Demenz
Eine Demenz (lat. de- "ent-"; mens "Geist", "Verstand") ist eine fast immer, aber nicht ausschließlich, im Alter auftretende Erkrankung des Gehirns (Altersdemenz, senile Demenz; daher auch als Alterssyndrom bezeichnet), bei der es zu einer fortschreitenden Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit kommt. Vor allem ist das Gedächtnis, ferner das Denkvermögen, die Sprache und die Motorik, nur bei einigen Formen auch die Persönlichkeitsstruktur betroffen. Maßgeblich ist der Verlust bereits erworbener Fähigkeiten im Unterschied zur angeborenen Minderbegabung (Oligophrenie). Heute sind verschiedene, aber nicht alle Ursachen von Demenzen geklärt, und einige Formen können in einem gewissen Umfang behandelt werden.
Definition
Die diagnostischen Kriterien für eine Demenz beinhalten verschiedene Kombinationen von Defiziten in kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten, die zu einer Beeinträchtigung von sozialen und beruflichen Funktionen führen. Gemeinsames Kriterium ist ein stetig fortschreitender Gedächtnisverlust über mindestens 3 Monate. Abgrenzung, z. B. von Delir und Klärung der Therapiemöglichkeiten durch Geriatrisches Assessment und internist-/neurologische Differentialdiagnostik ist immer erforderlich.
Definition der Demenz nach ICD 10
Demenz (ICD 10-Code F00-F03) ist ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache, Sprechen und Urteilsvermögen im Sinne der Fähigkeit zur Entscheidung. Das Bewusstsein ist nicht getrübt. Die Sinne (Sinnesorgane, Wahrnehmung) funktionieren im für die Person üblichen Rahmen. Gewöhnlich begleiten Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation die kognitiven Beeinträchtigungen; gelegentlich treten diese Syndrome auch eher auf. Sie kommen bei Alzheimer-Krankheit, Gefäßerkrankungen des Gehirns und anderen Zustandsbildern vor, die primär oder sekundär das Gehirn und die Neuronen betreffen.
Definition der Demenz im DSM-IV
Die kognitiven Defizite verursachen eine signifikante Beeinträchtigung der sozialen und beruflichen Funktionen und stellen eine deutliche Verschlechterung gegenüber einem früheren Leistungsniveau dar. Sie treten nicht im Rahmen einer rasch einsetzenden Bewusstseinstrübung oder eines Delirs auf. Zur Beeinträchtigung des Gedächtnisses muss nach DSM-IV noch mindestens eine der folgenden Störungen hinzu kommen:
- Aphasie: Störung der Sprache
- Apraxie: beeinträchtigte Fähigkeit, motorische Aktivitäten auszuführen
- Agnosie: Unfähigkeit, Gegenstände zu identifizieren bzw. wieder zu erkennen
- Störung der Exekutivfunktionen, d.h. Planen, Organisieren, Einhalten einer Reihenfolge
Häufigkeit
Die Ergebnisse einer großangelegten Studie aus dem Jahr 2006 gehen davon aus, daß aktuell weltweit mehr als 24,3 Millionen Menschen an Demenz leiden. Jedes Jahr werden demnach 4,6 Millionen neue Demenzfälle hinzukommen – dies entspricht einer neuen Erkrankung alle sieben Sekunden.
Die Anzahl der Betroffenen wird sich alle zwanzig Jahre verdoppeln auf über 81 Millionen im Jahr 2040. Überraschend ist auch, daß 60% der weltweit Demenzerkrankten in Entwicklungsländern leben.65- bis 69-Jährige | 1,2% |
70- bis 74-Jährige | 2,8% |
75- bis 79-Jährige | 6,0% |
80- bis 84-Jährige | 13,3% |
85- bis 89-Jährige | 23,9% |
über 90-Jährige | 34,6% |
Erhebung, die auch nach geografischer Verteilung gefragt hat: Von den insgesamt 24 Millionen Alzheimerkranken leben sechs Millionen in China, annähernd fünf Millionen in Europa; 3,5 in Nordamerika; knapp 2 in Südamerika; 1,5 in Indien; je rund 1 Million in Russland, Japan, und Indonesien. Ein deutlicher Anstieg ist in Ländern mit noch wenigen Erkrankten zu erwarten, so in Teilen Afrikas und in manchen unterentwickelten Ländern Südamerikas. Den größten Zuwachs werden China und angrenzende Länder erleben.
