Lustschloss Favorite (Mainz)
Das Lustschloss Favorite (oft auch kurz nur Favorite genannt) am Mainzer Rheinufer war eine bedeutende barocke Gartenanlage im kurfürstlichen Mainz. Erbaut wurde die Favorite in mehreren Bauabschnitten, beginnend mit dem Jahr 1700 und mit ihrer wesentlichen Fertigstellung um das Jahr 1722. Ihr Bauherr, Kurfürst Lothar Franz von Schönborn von Mainz, enstammte einer der bedeutendsten mitteldeutschen Adelsfamilien der damaligen Zeit und war Bauherr vieler barocker Gärten und Paläste. Das Lustschloss Favorite wurde während der Belagerung von Mainz 1793 im Rahmen der Koalitionskriege durch preussisches und österreichisches Bombardement vollkommen zerstört.
Vorbild der Anlage war das französische Lustschloss Marly-le-Roi von Ludwig XIV.. Das Lustschloss Favorite gilt mit seiner Weiterentwicklung der formalistisch-frühbarocken Gartengestaltung im Stile Versailles als Vorbild für viele weitere, später entstandene, Gartenanlagen der nachfolgenden spätbarocken Epoche der Gartenkunst [1] .
Vorgeschichte
Das Gelände der Favorite lag direkt am Rheinufer gegenüber der Mainmündung und südlich des mittelalterlichen Festungsrings vor den Toren von Mainz. Bereits im Mittelalter wurde es für Gartenanlagen genutzt. Hier befand sich der Abtei- und später der Stiftsgarten des Stiftes St. Alban vor Mainz. St. Alban wurde am Abend des 28. August 1552 im Zweiten Markgrafenkrieg durch Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach ausgeplündert und vollständig zerstört. In den 1670er Jahren erwarb Christoph Rudolf Reichsfreiherr von Stadion das brachliegende Gelände zwischen Mainz und Weisenau. Stadion war Ende des 17. Jahrhunderts ein bedeutende Persönlichkeit im kurfürstlichen Mainz: er war Hofratspräsident, Dompropst und selbst mehrfacher Kandidat für das Kurfürstenamt. Auch er wollte sich im Rahmen der damals aufkommenden Mode einen standesgemäßen barocken Lustgarten bauen. In der darauf folgenden Zeit entstand ein 5 ha großer Nutz- und Lustgarten mit Wohnhaus, Wirtschaftsgebäuden, Weinbergen sowie Obst- und Zierbäumen, der so genannte Stadionsche Garten. Nach dem Tod Stadions im Jahr 1700 erwarb der erst sechs Jahre vorher gewählte Kurfürst von Mainz, Lothar Franz von Schönborn, das Anwesen als Kernstück für das von ihm geplante Lustschloss Favorite.
Baugeschichte
Als 1694 Lothar Franz von Schönborn zum Kurfürst von Mainz gewählt wurde, begann für die Stadt Mainz nicht nur in städtebaulicher Hinsicht eine barocke Blütezeit. Schönborn, aus bedeutendem mittelrheinisch-fränkischem Adelsgeschlecht, entsprach dem Idealtypus eines absolutistisch regierenden und prunkliebenden Barockfürsten. Zugleich war er, wie er in gewisser Selbsterkenntnis feststellte, wie viele andere der Schönborn-Familie „vom Bauwurmb“ besessen. Als Kurfürst von Mainz plante er für seine Residenzstadt einen standesgemäßen barocken Lustgarten. Vorbild für die Namensgebung war die Habsburgische Favorita bei Wien, eine Referenz des Kurfürsten und Erzkanzlers an das ihm politisch nahestehende Herrscherhaus der Habsburger. Aus baulicher Sicht sollte Marly-le-Roi als Vorbild dienen, so nannte Schönborn sein Lustschloss Favorite gerne le petit Marly. Mit Maximilian von Welsch stand ihm ein begabter, wenn auch später im Schatten des ebenfalls für Schönborn arbeitenden Balthasar Neumann stehenden, Baumeister zur Verfügung. Dieser wiederum überliess die gärtnerischen Arbeiten dem Leitenden Obergärtner Johann Kaspar Dietmann. In der späteren Bauphase (ab 1720) kamen bei der Ausgestaltung der Favorite zudem noch Einflüsse von Freiher von Ritter und - durch dessen Vermittlung - des Pariser Hofarchitekten Germain Boffrand hinzu.
Erste Bauphase (1700 bis 1722)
Nach dem Erwerb des Stadionschen Gartens im Jahr 1700 begann Schönborn sofort mit dem Ausbau der Anlage. Man folgte zuerst der Ausrichtung der Vorgängeranlage und orientierte sich längs des Rheins in Richtung Mainz. Die so genannte erste Anlage bestand aus einem Hauptgebäude, einem zweiflügeligen eingeschossigen kleinen Schlößchen. Dieses lag mit seiner Schmalseite, welche gleichzeitig auch den Haupteingang aufwies, nur durch einen Fahrweg von ihm getrennt, direkt am Rhein. Genutzt wurde dieses Gebäude als Konzert- und Speisesaal.
