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Die Horen (Schiller)

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Die Horen sind eine Monatsschrift, die 1795-1797 in der Cotta’schen Verlagsbuchhandlung in Tübingen erschien. Die Einladung zur Mitarbeit, die vom Herausgeber der Schrift, Friedrich Schiller, an die führenden Vertreter der Kultur in Deutschland erging, gilt als Gründungselement der Weimarer Klassik. Die Horen führten, sonst durch Ort und Geist getrennte, Autoren zusammen, die sich zur Aufgabe machten, gemeinsam an der Bildung des ganzen Menschen zu arbeiten.

Geschichte

In einer Umbruchsphase der Entwicklung Europas und des Lebens Friedrich Schillers ereignete sich am 4. Mai 1794 in Stuttgart eine Begegnung, die als “Urszene der deutschen Klassik” in die Geschichte eingehen sollte. Der ehrgeizige Verleger Johann Friedrich Cotta wollte Schiller für seinen Verlag verpflichten und bat den Schriftsteller zu einer Spazierfahrt, auf welcher beide die deutsche Klassik erfanden. Cotta hatte den Plan für eine politische Tageszeitung und Schiller, als gefeierter Historiker sollte ihr Herausgeber werden. Doch Schiller, dem in Betrachtung der Vorgänge der Französischen Revolution die Politik immer fremder geworden war, trug sich mit ganz anderen Plänen. Er träumte von einem Journal für Weltbürger, das heimatlosen Musen ein zu Hause geben sollte, weit weg von der politischen Welt und unter der Palme der Wahrheit (Philosophie) und der Schönheit (Kunst). Es sollte ein Journal zur Veredlung des Charakters, ein Journal deutscher Klassik sein. Am Abend dieses Tages wurden zwei Verträge geschlossen: Zum einen über ein politisches Magazin “die europäischen Annalen”. Als deren Herausgeber zog sich Schiller, wie er angab aus gesundheitlichen Gründen, schon nach kurzer Zeit zurück. Das Magazin wurde dennoch als “Augsburger Allgemeine Zeitung” zur bedeutendsten des 19. Jahrhunderts. Zum anderen wurde der Vertrag über die Horen unterzeichnet, dass zentrale Zeitschriftenprojekt der deutschen Klassik. Als Mitarbeiter konnte Schiller nicht nur Goethe, sondern auch Johann Gottlieb Fichte, Wilhelm von Humboldt und Karl Ludwig Woltmann u.a. gewinnen. 1798 wurde die Publikation eingestellt, doch blieben die Horen das Modell für anspruchsvolle Zeitschriftenprojekte. Nicht selten finden sich in Journalen Vergleiche oder Anspielungen auf Schillers Zeitschrift. So wird auf dem Titelblatt von Kleists Phöbus (1808) der Apollowagen von den Horen geleitet.

Die Annahme eines Verweises auf eben dieses Bild liegt nahe, wenn Goethe in seinem Faust II schreibt: Horchet! horcht dem Sturm der Horen!/ Tönend wird für Geistesohren/ Schon der neue Tag geboren./Felsentore knarren rasselnd,/ Phöbus' Räder rollen prasselnd,/ Welch Getöse bringt das Licht!

Auch die seit 1955 vierteljährlich in Hannover erscheinende Literaturzeitschrift „Die Horen“ von Kurt Morawietz lehnt sich im Titel an das große Vorbild an.

Ankündigung „Die Horen“

In seiner Ankündigung zur Zeitschrift „Die Horen“, welche 1794 erschien, erklärt Friedrich Schiller die Absichten und Intentionen die er mit seiner kommenden Zeitschrift verfolgt. Dabei versucht er erst durch eine gewollte Abspaltung von den wohl für diese Zeit typischen Themen, wie z.B. der gesellschaftlichen und politischen Situation, (Zitat: „Unterhaltung soll sie gewidmet sein… , Mitten in diesem politischen Tumult soll sie für Musen und Charitinnen einen engen vertraulichen Zirkel schließen…“) Aufmerksamkeit zu erlangen um dann das beschriebene Thema seiner Zeitschrift angepasst wieder auf die Gesellschaft zurückzuführen. Schiller beschreibt die Gesellschaft als das was sie grundsätzlich völlig selbstverständlich ist, ein Organ der Masse, in der er seiner Zeitschrift einen Sonderstatus einräumt denn sie würde sich endlich auf althergebrachte Ideale besinnen, die höheren Interessen, das rein Menschliche das über Zweifel erhaben ist. Die Zeitschrift solle dem Leser rein leidenschaftsfreie Unterhaltung widmen ohne dabei die aktuellen Themen, die aktuelle politische oder weltliche Situation zu thematisieren. Ganz von der Realität entfernen möchte Schiller sich jedoch trotzdem nicht, er will versuchen das vergangene anhand der Geschichte, welche als Thematik ganz typisch für die Aufklärung ist, und das kommende anhand der Philosophie zu diskutieren um die wahre Humanität ans Licht zu bringen, die Gegenwart vernachlässigt Schiller mit Absicht um bewusst einem Meinungsstreiterischen Dialog aus dem Weg zu gehen. Schiller vertritt die Ansicht dass wenn sich die Menschen der in der Philosophie und der Geschichte, wahrscheinlich genauer die Antike, vorhandenen Ideale besinnen, dies automatisch einen Wandel der Gesellschaft mit sich bringt. Schiller hat also die Intention dem Leser diese Ideale wieder näher, ihn von dem Gedanken der Masse weg, sowie ihn dazu zu bringen endlich selbst Interesse für seine eigene Situation als Individuum in der Gesellschaft zu zeigen. (Zitat:“ Aber je mehr das beschränkte Interesse der Gegenwart die Gemüter in Spannung setzt, einengt und unterjocht….., desto größer wird das Bedürfnis sie wieder in Freiheit zu versetzen.“) Meiner Ansicht nach möchte Schiller erst diesen Wandel vollzogen sehen um darauf aufbauend gesellschaftliche, wie wissenschaftliche und politische Revolutionen zu ermöglichen. Dabei denke ich versucht Schiller die Zeitschrift als Vereinigung der „schönen“ und der gelehrten Welt darzustellen, daher das „normale“ Publikum wie auch die Wissenschaft, er versucht also die Kunst und Wissenschaft in einem „Zirkel“ zu verbinden. Ganz klar wird das die Zeitschrift sich klar von Themen abheben möchte die allein den einzelnen interessieren könnten.