Risikofaktoren
Hauptrisikofaktor für eine Demenz ist das Lebensalter mit seinem Abbau an Organfunktionalität (z. B. weniger nutzbare Synapsen im Gehirn, schlechtere Sauerstoffversorgung durch die Lunge und der Ansammlung pathologischer Veränderungen - Stichwort Alterssyndrome). Das Überwiegen des weiblichen Geschlechts ist wahrscheinlich vor allem in der einige Jahre höheren Lebenserwartung von Frauen begründet. Die Häufigkeit der Demenz nimmt mit steigendem Bildungsniveau ab. Auch Depressionen werden als Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenz angesehen. Sie treten vor allem in frühen Demenzstadien gehäuft auf und können einer Demenz auch vorausgehen.
Ursachen
Die häufigste Ursache einer Demenz ist die Alzheimersche Krankheit. Aber auch bei zahlreichen anderen vor allem im Alter auftretenden Erkrankungen des Gehirns kann es sukzessive zum Auftreten einer Demenz kommen, zum Beispiel bei der Lewy-Körperchen-Erkrankung (= Lewy-Body-Demenz) oder der Lobäratrophie (= frontotemporale Demenz, siehe auch Morbus Pick), auch beim Parkinson-Syndrom (bei dem es sich wahrscheinlich um eine Form der Lewy-Body-Demenz handelt); bei Parkinsonpatienten treten aber auch demenzielle Erscheinungen auf, die auf einer jahrelangen Parkinson-Medikation beruhen. Ob auch Durchblutungsstörungen des Gehirns eine (vaskuläre) Demenz verursachen können, ist umstritten. Fest steht, dass sich gerade bei alten Menschen oft mehrere Erkrankungen miteinander mischen.
Aus neuropathologischen Untersuchungen ist bekannt, dass die ersten Demenz-typischen Veränderungen im Gehirngewebe bereits im jungen Erwachsenenalter auftreten und mit zunehmendem Lebensalter stetig zunehmen. Zur Demenz kommt es erst, wenn ein großer Teil der Gehirnzellen zerstört ist.
Seltene Demenz-Ursachen sind Infektionskrankheiten wie HIV oder die Syphilis, die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, Normaldruckhydrocephalus, Stoffwechselstörungen wie der Vitamin B12-Mangel die Schilddrüsenunterfunktion oder der Morbus Wilson, oder auch seltenere neurodegenerative Erkrankungen wie z.B. die Chorea Huntington u.a.
Tabelle: Häufigste Ursachen der Demenz
Alzheimersche Krankheit | ca. 60% |
Lewy-Körperchen-Erkrankung und Parkinson-Syndrom | ca. 10 - 20% |
Frontotemporale Demenz | ca. 5 – 10% |
Vaskuläre Demenz | ca. 15% |
Andere | < 5% |
Die Angaben sind Schätzungen, da die Zuordnung im Einzelfall schwierig bis unmöglich ist und Mischformen häufig sind. Zahlen aus den 90er Jahren.
Diagnostik
Das etablierte bildgebende Verfahren zur Diagnose und Differentialdiagnose der Demenz ist die PET (Positronen-Emissions-Tomographie) mit F18DG. Damit lassen sich auch schon in Frühstadien Orte im Gehirn mit vermindertem Glucosestoffwechsel nachweisen und so eine Demenz vom Alzheimertyp oder eine frontotemporale Demenz (Morbus Pick) nachweisen. Demenzen durch Depressionen zeigen ein normales Aktivitätsmuster im PET. Zur Diagnose von Demenzen, die mit extrapyramidal motorischen Störungen einhergehen, wird die Szintigraphie mit J123 beta-CIT oder DAT-Scan, die J123-IBZM Szintigraphie und die PET mit L-Dopa eingesetzt. Damit kann ein Morbus Parkinson, die Multisystematrophie, eine progressive supranukleäre Blickparese und ein essentieller Tremor abgegrenzt werden. Wichtige Hinweise zur Differentialdiagnose und zur Auswahl der bildgebenden Untersuchungsverfahren liefert die Krankengeschichte, wobei besonders die Angaben der Bezugspersonen zu berücksichtigen sind. Dem Betroffenen selbst fallen seine Gedächtnisstörungen oft nicht auf und/oder man kann kurzfristig bei Terminen in Hochform sein (bekanntes Phänomen bei Arztbesuchen). Andererseits ist es auch möglich, dass er seine Gedächtnisstörungen im Rahmen einer depressiven Verstimmung überschätzt. Technische Untersuchungen wie beispielsweise die Kernspintomografie oder Computertomografie des Kopfes oder die Elektroenzephalografie sind vor allem zur Differenzierung von anderen Gehirnerkrankungen sinnvoll. Um keine behandelbare Ursache zu übersehen, sollten zumindest die folgenden Blutuntersuchungen vorliegen: Blutbild, Vitamin B12-Spiegel, Blutzucker, Leberwerte, Nierenwerte, Elektrolyte, Schilddrüsenhormone, CRP.