Daran schloss sich eine schmale Gartenanlage mit Skulpturenschmuck des Vorgängergartens an, deren Hauptachse ebenfalls Richtung Mainz wies. Die Anlage, die im wesentlichen noch Form und Umfang des Stadionschen Gartens übernahm, bestand in dieser Form bis etwa 1705. Nach 1705 wurde der kurfürstliche Festungsbaumeister Maximilian von Welsch zu dem Bauprojekt hinzugezogen.
Bis 1714 gingen die weiteren Bauarbeiten nur schleppend voran. Der von 1701 bis 1714 stattfindende Spanische Erbfolgekrieg sorgte, wenn auch indirekt, für eine Bedrohung des kurfürstliche Mainz durch die Franzosen zumal die Anlage außerhalb des Festungsgürtels lag. Andererseits belastete diese Auseinandersetzung auch in nicht unwesentlichem Maße die Ressourcen des Kurfürstentums so dass Lothar Franz von Schönborn sein wichtigstes Mainzer Bauprojekt teilweise zurückstellen musste.
Trotzdem konnten 1711/1712 die großen Wasserterrassen des unteren Parterres sowie des darüber liegenden Hauptparterres fertig gestellt werden. Ab 1717 folgte der Bau der eigentlichen Schlossanlage am, vom Rheinufer gesehenen, oberen Ende des Hauptparterres. Ursprünglich als zentrales Bauobjekt in der Anlage geplant, übernahm die Schlossanlage nun die Funktion einer prunkvollen Orangerie. Ebenfalls 1717/1718 baute Welsch das Hauptparterre mit seinen 6 halbkreisförmig angeordneten Kavaliershäusern aus. Mit der figürlichen Gestaltung der einzelnen Anlagen beauftragte der Kurfürst seinen Hofbildhauer Franz Mathias Hirnle (auch: Hiernle, 1677-1732). Die rechts des Hauptparterres anschließenden beiden großen Gartenanlagen wurden abschließend mit dem Jahr 1722 angelegt.
Um 1722 wurde das Lustschloss Favorite mit seinen Gebäuden, Wasserspielen und verschiedenen Gartenanlagen als zusammenhängende Anlage vorläufig fertiggestellt. Kurfürst Lothar Franz von Schönborn und seine Nachfolger nutzten die Favorite ab diesem Zeitraum für Repräsentationszwecke und für Feste des kurfürstliches Hofstaates. Eine 1726 von Salomon Kleiner angefertigte Serie von 14 Kupferstichen der Favorite (heute teilweise im Besitz des Landesmuseums Mainz) zeigt sehr detailreich die Anlage mit ihren verschiedenen Aspekten im Jahr 1726.
Zweite Bauphase (1722 bis 1735)
Zum Anfang der Regierungszeit des Kurfürsten Philipp Karl von Eltz (1732-1743) kam es um 1732 zum letzten größeren Ausbau der Favorite. Der Nordteil der Favorite, das so genannte boulingrin mit seinen ausgedehnten Rosskastanien-Promenaden wurde umgestaltet. Es entstand dort ein zum Rhein ausgerichtetes Gartenhaus, das sog. Porzellanhaus. Da zum Kurfürstentum Mainz auch ab 1746 die Porzellanmanufaktur in Höchst bei Frankfurt gehörte, wurden das Porzellanhaus sowie andere Gebäude der Favorite in der Spätzeit der Anlage mit Erzeugnissen der Manufaktur ausgestattet. Der Baumeister war der in Paris ausgebildete „Kavaliersarchitekt“ Anselm Franz von Ritter zu Gruenstein (auch: zu Groenesteyn). Eventuell hatte aber bereits Lothar Franz von Schönborn diese Erweiterung geplant und vor seinem Tod 1729 bereits mit dem Bau beginnen lassen.
Weitere Aus- und Umbauten bis 1790
Nach der Umgestaltung des Nordteils der Favorite kam es zu keinen größeren bzw. bedeutenden Bauprojekten mehr. Aus praktischen Gründen wurden im westlichen, rheinabgewandten, Teil der Anlage weitere Stallungen und Wirtschaftsgebäude angebaut, die aber den künsterlischen Aspekt der Anlage nicht tangierten. Von größerer Bedeutung für die Außendarstellung der Favorite war allerdings der Ersatz zahlreicher Wasserbecken und -anlagen durch rein gärtnerisch bepflanzte Anlagen. Wahrscheinlich waren die extra für die Wasseranlagen der Favorite angelegten Brunnen auf Dauer nicht in der Lage gewesen, die erforderliche Wassermenge zum Betrieb zu liefern.
