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Gesundheitsreform in Deutschland

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Als Gesundheitsreformen werden in Deutschland gesetzliche Eingriffe in die Rahmenbedingungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bezeichnet. Diese Reformen dienen meist der Stabilisierung des Beitragssatzes und sind in der Regel mit Einschränkungen der Leistungen und/oder Erhöhung der Zuzahlungen an die sonst der Selbstverwaltung unterliegenden Versicherungen verbunden. Der Beitrag wurde bis 2004 zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern abgeführt. Die Erhöhung/Verminderung der Beiträge wirkt sich zunächst auf die Lohnnebenkosten der Arbeitgeber aus und indirekt auf dieLebenshaltungskosten der ganzen Bevölkerung.

Das Ziel von Gesundheitsreformen ist eine kurzfristige Veränderung der Finanzierung medizinischer Leistungen. Die Förderung präventiver Ansätze zur Verhinderung krankheitsbedingter Kosten spielte bei bisherigen Gesundheitsreformen eine geringe Rolle, da massive Ersparnisse erst nach mehreren Legislaturperioden einsetzen würden. Insofern wäre der Begriff Finanzierungsreform im Gesundheitswesen in der Sache präziser.

Die Gesundheitsreform 2007

Ingmar Kumpmann, Mitarbeiter des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, fasst den Kern der Pläne der Bundesregierung zur Gesundheitsreform 2007 wie folgt zusammen:

  • Die Krankenkassen erhöhen ihre lohnbezogenen Beitragssätze 2007 um ca. 0,5 Prozentpunkte, was voraussichtlich Mehreinnahmen von ca. 5 Mrd. Euro einbringen wird. Die Erhöhung trifft Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils zur Hälfte. Der Beitragssatz erreicht damit im Durchschnitt der Krankenkassen 14,7% des Bruttolohns. Davon werden 6,9 Prozentpunkte vom Arbeitgeber gezahlt, der Arbeitnehmerbeitrag enthält weiterhin den 2005 eingeführten Sonderbeitrag von 0,9% und wird daher im Durchschnitt 7,8 Prozentpunkte betragen.
  • Der steuerfinanzierte Zuschuß zur Krankenversicherung, der 2007 um 2,7 Mrd. Euro auf 1,5 Mrd. Euro gesenkt wird und der laut Koalitionsvertrag ab 2008 entfallen sollte, wird nun doch beibehalten. 1,5 Mrd. Euro sind für 2008 und 3 Mrd. Euro für 2009 vorgesehen. Langfristig soll der Steuerzuschuß weiter steigen. Durch ihn soll künftig die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder in der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert werden.
  • Die lohnbezogenen Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und der Zuschuß aus Steuermitteln sollen in Zukunft über einen Gesundheitsfonds unter den Krankenkassen verteilt werden. Dazu kommt ein ergänzender Zusatzbeitrag, den die Krankenkassen von ihren je- weiligen Versicherten direkt erheben können. Dabei wird ihnen freigestellt, diesen Zusatzbeitrag prozentual zum Einkommen oder als Kopfpauschale zu erheben. Der Zusatzbeitrag bleibt auf maximal 1% des Einkommens begrenzt. Kassen, die weniger ausgeben als sie Mittel aus dem Gesundheitsfonds erhalten, können ihren Mitgliedern statt dessen auch Beiträge erstatten.
  • Die derzeitige Begrenzung der Ärztevergütung auf ein festes Gesamtbudget wird aufgehoben. Statt dessen wird die Vergütung umgestellt auf Pauschalen je Leistung, je behandelte Krankheit oder je Patient, die in einer bundeseinheitlichen Euro-Gebührenordnung festgelegt werden. Schwerpunkt soll die Vergütung für Komplexe zusammengehörender Leistungen werden. Bei Überschreitungen bestimmter Leistungsmengen wird dabei ein Arzt nur noch stufenweise niedrigere (abgestaffelte) Preise berechnen dürfen.
  • Für verschreibungspflichtige Arzneimittel werden Höchstpreise festgelegt. Ein Einsparvolumen von mindestens 500 Mio. Euro wird für 2007 vorgegeben. Die Verteilung der Arzneimittelerlöse auf Hersteller, Großhandel und Apotheken soll Gegenstand von Preisverhandlungen zwischen diesen Akteuren werden. Dies ersetzt die bisherige Regelung, in der bei freier Preissetzung der Hersteller die Handelsspannen von Großhandel und Apotheken vorgegeben sind.
  • In der privaten Krankenversicherung (PKV) sollen Versicherte bei einem Wechsel der Versicherung in Zukunft die Altersrückstellungen, die bei der bisherigen Versicherung für sie gebildet wurden, zur neuen Versicherung mitnehmen können. Bisher verlieren die Versicherten diese aus ihren Beiträgen in der PKV aufgebauten Kapitalbestände, wenn sie in eine andere Versicherung wechseln.