Differentialdiagnostisch sind auszuschließen: Apoplexie, Delir, Depression, Gehirntumore, Wahn-Erkrankungen. Durch die häufige Multimorbidität im Alter kommen auch Kombinationen dieser Störungen/Krankheiten in Betracht.
Hilfreich zur Diagnosestellung und auch zur Überprüfung des Fortschreitens einer Demenz sind neben der Krankengeschichte zunächst einfache psychometrische Testverfahren wie der MMSE = Mini-Mental State Examination, der Uhrentest oder der DemTect. Solche einfachen und schnell durchführbaren Tests können dann auch zu Verlaufsuntersuchungen eingesetzt werden, zum Beispiel, um das Ansprechen auf Medikamente oder Therapieverfahren zu überprüfen.
Symptome
Im Vorfeld einer Demenz sind oft psychische Störungen zu beobachten, die häufig kaum von denen einer Depression unterschieden werden können, wie zum Beispiel Verlust von Interessen und Eigeninitiative, Reizbarkeit, Gefühl der Überforderung, Verlust der affektiven Schwingungsfähigkeit, depressive Verstimmungen.
Leitsymptom aller Demenz-Erkrankungen ist die Störung des Gedächtnisses, vor allem des Kurzzeitgedächtnisses. Die Vergesslichkeit ist zunächst etwas Normales. Oft ist zumindest in den Anfangsstadien die äußere Fassade dabei gut erhalten, so dass die Gedächtnisstörungen im oberflächlichen Kontakt sehr gut überspielt werden können. Dies gelingt besonders gut den Menschen, die ihr Leben lang viele soziale Kontakte hatten - der verbindliche Umgangston ersetzt streckenweise den Inhalt der Botschaft (Kommunikation).
Später verlieren sich länger zurück liegende Gedächtnisinhalte. Wenn die Demenz fortschreitet, treten auch andere Störungen der Hirnfunktion hinzu, wie zum Beispiel Wortfindungsstörungen, Rechenstörungen und Störungen der Raumwahrnehmung, so dass sich die Betroffenen häufig verlaufen, besonders wenn in der ihnen über Jahrzehnte geläufigen Umgebung bauliche Veränderungen stattfinden.
Demenz-Kranke verlieren ihre Eigeninitiative. Sie vernachlässigen ihre früheren Hobbys, ihre Körperpflege und das Aufräumen ihrer Wohnung. Schließlich sind sie nicht mehr in der Lage, sich ausreichend zu ernähren. Sie haben keinen Antrieb zum Essen, verlieren das Hungergefühl und vergessen schließlich, die Nahrung zu kauen und herunter zu schlucken. Sie magern ab und werden anfällig für internistische Erkrankungen wie zum Beispiel eine Lungenentzündung. Auch motorische Störungen gehören meist zum Bild einer fortgeschrittenen Demenz, wenn es sich nicht um eine Demenz-Erkrankung handelt, die mit motorischen Störungen beginnt, wie zum Beispiel das Parkinson-Syndrom. Die Patienten werden zunehmend steif am ganzen Körper. Ihr Gang wird kleinschrittig, schlurfend und breitbeinig. Sie sind fallgefährdet, auch weil es zu einer Störung der Haltereflexe kommt.
