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Menschenführung

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Der Begriff Führung wird in verschiedenen Kontexten verwandt.

Allgemeines Phänomen der Führung

Führung ist der Versuch, steuernd und richtungsweisend auf das Verhalten von sich selbst und von andern Menschen einzuwirken, um eine Zielvorstellung zu verwirklichen.

Objekte der Führung sind einzelne Personen (häufigste Assoziation mit Führung), Personengruppen (z. B. Freundeskreise, Arbeitsgruppen, Abteilungen).

Führung vollzieht sich vor dem Hintergrund verschiedener gesellschaftlicher Kontexte wie Familie, Politik, Wirtschaft und Militär.

Führung bedeutet auch Leitung oder Befehlsgewalt.

Begründungsversuche

Der anthropologische Begründungsversuch behauptet, dass

  1. Menschen geführt werden müssen und
  2. Menschen geführt werden wollen.

Diese Begründung blendet Menschen aus, die nicht geführt werden wollen und sich dementsprechend artikulieren.

Der zweite Begründungsversuch zur Erklärung der Entstehung des Führungsphänomens ist funktionaler Art. Angenommen wird zunächst, dass viele Problemlösungen ein gemeinschaftliches Agieren erfordern. Im Rahmen einer solchen Interaktion entsteht nun jedoch ein Koordinationsbedarf, der umso größer ist, je mehr Menschen an der gemeinsamen Problemlösung beteiligt sind. Neben der Möglichkeit einer Kooperation, d.h. einer Handlungskoordination durch Diskussion und Konsensfindung, bietet sich zur Bewältigung des gegebenen Koordinationsbedarfs Führung als Handlungskoordination an. Der funktionale Begründungsversuch leitet also die Entstehung von Führung aus einem gegebenen Koordinationsbedarf von Menschen im Rahmen gemeinsamer Problemlösungsversuche ab.

Akzeptanz von Führung

Insbesondere bei der Führung in Organisationen, gilt es auf einen Unterschied hinzuweisen, der für ein genaueres Verständnis von Führung von zentraler Bedeutung ist: Führung ist nicht zu verwechseln mit einer Leitungsfunktion. Zu unterscheiden ist zwischen einem Vorgesetzten (oder auch Leiter), dessen Rechte und Pflichten allein durch seine Position festgesetzt werden und einer Führungsperson. Letztere bedarf der Anerkennung durch die Geführten(auch Akzeptanz genannt). Führung liegt nur dann vor, wenn der unternommene Einflussversuch durch den Führer auf die zu Beeinflussenden im Sinne der bereits genannten Definition von diesen akzeptiert wird und sich in ihren intendierten Verhalten niederschlägt. Führung ist dabei nie der Beeinflussungsversuch selbst, sondern muss als akzeptierter Beeinflussungsversuch im Verhalten der zu Beeinflussenden zum Ausdruck kommen.

Das Kriterium der Anerkennung bzw. Akzeptanz ermöglicht erst die Unterscheidung zwischen einem Vorgesetzten (engl. en:headship) und einem Führer (engl. en:leadership). So kann eine beliebige Person zwar formal Vorgesetzter einer anderen Person sein, muss von letzterer aber nicht zwangsläufig als Führer akzeptiert werden. Die Akzeptanz kann sich aus einem entsprechenden Charisma ergeben oder hart erarbeitet werden.

Führung in Organisationen

Führungsbeziehungen

Führung vollzieht sich in der Regel innerhalb einer dyadischen und Gruppen-Beziehung. Meist agieren dabei zwei Personen (Führer und Geführter) in einer bestimmten Führungssituation innerhalb eines größeren Führungskontextes. Effekt einer Führungsbeziehung sollte dabei ein wie auch immer ausfallender Führungserfolg im Zuge einer sozial akzeptierten Verhaltensbeeinflussung sein. Führung findet also generell nicht im luftleeren Raum statt, sondern vollzieht sich immer vor dem Hintergrund der gegebenen Bedingungen des Umfeldes, was als Führungssituation zu bezeichnen ist.

Organisatorische Führung findet im Kontext Organisation, Betriebswirtschaft, Betriebspädagogik und Organisationspsychologie statt. Führen ist hier die beabsichtigte und zielorientierte Beeinflussung des Verhaltens von Mitarbeitern zur Erreichung der Ziele eines Unternehmens. Führen ist methodisch bedachte, geplante und kontrollierte Einflussnahme, auf Andere und deren künftige Kompetenzgestaltung, unter gleichzeitiger Legitimierung der leitenden Interessen.

Führung hat eine

Führung kann sich an der Aufgabe, an den geführten Personen oder einer Mischung aus beidem orientieren. Hierzu gibt es verschiedene Führungsstile und Führungsmodelle.