FDP-Chef Westerwelle will die Anzeigenkampagne der Bundesregierung zur Gesundheitsreform vom Bundesrechnungshof überprüfen lassen. Anzeigen zu schalten, bevor ein Gesetzentwurf vorliege, sei eine Veruntreuung von Steuergeldern, sagte Westerwelle in der ARD- Sendung "Bericht aus Berlin" am 5. August 2006. Die Bundesregierung hatte in Zeitungen Anzeigen geschaltet, die über die geplante Reform informieren sollen. Zugleich kritisierte Westerwelle aber auch die Anzeigenkampagne der Krankenkassen gegen die Reform. [1]

Die Steuerfinanzierung des Fonds wird kritisiert, weil die Kosten im Gesundheitswesen an Transparenz verlieren. Möglicherweise rechtswidrig ist, dass privat Versicherte wie bisher die Beiträge für sich selbst und für jedes eigene Kind voll bezahlen müssen, zusätzlich aber über die Steuer in weitere Versicherungen einzahlen, aus denen keine Leistungen erfolgen.

Kritisiert wird auch, dass der Fond selbst neue Kosten für seine Verwaltung erzeugt.

Die Gesundheitsreform 2003

Im Zuge der Umsetzung der Agenda 2010 einigten sich Regierung und Opposition (SPD/Die Grünen und CDU/CSU, FDP) im Sommer 2003 auf das "Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung" (abgekürzt GKV-Modernisierungsgesetz, GMG).

Veränderungen, die ab dem 1. Januar 2004 wirksam wurden, sind u. a. die Streichung des Entbindungs- und Sterbegeldes und die Einführung einer sogenannten Praxisgebühr. Ziel der aktuellen Reform ist, in den nächsten Jahren den Durchschnittsbeitrag der Gesetzlichen Krankenversicherung auf ca. 13 % des Einkommens zurückzuführen (am 1. Juli 2003 lag er bei 14,4 %). Damit sollen die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Langfristig werden jedoch nach Einschätzung der Bundesregierung "weitere Weichenstellungen zur nachhaltigen Finanzierung der GKV erfolgen müssen".

Für den Zahnersatz war zunächst eine Regelung geplant, nach der ab 1. Januar 2005 allein von den Versicherten ein zusätzlicher einkommensunabhängiger Beitrag erhoben werden sollte. Ab 2006 sollte das Krankengeld ebenfalls ohne Arbeitgeberbeteiligung finanziert werden. Am 1. Oktober 2004 beschloss der Bundestag mit den Stimmen der rot-grünen Koalition, dass der Beitrag der gesetzlichen Krankenversicherung ab Juli 2005 zunächst um je 0,45 Prozent für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gesenkt wird, aber gleichzeitig die Arbeitnehmer einen einkommensabhängigen Zuschlag für Zahnersatz um 0,4 Prozent und für das Krankengeld um 0,5 Prozent zahlen müssen.

Neben den auf finanzielle Entlastung der Arbeitgeber zielenden Elementen sind Ansätze zu strukturellen Veränderungen erkennbar. Sowohl das Dualitätsprinzip (Aufteilung der Sozialbeiträge auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber) als auch das Solidaritätsprinzip (wirtschaftlich Stärkere und Gesunde zahlen mehr als wirtschaftlich Schwächere und Kranke) werden geschwächt.

Frühere Gesundheitsreformen in der Bundesrepublik Deutschland

Hinter dem Schlagwort Gesundheitsreform stehen in der Regel Sparmaßnahmen, die einen Leistungsabbau für die Beitragszahlenden bedeuteten und bedeuten. Die Finanzierung des Großteils der Kosten für die Krankenversicherung sicherte den Beitragszahlenden eben nicht die Entscheidungshoheit, was mit dem Geld gemacht werden soll. Hier wichtige Einschnitte der Regierungen und Parlamente unter der Überschrift Gesundheitsreform von 1976 an.

