Basis (Vektorraum)
Der mathematische Begriff Basis bezeichnet in der linearen Algebra eine Teilmenge eines Vektorraumes, mit deren Hilfe sich jeder Vektor des Raumes eindeutig durch Koordinaten beschreiben lässt. Wenn Verwechslungen zu befürchten sind, nennt man eine solche Teilmenge auch Hamelbasis.
Definition und grundlegende Begriffe
Eine Basis eines Vektorraums ist eine Teilmenge von mit folgenden gleichwertigen Eigenschaften
Charakterisierende Eigenschaften
- Jedes Element von lässt sich als Linearkombination von Vektoren aus darstellen und diese Darstellung ist eindeutig.
- ist ein minimales Erzeugendensystem von .
- ist eine maximale linear unabhängige Teilmenge von .
- ist ein linear unabhängiges Erzeugendensystem von .
Grundlegende Begriffe
Ein Erzeugendensystem eines Vektorraums ist eine Teilmenge mit der Eigenschaft, dass jeder Vektor von sich als Linearkombination aus darstellen lässt.
Eine Linearkombination aus ist eine endliche Summe skalarer Vielfacher von Elementen aus . Das heißt, sind aus dem Vektorraum und Skalare des Körpers, dann ist eine Linearkombination.
Eine Teilmenge des Vektorraums heißt linear unabhängig, wenn die Darstellung des Nullvektors als Linearkombination von eindeutig ist. Für eine linear unabhängige Teilmenge gilt also: Wenn eine Darstellung des Nullvektors durch eine Linearkombination aus ist, dann folgt daraus, dass alle Skalare gleich 0 sein müssen.
Die Begriffe "maximal" und "minimal" beziehen sich auf die Halbordnung, die durch die Inklusion (Teilmengenrelation) gegeben ist. Eine maximale linear unabhängige Teilmenge von ist also eine linear unabhängige Teilmenge, die keine echte Obermenge hat, welche linear unabhängig ist. Ein minimales Erzeugendensystem von ist ein Erzeugendensystem, das keine echte Teilmenge hat, welche selbst ein Erzeugendensystem von ist.
Die Elemente einer Basis heißen Basisvektoren. Eine Basis lässt sich als Familie von Basisvektoren schreiben; endliche Basen werden dabei oft in der Form geschrieben.
Die Skalare, die in der Darstellung eines Vektors auftreten, nennt man die Koordinaten des Vektors, zusammen bilden sie ihrerseits einen Koordinatenvektor (der allerdings in einem anderen Vektorraum liegt, dem Koordinatenraum).
Weitere wichtige Eigenschaften
- Jeder Vektorraum hat mindestens eine Basis. Eine Beweisidee für diese Aussage ist im Abschnitt Existenzbeweis (Skizze) angegeben.
- Alle Basen eines Vektorraumes enthalten dieselbe Anzahl von Elementen. Diese Anzahl (die auch eine unendliche Kardinalzahl sein kann) nennt man die Dimension des Vektorraums.
- Eine Teilmenge eines -Vektorraumes definiert eine Abbildung
- Diese Abbildung ist genau dann
- Diese Charakterisierung überträgt sich auf den allgemeineren Fall von Moduln über Ringen, siehe Basis (Modul).
Beispiele
- In der Euklidischen Ebene gibt es die so genannte kanonische Einheitsbasis . Darüber hinaus bilden in dieser Ebene zwei Vektoren genau dann eine Basis, wenn sie nicht dieselbe (oder entgegengesetzte) Richtung haben.
- Allgemeiner ist die kanonische Einheitsbasis des Vektorraums die -elementige Menge .
- Der einelementige Vektorraum hat Dimension 0; seine (einzige) Basis ist die leere Menge.
- Als -Vektorraum wird für meist die Basis verwendet. Eine Menge ist genau dann eine Basis von über , wenn keine reelle Zahl ist.
- Als -Vektorraum hat eine Basis, die man aber nicht explizit angeben kann.