Wahnhafte Störungen können bei allen Demenzformen auftreten. Relativ typisch sind sie für die Lewy-Body-Demenz, die Demenzform beim Parkinson-Syndrom. Es handelt sich vor allem um optische Halluzinationen. Typischerweise sehen die Betroffenen zunächst vor allem im Zwielicht der Dämmerung nicht anwesende Personen, mit denen sie mitunter sogar Gespräche führen. Die Patienten können sich in diesem Stadium meist von ihren Halluzinationen distanzieren, das heißt sie wissen, dass die Personen, mit denen sie sprechen, nicht anwesend sind. Später sehen sie Tiere oder Fabelwesen, Muster an den Wänden, Staubfussel. Schließlich erleben sie groteske, meist bedrohliche Dinge, zum Beispiel Entführungen. Diese szenischen Halluzinationen sind in der Regel sehr angstgefärbt. Die Patienten werden nicht selten aggressiv, wenn sie die sich in besten Absichten nähernden Angehörigen und Pflegenden in ihr Wahnsystem einbauen. Hier sind die Übergänge zum Delir fließend.
Verschiebungen im Tag-Nacht-Rhythmus können erhebliche pflegerische Probleme bereiten.
Im weit fortgeschrittenen Stadium erkennen die Betroffenen schließlich nicht einmal ihre engsten Angehörigen wieder. Sie werden völlig apathisch, bettlägerig und inkontinent.
Die Demenz schränkt die Lebenserwartung ein. Die Demenz selbst ist aber nicht Todesursache, sondern die durch die Demenz begünstigten Erkrankungen.
Erleben demenzkranker Menschen
Wenn man versucht, sich in die Gefühlswelt demenzkranker Menschen hineinzuversetzen, fällt die Kommunikation mit ihnen leichter.
Für Demenzkranke sieht die Welt merkwürdig und unverständlich aus, weil sie die Geschehnisse nicht in einen größeren Kontext einordnen können. Aufgrund ihrer Erinnerungsstörungen ist ihnen der Zugriff auf frühere Erfahrungen und Erlebnisse verwehrt, um sich mit deren Hilfe in der jetzigen Situation zurechtzufinden. Es fehlt das Wissen und die Sicherheit von Ressourcen, die der Bewältigung aktueller Situationen dienen. Oft verschwimmt der Unterschied zwischen Traum und Realität. Oft kommt es zu Halluzinationen, die für die Betroffenen als real erlebt werden. Im Umgang mit dementen Personen ist es oft nicht möglich, diesen die Irrealität der Halluzinationen zu erklären. Im Idealfall erfassen die Pflegenden die hinter den Halluzinationen stehende Stimmung und gehen auf diese ein.
Wenn der erkrankte Mensch noch in der Lage ist zu realisieren, dass er in einer Situation nicht angemessen reagiert hat, kann das bei ihm Unruhe und Resignation auslösen.
Demente benötigen viel Zeit für alle Reaktionen und Handlungen. In fortgeschrittenen Stadien ist beispielsweise eine ausreichende Ernährung auf natürlichem Weg nicht mehr möglich, weil die Betroffenen aufgrund ihrer schweren Antriebsstörung nicht mehr in der Lage sind, die Nahrung hinunter zu schlucken. Die Geduld und die zeitlichen Möglichkeiten der Pflegenden stoßen deswegen regelmäßig im Spätstadium an ihre Grenzen.
Menschen, die an Demenz erkrankt sind, fühlen sich oft falsch verstanden, herumkommandiert oder bevormundet, da sie die Entscheidungsgründe der sie Pflegenden nicht erfassen können. Manche sind noch in der Lage, zu spüren, wenn sich ihre Mitmenschen langweilen oder peinlich berührt werden. Im Spätstadium geht auch die Fähigkeit zum emotionalen Kontakt verloren, was meist besonders für die Angehörigen sehr belastend ist.
Demenzkranke reagieren oft mit Ärger, wenn man sie für Dinge verantwortlich macht, die sie längst vergessen haben. Damit werden sie gleich doppelt in die Enge getrieben: einmal dadurch, dass ihnen vorgeworfen wird, absichtlich Fehler zu begehen, und zum anderen, weil sie mit ihren Schwächen - sich nicht erinnern zu können - konfrontiert werden.
