Hoden
Der Hoden ([althochdt.: hodo, v. idg.: *skeu(t)- „bedecken, verhüllen“) oder Testikel (v. lat.: testis, Plural: testes) - (altgriech.: Vorlage:Polytonisch orchis) ist ein paarig angelegtes, inneres männliches Geschlechtsorgan vieler sich geschlechtlich fortpflanzender Gewebetiere. Er gehört, wie der Eierstock der weiblichen Individuen, zu den sogenannten Keimdrüsen (Gonaden) und produziert die Samenfäden (Spermien). Zudem werden im Hoden männliche Geschlechtshormone (Androgene), vor allem das Testosteron, gebildet. Die Hoden entstehen bei Wirbeltieren embryonal in der Bauchhöhle, wandern aber bei den meisten Säugetieren in den Hodensack.
], v.Anatomie
Mensch und Säugetiere
Größe und Lage
Bei den Säugetieren variiert die Hodenform von rundlich bis eiförmig. In der Größe gibt es deutliche Unterschiede, eine enge Beziehung zum Körpergewicht besteht nicht. Relativ große Hoden haben Nagetiere, Schafe (bis zu je 300 g) und Hausschweine (bis zu je 750 g), relativ kleine dagegen die Raubtiere. Bei Tieren mit einer jahreszeitlichen Periodik in der Fortpflanzung unterliegt die Hodengröße darüber hinaus saisonalen Schwankungen, die Hoden sind in der Paarungszeit deutlich größer als in der Paarungsruhe. Der menschliche Hoden ist etwa pflaumenförmig und hat ein Gewicht von 20 bis 30 Gramm und ein Volumen von 15 bis 25 ml. Die Größe kann jedoch von Haselnuss- bis Hühnereigröße variieren.
Bei den meisten Säugetieren liegen beide Hoden bei geschlechtsreifen Individuen im Hodensack (Scrotum) oder in hodensackähnlichen Hauttaschen. Die Hoden entstehen zwar in der Bauchhöhle, wandern aber um die Geburt herum, bei Nagetieren erst zur Pubertät, durch den Leistenkanal in den Hodensack, ein Vorgang der als Hodenabstieg (Descensus testis) bezeichnet wird. Bei einigen Säugetieren (beispielsweise Hamster, Fledermäuse) findet ein saisonaler Hodenabstieg statt, die Hoden liegen nur zur Paarungszeit außerhalb der Bauchhöhle. Innerhalb der Säugetiere gibt es allerdings einige Tiergruppen, bei denen die Hoden generell in der Bauchhöhle verbleiben, die so genannten Testiconda. Dabei können die Hoden am Ort der Anlage verbleiben (z. B. Elefanten) oder zwar absteigen, aber dennoch in der Bauchhöhle verweilen (z. B. Wale, s. a. Tabelle).
Testiconda
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kein Hodenabstieg | unvollständiger Hodenabstieg | saisonaler Hodenabstieg |
Kloakentiere, Goldmulle, Rüsselspringer, Igeltenreks, Schliefer, Elefanten, Seekühe, Dreifinger-Faultiere, Ameisenbären | Wale, Gürteltiere | Maulwürfe, Schlitzrüssler, Erdferkel, Spitzmäuse, Fledertiere, einige Nagetiere |
Anatomischer Aufbau

1 Kopfende, 2 Schwanzende, 3 Nebenhodenrand, 4 freier Rand, 5 Hodengekröse, 6 Nebenhoden, 7 Geflecht der Hodenarterie und -vene, 8 Samenleiter.
Die äußere anatomische Gliederung des Hodens erfolgt nach dem ihm anliegenden und mit ihm verwachsenen Nebenhoden. Der zum Nebenhodenkopf zeigende Hodenabschnitt wird als Kopfende (Extremitas capitata), der zum Nebenhodenschwanz zeigende als Schwanzende (Extremitas caudata) bezeichnet. Am Schwanzende befindet sich häufig ein funktionsloses, warzenförmiges Rudiment des sogenannten Müller-Ganges, das als Hodenanhang (Appendix testis, eine Morgagni-Hydatide) bezeichnet wird. Der zum Nebenhoden zeigende Rand ist der Nebenhodenrand (Margo epididymalis), ihm gegenüber liegt der freie Rand (Margo liber). Außerdem lassen sich eine zur Mitte zeigende (Facies medialis) und eine nach außen zeigende Fläche (Facies lateralis) unterscheiden.

1 Hoden, 2 Nebenhoden, 3 Hodengekröse, 4 Organblatt der Scheidenhaut, 5 Wandblatt der Scheidenhaut, 6 Cavum vaginale, 7 Nebenhodengekröse, 8 Fascia spermatica interna
Der Hodenabstieg erfolgt in eine Aussackung des Bauchfells und der inneren Rumpffaszie (hier als Fascia spermatica interna bezeichnet), den Scheidenhautfortsatz (Processus vaginalis). Der Scheidenhautfortsatz gehört zu den Hodenhüllen im Inneren des Hodensacks. Der Bauchfellanteil dieser Ausstülpung wird als Scheidenhaut (Tunica vaginalis) bezeichnet. Sie kleidet dabei das Hodensackinnere aus (sogenanntes Wandblatt, Lamina parietalis oder Periorchium), stülpt sich dann als Doppellamelle ins Innere und überzieht als Eingeweideblatt (Lamina visceralis oder Epiorchium) den Hoden. Zwischen den beiden Blättern befindet sich ein sehr enger Spaltraum, das Cavum vaginale, das die Verschieblichkeit des Hodens im Hodensack sicherstellt. Die Verbindungstelle zwischen den beiden Blättern ist das Hodengekröse (Mesorchium), welches der Befestigung des Hodens im Hodensack dient. Der Hoden ist außerdem am Schwanzende mit einem kurzen Band mit dem Nebenhoden verbunden (Hodeneigenband, Ligamentum testis proprium). Dieses setzt sich vom Nebenhodenschwanz als Nebenhodenschwanzband (Ligamentum caudae epididydimis) fort und befestigt den Hoden zusätzlich indirekt am Boden des Hodensacks. Am Scheidenhautfortsatz setzt auch der Hodenhebermuskel (Musculus cremaster) an, der den Hoden als Schutzvorrichtung bei Berührung oder Kälte näher an die Bauchwand zieht. Bei Nagetieren und Säugetieren mit saisonalem Hodenabstieg, selten auch bei einzelnen Individuen anderer Säugetiere („Pendelhoden“), kann der Muskel den Hoden gänzlich in die Bauchhöhle zurückziehen.
