Und sagte kein einziges Wort
Und sagte kein einziges Wort ist ein Roman Heinrich Bölls von 1953, der sich anhand der Darstellung der Beziehung zwischen Käte und Fred Bogner mit der Nachkriegszeit in Deutschland beschäftigt.
Das Ehepaar lebt seit zwei Monaten räumlich getrennt, weil Fred die Enge und den Lärm in der Wohnung nicht mehr ertragen und die Kinder geschlagen hat. Die Familie ist nahe am Existenzminimum. Die Handlung konzentriert sich auf ein Treffen der beiden und dessen Vorbereitung. Als Gegenspieler der beiden steht vor allem die Hausvermieterin, die sehr fromm, aber wenig christlich ist. Am Ende beschließt Käte, sich nach etlichen Jahren der Ehe von Fred endgültig zu trennen. Sie glaubt nicht, dass er jemals von seiner Trinksucht wegkommt.
Handlung
Der Roman besteht aus 13 Kapiteln, die wechselnd aus der Sicht von Käte und Fred in der Ich-Perspektive erzählen.
Erstes Kapitel
Zu Beginn wird die Figur Fred vorgestellt. Er ist Telefonist für eine kirchliche Gesellschaft und holt sich seinen Lohn ab, den er vollständig an Käte durch seinen Freund Wagner übergeben lässt. Außerdem einen Zettel, auf dem er um ein Treffen mit ihr bittet. Er selbst lebt durch seine Tätigkeiten als Nachhilfelehrer und von Krediten seiner Freunde und Bekannten. Er gibt zum Beispiel Bücklers Sohn Nachhilfe in Mathematik, der Mann ist froh um die Abwechslung, da er mit seiner Frau eine Ehe in Bewachung führt. Sein Einkommen gibt er jedoch oftmals für Schnaps oder am Spielautomat aus. So besucht er auch dieses Mal wieder Beitzners Kneipe.
Zweites Kapitel
Im zweiten Kapitel wendet sich die Handlung der zweiten Hauptprotagonistin, Käte, zu. Sie lebt mit ihren drei Kindern Clara, Clemens und Franz in einer engen Ein-Zimmer-Wohnung, die von Armut geprägt ist. Fred hat vor zwei Monaten die Wohnung verlassen, da er die Enge, Armut und die Vermieterin Frau Franke, welche auf der gleichen Etage wohnt, nicht mehr ertragen und diese Wut oftmals durch Schlagen der Kinder Ausdruck verliehen hat. Das Verhältnis zur Vermieterin ist angespannt. Die Frau zeigt sich als fromme Christin, was Käte Schrecken einflößt - „diese dunklen harten Augen, ihr gepflegtes Haar, das sehr geschickt gefärbt ist, ihre tiefe, leise, zitternde Stimme, die nur im Verkehr mit [Käthe] plötzlich laut werden kann, der Sitz ihrer Kostüme, die Tatsache, daß sie jeden Morgen die heilige Kommunion empfängt, jeden Monat den Ring des Bischofs küßt (...) diese Tatsachen machen sie zu einer Person, gegen die zu kämpfen zwecklos ist.“ (S. 23f). Denn die Vermieterin integriert ihren Glauben nicht in ihren Alltag. Sie hat die Familie Bogner lediglich zu einem Weihnachtsessen eingeladen - „Zwei Sparschweine, ein Glas Wein, fünf Minuten Sentimentalität täuschen nicht darüber hinweg, daß unsere Wohnung zu klein ist.“ (S. 26). Sobald jedoch Frau Franke außer ist, zeigt deren Mann Nächstenliebe, indem er den Kindern Kätes Schokolade schenkt oder Geld schenkt und die Kinder streichelt. Am Ende des Kapitels durchführt Käthe ein Wutanfall, sodass sie viele der kitschigen Bilder von den Wänden reißt. Mit den wirren Linien einer abstrakten Zeichnung kann sie sich auf einmal identifizieren, ohne sie zu verstehen.
Drittes Kapitel
Fred begibt sich in Richtung des Bahnhofes, wobei er am letzten Abend viel getrunken hat. Er möchte dort seinen Freund Max aufsuchen, der in der Gepäckaufbewahrung arbeitet und somit einen Raum mit dem Koffern von Reisenden zur Verfügung stellen kann. Wenn Fred darin liegt, muss er oft an die Kinder und seine Frau denken, was ihn weinen lässt - „ich weine, wissend, daß die Tränen eines Säufers nicht zählen, kein Gesicht haben - und ich spüre etwas, das ich nicht Gewissenbisse, sondern einfach Schmerz nennen möchte.“ (S. 29). Danach sucht er die Kirche der Sieben Schmerzen Mariens auf, die bisher nur notdürftig Instand gesetzt worden ist. Er triff einen Priester an, der ein junges, jedoch volljähriges Mädchen und dessen geistig behinderten Bruder Bernhard segnet. Fred folgt den Jugendlichen und findet sich in einer Imbissbude wieder. Auch der Priester erscheint, um sich Zigaretten zu kaufen. Kätes Ehemann dagegen möchte Brötchen mit Butter und Kaffee. Schließlich erinnert er sich, dass er noch ein Zimmer und Geld für das Treffen mit Käte besorgen muss.