Auch demenzkranke Menschen haben noch Gefühle. Besonders Depressionen sind ein häufiges Problem, oft bereits vor der Manifestation der Demenz, oft dann, wenn die Betroffenen ihren geistigen Verfall wahrnehmen. Da die Symptome einer Depression denen der Demenz ähneln, können beide Krankheiten bei unzureichenden Kenntnissen verwechselt werden. Je weiter die Demenz fortschreitet, desto mehr verflacht aber auch die Gefühlswelt, und weicht parallel zu einer zunehmenden Interesselosigkeit einer affektiven Indifferenz mit der Unfähigkeit, sich zu freuen oder traurig zu sein bzw. die Emotionen auszudrücken.
Der Umgang mit Demenzkranken sollte an deren verändertes Erleben angepasst sein. Als hilfreiche Methoden im Umgang mit Demenzkranken haben sich erwiesen: Validation, Biographiearbeit/Erinnerungspflege, Basale Stimulation, Realitäts-Orientierungs-Training (ROT) und die Selbst-Erhaltungs-Therapie (SET) nach B. Romero.
Therapie
Medikamentöse Therapie
Seit einigen Jahren stehen Medikamente gegen Demenz zur Verfügung. Zum einen handelt es sich um zentral wirksame Cholinergica (Cholinesterasehemmer) wie Donepezil, Galantamin oder Rivastigmin, zum anderen Memantin. Dabei zeigt die klinische Erfahrung, dass auf der einen Seite manche Patienten sehr gut von den Medikamenten profitieren, andere überhaupt nicht. Deswegen kamen immer wieder sehr erbittert geführte Diskussionen auf, ob man diese sehr teuren Medikamente überhaupt verordnen sollte (Tagestherapiekosten ca. 4 bis 5 €). Heilbar ist die Demenz nicht, aber in vielen Fällen in ihrem Verlauf um 1 bis 2 Jahre aufzuhalten.
Als unwirksam gelten Ginkgo, Knoblauch, Piracetam. Alle beruhigenden Medikamente, die beispielsweise bei Schlafstörungen oder Verschiebungen des Tag-Nacht-Rhythmus gegeben werden, verschlechtern die kognitive Leistung. Dasselbe gilt für Neuroleptika mit anticholinerger Nebenwirkung, die manchmal bei Halluzinationen nicht zu umgehen sind.
Die medikamentöse Behandlung der vaskulären Demenz entspricht einerseits der Behandlung der chronischen Gefäßerkrankungen (Arteriosklerose), andererseits haben sich auch bei der vaskulären Demenz Antidementiva als wirksam erwiesen, sowohl Azetylcholinesterasehemmer als auch Memantine.
Gedächtnistraining
Ein Wirksamkeitsnachweis von Gedächtnistraining („Gehirnjogging“) konnte erbracht werden für die durchgeführten Aufgaben, wie zum Beispiel das Wiedererkennen von Fotos von Gesichtern oder das Orientieren in der Umgebung, in der es geübt wurde. Die Alltagsrelevanz des Gedächtnistrainings ist umstritten. Dabei besteht die Gefahr, dass die Betroffenen mit ihren Defiziten konfrontiert werden und eher zu einer Verschlechterung der Gesamtsituation führt, wenn sie sich als Versager fühlen.
Umgang mit Dementen
Das Wichtigste im Umgang mit an Demenz erkrankten Menschen ist Geduld. Durch Ungeduld seitens der Kontaktpersonen hat der Betroffene das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben - dies ist Ursache für Unzufriedenheit, Traurigkeit und Unwohlsein (kein Mensch macht gerne Dinge falsch).
Wichtig ist ferner, sich darüber im Klaren zu sein, dass die Betroffenen aufgrund ihrer Gedächtnisstörungen nur bedingt lernfähig sind. Das meiste, was man ihnen sagt, haben sie innerhalb weniger Minuten wieder vergessen. Mit dementen Menschen ist daher nichts zuverlässig zu vereinbaren. Eine Konditionierung von Demenzkranken ist dennoch möglich; führt man einen Betroffenen immer wieder an einen Platz an einem Tisch und erklärt ihm, dies sei sein Platz, so ist es durchaus möglich, dass er sich diese Stelle in Zukunft selbst zum Sitzen aussucht. Auf die Frage: "Wo ist ihr Platz?" wird der Betroffene dennoch ausweichend antworten. Deswegen ist es sinnvoll, möglichst auf Fragen zu verzichten.