Mythologischer Hintergrund

Die Horen (Mythologie) sind als Töchter des Zeus und der Themis Figuren der griechischen Sagenwelt. Sie sind die Göttinnen der Jahreszeiten, des Schönen und der Ordnung. Wohlgesinnt wachen sie über das Menschenwerk und bewachen, wie Homer in der Ilias berichtet, die Himmelstore, indem sie das dichte Gewölk unter Donnerdröhnen weg- oder vorschieben. Goethe mit seinem Propyläen und ebenso die Romantiker mit ihrer Zeitschrift Atheneum stehen nicht nur programmatisch, sondern auch mythologisch in der Tradition von Schillers Horen. Goethe führt bereits mit dem Titel seines Journals das Publikum durch das bewachte Tor in die Eingangshalle des Heiligtums. Das Magazin Atheneum endlich zeigt mit seinem Namen, dass es den griechischen Tempel selbst als das versammelnde Moment begreift.

Gründe für die Veröffentlichung

Bei der Veröffentlichung spielten für Friedrich Schiller neben den ideellen sicherlich auch ökonomische Gründe eine Rolle. Der Dichter wollte und musste sich endlich ein sicheres Jahreseinkommen schaffen. Goethe verdiente damals 10 Mal soviel wie er. Ideelles Ziel dieses ehrgeizigen Projekts war es, die Kulturnation Deutschland, die keine Hauptstadt hatte, nun durch eine Hauptzeitschrift und intellektuelle Zentralisierung zusammenschließen. Die großen Autoren der Zeit und das umfangreiche Gesamtpublikum sollten jene Kulturnation bilden. Schiller träumte, drückt man es vereinfacht aus, von einer kulturellen Vereinigung der Deutschen in einer literarischen Assoziation.

Programmatische Forderungen und Folgen

Die Forderungen der Horen waren relativ genau. Die Zeitschrift sah sich als eine einschließende Vereinigung der schönen und gelehrten Welt, sprach also das gebildete Laienpublikum mit Geschmack am Schönen genauso an, wie die universitäre Forschung. Die Horen sollten die schönen Künste und die Wissenschaften in einem Prozess gegenseitiger Bildung verbinden. Als Thema in der Zeitschrift ausgeschlossen war nur, was ausschließlich den Einzelnen interessierte und was als Zweck allein der Unterhaltung des Lesepublikums dienen würde. Und ausgeschlossen werden musste außerdem, vorzüglich und unbedingt, was das Publikum nicht nur nicht verbinden, sondern die Kulturnation zerreißen konnte. Vor allem also die Politik, aber auch die Religion. Insbesondere fürchtete man die zersetzende Wirkung des postrevolutionären Meinungsstreits. Wichtig ist deshalb zu bemerken, dass die Horen eine Zeitschrift waren, in der die Zeit ausgeschlossen war, ein Journal, welches Politik durch Bildung, Erziehung und Kunst ersetzte. Die Menschheitsgeschichte an sich stand dabei nicht außen vor. So behandelten die Horen die Vergangenheit in der Historie, die Zukunft in der Philosophie, die Gegenwart aber, repräsentiert in der Politik, blieb ausgespart. Denn die Zeitgeschichte, so fürchtete man, würde das Bild des unreinen Parteigeistes ( unrein = Unordnung, Partikularismus) in eine Welt tragen, wo Reinheit (= Unparteilichkeit) als Gesetzmäßigkeit galt. Blieb das Problem als solches deshalb ausgeklammert, suchte man trotzdem nach seiner Lösung. Die Zeitschrift enthält antirevolutionäre Akzente. Als Aufgabe gilt die Förderung wahrer Humanität.

Geschichtsphilosophisches Ideal

Traum von veredelter Menschlichkeit und reinem Humanismus. Der hohe Stellenwert der Kunst ist der, als Vermittlerin der Wahrheit und der Schönheit die Form und den inneren Gehalt zusammenzuführen (Konzept der ästhetischen Erziehung).

Humanitätsphilosophie

Freiheit aus politisch-ideelem Raum im Zeichen von Wahrheit und Schönheit; “Freiheit von politischem zu ästhetischem Konzept”.

Napoleon sagte einst: “Die Politik ist das Schicksal ihrer selbst.” Die Horen ihrerseits sind die “welterhaltende Ordnung aus der alles Gute fließt”. Als Göttinnen sind sie antirevolutionär und voll von schöner Menschlichkeit. Doch zeigt sich in ihnen auch die Flucht der Geister aus der zeitlichen in die überzeitliche Ordnung als Hypothek der deutschen Klassik.