Viertes Kapitel
Käte ist damit beschäftigt, einen Einer mit Wasser zu füllen. Sie möchte die kleine Wohnung reinigen, was ihr als beinahe unmögliches Unterfangen erscheint, da sich beispielsweise ständig Putz von den Wänden löst, wenn man die daran anliegenden Schränke berührt. Obwohl sie im ersten Moment das Rendezvous mit Fred bereut, erkennt sie doch die starken Gefühle zu ihm. Sie ist stolz darauf, dass ihr Mann Fahnenflucht begangen hat und sieht vor sich „Freds Gesicht, unerbitterlich alt werdend, leergefressen von einem Leben, das nutzlos wäre und gewesen wäre ohne die Liebe, die es mir entflößt. Das Gesicht eines Mannes, der früh von Gleichgültigkeit erfaßt wurde gegen alles, was ernstzunehmen andere Männer sich entschlossen hatten.“ (S. 43). Sie gesteht sich ein, dass sie seit der räumlichen Trennung noch öfters an ihn denken muss. Draußen kann man einen Schwarzen singen hören. Der Gesang nimmt direkten Bezug zum Buchtitel, denn das Lied handelt von von Jesus, der sich ans Kreuz schlagen ließ und kein einziges Wort dabei gesagt hat.
Fünftes Kapitel
Fred ist inzwischen wieder am Bahnhof angelangt und möchte nun Freunde anrufen, die als Kreditgeber in Frage kommen. Er schämt sich dafür sehr. Sein erster Anruf ist bei seinem Arbeitgeber Serge. Herr Bogner ist erleichtert, als dieser von sich aus Geld anbietet, zwar kann er nicht wie erhofft 50 DM erhalten, aber 35 DM. Die Suche eines freien Zimmers stellt sich als schwierig heraus, da die Stadt aufgrund einer kirchlichen Fronleichnamsprozession und der Drogistentagung mit Besuchern sehr ausgelastet ist. Fred beobachtet den kirchlichen Zug und kniet sich nieder. Er sieht in die Gesichter der Geistlichen. Wenige davon Zeichnen das Leben eines Asketen ab, viele Priester sind dick und stehen im Kontrast zu armen Laien, welche die Prozession am Straßenrand beobachten. Besonders berührt wird Fred, sobald er seine beiden Kinder Carla und Clemens erblickt. Er verspürt plötzlich Wut gegen alle Menschen. Er ärgert sich immer noch, als Gefangene im Krieg misshandelt worden sind, er habe sich immer gegen unnötige Gewalt eingesetzt. Gleichzeitig kann er nicht verstehen, dass er aus dieser Gesinnung heraus seine eigenen Kinder geschlagen hat. Schließlich betritt der Telefonist das Armenviertel, in das die Drogisten noch nicht vorgedrungen sind und es billige Zimmer zu haben gibt.
Sechstes Kapitel
Käte nimmt in Frau Frankes Zimmer einen Anruf von Fred entgegen. Ihr Mann informiert sie, dass er ein Zimmer gefunden und zudem Geld habe. Außerdem soll er die Kinder grüßen und sich bei ihnen für seine Schläge entschuldigen. Seine Frau erzählt, sie könne es erst später durchführen. Sobald die Kinder nach ihm fragen, sagt sie immer, Fred sei krank, was für sie zutreffend ist. Frau Franke zeigt sich relativ human, bietet Käte sogar einen Schnaps an sowie einen Lippenstift auf Ziel. Sie warnt sie davor, sich schwängern zu lassen. Frau Bogner fallen ihre Kinder auf, die ungewöhnlich still sind beim Spielen und Schwermut zeigen. Von Hopfs Wohnung können durch die dünnen Wand Geräusche des Geschlechtsverkehrs durchdringen, die Käte durch künstliches Reden zu den Kindern zu überbrücken versucht. Sie wäre dankbar dafür, wenn sie ein eigenes Schlafzimmer hätte und nicht auf auswärtige Treffen mit Fred angewiesen wäre.
