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Vertrauen

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Vertrauen ist der individuelle Glaube an die positive Entwicklung von Ereignissen, meist im zwischenmenschlich-interaktiven Bereich, gebunden an die eigenen Wertvorstellungen und Erfahrungen. Desweiteren kann der Begriff des Vertrauens im Hinblick auf seine Zielbestimmung definiert werden: Vertrauen ist danach (vgl. Niklas Luhmann) im weiteren Sinne ein „Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität“. Dort wo die rationale Abwägung von Informationen (aufgrund unüberschaubarer Komplexizität, wegen Zeitmangels zur Auswertung oder des gänzlichen Fehlens von Informationen überhaupt) nicht möglich ist, befähigt Vertrauen dennoch zu einer auf Intuition gestützten Entscheidung (siehe hierzu auch Verwandte Gebiete, unten).

Das Gegenteil von Vertrauen ist Mißtrauen.

Vertrauen entsteht dann, wenn man aufeinander verlassen kann, wenn jemand immer da ist, wenn man ihn braucht. Auch das Auftreten des anderen spielt eine Rolle, sowie das wahren von Geheimnissen, Menschen in Konfliktsituationen wieder zusammenbringen.

Etymologie

Vertrauen ist als Wort seit dem 16. Jahrhundert bekannt (althochdeutsch: „fertruen“, mittelhochdeutsch: „vertruwen“) und geht auf das gotische trauan zurück. Das Wort „trauen“ gehört zu der Wortgruppe um „treu“ = „stark“, „fest“, „dick“.

Charakteristik

Vertrauen ist ein Phänomen, das in unsicheren Situationen auftritt: wer sich einer Sache sicher sein kann, muss nicht vertrauen. Vertrauen ist aber auch mehr als nur Glaube oder Hoffnung, es benötigt immer eine Grundlage („Vertrauensgrundlage“). Dies können gemachte Erfahrungen sein, aber auch das Vertrauen einer Person, der man selbst vertraut (Vertrauen ist also teilweise übertragbar). Jemandem sein ganzes Vertrauen zu schenken, kann sehr aufregend sein. Als Beispiel: Das Vertrauen, das ein Kind dem Vater schenkt, wenn es von oben herab in die ausgebreiteten Arme springt - sowohl für den Vater als auch für das Kind. (Die Geschichte wird oft im übertragenen Sinn erzählt - als Gottvertrauen.)

Peter R. Scholtes[1] (1998) stellt Vertrauen (Zuneigung, Respekt und Mißtrauen) als subjektive Bewertung von zwei Faktoren in einem zweidimensionalem Modell dar.


Vertrauen, Respekt,
Zuneigung und Misstrauen
Tauglichkeit:

Das Mass, inwieweit ich den anderen für kompetent und fähig halte.

Niedrig Hoch
Wohlwollen

Das Mass,
inwieweit ich
glaube, dass
Du mich magst
und mich in
Zukunft
unterstützt





hoch
(Zuneigung)
Vertrauen
niedrig
Mißtrauen
(Respekt)


Die Dimensionen sind Wohlwollen (hoch/niedrig) und Tauglichkeit (hoch/niedrig) und beruhen auf der Bewertung eines Menschen bezüglich eines anderen, einer Situation oder einer Sache. So kann nach dieser Darstellung kein Vertrauen entstehen, wenn der Beurteiler eine andere Person zwar für sachlich kompetent hält, aber dessen Interesse den Beurteiler in Zukunft zu unterstützen als niedrig bewertet wird. Diese Bewertung würde zu Respekt führen.

Beispiele

  • Vertrauen zwischen zwei Personen beruht meist auf Gegenseitigkeit.
  • Vertrauen zwischen zwei Personen basiert in der Regel auf gemeinsam gemachten Erfahrungen.
  • Fragen des Vertrauens beruhen oft auch auf gegenseitigem Verstehen und auf früheren Handlungen.
  • Vertrauen bietet oft Vorteile, denn über längere Sicht betrachtet gewinnen Strategien, die auf Vertrauen basieren und zu Kooperation führen, mehr, als Strategien, die auf Misstrauen beruhen.
  • Vertrauen kann man vergrößern, indem man Informationen gibt oder gewinnt. (Vertrauensbildende Maßnahmen)
  • Oft können Verhandlungen zwischen Gegnern erfolgreicher geführt werden, wenn sie von einer Person des Vertrauens moderiert werden (Mediation).
  • Vertrauen kann auch darin bestehen, dass man ein Geheimnis, das einem an"vertraut" wurde, für sich behält. („Im Vertrauen gesagt, vertraulich“.)
  • Vertrauen ist das Gefühl, einem Menschen glauben zu können, wenn man weiß, dass man an seiner Stelle lügen würde.
  • Vertrauen benötigt keine Grundlage.
  • Vertrauen in Unbekannte beruht auf dem Vertrauen in regelhaftes Handeln erzwingende Institutionen, wie Justiz, Polizei, eine dichte Nachbarschaft, Kollegen, weil damit ein regelabweichendes Handeln sanktioniert wird.
  • Vertrauen kann das Ergebnis eines dichten Netzwerks sozialer Kontakte, von Sozialkapital, sein.

