Albert Schweitzer

Albert Schweitzer (* 14. Januar 1875 in Kaysersberg im Oberelsass bei Colmar, Deutsches Reich; † 4. September 1965 in Lambaréné, Gabun) war elsässischer Evangelischer Theologe und Pfarrer, Orgelkünstler, Musikforscher (Musiker), Philosoph und Arzt. In der Evangelischen Kirche ist sein Gedenktag am 4. September.
Schweitzer stammte aus einer alemannisch-elsässischen Familie. Er gründete das Krankenhaus in Lambaréné im Gabun und war 1952 Friedensnobelpreisträger. Er spielte sich selber in einem Film von Gilbert Cesbron über sein Leben. Unter seinen theologischen Werken kann man Die Mystik des Apostels Paulus (1962); Das Christentum und die Weltreligionen, Geschichte der Leben-Jesu-Forschung (1906) nennen. Seine philosophischen Werke: Die Weltanschauung der indischen Denker (1936); Kultur und Ethik, Verfall und Wiederaufbau der Kultur, Das Problem des Friedens in der Heutige, Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben. Seine autobiographischen Werke: Zwischen Wasser und Urwald, Aus meinem Leben und Denken, Aus meiner Kindheit und Jugendzeit, die Linde von Gunsbach. Musikologische Werke: Johann Sebastian Bach (Biographie), Die Orgelwerke Johann Sebastian Bachs. Er war auch Organist und Mitherausgeber einer Ausgabe von Bachs Orgelwerken.
Leben und Werk

Frühe Jahre und Ausbildung
Albert Schweitzer studierte an der Reichsuniversität Straßburg die Fächer Theologie und Philosophie; daneben studierte er in Paris bei Charles-Marie Widor Orgel und war Mitglied der Wilhelmitana-Studentenverbindung im Schwarzburgbund.
1899 promovierte er im Fach Philosophie mit einer Dissertation über "die Religionsphilosophie Kants von der Kritik der reinen Vernunft bis zur Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft". 1901 folgt die theologische Dissertation "Kritische Darstellung unterschiedlicher neuerer historischer Abendmahlsauffassungen" (Erstauflage 1906) - die in der zweiten Fassung den weitaus bekannteren Titel "Geschichte der Leben-Jesu-Forschung" (Tübingen 1913) trägt.
Nach seinem Studienabschluss wurde er Dozent für Theologie an der Universität Straßburg und Vikar an der Kirche St. Nikolai. Seine Theologie fand unter anderem bei Fritz Buri Nachhall. Schweitzer schrieb 1905 die französische Ausgabe von Johann Sébastien Bach, die er drei Jahre später 1908 in seiner deutschen Muttersprache neu verfasste.
Leben als Mediziner in Afrika und Europa
Nach einem Jahr beschloss Albert Schweitzer, Medizin zu studieren, um im Gabun als Missionsarzt dem Ruf Jesu Christi nachzufolgen und Menschen helfen zu können. Seine medizinische Doktorarbeit „Die psychiatrische Beurteilung Jesu: Darstellung und Kritik“ widerlegt, analog seiner theologischen Dissertation, zeitgenössische Versuche aus dem Bereich der zeitgenössischen Forschung, das Leben Jesu aus psychiatrischer Sicht beleuchten zu können.
1913 gründete er in Französisch-Äquatorialafrika (heute Gabun), an einem Fluss der afrikanischen Westküste, das Urwaldspital Lambaréné. Als Deutsche wurden er und seine Frau Helene Schweitzer-Bresslau ab 1914 zeitweise von den Franzosen interniert. Diese Zeit nutzte er zur Entwicklung und zum Ausbau seiner Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben. Zentral für diese Ethik ist der Satz: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“

1917 wurde das Ehepaar Schweitzer von Afrika nach Frankreich überführt und in Bordeaux, Garaison und St. Rémy de Provence interniert. 1918 kamen sie ins Elsass zurück, das inzwischen von Frankreich annektiert worden war. Dort nahm Albert Schweitzer wieder die Stelle als Vikar in St. Nicolai an und trat als Assistenzarzt in ein Straßburger Spital ein.
Dank des schwedischen Bischofs Nathan Söderblom konnte Albert Schweitzer ab 1920 in Schweden Vorträge über seine Ethik der „Ehrfurcht vor dem Leben“ halten, mittels Orgelkonzerten seine Schulden bezahlen und Geld für die Rückkehr 1924 nach Afrika verdienen, um dort das Urwaldhospital auszubauen.