Siebtes Kapitel
Fred ist inzwischen in dem gemieteten Zimmer angelangt. Er hört die Predigt des Bischofs, die ihn langweilig und als missglückter Versuch, populär zu werden, erscheint. „Das Vokabularium seiner Predigten scheint theologischen Stichwortverzeichnissen entnommen zu sein, die seit vierzig Jahren unmerklich, aber stetig an Überzeugungskraft verloren haben. Stichworte, die Phrasen geworden sind, halbe Wahrheiten. Die Wahrheit ist nicht langweilig, nur hat der Bischof offenbar die Gabe, sie langweilig erscheinen zu lassen.“ (S. 62f.) Er sucht schon länger nach einem Wort für den Bischof und findet, dass 'dumm' für ihn sehr treffend wäre. Fred denkt an das letzte Treffen mit seiner Frau im Park zurück und an das spontane Sehen in einem Café. Einmal ist er sogar daheim gewesen, wobei er überrascht zur Kenntnis genommen hat, dass die Kinder keinen Hass wegen der ausgeübten Gewalt haben, sondern ihren Vater sehr lieben und vermissen. Doch zugleich hat er festgestellt, wie er sofort von der Enge und der Armut erdrückt worden ist, was ihn veranlasst hat, schnell zu gehen.
Achtes Kapitel
Käte hat einen Kuchen gebacken und übergibt die Kinder nun Bellermann. Dann geht sie nach draußen und sucht eine Kirche auf. Ursprünglich um nach einer Messe zu fragen, doch dann verspürt sie das Bedürfnis zu beichten. Einem Priester erzählt sie von ihrer Angst, von der schwierigen Beziehung zu Fred und vor allem dem Hass, den sie auf ihren Pfarrer verspürt. Der Geistliche versucht sie mit Verweis auf Joh 16, 33 („In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden“) und dem Verweis auf die enge Pforte (Mt 7, 13f.), die zum Leben führt, zu helfen. Dann fordert er sie auf, gerade von diesem Pfarrer, den sie hasst, die heilige Kommunion zu empfangen. Doch sieht er sich allgemein überfordert, sodass er ihr erst nur eine vorläufige Absolution erteilt. Er berichtet, dass auch er auf die Gastpfarrer einen Hass haben könnte, die 15 Messen pro Tag für fünf Gläubige halten. Gesteht aber dann ein: „ach, warum soll ich sie hassen, die armen Priester, die den Geruch exquisiter Hotelbadezimmer in meiner zerfallenen Sakristei hinterlassen.“ (S. 76). Käte sucht dann jene Bude auf, die auch Fred besucht hat. Sie lobt wie er den guten Kaffee und lässt sich über den geistig behinderten Bernhard erzählen, der vor allem auf Geräusche sehr sensibel reagiert, sich aber verbal nicht mitteilen kann.
Neuntes Kapitel
Inzwischen hat Fred das Zimmer verlassen, um unten eine Suppe und Gulasch zu verzehren. Er erkennt in dem Gesicht des Wirts nach einigem Überlegen einen Soldaten, der einst neben ihn für ein paar Minuten im Lazarett gelegen ist. Obwohl er sich schon wieder einige Gläser Kognak trinkt, behauptet er zu sich selbst, ganz selten zu trinken und nur alle drei Monate wirklich stark betrunken zu sein. Neben seiner Arbeit als Telefonist verbringt er den Tag durch Sparziergänge, vor allem auf Friedhöfen. Manchmal wird er sogar zu fremden Trauergesellschaften eingeladen. Schon mit sieben Jahren hat er den Tod seiner Mutter, Elisabeth Bogner, verkraften müssen. Beruflich zeigt er nie allzugroße Begeisterung. Käte hat er kennen gelernt, als dieser als Bibliothekar tätig gewesen ist.