Führung ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, Fehler können dem Unternehmen und den betroffenen Mitarbeitern Schaden zufügen. Allerdings ist der Nachweis schlechter Führung schwer.

Führung ohne das bewusste Einverständnis des Geführten ist Manipulation. Führung wird oft mit Management gleichgesetzt, obwohl Management mit der Erledigung von Aufgaben befasst ist, die auch ohne Führung erfolgen kann.

Führungsstile

Führungsstil beschreibt, wie Führungskräfte mit ihren Untergebenen umgehen. Grob lässt sich dabei eine Aufgaben- oder Mitarbeiterorientierung unterscheiden. Zu den typischen Führungsstilen gehören:

  • autokratischer (ohne Mitberücksichtigung der Untergebenen),
  • autoritärer (Gehorsamsverhältnis),
  • bürokratischer (Basis: Versachlichung, Regelungen, Kompetenzen),
  • charismatischer ( Führen nach Gehorsam allerdings eher wie ein väterlicher Befehl)
  • demokratischer (starke Beteiligung der Untergebenen),
  • gruppenorientierter (Einbeziehen der ganzen Gruppe)
  • kooperativer (Behandlung der Untergebenen als Mitarbeiter),
  • laissez-faire (starke Verhaltensfreiheiten für die Untergebenen) und
  • situative Führung (Anpassung der Führung an die Bedürfnisse des einzelnen Mitarbeiters).

Führungstheorien

Führung ist eines der meistbehandelten Themen in der betriebswirtschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Literatur. In den letzten Jahren sind eine ganze Reihe von Forschungsarbeiten von unterschiedlichen Fachrichtungen aus durchgeführt worden. Gleichzeitig wird bei der Durchsicht der Führungsliteratur die Schwierigkeit deutlich, Mitarbeiterführung inhaltlich zu fassen. Denn Führung ist ein multifaktorelles Geschehen, zu dessen Verständnis man bei verschiedenen Faktoren (Führer, Geführte, Aufgaben, Organisation, Umwelt, etc.) ansetzen kann. Um diese komplexen Zusammenhänge angemessen verarbeiten zu können, wurden in der Führungsforschung verschiedene Vereinfachungen angewendet.

Im Allgemeinen wird unter dem Begriff Führung ein intentionaler sozialer Beeinflussungsprozess verstanden, bei dem eine Person versucht, andere Personen zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben und Erreichung gemeinsamer Ziele zu veranlassen.

Der klassische Eigenschaftsansatz, der Führung vor allem von den Eigenschaften der Führungskraft, die ja auch nur ein hypothetisches Konstrukt sind, abhängig macht, wird als zu vereinfachend angesehen und gilt als überholt. Ebenfalls als überholt angesehen werden die Verhaltenstheorien. Die ausschließliche Berücksichtigung des Verhaltens von Führungskräften liefert keine befriedigenden Antworten bei Organisationen mit komplexen Anforderungen. Um die Kritik an oben angeführten Führungstheorien zu begegnen, berücksichtigen die Kontingenztheorien zusätzlich die Situation und gehen davon aus, dass die Effektivität eines Führungsstils vom Vorhandensein bestimmter Situationsmerkmale abhängt. Aber auch diese Modelle berücksichtigen nur eine reduzierte Anzahl der tatsächlich in der Realität auftretenden Faktoren. Führungstheorien, die sich an Grundlagentheorien (vor allem attributionstheoretische, motivationstheoretische und lerntheoretische Ansätze) orientieren, versuchen das Führungshandeln aus einer sehr allgemeinen Perspektive zu analysieren. Durch deren höheren Abstraktionsgrad ist mit ihnen aber auch immer ein Defizit an anwendungsreifen Gestaltungsvorschlägen verbunden.

In den letzten Jahren wird verstärkt charismatische, transformationale bzw. visionäre Führung diskutiert und Führung dabei in erster Linie auf die Person des Führenden und ihre Eigenschaften und Fähigkeiten reduziert. Mitreißende visionäre Führungspersönlichkeiten sollen die Mitarbeiter begeistern und damit zu besserer Leistung anspornen. Die Hauptkritik an diesen Führungstheorien bezieht sich dabei vor allem auf die Befürchtung der Wiederbelebung des „Great Man“ als Führungsideologie. Damit verbunden ist die Gefahr, dass die Einflussmöglichkeiten der Führungskraft überschätzt werden. Weitere wichtige Kritikpunkte inkludieren unter anderem die trivialisierenden Erklärungen („einfache Rezepte“), die diese Theorien kennzeichnen, und die Unterschlagung des Faktors „Organisation“.