Direkt unter dem Bauchfellüberzug des Hodens liegt eine dicke weißliche Bindegewebskapsel, die Tunica albuginea. Sie sorgt für die mechanische Festigkeit des Organs und hält einen gewissen Innendruck aufrecht. Von dieser Kapsel ziehen Septen in das Innere und unterteilen den Hoden in Hodenläppchen (Lobuli testis). Die Septen bilden einen Bindegewebskörper, das Mediastinum testis (in der Humananatomie auch Corpus Highmori, nach Nathaniel Highmore).
Gefäße und Nerven

1 Rankenkonvolut, 2 Hodenarterie, 3 Gefäßbett des Hodens, 4 Nebenhodenarterie.
Die Blutversorgung des Hodens erfolgt über die Hodenarterie (Arteria testicularis). Sie entspringt, entsprechend dem Ort der embryonalen Anlage des Hodens (s. u.), unmittelbar hinter der Nierenarterie direkt aus der Bauchaorta im Lendenbereich. Bei den Tieren mit Hodenabstieg muss sich die Hodenarterie entsprechend verlängern und verläuft an der rückenseitigen Bauchwand entlang, in einem kurzen Gekröse (Mesorchium proximale) zum Leistenkanal. Außerhalb der Bauchhöhle tritt sie in den Samenstrang. Hier legt sie sich in enge spiralige Windungen, das sogenante Rankenkonvolut. Dabei ist beispielsweise beim Hausrind ein zwei Meter langer Arterienabschnitt auf einer Samenstranglänge von 13 cm untergebracht. Das Rankenkonvolut ist vom Rankengeflecht (Plexus pampiniformis) der Hodenvene (Vena testicularis) umsponnen. Hierdurch entsteht eine große Kontaktfläche zwischen zu- und abführendem Blut, die als Wärmeaustauscher fungiert. Im Hodensack liegt die Temperatur wenige Grad unter der Körperinnentemperatur, was für die Bildung fruchtbarer Spermien bei Säugetieren mit Hodenabstieg unerlässlich ist. Das ankommende Blut in der Arterie wird durch diese Anordnung vom abfließenden Blut der Vene heruntergekühlt.
Die Hodenarterie verläuft am Nebenhodenrand zunächst zum Schwanzteil des Hodens. Von dort zieht sie innerhalb der Hodenkapsel am freien Rand bei den meisten Säugetieren (eine Ausnahme machen beispielsweise Wiederkäuer) wieder zum Kopfende. Ihre Aufzweigungen verlaufen geschlängelt in der Tunica albuginea über die Seitenflächen und treten über die Hodensepten ins Innere zum Mediastinum testis und von dort wieder zentrifugal zurück zu den Samenkanälchen, um die sie ein Kapillarnetz bilden.
Die Innervation des Hodens wird durch den Sympathikus, einem Teil des vegetativen Nervensystems, vermittelt. Die Nervenfasern kommen aus dem Grenzstrang des Lendenbereichs und ziehen, die Hodenarterie geflechtartig umspinnend (Plexus testicularis, Syn. Nervus spermaticus superior), zum Hoden. Eine zweite Gruppe von Nervenfasern verläuft vom Kreuzteil des Sympathikus mit dem Samenleiter (Ductus defrens) zum Hoden (Plexus deferentialis, Syn. Nervus spermaticus inferior). Die efferenten Nervenfasern treten vor allem an die Blutgefäße und regulieren damit die Durchblutung und die Temperatur des Hodens. Eine Beteiligung an der Feinsteuerung der Spermienbildung, dem Spermientransport und der Hormonproduktion im Hoden bei einigen Säugetieren wird derzeit diskutiert [1], primär erfolgt diese Steuerung aber über Hormone. Jene sympathischen Nervenfasern, die Informationen zum Zentralnervensystem leiten (Visceroafferenzen), ziehen zu den Spinalganglien des Lendenbereichs. Sie leiten Schmerzempfindungen (Eingeweideschmerz), allerdings wird ein Großteil der hohen Schmerzempfindlichkeit des Hodens über die sensiblen Nervenfasern der Hodenhüllen (Äste des Nervus genitofemoralis) vermittelt. Die hohe Sensitivität gegenüber Berührungsreizen machen Hoden und Hodensack zu einer erogenen Zone. Anderseits wird die große Schmerzempfindlichkeit auch in BDSM („cock and ball torture“) und bei Folterungen ausgenutzt, Hodenquetschungen können bis zu einem Schock führen. Eine Neuralgie des Nervus genitofemoralis, die zum Beispiel nach chirugischer Korrektur eines Leistenbruchs auftreten kann, äußert sich in Hodenschmerzen [2].
Die Lymphgefäße des Hodens verlaufen zusammen mit den Hodenvenen zu den Lendenlymphknoten (Lymphonodi lumbales) rückenwärts der Aorta, bei Tieren auch zu den Darmbeinlymphknoten (Lymphonodi iliaci mediales) an der Aortenaufzeigung. In diesen, in der Bauchhöhle liegenden Lymphknoten können bei Hodenkrebs Metastasen auftreten.
Übrige Chordatiere
Bei allen anderen Chordatieren liegen die die Hoden in der Leibeshöhle und unterhalb der Nieren.
Bei den Schädellosen ist kein kompakter Hoden ausgebildet, die Gonaden sind noch segmental gegliedert, bei Asymmetron ist nur der rechte vorhanden. Bei Schleimaalen ist der langestreckte Hoden ebenfalls nur ein einseitig, in Form ein gelappten Bandes ausgebildet. Die Rundmäuler haben paarige Hoden, die über die gesamte Länge der Leibeshöhle reichen.