Verwandte Gebiete

  • In den Wirtschaftswissenschaften gibt es erst seit der Revidierung des Homo oeconomicus Axioms Platz für ein Konstrukt wie Vertrauen. Besonders die Ökonomie beschäftigt sich seit den 80er Jahren intensiv mit dem Thema (wichtige Autoren: Oliver E. Williamson (1993), Tanja Ripperger (1998), Michael Platzköster (1990)), aber auch die Betriebswirtschaft spart nicht mit Veröffentlichung (besonders im Bereich des Organizational Behaviour, z. B. Bart Noteboom/Frederique Six (2003), Roderick Kramer/Tom Tyler (1996), oder Roderick Kramer (2005)). Jedoch gibt es Uneinheitlichkeiten bei den Definitionen, den Begriffsverwendungen, den verwandten Konstrukten und den implizierten Mechanismen, was eine Vertrauenstheorie in den Wirtschaftswissenschaften verhindert. (siehe Vertrauen (Wirtschaft))
  • Besondere Bedeutung kommt dem Konstrukt "Vertrauen" auch im Rahmen des Marketing zu. So spielen bei produktpolitischen Entscheidungen die Vertrauenseigenschaften eine große Rolle, bei der Preisfindung wiederum das Preisvertrauen (Erwartung, dass ein Unternehmen den Preis ausschließlich eigennützig festlegt). In der Distributionspolitik entscheidet das Vertrauen in die Absatzwege über den Erfolg eines Produktes (bspw. Vertrauen in neue Medien oder den Handel von Waren über das Internet (siehe z.B. Peter Ludwig (2005)), und die Kommunikationspolitik muss sich mit einem geringen Vertrauen in die Aussagen der Werbung auseinandersetzen. Entscheidend ist Vertrauen schließlich auch im Markenmanagement: Dort spricht man von Markenvertrauen als einer der wesentlichen Einflussgrößen der Kundenloyalität bzw. Markentreue. Hierzu liegen bereits einschlägige empirische Studien vor (siehe Weblinks).
  • In der Soziologie wird Vertrauen zum einen als „Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität“ (Niklas Luhmann) bezeichnet. Siehe auch: "International Sociology", Jg. 20, H. 3 (Sonderheft The trust-control nexus in organizational relations), Sept. 2005. Zum anderen wird es als Soziales Vertrauen als Ergebnis von Sozialkapital untersucht (siehe Putnam, Bowling Alone].
  • In der Politikwissenschaft ist vor allem das als Institutionenvertrauen bezeichnete Vertrauen der Bevölkerung in die Fähigkeit von Institutionen, Kontrolle über Ressourcen, Handlungen und Ereignisse im Sinne der Bevölkerung auszuüben, wichtig.
  • In der Verwaltungswissenschaft werden Möglichkeiten zum Auf- bzw. Ausbau des Vertrauens nach Ethikeklats und Korruptionsfällen diskutiert (Verwaltungsethik).
  • In der Entwicklungspsychologie spricht man vom Urvertrauen.
  • Im (öffentlichen und privaten) Recht wird „Vertrauen“ als schützenswertes Rechtsgut behandelt.
  • In der Wahrscheinlichkeitstheorie und der Zuverlässigkeitstheorie spricht man vom Vertrauensbereich, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis in diesen Bereich fällt, größer ist, als die Irrtumswahrscheinlichkeit.
  • In der Biochemie wird das Hormon Oxytocin für die Vertrauensbildung verantwortlich gemacht.

Siehe auch


  • Fuhrmann, Heiner: Vertrauen im Electronic Commerce" Baden-Baden 2001 ISBN: 378907571X
  • Endress, Martin: Vertrauen, Bielefeld: Transcript, 2002 ISBN 3933127785
  • Luhmann, Niklas: Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, Stuttgart: UTB, 2000 ISBN 3825221857
  • Hartmann, Martin/Offe, Claus: Vertrauen. Die Grundlage des sozialen Zusammenhalts, Campus, 2001 ISBN 3593367351
  • Fukuyama, Francis: Trust: Human Nature and the Reconstitution of Social Order, Free Press, 1996 ISBN 0684825252
  • Joachim Dettmann & Michael Holewa: Vertrauen oder das Wunder der Loyalität. transfer-project, Berlin 2006, www.epto.de
  • Gertrud Höhler: Warum Vertrauen siegt. München 2003.
  • Bernd Markert: Was kostet ein Pfund Ehrlichkeit? (Vertrauen vor Vertrag)
  • Müller, Stefan; Wünschmann, Stefan: Markenvertrauen: Aktueller Stand der Forschung und empirische Untersuchung am Beispiel der Automobilbranche, Arbeitspapier der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Technischen Universität Dresden, Nr. 91/04.
  • Ludwig, Peter: Vertrauen beim Online-Shopping, Pabst: Lengerich u.a., 2005 ISBN 3899672305
  • Bauer, Hans H., Neumann, Marcus M., Schüle, Anja: "Konsumentenvertrauen - Konzepte und Anwendungen für ein nachhaltiges Kundenbindungsmanagement, Vahlen Verlag München, 2006, ISBN 3800633175 http://www.konsumentenvertrauen.de
  • Robert D. Putnam: Bowling Alone. The Collapse and Revival of American Community. New York: Simon und Schuster, 2000. ISBN 0-74320304-6

Quellen

  1. Scholtes, Peter (1998) The Leader's Handbook Making Things Happen - Getting Things Done; McGraw Hill, 1998
Wiktionary: Vertrauen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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