- Der Vektorraum der Polynome über einem Körper hat die Basis . Es gibt aber auch viele andere Basen, die zwar umständlicher anzuschreiben sind, aber in konkreten Anwendungen praktischer sind, z.B. die Legendre-Polynome.
- Im Vektorraum der reellen Zahlenfolgen bilden die folgenden Vektoren zwar ein linear unabhängiges System, aber keine Basis, denn es wird zum Beispiel die Folge nicht davon erzeugt:
Beweis der Äquivalenz der Definitionen
Die folgenden Überlegungen skizzieren einen Beweis dafür, dass die vier charakterisierenden Eigenschaften, die in diesem Artikel als Definition des Begriffs Basis genannt werden, äquivalent sind. (Für diesen Beweis wird das Auswahlaxiom oder Lemma von Zorn nicht benötigt.)
- Wenn sich jeder Vektor als Linearkombination von Vektoren in darstellen lässt, dann ist ein Erzeugendensystem (nach Definition).
Wenn nicht minimales Erzeugendensystem ist, dann gibt es eine echte Teilmenge , die auch ein Erzeugendensystem ist. Sei nun ein Element von , welches nicht in liegt. Dann lässt sich auf mindestens zwei verschiedene Arten als Linearkombination von Vektoren in darstellen. Nämlich einmal als Linearkombination von Vektoren in und einmal als . Es ergibt sich ein Widerspruch und daher ist minimal.
Also gilt (1) → (2).
- Jedes minimale Erzeugendensystem muss linear unabhängig sein. Denn wenn nicht linear unabhängig ist, dann gibt es einen Vektor in , welcher sich als Linearkombination von Vektoren in darstellen lässt. Dann aber lässt sich jede Linearkombination von Vektoren in auch durch eine Linearkombination von Vektoren in umschreiben und wäre nicht minimal.
Also gilt (2) → (4).
- Jedes linear unabhängige Erzeugendensystem muss eine maximale linear unabhängige Menge sein. Wäre nämlich nicht maximal linear unabhängig, so gäbe es ein (das nicht in liegt), welches zusammen mit linear unabhängig wäre. Aber lässt sich als Linearkombination von Elementen von darstellen, was der linearen Unabhängigkeit widerspricht.
Also gilt (4) → (3).
- Ein maximal linear unabhängiges System ist ein Erzeugendensystem. Sei ein beliebiger Vektor. Wenn in enthalten ist, dann lässt sich als Linearkombination von Elementen von schreiben. Wenn aber nicht in enthalten ist, dann ist die Menge eine echte Obermenge von und damit nicht mehr linear unabhängig. Die Vektoren , die in einer möglichen lineare Abhängigkeit vorkommen, können nicht alle aus sein, daher muss einer davon (sagen wir ) gleich sein, mit ungleich 0.
Daher ist .
Also gilt (3) → (1).
Existenzbeweis (Skizze)
Mit dem Lemma von Zorn kann man beweisen, dass jeder Vektorraum eine Basis haben muss, auch wenn man sie oft nicht explizit angeben kann. (Umgekehrt kann man aus dem Satz, dass jeder Vektorraum eine Basis hat, auch das Auswahlaxiom oder das Lemma von Zorn beweisen. Daher kann man in einer Mengenlehre ohne das Auswahlaxiom oder äquivalente Aussagen nicht beweisen, dass jeder Vektorraum eine Basis hat.)
Es folgt eine kurze Darstellung des Beweises (für die lange Variante vgl. die Diskussionsseite zu diesem Artikel!).
Sei ein Vektorraum. Man möchte eine maximale linear unabhängige Teilmenge des Vektorraums finden. Es liegt also nahe, das Mengensystem
- linear unabhängig
zu betrachten, das durch die Relation halbgeordnet wird.
Man kann nun leicht zeigen:
- ist nicht leer (zum Beispiel enthält die leere Menge. Besteht nicht nur aus dem Nullvektor, dann ist zusätzlich auch jede Einermenge mit in und ein Element von .
- Für jede Kette ist auch in .
