförderung zur Werkstatt und ein Mittagessen.

Arbeitsgruppen:

In den einzelnen Produktionsgruppen arbeiten bis zu zwölf Mitarbeiter. Der Gruppenschlüssel im Arbeitsbereich beträgt (laut WVO §9 Abs. 3) 1:12. (eine Fachkraft auf zwölf Mitarbeiter). Jedoch zeigt die Praxis, daß es oftmals mehr Mitarbeiter sind, die in einer Gruppe arbeiten. Jede Gruppe wird beaufsichtigt durch eine häufig immer noch Gruppenleiter genannte "Fachkraft zur Arbeits- und Berufsförderung" (FAB). Die Fachkräfte besitzen eine sonderpädagogische Zusatzausbildung, sind für die Qualität der entstehenden Endprodukte und die Entwicklung der Persönlichkeit der Werkstattbeschäftigten zuständig. Die Fachkräfte sollten möglichst aus dem handwerklichen Bereich stammen (Meisterqualifikation) und zusätzlich der pädagogischen Aufgabe gewachsen sein.

Begleitende Dienste

Den Fachkräften stehen begleitende Dienste zur Seite, welche helfen, die Maßnahme und entsprechende Förderung zu konkretisieren oder ganz praktisch bei Konfliktsituationen Hilfe anbieten zu können. Dies sind hauptsächlich Sozialpädagogen oder Sozialarbeiter. In Einrichtungen für Menschen mit psychischen Besonderheiten können auch Psychologen eingestellt sein, die unterstützend zur Seite stehen.

In den verschiedenen Werkstätten werden oft auch weitere begleitende Dienste wie Ergotherapie, Rehasport oder Erwachsenenbildung angeboten.

Fachausschuß

In jeder WfbM ist, nach §2 der WVO, ein Fachausschuß zu bilden. Diesem gehören in gleicher Zahl jeweils Vertreter der Werkstatt, Vertreter der Bundesagentur für Arbeit sowie Vertreter des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe an.

Der Fachausschuß soll auch Vertreter anderer Rehabilitationsträger wie z.B. der LVA (Landesversicherungsanstalt), der BfA (Bundesversicherung für Angestellte) oder der Berufsgenossenschaften beteiligen, wenn deren Zuständigkeit zur Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzender Leistungen in Betracht kommt. Er kann auch andere Personen hinzuziehen oder Sachverständige anhören.

Der Fachausschuß tagt in regional unterschiedlichen Abständen, die meist zwischen vier und zwölf Wochen liegen.

Im Fachausschuß wird über die weitere Bewilligung der Kostenzusage für einzelne Mitarbeiter gesprochen (beispielsweise nach dem Ende des ersten BBB-Jahres). Auch Aufnahmen, Kündigungen, Fallbeispiele (besondere Schwierigkeiten, besonderer Betreuungsbedarf usw.), Verlängerungen oder Übernahmen in den Arbeitsbereich werden hier entschieden. Damit die Rehabilitationsträger entsprechende Entscheidungen fällen können, sind sie auf die Berichte und Empfehlungen der begleitenden Dienste der jeweiligen Werkstatt angewiesen.

  • [1] Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten
  • [2] Werkstätten im Netz
  • [3] SGB IX (Kapitel 12 --> Werkstätten für behinderte Menschen
  • [4] WVO (Werkstättenverordnung)
  • [5] Online-Handbuch Werkstatt für Behinderte
  • sozialprojekte.com - Wir bringen das zusammen.
  • [6] REHADAT - Informationssystem zur beruflichen Rehabilitation