Zehntes Kapitel
Nachdem sie zunächst wie eine Prostituierte gemustert worden ist, fragt Käte nach ihrem Mann und gelangt in dessen Zimmer. Sie findet ihn schlafend vor. Sie denkt an die Zeit zurück, als sie noch eine geräumige Wohnung gehabt haben. Fred ist völlig fassungslos gewesen, dass der Krieg ihren gesamten Besitz zerstört hat. Das Paar besucht in der Kathedrale eine Messe, die ein Vikar lustlos liest. Käte betet, nicht schwanger zu sein. Anschließend gehen sie auf den Rummel. Nachdem beide gespeist und diverse Attraktionen und Buden benutzt haben, flüchten sie in eine Seitengasse, sobald sie ihre Kinder erblicken. Fred vermutet, es ist ein Fehler gewesen zu heiraten und glaubt, der Familie ginge es ohne ihn besser. Käte widerspricht vehement: Sie weint oft nachts und die Kinder fragen häufig nach ihrem Vater. Trotzdem hält sie die momentane Lösung für das Beste. Käte erschrecke zudem die Kinder, sie „gleichen Jesuskinder[n] (...) [haben] etwas von dieser verzweifelten sinnlosen Demut, die [Käte] Tränen des Trotzes und der Angst in die Augen treibt.“ (S. 98). Langsam kristallisierst sich zwischen den beiden ein Streit heraus. Fred meint trotzig, Käte hätte wohl einen tüchtigeren Mann heiraten sollen. Sie erwidert, so jemand würde sie nur nerven, gleichzeitig beklagt sie Freds Gleichgültigkeit gegenüber Kultur, seinem Beruf, letztlich seinem gesamten Leben, und dass sich ihr gemeinsames Leben auf Kneipen, Buden und Fremdenzimmer beschränke. Fred quält seine Frau, indem der ausführlich von dem Luxus im Haus der Blocks erzählt, in dem er zurzeit unterkommt. Plötzlich verspürt Käte eine Übelkeit und man beschließt, das Hotel aufzusuchen.
Elftes Kapitel
Im Hotelzimmer angelangt, wird Käte langsam bewusst, dass die Indizien immer mehr für eine Schwangerschaft sprechen. Fred erzählt von seinen Erfahrungen im Krieg. Schon dort ist er als Telefonist tätig gewesen. Besonders schlimm ist es für ihn gewesen, nach draußen zu gehen, wenn das Telefonkabel beschädigt, und in der Dunkelheit über Leichen zu stolpern, zu denen er sich manchmal gelegen hat: „Und ich langweilte mich, als ich zu den Lebenden zurück mußte - du glaubst nicht, wie langweilig die meisten Menschen sind, die Toten sind großartig.“ (S. 112). Fred versorgt seine Frau mit Nahrung und Getränken. Während er eine flackernde Werbung für Drogisten sieht, betont Käte, dass er nicht nach Hause kommen könne, weil er die Kinder wieder schlagen würde. Außerdem meint sie, dass sie ihn nicht mehr besuchen kann, weil sie nicht als Hure erscheinen möchte. Sie trennt sich somit von ihm. Einerseits beneidet er sein Leben, das von Leichtigkeit geprägt ist, ohne viel Verantwortung. Andererseits kommt sie mit seinem Lebensstil nicht mehr zurecht, sie glaubt nicht, dass eine größere Wohnung die Probleme lösen könnte. Ihr schmerzt es zudem, dass er nicht mehr beten kann, krank und alkoholabhängig ist. Bevor sie schlafen, erzählt Fred von Menschen, die ihn bisher berührt haben. Käte ist jedoch die Einzige, die sein Herz umgedreht hat, er liebt sie sehr.
Zwölftes Kapitel
Wie vereinbart frühstücken Käte und Fred in der Imbissbude am Bahnhof, die sie vorher beide schon einmal getrennt besucht haben. Frau Bogner lässt vermerken, dass ihr Entschluss der Trennung endgültig sei. Der Priester kommt in die Bude und entschuldigt sich bei Käte, dass dieser mit der Schuldlossprechung gezögert hat, sie sei nun vollständig absolviert. Trotzdem küssten sie sich zum Abschied. Käte ließ jedoch die Frage offen, ob sie ihren Ehemann wieder besuchen würde, sobald er anruft. Sie übergibt für die Kinder Freds Geld und meint, er würde bald zurückkommen. Clemens stellt die Krankheit in Frage, da er Alfons Beisam, einen Klassenkameraden, Nachhilfe geben kann. Sie erklärt ihm, man müsse nicht mit jeder Krankheit im Bett liegen. Frau Franke fängt Käte ab und fragt, ob es richtig sei, dass Fred von ihr getrennt habe. Obwohl es sich andersherum verhielt, bejaht sie diese Vermutung. Die Frage, ob er ein Trinker sei, beantwortet sie nicht.