Aus dem Lemma von Zorn folgt nun, dass ein maximales Element hat. Es folgt sogar, dass jedes Element von in einem maximalen Element von enthalten ist. Die maximalen Elemente von sind nun aber genau die maximalen linear unabhängigen Teilmengen von , also die Basen von . Daher hat eine Basis und es gilt darüber hinaus, dass jede linear unabhängige Teilmenge von in einer Basis von enthalten ist.
Weitere Aussagen über Basen
- Austauschlemma von Steinitz (nach E. Steinitz): Sind eine Basis eines Vektorraumes und ein weiterer vom Nullvektor verschiedener Vektor aus , so kann man einen der Basisvektoren gegen "austauschen", d.h. es existiert ein Index , so dass ebenfalls eine Basis von ist.
Diese Aussage wird häufig dazu benutzt, um zu zeigen, dass alle Basen eines Vektorraumes aus der gleichen Anzahl an Vektoren bestehen. - Jeder Vektorraum ist ein freies Objekt über seiner Basis. Dies ist eine universelle Eigenschaft von Vektorräumen im Sinne der Kategorientheorie. Konkret heißt dies:
- Eine lineare Abbildung eines Vektorraums in einen anderen Vektorraum ist bereits durch die Bilder der Basisvektoren vollständig bestimmt.
- Jede beliebige Abbildung der Basis in den Bildraum definiert eine lineare Abbildung.
- In einem -dimensionalen Vektorraum über einem endlichen Körper mit Elementen gibt es
- verschiedene Basen.
Basisbegriffe in speziellen Vektorräumen
Reelle und komplexe Vektorräume tragen meist zusätzliche topologische Struktur. Aus dieser Struktur kann sich ein Basisbegriff ergeben, der vom hier beschriebenen abweicht.
Abweichender Basisbegriff in Innenprodukträumen
Beim Studium von reellen oder komplexen Innenprodukträumen, besonders von Hilberträumen gibt es noch eine andere, dort zweckmäßigere Art, die Elemente des Raumes darzustellen. Eine Basis besteht dabei aus paarweise orthogonalen Einheitsvektoren, und es werden nicht nur endliche, sondern auch unendliche Summen (sog. Reihen) von Basisvektoren zugelassen. Ein solches vollständiges Orthonormalsystem ist in einem unendlichdimensionalen Raum im allgemeinen keine Basis im hier definierten Sinne, zur besseren Unterscheidung spricht man auch von Schauderbasis. Der im vorliegenden Artikel beschriebene Basis-Typ wird zur Unterscheidung auch Hamelbasis genannt.
Abgrenzung der Basisbegriffe
- Sowohl eine Hamelbasis als auch eine Schauderbasis ist eine linear unabhängige Menge von Vektoren.
- Eine Hamelbasis oder einfach Basis, wie sie in diesem Artikel beschrieben ist, bildet ein Erzeugendensystem des Vektorraums, d. h. ein beliebiger Vektor des Raums lässt sich als Linearkombination aus endlich vielen Vektoren der Hamelbasis darstellen.
- Bei einem endlichdimensionalen reellen oder komplexen Innenproduktraum ist eine Ortonormalbasis (d. h. ein minimales Erzeugendensystem aus normierten, zueinander senkrechten Vektoren) zugleich Hamel- und Schauderbasis.
- Bei einem unendlichdimensionalen, vollständigen reellen oder komplexen Innenproduktraum (speziell also in einem unendlichdimensionalen Hilbertraum) ist eine Schauderbasis nie eine Hamelbasis und umgekehrt. Im unendlichdimensionalen Fall lässt sich eine Hamelbasis häufig nicht einmal orthonormieren.
- In Hilberträumen ist mit Basis (ohne Zusatz) meistens eine Schauderbasis gemeint, in Vektorräumen ohne Innenprodukt immer eine Hamelbasis.
Auerbachbasen
Eine Auerbachbasis ist eine Hamelbasis in einem normierten Vektorraum, die zusätzliche Verträglichkeitseigenschaften mit der Norm des Raums aufweist.