Bekannt wurde Albert Schweitzer vor allem durch sein Buch „Zwischen Wasser und Urwald“, das er in kurzer Zeit 1921 geschrieben hatte. In seiner Rede zum 100. Todestag Johann Wolfgang von Goethes 1932 in Frankfurt am Main warnte Schweitzer vor dem aufkommenden Nationalsozialismus.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde ihm viel öffentliche Ehre zuteil. In seiner Rede zur Verleihung des Friedensnobelpreises 1952 warnte Schweitzer davor, alle Verbrechen der Weltgeschichte allein „den Deutschen“ und dem Nationalsozialismus anzulasten und deren Verbrechen als „einzigartig“ hinzustellen, vielmehr sei jede Art von Gewalt zu allen Zeiten und bei allen Völkern gleichermaßen zu verurteilen. Albert Schweitzer war ein Gegner von Atomversuchen und atomarer Rüstung und setzte sich daher 1957 und 1958 über Radio Oslo in mehreren Reden dagegen ein. Seine Reden wurden auch in dem Buch Frieden oder Atomkrieg veröffentlicht.
Albert Schweitzer war 44 Jahre alt, als seine elsässische Heimat vom Deutschen Reich getrennt und von Frankreich annektiert wurde, damit bekam er als Deutscher die französische Staatsangehörigkeit. Da er kein Franzose war und sich, trotz französischer Staatsbürgerschaft, nie als solcher bezeichnete, wird er heute auch nicht als einer der Söhne Frankreichs angesehen. Deutsch war seine Muttersprache, Französisch seine erste Fremdsprache. Mit Frankreich verband ihn aber Jean-Paul Sartre, der Sohn von Schweitzers Cousine Anne-Marie. Die kritische Auseinandersetzung mit der gerade in Frankreich populär gewordenen Existenzphilosophie beschäftigte ihn noch in seinen letzten Lebensjahren. Schweitzers Großneffe Louis Schweitzer war von 1992 - 2005 Vorstandsvorsitzender des französischen Automobilkonzerns Renault. Günsbach ist Sitz der Internationalen Albert Schweitzer Vereinigung.
Kritik an Schweitzer
Der französische Tropenmediziner André Audoynaud hat 2005 eine Kritik von Schweitzers Tätigkeit als Arzt veröffentlicht; der Autor hat seit 1959 im kolonialmedizinischen Dienst gearbeitet und war von 1963 bis 1966 ärztlicher Direktor des Hôpital administratif von Lambaréné. In dieser Funktion hat er die letzten drei Lebensjahre Schweitzers miterlebt und häufig mit seinem Nachbarn Kontakt gehabt.
Noch 1995 wurde in einem Buch über Albert Schweitzer behauptet, dass es in einigen tausend Kilometern Umkreis keinen Arzt gegeben habe. Dabei waren in Gabun der französische kolonialmedizinische Dienst sowie einige Missionare bereits vor Schweizers Ankunft 1913 aktiv. Der Jahresbericht von 1911 weist für die französische Krankenstation von Lambaréné 1041 Behandlungen aus; für 1910 ist an dem Ort auch schon eine Pockenimpfkampagne nachgewiesen. Der französische Militärmediziner Jean Jeaureguiber hatte bereits erste chirurgische Eingriffe durchgeführt.
Lambaréné war auch kein isolierter Urwaldort, sondern durch eine Telegrafenleitung mit der Welt verbunden, ein Dampfer brachte regelmäßig Post, seit 1874 gab es eine protestantische, seit 1881 eine katholische Mission, daneben mehrere Schulen und Geschäfte. Die Missionen gaben kostenlos Medikamente ab. Seit 1928/29 gab es am Ort außerdem ein öffentliches Krankenhaus, das mit Kanalisation und Toiletten ausgestattet war (1953 hielt dieses Hôpital administratif 154 Betten für 17.243 Einwohner vor).
Albert Schweitzer hat nach dem Bericht Audoynauds in seinem Krankenhaus ein autokratisches Regiment geführt. Er meinte, dass er dank seiner Hautfarbe einer überlegenen Rasse angehöre. Schwarze waren für ihn „Wilde“ oder „Primitive“, und er hielt nichts davon, dass sie Lesen und Schreiben lernten. Er beschuldigte sie gerne der Faulheit, obwohl gerade ihm hätte klar sein müssen, dass viele der Erschöpfungszustände auf Krankheit zurückzuführen war. Im Zweifel setzte er auch körperliche Gewalt ein, versetzte ihnen Fußtritte oder ließ sie schlagen.