Dreizehntes Kapitel
Im letzten Kapitel ist der Handlungsort Freds Arbeitsplatz. Der Telefonist wird von Fräulein Hanke abgelöst, sie erzählt ihm, dass die Trennung und der Alkoholmissbrauch bekannt seien, es gebe jedoch genug Freunde im Haus, vor allem unter den Priestern, die in der Verwaltung angestellt sind. Fred soll für Serge zur Bank gehen. Der Prälat wirkt seine eschatologischen Fragen schnell ab und prophezeit, dass Bogner eines Tages mit ihm reden werde. Auf dem Weg zur Bank sieht Fred seine Exfrau. Er läuft ihr eine Zeit lang hinterher und bestellt sich schließlich einen Schnaps. Serge macht sich um Fred Sorgen. Als dieser zurückkommt, erscheint er betrunken und krank. Er ruft deshalb einen Krankenwagen und meint: „Sie müssen nach Hause“ - „Ja“, sagte ich, „nach Hause“ (S. 146)
Figuren
Folgende Grafik verdeutlicht die Zusammenhänge der Figuren:
Interpretation und Bewertung
Der Roman überrascht vor allem durch seine Kurzweiligkeit und Vielseitigkeit der Themen. Auf der einen Seite werden viele zwischenmenschliche Fragen aufgestellt, die sich vor allem auf die Liebe und Beziehung konzentrieren. Der Titel des Buches wird vor allem am Ende klar: Sowohl Käte als auch Fred ertragen ihr Leid, sie widersetzen sich nicht der Unverschämtheit von Frau Franke, noch sind sie fähig, ihre Probleme intellektuell zu erfassen - sie schweigen viel zu lange, bis nur noch die Trennung aus Ausweg erscheint. Sie ist für sich sehr überraschend und eher eine Vernunftentscheidung, denn die Erlebnisse auf dem Rummel zeigen ganz deutlich die immer noch vorhandene, starke Liebe. Interessant sind auch die Vorausdeutungen für das Ende der Beziehung, so auf Seite 113: „Ich wollte sie umarmen, ihre Schultern greifen, sie zu mir hindrehen, aber ich begriff, daß ich es nicht tun durfte.“ - primär sind die Sätze natürlich auf die Schonung Kätes zu beziehen, doch habe sie einen Touch von Apokalyptik. Das Psychogramm von Fred ist äußerst differenziert, er ist keineswegs nur der kranke Säufer. Er ist der liebende Familienvater, der Pazifist, der Kritiker und Denker, der Schläfer und Spieler, der Beobachter und Ignorant. Die Art der Spannungserzeugung ist gelungen. So geht es nicht um den Höhepunkt des Buches, die Trennung, sondern um die Entwicklung und die Darstellung der Figuren, die am Ende zu einem klaren Bild zusammengesetzt werden.
Neben den persönlichen, zwischenmenschlichen Gebieten gibt es jedoch breit gefasstere Thematiken. Auf der einen Seite das Zentrale Motiv der Armut. Die Enge Bogners Wohnung im Gegensatz zum Hause Blocks und Hankes Vier-Wände. Der Hunger der Menschen im Kontrast zu den gut genährten Priestern. Die Verzweiflung der Menschen konträr zu der bunten Werbung für Drogisten. Aber auch die Frage nach Gott wird behandelt. Die Figur Handke ist als Negativbeispiel eines Heuchlers zu sehen. Fred dagegen ist eher das Gegenteil, er behält den kritischen, fast atheistischen Blick. Käte nimmt eine Stellung zwischen den beiden ein, sie versucht gut zu sein - gibt Trinkgeld trotz eigener Armut - empfängt die Sakramente und betet viel, was er Kraft und Lebensbewältigung gibt (vgl. S. 122f.). Die Kritik an der Kirche, die Wahrheit unter Floskeln zu verschleiern kann bis heute Gültigkeit haben.
Insgesamt ist Und sagte kein einziges Wort nicht nur ein Roman eines historischen Moments in Deutschland, sondern er hat Zeitlosigkeit und mahnt uns an, unsere Beziehung und unseren Glauben immer wieder zu prüfen, über Probleme zu reden.
Literaturhinweise
Werner Bellmann: Von "Der Engel schwieg" zu "Und sagte kein einziges Wort". In: Heinrich Böll. Romane und Erzählungen. Interpretationen. Hrsg. von W. B. Reclam, Stuttgart 2000. S. 82-108.
Karl-Josef Kuschel: "Und sagte kein einziges Wort": Ein Roman von Heinrich Böll. In: K.-J. K.: JESUS in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Zürich (u.a.) 1978. S. 152-163.
Ernst Ribbat: Heinrich Böll: "Und sagte kein einziges Wort". Ein Rettungsversuch mit Vorbehalten. In: Der Deutschunterricht 33 (1981) Nr. 3. S. 51-61.
Karl-Ludwig Schneider: Die Werbeslogans in dem Roman "Und sagte kein einziges Wort". In: In Sachen Böll. Ansichten und Einsichten. Hrsg. von Marcel Reich-Ranicki. dtv, 8. Aufl. München 1985. S. 183-188.