Die letzten gartengestalterischen Arbeiten an der Favorite wurden etwa 1788-1790 von dem bekannten Gartenarchitekt Friedrich Ludwig von Sckell vorgenommen der Änderungen der Anlage im neuen „englischen Stil“ vornahm [2]
Gestaltung der Anlage
Parkanlage
Wasserspiele und Grotten
Gebäude
Das Garten-Gebäude
Das zuerst errichtete Gebäude der Favorite war ein bereits im Stadionschen Lustgarten vorhandenes Schlößchen. Schönborn nutzte dieses weiter, liess es aber später (wahrscheinlich nach 1705) umgestalten. Architekt und Baumeister dieses Schlößchens war sehr wahrscheinlich der Bamberger Hofbaumeister Johann Leonhard Dientzenhoffer, auf dessen Dienste Schonbörn als Fürstbischof des Bistums Bamberg ebenfalls zurückgreifen konnte. Für die Fassadenverzierung in Form gemalter Scheinarchitektur in Freskotechnik wurden Entwürfe des Italieners Giovanni Francesco Marchini verwendet. Zentraler Innenraum des Gebäudes war ein prunkvoller, reich stukkierter Gartensaal. Wahrscheinlich wurde deshalb das Schlößchen bereits bei Kleiners Stichen 1726 als „Garten-Gebäude“ bezeichnet.
Die Orangerie
Die Orangerie war das zentrale Gebäude der Anlage und wurde ab 1717 von Maximilian von Welch erbaut. Das Hauptgebäude, ursprünglich wie das französische Vorbild als kleines aber dennoch prunkvolles Lustschloss geplant, wurde in dieser Form nie baulich verwirklicht sondern in eine Orangerie mit Festsaal umgewandelt. Auf den zeitgenössischen Ansichten hebt sich die Orangerie somit baulich nur im geringen Maße von den sie umgebenden 6 gestuften Kavalierspavillons ab. Dies auch, obwohl sie zentraler Blickpunkt einer der am aufwändigsten gestalteten Sichtachsen der gesamten Anlage ist. Die Gründe für die vergleichsweise bescheidene Ausführung des zentralen Gebäudes sind nicht bekannt.
Die Orangerie stand am westlichen Ende auf dem oberen Hauptparterre und oberhalb der zweistufigen großen Wasseranlage, deren oberer Teil von Kleiner als „Prospect der großen und Wasserreichen Cascade, beyde Fluß, den Rhein und Mayn vorstellend“ bezeichnet wird. Darunter befand sich die so genannte Thetis-Grotte.
Die Pavillons
Kurz darauf, 1717/1718, baute Welsch auf dem Hauptparterre 6 halbkreisförmig terrassiert angeordnete Kavaliershäusern, streng nach des Kurfürsten Lieblingsvorbild Marly-le-Roi. Scheinbar legte der Kurfürst mehr Wert auf das Gesamtensemble denn auf die Baulichkeiten. Eines der Kavaliershäuser liess er sich nach Fertigstellung kurzerhand zum Schlafgemach umbauen und berichte darüber an seinen Neffen nach Wien.
Die Favorite und die Politik: Der Fürstentag im Juli 1792
Die Zerstörung
Nachfolger der Favorite: Die "Neue Anlage"
Heute sichtbare Überreste
Einordnung der Favorite in die zeitgenössische Gartenarchitektur
Quellen
- ↑ Dieter Hennebo, Alfred Hoffmann: Geschichte der deutschen Gartenkunst, Band II: Der architektonische Garten - Renaissance und Barock. S. 262
- ↑ Heinrich Wohte (Hrsg.): Mainz – Ein Heimatbuch. Band II, S. 182
Literatur
- Dieter Hennebo, Alfred Hoffmann: Geschichte der deutschen Gartenkunst, Band II: Der architektonische Garten - Renaissance und Barock. Broschek Verlag, Hamburg 1965
- Marie Luise Gothein:Geschichte der Gartenkunst, Zweiter Band: Von der Renaissance in Frankreich bis zur Gegenwart. Verlag Eugen Diederichs, Jena 1926; Nachdruck Verlag Georg Olms Hildesheim 1988, ISBN 3-487-09091-0
- Franz Dumont, Ferdinand Scherf, Friedrich Schütz (Hrsg.): Mainz - Die Geschichte der Stadt. von Zabern, Mainz 1999 (2.Aufl.). ISBN 3-805-32000-0
- Heinrich Wohte (Hrsg.): Mainz – Ein Heimatbuch. Verlag Johann Falk Söhne, Mainz 1928
Weblinks
- regionet rheinhessen - Die Favorite in Mainz
- Festung Mainz - Das kurfürstliche Mainzer Lustschloss Favorite