Andererseits wird aber auch vermehrt von der eindimensionalen Betrachtungsweise der Eigenschaften bzw. Verhalten der Führungskraft abgegangen und die Interaktion zwischen Führenden und Geführten betrachtet. Neuberger zeigt diese Entwicklung ganz gut in seiner Überblicksdarstellung über Ansätze, Ergebnisse und kritische Bewertungen der Führungsforschung, indem er den Titel von „Führung“ über „Führen und geführt werden“ nun in der 6. Auflage auf „Führen und Führen lassen“ modifiziert hat. Bei Führung zählt die erfolgreiche Ausführung durch die Geführten und mit den Geführten. Führen als Einmischen, Überwältigen oder Steuern kann überflüssig oder gar schlecht sein, wenn es Eigeninitiative und Selbstorganisation erstickt. „Führen!“ ist nur dann angezeigt, wenn es Sinn macht, ansonsten ist (das Führen) Lassen die bessere Alternative. Diese Verbindung von „Führen und Führen lassen“ bezeichnet eine spannungsgeladene Widersprüchlichkeit für die Führungskraft, die kontextabhängig beides können soll und zwar nicht im Sinne von „entweder oder“ sondern im Sinne von „sowohl als auch“. Zu dieser Gruppe von Führungstheorien gehören neben der systemischen Theorie auch noch symbolische und politische Theorien. In all diesen Theorien sind die Inhaber von Führungspositionen nicht hervorgehoben, sondern mit den Geführten zusammen in umfassende Kontexte eingeordnet. Beide führen und werden geführt durch fremdbestimmte und selbst geschaffene Bedingungen. Führende werden vom Mythos des alleinverantwortlichen Lenkers befreit.

Systemische Führung ist noch skeptischer gegenüber gezielten Führungsinterventionen, weil in komplexen Kontexten die Berücksichtigung des kompletten sozialen Settings und das Zulassen und Fördern von Selbstorganisation ebenfalls oder sogar mehr Erfolg verspricht. Die ganzheitliche Sicht des systemischen Ansatzes hilft dabei, nicht nur die Interaktionen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, sondern auch die Interaktionen zwischen Mitarbeiter, Kollegen und Kunden oder auch Lieferanten zu berücksichtigen, um ein besseres Verständnis der vielen Dimensionen von Führung zu ermöglichen. Die Führungskraft ist nur eine der vielen Kontextfaktoren, die auf die Geführten wirken.

Der Ansatz der systemischen Führung knüpft an den Erkenntnissen der neueren Systemtheorie, insbesondere von Luhmann (1984), an. Dabei werden vor allem die Prozesse der Selbstorganisation herausgestellt, die neben die durch „substantielles organisieren“ bewusst geschaffene Ordnung treten.

Technischer Begriff der Führung

Führung als Begriff für eine Richtungsänderung

"lenken, steuern"

Siehe auch

Wiktionary: Führung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur

  • Carnegie, Dale : "The Leader in You", Pocket Books, 1993, ISBN 0671519980
  • Hersey, P. (1986): Situatives Führen
  • Lay, R. (1993): Führen durch das Wort
  • Neuberger, Oswald : "Führen und führen lassen", UTB Stuttgart, 2002, völlig neubearb. 6. Aufl. , ISBN 3825222349
  • Pinnow, Daniel F. (2005): Führen - Worauf es wirklich ankommt, Wiesbaden ISBN 3-8349-0016-8
  • Rahn, H.J. (2006): Führung von Gruppen. Gruppenführung mit System, 5. Aufl.,Frankfurt/Main, ISBN 3-8005-7327-1
  • Rosenstiel, L./von; Regnet, E./Domsch, M.E.(1999): Führung von Mitarbeitern. Stuttgart ISBN 3-7910-1340-8
  • Schmidbauer, Wolfgang: Persönlichkeit und Menschenführung. Vom Umgang mit sich selbst und anderen. dtv premium im Großformat, 220 Seiten ISBN 3-423-24390-2
  • Steinkellner, P. (2005): Systemische Intervention in der Mitarbeiterführung. Heidelberg. ISBN 3-8967-0347-1
  • Weibler, J. (2001): Personalführung. München ISBN 3-8006-2675-6
  • Kell, T. (2005): Die Kunst der Führung. Wiesbaden ISBN 3-409-14320-3
  • Zimmermann, K.A. (2000): Kreative Mitarbeiterführung. Eine Anleitung zum Selbsttraining. Falken & Gabler Management, Niedernhausen, 203 Seiten, ISBN 3-8068-2649-8
  • Lutz von Rosenstiel, Walter Molt, Bruno Rüttinger (2005): Organisationspsychologie, Kapitel 7 Führung in Organisationen, ISBN 3-17-016933-5

Zeitschriften über Führung