Das Demenz-Paradoxon
Der Wissenschaftler Bruder spricht im Zusammenhang mit der Demenz vom Alzheimer-Typ vom Demenz-Paradoxon. Damit ist die zunehmende krankheitsbedingte Unfähigkeit des erkrankten Menschen gemeint, den Verlust seines kognitiven Leistungsvermögens entsprechend wahrzunehmen und sich mit den Konsequenzen auseinanderzusetzen.
Kommunikation
Die Verständigung sollte in einer einfachen Sprache geschehen. Zum Einen ist dies durch die meist erschwerte Kommunikation durch Alterstaubheit gegeben, zum Anderen ist durch die Beeinträchtigung des abstrakten Denkvermögens ein Verständnis langer Sätze nicht immer gegeben. Jeder Satz sollte nur eine Information enthalten. Also nicht: "Steh auf und zieh dir den Mantel an" sondern nur "steh bitte auf" und erst dann den nächsten Schritt. Die Sprache sollte dabei einfach sein und die Sätze prägnant und kurz. Meistens werden Sprichwörter und Redensarten besser verstanden als abstrakte Wendungen. Hilfreich ist es, sich Wendungen und Begriffe zu merken, die vom Demenzkranken verstanden wurden, um dann auf diese zurückzugreifen. Ein Streitgespräch mit dem an Demenz erkrankten Menschen sollte unter allen Umständen vermieden werden, auch wenn er eindeutig im Unrecht ist; dies würde die Verwirrtheit und das unzufriedene "Gefühl", das nach einem Streit bleibt (obgleich sich der Betroffene nicht mehr an den Streit selbst erinnern kann), verstärken. Für den demenzkranken Menschen ist der Streit auch deshalb sehr bedrohlich, weil er nicht auf die Erfahrung zurückgreifen kann, dass der Streit auch wieder vorbei geht, denn Demenzkranke leben fast ausschließlich in der Gegenwart. Zukunft hat für sie keine Bedeutung.
Wenn die Sprache kaum noch möglich ist, wird es umso wichtiger, die übrigen Sinne anzusprechen. Zugang kann auch über Schmecken, Riechen, Sehen, Hören, Tasten, Bewegung geschaffen werden. Z. B. bekannte Volkslieder, bei denen die Betroffenen wahrlich aufblühen können. Allerdings ist auch hier zu beachten, dass sich einige Sinne verändern können. So spricht der Geschmackssinn vor allem auf süße Speisen an. Bei allen Reizen sollte darauf geachtet werden, nicht zu viele auf einmal einzusetzen. Eine Überlagerung verschiedener Sinneseindrücke kann bedrohlich wirken, da die verschiedenen Urheber nicht mehr getrennt und zugeordnet werden können. Ein Überangebot an Reizen führt damit eher zu Verwirrtheit als zu Stimulation. Es sollte also ein Gleichgewicht gefunden werden zwischen Überangebot und absoluter Reizarmut.
Im Idealfall ist der Betreuende in der Lage, sich in die Gedankenwelt des Dementen einzufühlen, z.B. durch Validation.
Die Umgebung sollte auf den Erkrankten angepasst werden. Man stelle sich die Situation vor, die z.B. beim Aufwachen in einem Seniorenheim entsteht: Ein Mensch wacht auf in einem fremden Zimmer ohne vertraute Gegenstände; ein Mensch (Pflegekraft) kommt herein, den er noch nie gesehen hat und fängt ohne zu fragen und vollkommen selbstverständlich an, den Menschen zu waschen und anzukleiden. Die Pflegekraft sollte sich möglichst vorstellen und vorher in einfachen Sätzen erklären, was sie vorhat und auch weitere Handlungen kommentieren. Hier zeigt sich, wie wichtig das Einstreuen vertrauter Gegenstände in die nähere Umgebung des Erkrankten ist, um dessen Verwirrtheit und daher aufkeimende Angst zu bekämpfen. Denn vertraute Gegenstände, Geräusche usw. geben Sicherheit. Wichtig ist auch eine gute Beleuchtung, da Schatten häufig zu Verunsicherung führen, da sie nicht eingeordnet werden können. Weiterhin nimmt bei Demenzkranken das räumliche, dreidimensionale Sehvermögen ab. Deshalb werden farbliche Veränderungen des Bodens häufig als Schwellen interpretiert. Es gilt also, den Patienten angstfrei und möglichst orientiert zu halten, um mit ihm arbeiten zu können.