Mehr als 40 Jahre seines Lebens hat Schweitzer in Lambaréné verbracht, ohne eine der lokalen Sprachen zu lernen. Überhaupt führte er ein sehr zurückgezogenes Leben, zu keinem Menschen hielt er einen engen persönlichen Kontakt. Schwarze wurden bei ihm nur für Hilfsarbeiten eingesetzt, er wehrte sich dagegen, dass ihnen ärztliche oder anspruchsvolle pflegerische Aufgaben übertragen wurden. Für die Behandlung ließ er sich bezahlen beziehungsweise forderte Arbeitsleistungen der pflegenden Begleiter. So war es etwa üblich, Wöchnerinnen einen Monat da zu behalten, während die Angehörigen Arbeitsdienste leisten mussten.
Audoynauds Hauptvorwurf lautet, dass Schweitzer sich im Laufe von mehr als 50 Jahren weigerte, auch nur die geringste Modernisierung zuzulassen. Obwohl es ihm von seinen Angestellten und von reichen Gönnern nahe gelegt wurde, gab es keine Kanalisation, keine Duschen, keine Elektrizität und nur ein einziges WC, das Weißen vorbehalten war. Küchen- und andere Abwässer flossen offen durchs Lager. Nie ist auch – trotz der reichlich fließenden Geldmittel – zur Zeit Schweitzers hier Forschung geleistet worden. Eine Kooperation, etwa mit den protestantischen Missionaren am Ort oder dem französischen Krankenhaus, lehnte er ab.
Schweitzers ethische Vorstellungen der „Ehrfurcht vor dem Leben“ gingen soweit, dass er Fliegen und Mücken – immerhin die Überträger von Schlafkrankheit und Malaria – schonte und auf seinem Gelände stehendes Wasser zuließ. Die Holzbalken der Baracken wurden nicht mit Kreosot geschützt, so dass sich bald die Termiten darüber hermachten. Bei einem Ausbruch der Tollwut im März 1964 wollte er deren Überträger – Flughunde, die auf seinem Gelände hausten – vor der Tötung bewahren.
Audoynauds Kritik ist jedoch noch viel prinzipieller: Schweitzer habe ein europäisches Modell der Krankenversorgung in die völlig unpassenden Verhältnisse Afrikas übertragen. Unter den Umständen Afrikas sei es der französischen Kolonialmedizin darum gegangen, die größtmögliche Zahl an Menschenleben zu retten. Die Instrumente dafür sei die Vorbeugung gewesen, etwa durch die Ausrottung der Überträger der Schlafkrankheit und Impfkampagnen. Die französischen Mediziner versuchten, die Kranken auch an entlegenen Orten aufzusuchen, und durch Aufklärung die Ernährungslage vor allem der Kinder zu verbessern. Schweitzer habe dagegen nur an den Symptomen herumgedoktert. Das wichtigste medizinische Problem zu Beginn seines Aufenthalts – die Schlafkrankheit – habe er ignoriert und ihre Bekämpfung den Franzosen überlassen.
Schweitzers Krankenhaus war so der Vorläufer von vielen humanitären Organisationen, die mit gutem Willen und großem publizistischem Aufwand völlig ungeeignete Strukturen der Krankenversorgung in Afrika etablieren. Auch von den Leprakranken in Lambaréné, die in den Presseberichten über Schweitzer so eine große Rolle spielten, wurde etwa die Hälfte in Wirklichkeit vom französischen Krankenhaus betreut. Die village de lumière, wo Schweitzers Leprakranke betreut wurden, war ein dankbares Objekt für Fernsehaufnahmen. Nach dem Eindruck Audoynauds waren die meisten Kranken dort jedoch soweit rehabilitiert, dass sie nach Hause hätten geschickt werden können.
So zeichnet Audoynaud das Bild eines Mannes, der dem 19. Jahrhundert verhaftet blieb, im Grunde nie in Afrika angekommen ist, und mit einem immensen Aufwand an Geld und weißen Fachkräften ein kümmerliches Ergebnis erzielt hat.
Dr.-Albert-Schweitzer-Pokal
Der Deutsche Basketball Bund (DBB) spielt in Erinnerung an Albert Schweitzer jedes zweite Jahr im Frühjahr in Mannheim auf seinem Europa-Jugend Basketballturnier den Dr.-Albert-Schweitzer-Pokal für Jugend-Nationalmannschaften aus. Dieses internationale Basketballturnier ist eines der wichtigsten und am Besten besetzten Basketballtuniere für Jugendmannschaften aus Europa und Übersee, an dem auch schon zahlreiche spätere NBA-Profis teilgenommen haben. Die Idee zu diesem internationalen Freundschaftstreffen der Basketballjugend kam im Mai 1957 dem Fotografen Hans-Joachim Babies. Es gelang ihm die Stadt Mannheim, die US-Armee und den DBB für seine Idee zu gewinnen. Der Basketballtrainer Hermann "Pascha" Niebuhr, heute DBB-Ehrenmitglied, holte die Erlaubnis von Dr. Albert Schweitzer, das Jugendturnier nach dem berühmten Missionar und Arzt benennen zu dürfen. Im Dezember 1958 konnte zum ersten Mal um den Dr.-Albert-Schweitzer-Pokal gespielt werden. Für den ersten Tuniersieger hat Albert Schweitzer sein Bild mit persönlicher Widmung gestiftet.