  • 2004 Gesundheitsmodernisierungsgesetz unter Ulla Schmidt (SPD) (erhöhte die Eigenbeteiligung der Patienten umfassend. Zehn Euro Praxisgebühr pro Quartal, zehn Prozent Zuzahlung bei Arznei- und Hilfsmitteln - mindestens fünf und höchstens zehn Euro, zehn Euro pro Krankenhaustag begrenzt auf 28 Tage. Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, Fahrtkosten und Brillen müssen komplett vom Patienten getragen werden, Entbindungs- und Sterbegeld werden gestrichen. Die Belastungsobergrenze für Zuzahlungen beträgt seitdem zwei Prozent (für chronisch Kranke ein Prozent) des jährlichen Bruttoeinkommens)
  • 2002 Beitragssatzsicherungsgesetz "BSSichG" unter Ulla Schmidt (SPD) (u. a. Kürzung des Sterbegeldes, weitere Verschärfung der Budgets für Arzthonorare und Krankenhäuser)
  • 2002 Gesetz zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz - AABG)
  • 2001 Gesetz zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbudgets (Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz - ABAG)
  • 2000 GKV-Gesundheitsreform (u. a. Budgetverschärfung für Arzthonorare, Arzneien und Krankenhäuser. Regress bei Überschreitung des Budgets)
  • 1999 GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz (SPD-Grüne) (u. a. Wiedereinführung der Budgets für Arzthonorare, Krankenhäuser, Arznei- und Heilmittelbudgets. Auch die nach 1978 Geborenen hatten wieder Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz. Die Zuzahlungen für Medikamente und Heilmittel wurden gesenkt.)
  • 1997 GKV-Neuordnungsgesetze unter Horst Seehofer (CSU) (u. a. weiter erhöhte Zuzahlungen für Arzneien und Heilmittel zwischen 4,50 und 6,50 Euro. Ein Krankenhaustag kostete 7 Euro - “Krankenhaus-Notopfer”, Kuren bis zu 12,50 Euro. Zudem wurde der Kassenzuschuss für Zahnersatz bei allen vor 1979 Geborenen bis auf Ausnahmen gestrichen. Erhöhte Eigenbeteiligung bei Fahrtkosten)
  • 1996 Beitragsentlastungsgesetz (u. a. Streichung des Zuschusses zum Zahnersatz für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1978 geboren sind (galt bis 1998), keine Erstattung mehr zu Brillengestellen, erhöhte Zuzahlungen für Arzneimittel, Leistungskürzungen und Zuzahlungserhöhungen bei Kuren, Absenkung des Krankengeldes)
  • 1993 Gesundheitsstrukturgesetz "GSG", auch bekannt als "Lahnstein-Kompromiss" unter Horst Seehofer (CSU) (u. a. freie Kassenwahl ab 1997 für alle Versicherten, Einführung der Budgetierung, erhöhte Zuzahlungen für Medikamente, Zuzahlungen bei Zahnersatz und Heilmitteln sowie für die Krankenhausbehandlung erhöht. Die Beträge für Medikamente wurden nach Packungsgröße gestaffelt)
  • 1989 Gesundheitsreformgesetz "GRG" -unter Norbert Blüm (CDU) (u. a. "Negativliste” für Medikamente(Festbeträge, bei höheren Preisen muss der Patient die Differenz übernehmen), höhere Rezeptgebühr für Arzneimittel ein. Bei nicht preisgebundenen Präparaten betrug der Aufschlag 1,50 Euro. Die Klinik-Zuzahlung wurde verdoppelt. Einführung der Zuzahlung im zahnärztlichen Bereich)
  • 1983 Haushaltsbegleitgesetz (nun 1 Euro pro Medikament, der Tag im Krankenhaus kostete 2,50 Euro pro Tag - höchstens 35 Euro; Krankenversicherung der Rentner nicht mehr beitragsfrei)
  • 1982 Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz (nun 75 Cent pro Medikament, für Brillen und bei Heilmitteln wie Massagen, Bädern 2 Euro pro Verordnung. Auch für Brillen wurden vier Mark fällig)
  • 1977 Kostendämpfungsgesetz (u. a. Arzneimittel-Höchstbeträge und Leistungsbeschränkungen, Bagatell-Medikamente werden nicht mehr bezahlt, Zuzahlungen pro Arznei-, Verbands- und Heilmittel werden eingeführt. Früher hatten die Versicherten eine Gebühr von höchstens 1,25 Euro pro Rezept nun 50 Cent pro Medikament. Die Obergrenze der Eigenbeteiligung bei Zahnersatz von 250 Euro wurde gestrichen.)
  • 1976 Absenkung des Beitrages der Rentenkassen zur Krankenversicherung der Rentner von 17% auf 11%. Eine Rentenerhöhung wäre ohne diese Maßnahme im Bundestagswahljahr 1976 nicht möglich gewesen. Der damalige verantwortliche Bundesminister Herbert Ehrenberg (SPD) wurde von der Opposition deshalb der Rentenlüge bezichtigt.

Wort des Jahres

1988 wählte die Gesellschaft für deutsche Sprache e. V. das Wort „Gesundheitsreform“ zum Wort des Jahres.

Literatur

Quellen

Referenzen

  1. Tagesschau:Westerwelle kritisiert Regierungskampagne, 5. August 2006

Siehe auch