Der Pflegeforscher Prof. Erwin Böhm (Österreich) setzt auf Kindheitsemotionen, um demenzkranke Senioren zu rehabilitieren. Böhm rät, in jungen Jahren ein so genanntes Sozigramm zu erstellen. Darin solle man genau vermerken, was einem als Kind und Jugendlicher Spaß gemacht hat. Diese Informationen können später verwendet werden, um Kindheitserinnerungen aufleben zu lassen. Dadurch entstehen Emotionen, die besonders Demenzkranke glücklich machen und ihnen neue Lebensenergie einflößen. Die Krankheit könne auf diese Weise zwar nicht geheilt, aber in ihren Auswirkungen vermindert werden.
Umgang der Pflegenden mit sich selbst
Zu 90% werden Demenzkranke von Angehörigen gepflegt, zu 80% von Frauen. Ein weithin unterschätztes Problem ist der Umgang der Angehörigen mit sich selbst. Oft vernachlässigen sie zunehmend ihre eigenen Sozialkontakte und leben nur noch für den/die Demente/n, mit dem sie nicht kommunizieren können. Oft sind sie voller Schuldgefühle wegen der immer wieder aufkommenden Aggressionen gegenüber dem Betroffenen. Und schließlich haben sie selbst große Angst, auch in absehbarer Zeit an einer ähnlichen Erkrankung zu leiden. Das alles mündet in sehr vielen Fällen in eine relevante Depression von Krankheitswert oder in psychosomatische Beschwerden wie zum Beispiel chronische Schmerzerkrankungen. Nicht selten tritt die psychische Erkrankung der Angehörigen erst nach dem Ableben des Demenzkranken auf, dann, wenn man eigentlich wieder das Leben genießen will.
Deswegen sollten die Angehörigen möglichst gleichzeitig mit dem Betroffenen Hilfe suchen, zum Beispiel in einer Angehörigengruppe, bei einem Nervenarzt, bei einer Demenzberatungsstelle oder durch Verteilung der Last auf mehrere Schultern (theoretisch richtig, oft kaum umzusetzen).
Die Erkrankung ihrer Lebenspartner oder Eltern kränkt auch die Copatienten erheblich. Mehr als Beratung und Informationen, die zu tatkräftiger Entlastung raten, würde gerade die helfen. In der Praxis wird viel zerredet und dokumentiert. Geeignete Menschen aus dem gewohnten Umfeld, erst recht Profis sind oft unwillig (beispielsweise unterfordert) oder ungeeignet (unter anderem sehr teuer). Die Kranken müssen in fortgeschrittenen Stadien ständig beaufsichtigt werden. Zu den problematischen Verhaltensweisen kommt körperliche Pflegebedürftigkeit.
Alzheimer-Gesellschaften und Angehörigeninitiativen gibt es inzwischen im gesamten Bundesgebiet. Hier gibt es Informationen für Betroffene und Angehörige. Weitere Informationen bei der Deutschen Alzheimer Gesellschaft.
Siehe auch: Ausländische Haushaltshilfe, Diskussion dieser Seite (Urheberrechte), Gerontopsychiatrische Fachkraft, Familienhelferin für Altersverwirrte(Abkürzung: FFA), Copatient
Historisches
Der Demenzbegriff wurde im 18. Jahrhundert in der Juristen- und Umgangssprache für jede Form geistiger Störungen verwendet. Ende des 18. Jahrhunderts bekam der Begriff unter Ärzten die Bedeutung eines Nachlassens der intellektuellen Kräfte und der Unfähigkeit zu logischem Denken. Lange Zeit wurden in der deutschsprachigen Psychiatrie nur das Endstadium des intellektuellen Abbaus als Demenz bezeichnet. 1916 beschrieb Eugen Bleuler das unspezifische hirnorganische Psychosyndrom mit den Merkmalen kognitive Störung, emotionale Veränderung und Persönlichkeitswandel als psychopathologische Folge chronischer Gehirnerkrankungen. Sein Sohn Manfred Bleuler grenzte 1951 davon das hirnlokale Psychosyndrom ab und wies auf seine Ähnlichkeit mit den endokrin verursachten psychischen Störungen hin. Im Zuge der Entwicklung moderner Klassifikationssysteme wie ICD-10 und DSM-IV hat sich die Definition des Demezsyndroms deutlich erweitert. Dieser Begriff beschreibt heute nicht mehr nur die schweren Fälle kognitiver Störungen, sondern jetzt ein erworbenes komplexes Störungsmuster höherer psychischer Funktionen. Die Störungen können sowohl reversibel als auch irreversibel sein, müssen aber das Gedächtnis betreffen und dürfen nicht mit einer Bewusstseinsstörung einhergehen. Außerdem muss die Bewältigung des Alltags beeinträchtigt sein.