Schulen
Der Name Albert Schweitzers wird auch für die Namensgebung zahlreicher Schulen verwendet. Die erste deutsche Schule mit seinem Namen war das Gymnasium Albert-Schweitzer-Schule Nienburg in Nienburg (Weser), das den Namen im Jahre 1949 mit Zustimmung Albert Schweitzers erhielt.
Auszeichnungen
- Goethepreis 1928
- Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 1951
- Johann-Peter-Hebel-Preis 1951
- Friedensnobelpreis 1952
- Orden der Friedensklasse des 'Pour le Mérite' 1954
- Ehrenbürger der Stadt Frankfurt am Main 1959.
Literatur
- Albert Schweitzer: Gesammelte Werke in fünf Bänden. Hrsg. von Rudolf Grabs. Beck, München 1974 ISBN 3406042155
- André Audoynaud: Le docteur Schweitzer et son hôpital à Lambaréné. L'envers d'un mythe. L'Harmattan, Paris 2005, ISBN 2-7475-9499-8.
- James Bentley: Albert Schweitzer. Eine Biographie. Düsseldorf, Patmos 1993 ISBN 3491690315
- Tomaso Carnetto: Albert Schweitzer: Tatsachen. Eine Einführung in Leben und Werk. CD-ROM für Windows und Mac mit Textband, Verlag P12c 2002 ISBN 3933176034
- Claus Günzler: Albert Schweitzer. Einführung in sein Denken. Beck, München 1996. ISBN 3-4063-9249-0
- Harald Steffahn: Albert Schweitzer. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. 14. Aufl. Rowohlt, Reinbek 2000 ISBN 3499502631
- Albert Schweitzer: Johann Sebastian Bach. Wiesbaden 1979, ISBN 376510034X
- Albert Schweitzer und Fritz Buri: Existenzphilosophie und Christentum. Briefe 1935 - 1964. Eingeleitet, kommentiert und hrsg. von Andreas Urs Sommer. München 2000, ISBN 3-406-46730-X.
- Karl Rolf Seufert: Das Zeichen von Lambarene Hrsg. von Loewe Verlag. ISBN 3-7855-2209-6
Siehe auch
Weblinks
- Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 1952 an Albert Schweitzer (englisch)
- Vorlage:PND
- Vorlage:DM
- Biografie im Heiligenlexikon
- Albert Schweitzer. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL).
- Archiv und Museum Günsbach / AISL
- extensive Bibliographie in: Quellenlexikon zur deutschen Literaturgeschichte, Bd. 29. 2001, S. 44-105 (Bearbeiter: Werner Raupp)
- http://www.uni-giessen.de/~gk1415/Albert-Schweitzer.htm
- Gemeinnütziger Verein Albert-Schweitzer-Familienwerk Bayern e.V.
- Albert-Schweitzer-Gedenk-und Begegnungsstätte Weimar
- Albert Schweitzer Kinderdorf Hessen e.V.
- Deutscher Hilfsvereins für das Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene e.V.
- Das Albert Schweitzer Haus in Königsfeld im Schwarzwald
- Biographisches und Worte von Albert Schweitzer
Personendaten | |
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NAME | Schweitzer, Albert |
KURZBESCHREIBUNG | elsässischer Arzt, Theologe, Musiker und Philosoph |
GEBURTSDATUM | 14. Januar 1875 |
GEBURTSORT | Kaysersberg im Oberelsass (Deutsches Reich) |
STERBEDATUM | 4. September 1965 |
STERBEORT | Lambaréné, Gabun |
- Mediziner (20. Jh.)
- Tropenmediziner
- Friedensnobelpreisträger
- Preisträger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels
- Pazifist
- Person des Unitarismus
- Ehrenbürger
- Organist
- Philosoph (19. Jh.)
- Philosoph (20. Jh.)
- Evangelischer Theologe (20. Jh.)
- Korporierter im Schwarzburgbund
- Deutscher
- Elsässer
- Mann
- Geboren 1875
- Gestorben 1965