Innerhalb der Knorpelfische entwickelt sich nur beim Kragenhai die gesamte Hodenanlage zur langgestreckten Keimdrüse, bei den übrigen Vertretern, wie bei den anderen Wirbeltieren, nur deren Mittelabschnitt (s. u.). Bei den Echten Haien sind die Hoden ebenfalls länglich, bei den Rochen kurz und platt. Bei Dornhaien und Zitterrochen liegen die Hoden weit vorn, nahe des Herzbeutels, sonst im mittleren oder hinteren Rumpfabschnitt. Bei den meisten Knochenfischen sind die Hoden langgestreckt. Bei den Echten Knochenfischen liegen sie unterhalb der Nieren und der Schwimmblase und sind über ein Mesorchium befestigt. Bei einigen Barschartigen sind beide Hoden am hinteren Ende miteinander verschmolzen. Die dünne Tunica albuginea ist bei Knochenfischen gelegentlich pigmentiert. In den Hoden von Fischen kann gleichzeitig Eierstockgewebe auftreten (Ovotestis). Sägebarsche und Meerbrassen sind Hermaphroditen und können im Laufe ihres Lebens das Geschlecht wechseln.
Amphibien haben entweder längliche (Schwanzlurche, Schleichenlurche) oder runde (Froschlurche) Hoden. Sie sind über ein Mesorchium an der Rumpfwand oder der Urniere befestigt. Medial (in Richtung Medianebene) des Hodens ist ein deutlicher Fettkörper ausgebildet. Bei Salamandern sind mehrere Hodenabteilungen zu einem Lappen verschmolzen, die Anzahl der Abteilungen nimmt im Alter zu. Bei Amphibien zeigt sich die beginnende Trennung von Harn- und Samenweg. Die Nebenhodengänge (Ductuli epididymidis) münden erst kurz vor der Kloake in den Wolff-Gang. Männliche Kröten sind Hermaphroditen. Vor den Hoden liegt das sich aus der vorderen Genitalleiste entwickelnde Bidder-Organ, ein primitiver Eierstock [3] [4].

Bei den Reptilien liegen die Hoden vor und unterhalb der Nieren in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Nebennieren. Die Hoden sind oval, bei Schildkröten eher rundlich, bei Schlangen langgestreckt. Die Nebenhoden liegen medial (zur Körpermitte hin) des jeweiligen Hodens und sind nicht untergliedert. Das Bindegewebsgerüst des Hodens ist schwach entwickelt.
Auch bei den Vögeln liegen die Hoden vor den Nieren an den Nebennieren. Im Gegensatz zum Eierstock, der bei Vögeln nur einseitig ausgebildet wird, sind die Hoden paarig. Die Hodengröße weist die stärksten jahreszeitlichen Schwankungen innerhalb der Wirbeltiere auf, sie nimmt beispielsweise bei Sperlingsvögeln in der Paarungszeit um bis das 800fache zu und zur Paarungsruhe wieder ab. Bei einem Hauserpel sind die Hoden in der Paarungszeit etwa 8 cm lang und 4,5 cm breit. Der Nebenhoden ist bei Vögeln ebenfalls nicht gegliedert. Das Bindegewebsgerüst des Hodens ist bei Vögeln nur gering entwickelt, die Tunica albuginea ist dünn, ein Mediastinum testis fehlt [5]. Die endoskopische Betrachtung des Hodens spielte früher eine große Rolle zur Geschlechtsbestimmung bei Arten die keinen Sexualdimorphismus zeigen, ist heute aber weitestgehend durch molekularbiologische Methoden ersetzt.
Wirbellose
Bei den Hohltieren dominiert bei den Nesseltieren noch die ungeschlechtliche Fortpflanzung. Rippenquallen sind dagegen Zwitter und haben unter den kammartigen Plättchen („Rippen“) sitzende, in die Mesogloea eingelagerte Hoden und Eierstöcke.
Urmünder (Protostomia)
Plattwürmer (Plathelminthes) sind Zwitter und besitzen keine Leibeshöhle. Die Hoden liegen den Eierstöcken benachbart in einem Bindegewebsraum (Interstitium) innerhalb des Tieres, bei Bandwürmern innerhalb eines jedes Bandwurmgliedes (Proglottide). Auch Bauchhärlinge (Gastrotricha) haben kein Coelom. Die Süßwasserarten vermehren sich ungeschlechtlich über Jungfernzeugung. Die Salzwasservertreter sind Zwitter, funktionell sind aber nur die Gonaden eines Geschlechts aktiv. Die Abgabe der Keimzellen erfolgt über Spermienhaufen. Rädertierchen (Rotatoria) haben ein Pseudocoelom mit einem unpaaren Hoden. Cycliophora vermehren sich im sogenannten Fressstadium ungeschlechtlich. Bei der geschlechtlichen Vermehrung kommen sogenannte „Zwergmännchen“ vor. Sie besitzen zwei externe „Hoden“ und ein Kopulationsorgan neben der Haftscheibe. Bei Kratzwürmern (Acanthocephala) zieht ein sogenanntes Genitalband durch den Körper, an dessen unterem Drittel die beiden Hoden sitzen. Von den Hoden zieht je ein Samenleiter zum Penis.

Bei Fadenwürmern (Nematoda) gibt es sowohl getrenntgeschlechtliche Arten als auch Zwitter. Der langgestreckte Hoden liegt unterhalb des Darms (s. Abb.). Saitenwürmer (Nematomorpha) haben paarige Hoden im Pseudocoelom. Bärtierchen (Tardigrada) sind getrenntgeschlechtlich. Während die Leibeshöhle ein Pseudocoelom darstellt, gibt es um den unpaaren Hoden ein echtes Coelom. Stummelfüßer (Onychophora) besitzen paarige Hoden, die über Ausführungsgänge (Vasa efferentia) in einen gemeinsamen Samenleiter münden. Bei den Gliederfüßern (Arthropoda: Tausendfüßer, Insekten, Krebstiere und Cheliceraten) besitzen Männchen paarige Hoden im blutgefüllten Pseudocoel (Haemocoel) des Hinterleibs bzw. der hinteren Rumpfsegmente. Bei einigen Unterformen kommen auch Zwitter vor.

Die Ringelwürmer haben paarige Hoden. Gürtelwürmer sind zumeist Zwitter, befruchten sich aber gegenseitig. Die Hoden liegen im Coelom, bei Regenwürmern im 10. und 11. Körpersegment und der Samenleiter mündet im 15. Segment nach außen. Vielborster sind dagegen zumeist eingeschlechtlich und männliche Vertreter besitzen in jedem Körpersegment Hoden. Bei Weichtieren (Mollusca) kommen Zwitter, Zwittergonaden (Ovotestis) und getrenntgeschlechtliche Formen vor. Das Coelom ist auf zwei Hohlräume um die Gonaden (Gonadocoel) und um das dahinterliegende Herz (Perikard) reduziert. Bei Armfüßern (Brachiopoda) liegen die Hoden im Coelom (genauer im Metacoel), die Gameten werden über die Metanephridien abgeleitet.
Neumünder (Deuterostomia)
Innerhalb der Stachelhäuter (Echinodermata) haben Seewalzen nur einen Hoden, bei Seeigeln und Seewalzen füllen die Hoden nahezu das gesamte Metacoel aus, bei den Seelilien (drei bis fünf Gonaden) und Seesternen (zwei pro Arm) liegen sie in den Armen und münden zwischen diesen Armen mit jeweils einer Geschlechtsöffnung.
Entwicklungsgeschichte

Hoden und Eierstöcke gehen bei Tieren aus derselben Anlage hervor. Die beiden Gonaden sind phylogenetisch Voraussetzung der geschlechtlichen Fortpflanzung und entwickeln sich durch die Trennung der zur Fortpflanzung spezialisierten Zellen (Keimzellen) von den gewöhnlichen Körperzellen (somatische Zellen). Diese Trennung ist bereits bei Wimpertierchen in Form eines Mikronucleus, deutlicher dann bei Kugelalgen vollzogen, wo dem Hauptzellverband der Körperzellen eine kleine Gruppe Keimzellen (Gonidien) gegenübersteht, die allerdings noch nicht in Form eines abgegrenzten Organs ausgebildet sind.
Bei den Bilateria treten erstmals ein drittes Keimblatt, das Mesoderm, und damit komplexe Organe auf. Allerdings ist die geschlechtliche Fortpflanzung bei vielen Wirbellosen noch mit der Möglichkeit der ungeschlechtlichen Fortpflanzung kombiniert. Hierbei findet sich häufig ein Generationswechsel, also der sexuelle folgt auf einen asexuellen Fortpflanzungszyklus. Die Differenzierung der Gonaden in Hoden und Eierstöcke ist Kennzeichen getrenntgeschlechtlicher Arten. In vielen Tierstämmen ist trotz dieser vollzogenen Geschlechtertrennung auch Fortpflanzung ohne Befruchtung (Parthenogenese) möglich, die als reduzierte Form der sexuellen Fortpflanzung angesehen werden kann. Hier treten männliche Tiere nur ausnahmsweise auf. Parthenogenese findet man in zahlreichen Stämmen, von den Rädertierchen bis hin zu einigen Eidechsen. Bis zu den Amphibien sind auch Zwitterformen oder eine Veränderung des Geschlechts (Dichogamie) während der Ontogenese anzutreffen. Dabei ist sowohl eine Umwandlung der Eierstöcke in Hoden (Proterandrie), als auch der Hoden in Eierstöcke (Proterogynie) möglich.
Ob aus der zunächst geschlechtsindifferenten Anlage der Gonaden ein Hoden oder ein Eierstock entsteht, ist bei den meisten Tieren genetisch determiniert. Dies kann ein einzelnes Allel sein, wie bei Stechmücken, oder ein das Geschlecht determinierendes Chromosom. Bei Säugetieren wird das Geschlecht durch das Y-Chromosom bestimmt. Auf diesem Geschlechtschromosom (Gonosom) ist ein Gen lokalisiert, das ab der 7. Woche zur Bildung des Hoden-determinierenden Faktors führt, welches die Entwicklung zum Hoden und damit zum männlichen Geschlecht generell einleitet. Bei staatenbildenden Insekten entstehen Hoden bei Nachwuchs aus unbefruchteten Eiern, Eierstöcke bei Tieren mit diploiden Chromosomensatz, also aus befruchteten Eiern. Bei einigen Tiergruppen wird das Geschlecht dagegen durch Umweltfaktoren bestimmt. So ist bei vielen Reptilien (einige Amphibien, Schildkröten, Alligatoren) das Geschlecht von der Bebrütungstemperatur abhängig [6].
Bei vielen Tieren entstehen die Gonaden in enger Beziehung zum Exkretionssystem (Urniere, Nephridien), insbesondere das harnableitende System wird als samenableitendes System mitgenutzt, weshalb man bei Wirbeltieren beide Organsysteme als Harn- und Geschlechtsapparat zusammenfasst. Bei den Wirbellosen sind Entstehungsort, Lage und Ausführungsgänge allerdings sehr verschieden ausgebildet, so dass man davon ausgeht, dass die geschlechtliche Fortpflanzung mehrfach, unabhängig voneinander in der Evolution entstanden ist. Die Komplexität des Geschlechtsapparats ist dabei nicht von der Evolutionsstufe abhängig, sie ist beispielsweise bei den Plattwürmern sehr hoch.
Embryologie bei Wirbeltieren

Abbildung zur Hodenentwicklung bei Wirbeltieren:
A Das Coelomepithel (2) wächst um die Urkeimzellen (1) als Keimstränge (3) ein.
B Die Verbindung der Hodenstränge (3) zur Oberfläche geht verloren, zwischen beiden differenziert sich die Tunica albuginea (6), von der Septen ins Innere einwachsen.
C: Die Hodenstränge wachsen in Tiefe und bilden das Hodennetz (7). Von hier nehmen sie Verbindung mit Urnierenkanälchen (4) auf und erhalten so Anschluss an den Wolff-Gang (5).
Hoden und Eierstock entstehen beim Embryo aus derselben Anlage, der sogenannten Genitalleiste. Sie bildet sich im Bereich der Urniere und reicht zunächst vom Thorax bis zur Lende. Bei den meisten Wirbeltieren wird nur der mittlere Teil dieser langgestreckten Anlage zur eigentlichen Keimdrüse, die übrigen Abschnitte entwickeln sich zu den Keimdrüsenbändern. In die Gonadenanlage wandern (beim Menschen in der 6. Woche) die Urkeimzellen aus dem Dottersack ein. Zudem wächst das Epithel der primitiven Leibeshöhle (Coelom) fingerartig als sogenannte primäre Keimstränge in die Anlage ein.
Die Keim- oder Hodenstränge dringen in die Gonadenanlage vor und umwachsen die Urkeimzellen. Dabei tritt vorübergehend eine Gliederung der Keimdrüsenanlage in Rinde und Mark auf, wobei sich bei männlichen Embryonen jedoch nur das Mark zum Hoden entwickelt, die Rinde dagegen wieder zurückgebildet wird. Die Verbindung der Keimstränge zur Oberfläche geht schließlich verloren. Aus den Hodensträngen entwickeln sich die Sertoli-Zellen, aus den Urgeschlechtszellen die Vorformen der Spermien, die Spermatogonien. Im Inneren bilden die Hodenstränge ein Netz aus untereinander in Verbindung stehenden Strängen, das spätere Hodennetz (Rete testis). Das Hodennetz nimmt Verbindung zu einigen Urnierenkanälchen auf, die schließlich zu den Ductuli efferentes des Nebenhodenkopfes werden. Der Urnierenausführungsgang (Wolff-Gang) wird als Nebenhodenkanal und Samenleiter ebenfalls als samenableitender Weg umfunktioniert. Das Lumen der Samenkanälchen entsteht jedoch erst zur Pubertät, bei Amphibien nach der Metamorphose, bis dahin sind die Hodenstränge solide. Aus dem embryonalen Bindegewebe der Hodenanlage entstehen die Tunica albuginea, das Bindegewebsgerüst des Hodens und die Leydig-Zellen.
Feinbau und Funktion bei Wirbeltieren

1 Lumen eines gewundenen Samenkanälchens, 2 Spermatiden, 3 Spermatozyten, 4 Spermatogonien, 5 Sertoli-Zellen, 6 Myofibroblasten, 7 Leydig-Zellen, 8 Kapillaren.

1 Tunica albuginea, 2 Septen, 3 Hodenläppchen, 4 Mediastinum testis, 5 gewundene Samenkanälchen, 6 gerade Samenkanälchen, 7 Rete testis, 8 Ductuli efferentes testis, 9 Nebenhodengang, 10 Anfang des Samenleiters.
Die Hodenläppchen enthalten die gewundenen Samenkanälchen (Tubuli seminiferi contorti s. convoluti), die das Hodenparenchym darstellen. Sind sind etwa 50 bis 80 cm lang und haben einen Durchmesser von 200 bis 300 µm. Ihre Wand besteht aus einer Bindegewebshülle mit kontraktionsfähigen Myofibroblasten, einer Basalmembran und dem Keimepithel (Epithelium spermatogenicum). Dieses Epithel besteht aus Keim- (Cellulae spermatogenicae) und Stützzellen und ist Ort der Spermienbildung (Spermatogenese). Dabei werden die aufeinanderfolgenden Enwicklungsstadien der Keimzellen (Spermatogonien → Spermatozyten → Spermatiden → Spermien) allmählich in Richtung Lumen transportiert. Die Spermienbildung dauert zwischen 35 (Maus, Schwein) und 64 Tagen (Mensch), anschließend ist aber eine weitere Reifung in den Nebenhoden notwendig, damit die Spermien befruchtungsfähig werden. Diese dauert bei den meisten Säugetieren eine Woche, beim Mensch 8 bis 17 Tage.
Das Stützgerüst der Samenkanälchen bilden die Sertoli-Zellen (nach Enrico Sertoli, auch Epitheliocyti sustentantes). Sie sind etwa 70 bis 80 µm lang und durchziehen radiär das Keimepithel bis zum Lumen. Die Sertoli-Zelle haben darüber hinaus eine Ammenfunktion für die Samenzellen (Ernährung und Transport über Plasmabewegungen zum Lumen) und phagozytieren degenerierte Samenzellen und Zellreste, die bei der Spermienentwicklung entstehen. Die Sertoli-Zellen werden durch das Hormon follikelstimulierende Hormon (FSH) gesteuert, dessen Ausschüttung sie über die Bildung des Hormons Inhibin beeinflussen. Zudem sezernieren sie das Androgenbindungsprotein, das Anti-Müller-Hormon und eine Kalium-reiche Spermienflüssigkeit. Die Sertoli-Zellen besitzen zahlreiche Fortsätze, die die Keimzellen umgeben. Diese Zellfortsätze verbinden sich basal im Samenkanälchen mit denen benachbarter Sertoli-Zellen und bilden so die sogenannte Blut-Hoden-Schranke. Dieser Begriff ist eigentlich irreführend, denn diese Barriere liegt nicht zwischen Blut und Hodengewebe, sondern verläuft zwischen den Spermatogonien und Spermatozyten, teilt also zirkulär die Hodenkanälchen in ein basales und ein zum Lumen gerichtetes (adluminal) Kompartiment. Die Blut-Hoden-Schranke ist für die meisten Proteine undurchlässig und schützt die Spermien vor Mutagenen und vor der körpereigenen Abwehr. Letzteres ist notwendig, weil die ersten Spermien erst nach Ende der Prägung der Lymphozyten entstehen (vor der sogenannten immunologischen Toleranz), das Immunsystem sie also für körperfremde Zellen hält.
Die gewundenen Samenkanälchen gehen bei den vielen Wirbeltieren an beiden Enden in ein kurzes gerades Samenkanälchen (Tubulus seminiferus rectus) über. Die geraden Kanälchen sind von einem einschichtigen Epithel ausgekleidet und münden in ein Kanälchensystem im Mediastinum, das Hodennetz (Rete testis). Das Kanälchensystem des Hodennetzes ist ebenfalls zumeist von einem einschichtigen Epithel ausgekleidet (bei Rindern zweischichtig). Beim Mann, bei Pferden und Nagetieren liegt das Hodennetz allerdings vorwiegend an der Hodenperipherie („extratestikuläres Rete“). Vom Hodennetz ziehen mehrere geschlängelt verlaufende Ductuli efferentes testis im Nebenhodenkopf weiter zum Nebenhodengang. Bei Säugetieren sind es etwa 15 Ductuli efferentes, die Zahl variiert innerhalb der Wirbeltiere zwischen einem (z. B. Rochen) und 32 (z. B. Axolotl).
Das Gewebe zwischen den gewundenen Samenkanälchen wird als Interstitium bezeichnet. Hier finden sich neben Bindegewebe, Blutgefäßen und Nervenfasern auch die Leydig-Zellen (nach Franz von Leydig, auch Endocrinocyti interstitiales). Sie bilden über spezielle Zellkontakte (Gap junctions) untereinander in Verbindung stehende Zellverbände. Die Leydig-Zellen bilden, in Abhängigkeit vom luteinisierenden Hormon (LH), männliche Geschlechtshormone (Androgene wie Testosteron) sowie Oxytozin, welches die Motilität der Samenkanälchen fördert. Der Hoden ist damit auch ein endokrines Organ. Die Androgene haben vielfältige Wirkungen im Körper, unter anderem fördern sie die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale, wirken anabol und steuern das Sexualverhalten. Außerdem bilden die Leydig-Zellen zahlreiche weitere hormonell wirksame Peptide, die auf Nachbarzellen (parakrin) oder auf die Bildungszelle selbst (autokrin) wirken.
Entwicklungsstörungen und Erkrankungen des Hodens
Verletzungen des Hodens kommen beim Menschen als stumpfe Traumen vor allem bei Kampfsportarten und Schlägereien vor. Hier besteht die Gefahr der Einblutung unter die Hodenkapsel (Hämatocele), die in der Regel einer chirurgischen Versorgung bedarf. Verletzungen mit Eröffnung des Hodensacks (Stich- und Pfählungswunden, bei Tieren auch Bisse, Stacheldraht u.s.w.) können Hodenentzündungen (s. u.) oder gar Abszesse verursachen.
Fehlbildungen
Als Anorchie bezeichnet man das Fehlen eines oder beider Hoden. Etwa 5 % der wegen eines ausbleibenden Hodenabstiegs operierten Patienten haben nur einen oder keinen Hoden. Bei ihnen findet man häufig kleine bindegewebige Knoten mit eingestreuten Leydig-Zellen. Da ein funktionell intakter Hoden für die männliche Geschlechtsausprägung zwingend erforderlich ist, muss in der Embryonalphase mindestens ein intakter Hoden vorgelegen haben, der sich dann später zurück entwickelt haben kann.
In seltenen Fällen können infolge von Entwicklungsstörungen neben Hoden auch bei Säugetier und Mensch gleichzeitig Eierstöcke auftreten (Hermaphroditismus verus - „echte“ Zwitter; siehe auch Intersexuelle Syndrome und Intersexualität). Bei bestimmten Keimdrüsenfehlentwicklungen (Gonadendysgenesien) werden die Hoden nicht angelegt, bleiben unterentwickelt oder enthalten Eierstockgewebe (Ovotestis).
Als Kryptorchismus (Syn. Maldescensus) bezeichnet man eine unvollständige (Hodenhochstand) oder ausbleibende Wanderung des Hodens in den Hodensack. Der Hodenhochstand ist eine der häufigsten Fehlbildungen beim Menschen und tritt bei 3 bis 5 % der Neugeborenen und 33 % der Frühgeborenen auf[7], auch bei Haustieren treten Kryptorchiden in ähnlicher Häufigkeit auf. Kryptorchiden können keine fruchtbaren Spermien bilden, die Androgenproduktion bleibt jedoch erhalten. Ein länger als zwei Jahre ausbleibender Hodenabstieg führt zum Verlust der Spermatogonien und damit zu unumkehrbaren Veränderungen des Hodens. Verfehlt der Hoden bei seinem Abstieg den Hodensack spricht man von Hodenektopie. Dabei kann der Hoden unter der Haut der Leistengegend oder an der Oberschenkelinnenseite zu liegen kommen. Die Folgen sind denen des Kryptorchismus ähnlich.
Erblich bedingter Kleinwuchs der Hoden (Hypoplasie) ist bei Haustieren relativ häufig. Hypoplasien können auch infolge von Infektionen oder hormonellen Störungen auftreten.
Hodenentzündung
Eine Hodenentzündung (Orchitis) kann bei Verletzungen des Hodensacks mit Eindringen von Bakterien oder bei einigen Infektionskrankheiten auftreten. Eine Orchitis ist beim Menschen eine mögliche Komplikation bei Mumps, Coxsackie-Virus-Infektionen und Windpocken. Auch Brucellose und Tuberkulose können sich am Hoden manifestieren. Bei Tieren können ebenfalls Tuberkulose und Brucellose sowie die Pseudotuberkulose (Schafe), die Ansteckende Blutarmut der Einhufer und die Feline Infektiöse Anämie (Katzen) mit einer Orchitis einhergehen. Hodenentzündungen können zu einer Schrumpfung des Hodens (Hodenatrophie) und zu Unfruchtbarkeit führen, weil keine (Aspermie) oder keine funktionstüchtigen Spermien mehr gebildet werden können.
Zirkulationsstörungen
Als Varikozele bezeichnet man krampfaderähnliche Erweiterungen, die vor allem die linksseitigen Venen des Plexus pampiniformis im Samenstrang betreffen. Eine Varikozele kann zu einer eingeschränkten Spermatogenese des gleichseitigen Hodens führen.
Eine Hodentorsion ist eine abnorme Drehung des Hodens, wobei die spiralförmige Abklemmung des Samenstranges und der abführenden Venen zu einem Absterben des Hodens führen kann. Eine hochgradige Hodentorsion ist ein sehr schmerzhafter Notfall, bereits nach zwei Stunden ist mit dauerhaften Schäden des Hodens zu rechnen. Auch der Appendix testis kann eine sogenannte Hydatidentorsion vollziehen.
Zirkulationsstörungen mit der Gefahr der Entstehung von Nekrosen werden auch bei Erkrankungen der Blutgefäße wie Purpura Schönlein-Henoch, Endangiitis obliterans und Panarteriitis nodosa des Menschen, Equine Arteriitis der Pferde und generell bei Thrombosen beobachtet.
Tumore
Als Hodentumor wird eine krankhafte Vergrößerung des Hodens bezeichnet. Hodentumoren können gut- oder bösartig sein.
Zumeist harmlose Hodenvergrößerungen sind Zysten. Am Hoden können zwei verschiedene Zystenarten entstehen. Hydrozelen sind Aussackungen der Tunica vaginalis testis, die klare bernsteinfarbene Flüssigkeit enthalten. Sie entstehen durch Verletzungen oder Entzündungen. Spermatozelen gehen von der Rete testis oder dem Nebenhoden aus und enthalten Spermien. Teratome sind zumeist gutartige Tumore der Keimzellen.
Bösartige Hodentumore (Hodenkrebs) werden in Entartungen der Keimzellen (germinale Hodentumoren: Seminome und Nichtseminome) untergliedert. Entartungen der Keimzellen sind die häufigste Krebserkrankung bei Männern im Alter zwischen 20 und 40 Jahren und machen etwa 90 % aller Hodentumoren aus. Den Hauptrisikofaktor stellen nicht in den Hodensack gewanderte Hoden dar. Die verbleibenden 10 % entfallen auf tumoröse Entartungen anderer Gewebsanteile (Sertoli-Zell-Tumor, Leydig-Zell-Tumor, Non-Hodgkin-Lymphom u. a.).
Funktionsstörungen
Neben den oben genannten Krankheiten konnen auch die Blut-Hoden-Schranke überwindende chemische Substanzen wie Umweltgifte (z. B. Cadmium), Zusätze zu Verpackungsmitteln (z. B. Phthalate, Diethylhexyladipat), einige Arzneimittel (z. B. Furazolidon) und Hormone (s. a. Endokrine Disruptoren) oder ionisierende Strahlung zu schweren Beeinträchtigungen des Epithels der Samenkanälchen führen. Da die Spermienbildung mit sehr hohen Zellteilungsraten (Mitose, Meiose) einhergeht, ist das Epithel gegenüber Zellgiften besonders empfindlich. Solche Schädigungen können zu mannigfaltigen Veränderungen bis zum vollständigen Fehlen der Spermien führen (siehe auch Spermiogramm).
Eine unzureichende Bildung von Androgenen wird als Hypogonadismus bezeichnet. Dieser kann angeboren sein, durch Erkrankungen des Hodens sekundär entstehen oder in einem Gonadotropin-Mangel (z. B. Unterfunktion der Hypophyse, Olfaktogenitales Syndrom) begründet sein.
Untersuchung des Hodens
Die Hodentastuntersuchung ist eine bei Mensch und Tieren mit Hodensack wichtige Grundlagenuntersuchung. Hier werden das Vorhandensein, Größe, Lage und Konsistenz des Hodens geprüft. Als bildgebendes Verfahren wird vor allem die Ultraschalluntersuchung angewendet. Zur Entnahme von Gewebeproben kann eine Hodenbiopsie durchgeführt werden. Bei Tieren mit in der Bauchhöhle gelegenen Hoden wird neben der Ultraschalluntersuchung vor allem die Endoskopie eingesetzt.
Eine funktionelle Untersuchung ist die Erstellung eines Spermiogramms. Hier werden Anzahl, Gestalt und Beweglichkeit der Spermien beurteilt.
Kastration
Als Kastration wird die Unterbindung der Hodenfunktion bezeichnet. Sie kann durch operative Entfernung des Hodens (Orchektomie), Unterbindung der Hodengefäße („unblutige Kastration“), Bestrahlung oder chemische Substanzen erfolgen. Kastrationen werden beim Menschen vor allem bei Hodenkrebs durchgeführt. Chirurgisch entfernte Hoden werden aus kosmetischen Gründen meist durch eine Hodenprothese ersetzt.
Die Kastration spielt als Symbol der Entmachtung auch in der Mythologie vieler Kulturen eine Rolle. In der ägyptischen Mythologie entreißt Horus seinem Halbbruder Seth die Hoden. In der griechischen Mythologie entfernt erst Kronos seinem Vater Uranos die Hoden und wird später selbst von seinem Sohn Zeus entmannt. Zur Entsagung weltlicher Gelüste war die Selbstentmannung der Galloi (Priester) im Kybele-Kult der Phryger, der sich auch auf das antike Griechenland und Rom verbreitete, üblich, ebenso bei den Hijras in Indien. Im Judentum ist die Kastration, sowohl von Menschen als auch Tieren, dagegen strikt verboten. Im Christentum war die Kastration ebenfalls verpönt. Eunuchen durften nicht zum Priester geweiht werden, es gab jedoch Strömungen in denen die Selbstkastration als Ritual vollzogen wurde (s. Skopzen, Eunuchen für das Himmelreich).
Historisch wurden auch Sklaven, Kriegsgefangene, Sänger (siehe Kastrat) oder die Bewacher von Harems (siehe Palasteunuch) kastriert. Die freiwillige Kastration von Sexualstraftätern ist in Deutschland sowie in einigen Bundestaaten der USA noch eine, wenn auch umstrittene, Therapiemethode. Die nichtmedizinisch begründete Kastration war insbesondere auf die Unterbindung der durch das Testosteron hervorgerufenen sekundären Geschlechtsmerkmale (Stimmlage, Sexualverhalten) gerichtet. Kastrierte Männer können sich nicht fortpflanzen und damit keine Familien bilden, sie hatten in traditionellen Gesellschaften damit keine persönliche Zukunft und galten als willfährige Diener[8].
In der Tiermedizin werden Kastrationen, neben medizinischen Indikationen (Hodenkrebs, Prostata- und Analdrüsenerkrankungen), vor allem zur Vermeidung von Nachwuchs, zur besseren Handhabbarkeit von Haustieren (Wallach, Ochse), zur Erhöhung der Mastleistung und bei Hausschweinen auch zur Vermeidung des „Ebergeruchs“ des Fleisches durchgeführt. Kastrationen bei Tieren wurden vermutlich bereits zu Beginn der Jungsteinzeit durchgeführt[8]. Die Kastration ist eine der wenigen, nach dem Tierschutzgesetz (§ 6) in Deutschland heute noch erlaubten, nichtmedizinisch indizierten Organentfernungen, in der Öffentlichkeit allerdings nicht unumstritten.
Kulturgeschichtiche Bedeutung
In der Japanischen Mythologie werden Tanuki, ein dem Marderhund ähnlicher Dämon (Yōkai), als Glücksymbol häufig mit übergroßen Hoden dargestellt. Im antiken Griechenland wurden Genitalien von Tieren, insbesondere Stieren (Taurobolium), als Opfer dargebracht.
Im antiken Rom wurde ein Eid mit Berühren der Hoden geleistet, das lateinische Wort testis für Hoden bedeutet eigentlich Zeuge (von tertius und stare - „als Dritter dabeistehen“). Hoden galten als Symbol der Manneskraft und auch der schöpferischen Potenz. Nach Taylor[8] hatten sie bis in das späte 16. Jahrhundert noch eine stärkere Symbolkraft als der Penis.
Botanik
Den Pflanzen, die in ihrer Erscheinungsform männlichen Genitalien ähneln, wurde im Aberglauben eine aphrodisierende und fruchtbarkeitssteigernde Wirkung zugeschrieben. Aufgrund der Ähnlichkeit der beiden Wurzelknollen der Knabenkräuter mit den Hoden benannte sie der griechische Philosoph Theophrastos von Eresos Orchis, die griechische Bezeichnung für Hoden. Ihr Verzehr sollte angeblich die Geburt eines Knaben befördern („Knabenkraut“). Orchis war später für die gesamte Familie der Orchideen namensgebend.
Der Name Avocado leitet sich von dem indianischen Wort „ahuacatl“ (Hoden) ab, der auf die hodenähnliche Form der Frucht dieses Baumes Bezug nimmt.
Hoden in der Kunst
In der Kunst spielen Hoden, im Gegensatz zum Phallus, außerhalb der Erotik und Pornografie keine zentrale Rolle. „Blut und Hoden“ [9], ein phonologisches Wortspiel zur Blut-und-Boden-Ideologie, wird in der Kunstkritik häufig abwertend verwendet.
Eine der Figuren in Thomas Manns Tristan ist Herr Klöterjahn („Klöten“ ist der niederdeutsche Ausdruck für Hoden, ein Symbol für Lebenstüchtigkeit und Vitalität). Der deutsche Film Eierdiebe thematisiert das Thema Hodenkrebs und Verlust eines Hodens.
Hoden als Lebensmittel
Hoden, insbesondere Rinderhoden, wird in einigen Regionen als Nahrungsmittel verarbeitet. In romanischen Ländern (Portugal, Spanien, Italien) gelten Stierhoden als Delikatesse und potenzsteigernd. Auch in den Regionen mit großer Rinderdichte im Westen der USA werden sie als „Rocky Mountain oysters“ oder „prairie oysters“ (Prärie-Austern), in Mexico als „criadillas“ verzehrt. Auch Lammhoden („lamb fries“, „Animelles“) und Hoden von anderen Tieren stehen in vielen Regionen der Welt auf der Speisekarte. Deutschland war das einzige Land in der EU, in dem Hoden als Lebensmittel verboten waren. Nach der aktuellen EU-Verordnung Nr. 853/2004 gelten jedoch Hoden als einzige Geschlechtsorgane als Lebensmittel, alle anderen sind als ungeeignet zum Genuss (Konfiskate) eingestuft.
Trivia
Volkswagen hatte in einer Plakatkampagne den Golf GTI mit „Turbo-Cojones“ beworben. Im Englischen steht der Begriff Cojones übertragen für Mut und Kühnheit, im Spanischen bedeutet er aber „Hoden“. Aufgrund massiver Proteste wurde die Werbeaktion zurückgezogen.
Literatur
- van den Brock, A.J.P: Gonaden und Ausführungswege. In: Bolk et al. (Hrsg.): Handbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbeltiere. Urban & Schwarzenberg 1933, Bd. 6, S. 1-154.
- Busch, W.; Holzmann, A. (Hrsg.): Veterinärmedizinische Andrologie. Stuttgart: Schattauer, 2001. ISBN 3-7945-1955-8
- Gille, U.: Männliche Geschlechtsorgane. In: Salomon, F.-V. u.a. (Hrsg.): Anatomie für die Tiermedizin. Enke-Verlag, Stuttgart 2004, S. 389–403. ISBN 3-8304-1007-7
- Hautmann, R. und Huland, H.: Urologie. Springer-Verlag, 3. Aufl. 2006. ISBN 3-540-29923-8
- Riede, U.-N. u.a.: Männliches Genitalsystem. In: Riede, U.-N. u.a. (Hrsg.): Allgemeine und spezielle Pathologie. Thieme Verlag, Stuttgart, 2. Aufl. 1989, S. 768-779. ISBN 3-13-683302-3
- Vié, B.: Testicules. Fête de paires, mythologie, les dessous, d'une curiosité culinaire, les attributs du sujet, lexique. Edition de l'Epure, Paris 2005, ISBN 2-914480-58-X (Zahlreiche Kochrezepte, angereichert mit kulturgeschichtlichen Informationen)
- Wehner, R. & Gehring, W.: Zoologie. Thieme Verlag, Stuttgart, 23. Aufl. 1995. ISBN 3-13-367423-4
Einzelnachweise
- ↑ Gerendai, I. et al.: Innervation and serotoninergic receptors of the testis interact with local action of interleukin-1beta on steroidogenesis. Auton Neurosci. 2006 Jul 7, PMID: 16829209
- ↑ Ducic, I., Dellon A.L.: Testicular pain after inguinal hernia repair: an approach to resection of the genital branch of genitofemoral nerve. J Am Coll Surg. 2004 Feb;198(2):181-4. PMID 14759772
- ↑ Brown, F.D. et al.: Bidder's organ in the toad Bufo marinus: effects of orchidectomy on the morphology and expression of lamina-associated polypeptide 2. Dev Growth Differ. 2002 Dec;44(6):527-35. PMID 12492511
- ↑ Farias, C.F. et al.: Bidder's organ of Bufo ictericus: a light and electron microscopy analysis. Micron. 2002;33(7-8):673-9 PMID 12475564
- ↑ Michel, G.: Geschlechtssystem. In: Salomon, F.-V. (Hrsg.): Lehrbuch der Geflügelanatomie. Fischer-Verlag, Stuttgart 1993, S. 197-226. ISBN 3-334-60403-9
- ↑ Dournon, C. et al.: Temperature sex-reversal in amphibians and reptiles. Int J Dev Biol. 1990 Mar;34(1):81-92. PMID 2393628
- ↑ Lampel, A.: Kommentar. Aktuel Urol 2004; 35: 6-8 DOI 10.1055/s-2004-819034 Volltext
- ↑ a b c Taylor, G.: Castration: An Abbreviated History of Western Manhood. Routledge, Inc 2002, ISBN 0415938813
- ↑ Bittorf, W.: Blut und Hoden. Der Spiegel, Nr. 44, 25. Oktober 1976, S. 228-232.