Volkswirtschaftliche Auswirkungen
Im vierten Altenbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2004 wurden die Behandlungs- und Pflegekosten für Demenzkranke auf 26 Milliarden Euro geschätzt. Ein großer Anteil hiervon, nämlich 30 % für Pflege, wurde aber bisher nicht ausgabenwirksam, da er durch Angehörige der Patienten erbracht wurde. Im Jahr 2010 werden voraussichtlich 20 % aller Bundesbürger über 65 Jahre alt sein und so die (noch fiktiven) Kosten bei gleichen Bedingungen auf 36,3 Milliarden Euro ansteigen. Aufgrund der sich verändernden Familienstrukturen (Single-Haushalte, Kleinfamilien) wird aber der Anteil der Pflegekosten zusätzlich ansteigen.
Literatur
- Alzheimer Gesellschaft Mittelhessen e.V. (1997): Mensch sein. Mensch bleiben. Das Alzheimer Tageszentrum in Wetzlar. Ein Erfahrungsbericht. Wetzlar.
- Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz e.V. (Hrsg.): MIT-GEFÜHLT. Curriculum zur Begleitung Demenzkranker in ihrer letzten Lebensphase. Der Hospiz Verlag, Wuppertal 2004. ISBN 3-9808351-4-6
- Erich Grond: Pflege Demenzkranker. Schlütersche, Hannover. 2005. 3. Aufl. 237 Seiten. ISBN 3899934318 . (Lehrbuch für Pflegeberufe)
- Atlas der Demenz, ISBN 3833425334
- Hans Förstl: Lehrbuch der Gerontopsychiatrie und -psychotherapie, ISBN 3131299223
- Tackenberg Peter, Abt-Zegelin Angelika (Hrsg., 2001): Demenz und Pflege; Eine interdisziplinäre Betrachtung. Mabuse, Frankfurt am Main, 2.Aufl.
- Böhm, Erwin: Verwirrt nicht die Verwirrten. Neue Ansätze geriatrischer Krankenpflege. Psychiatrie-Verlag, 14. Aufl. 2006, ISBN 978-3-88414-097-0
- Böhm, Erwin: Ist heute Montag oder Dezember? Erfahrungen mit der Übergangspflege. Psychiatrie-Verlag, 9. Aufl. 2005, ISBN 978-3-88414-062-8
- Böhm, Erwin: Alte verstehen. Grundlage und Praxis der Pflegediagnose. Psychiatrie-Verlag, 9. Aufl. 2005, ISBN 978-3-88414-124-3
- Lind, Sven (2003): Demenzkranke Menschen Pflegen. Grundlagen, Strategien und Konzepte. Bern/Göttingen/Toronto/Seattle.
Weblinks
- PflegeWiki: Artikel zum geriatrischen Basisassessment
- PflegeWiki: Artikel zu Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz
- Kuratorium Deutsche Altershilfe - Informationen, Fachliteratur und Broschüren zum Thema Demenz
- "Initiative Altern in Würde" vom Deutschen Grünen Kreuz e.V.
- Initiative "Gemeinsam für ein besseres Leben mit Demenz"
- Informationen zu den verschiedenen Demenzsyndromen mit Literaturübersicht auf Neuro24
- Patientenleitlinie Demenz des medizinischen Wissensnetzwerks evidence.de der Universität Witten/Herdecke
- „Wenn das Gedächtnis nachlässt“ - PDF-Skript des Bundesministeriums für Gesundheit
- Quarks&Co - „Wenn das Gedächtnis streikt“ - PDF-Skript
- Interview mit Prof. Erwin Böhm als Podcast
- zip e.V. - Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz
- Übersicht zu Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz